Protokoll der Sitzung vom 15.11.2006

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir alle sehen die Entwicklung des Rechtsextremismus mit Sorge. Ich denke, dass Parlament und Regierung an einem Strang ziehen. Dieser Strang wird stark genug sein, um der Bedrohung von Rechts Herr zu werden. Davon bin ich zutiefst überzeugt.

Vielen Dank.

(Beifall der FDP und bei SPD und CDU)

Herr Kollege Bruch hat das Wort.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Sie haben die heutige Sitzung zum Anlass genommen, eine Aktuelle Stunde zu einem sehr konkreten Vorfall zu beantragen, nämlich zur Auflösung einer rechtsextremen Veranstaltung am letzten Wochenende in Rheinland-Pfalz.

Ich denke, es ist gut, dass wir diese Aktuelle Stunde haben, weil es mir Gelegenheit gibt, noch einmal auf die Frage einzugehen, die immer wieder gestellt wird – auch im Zusammenhang mit aktuellen Diskussionen über ein NPD-Verbot –: „Was unternimmt der Staat, um gegen rechtsextreme Bestrebungen – über linke Bestrebungen könnte man natürlich auch reden – vorzugehen?“

(Vizepräsidentin Frau Klamm übernimmt den Vorsitz)

Was macht er? Welche Strategien verfolgt er? Verfolgt er überhaupt welche oder sagt er immer nur, auch die Gesellschaft, auch die Menschen und die Parteien müssen etwas tun?

Herr Kollege Auler hat darauf hingewiesen. Im Zusammenhang mit dem NPD-Verbotsantrag, der jetzt wieder diskutiert wird, wird mir auch diese Frage gestellt: Was bringt ein NPD-Verbot? Wollen Sie ein NPD-Verbot?

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wer sich anschaut, dass wir seit 1991 in Deutschland etwa – ich zähle jetzt keine Körper – 120 Tote haben, die im Bereich rechtsextremer Gewalt ums Leben gekommen sind, Menschen, die ermordet oder in den Tod getrieben worden sind, dann meine ich schon, dass es nicht unbedingt darauf ankommt, formale Voraussetzungen zu schaffen.

Der damalige Spruch des Bundesverfassungsgerichts ist nicht an der Frage der materiellen Prüfung, ob ein NPDVerbot notwendig sei, sondern an der Frage, ob sich der Staat in irgendeiner Form vorher eingebracht habe, gescheitert. Sie erinnern sich an die Quellendiskussion. Deshalb ist es überhaupt nicht zu einem Verfahren gekommen.

Wir sind schon der Meinung, dass wir alles tun müssen, um zu sammeln und gegen die NPD vorzugehen. Ich schließe auch ein Verbotsantrag oder ein Verbotsverfahren durchaus nicht aus, wenngleich ich sehr wohl weiß, dass damit die rechte Gesinnung, die es möglicherweise bei uns oder in ganz Europa gibt, nicht beseitigt ist.

In der Zeit, als die NPD noch verboten war – das gab es auch schon einmal – hatten wir durchaus auch rechtsextreme Bestrebungen in diesem Land und auch in der Bundesrepublik. Ich denke aber, dass wir uns über die Frage Gedanken machen müssen: Ist der Staat richtig aufgestellt? Was tut der Staat, und wie hat er sich entsprechend zu verhalten?

Die Polizei in Rheinland-Pfalz hat seit Jahren eine Anweisung des Innenministeriums, auf der sogenannten niedrigstschwelligen Eingreifstufe sofort zu handeln, wenn es zu rechtsextremen Umtrieben kommt. Es gilt: Null Toleranz für rechte Gewalt. Null Toleranz!

(Beifall der SPD und der FDP)

Die Anweisung des damaligen Innenministers habe ich gegenüber der rheinland-pfälzischen Polizei wiederholt, sobald es Hinweise gibt, einzuschreiten, aufzuklären und zu ermitteln. Dies gilt auch für die Gemeinden, die in der letzten Zeit durch Diskussionen über eventuelle Ansiedlungen der NPD oder Ähnliches betroffen waren. Auch dort galt und gilt, die Polizei schaut nicht nur genau hin, sondern sie klärt auf und wird tätig. Ich sage nachher noch etwas zu den einzelnen Instrumenten.

Wir haben an diesem Wochenende in der Nähe von Bad Dürkheim einen Fackelmarsch von 88 Rechten aufgelöst. 39 Beamtinnen und Beamte der Polizeidirektion Neustadt waren innerhalb weniger Stunden im Einsatz. Ich kann mich eigentlich nur dafür bedanken. Es hört sich etwas komisch an, wenn sich der Innenminister bei seinen eigenen Beamtinnen und Beamten bedankt. Aber es wird konsequent umgesetzt, und es wurde auch nicht gefragt: Gibt es Menschen, die ich aus der Präsidialreserve hole? Gibt es Menschen, die ich über den Schichtdienst hinaus einsetze? – Vielmehr war die Frage: Wie können wir das lösen? – Es ist mit 39 Beamtinnen und Beamten gelöst worden. Einige aus dem Fackelmarsch, die Straftaten begangen haben, wurden auch ermittelt, und entsprechende strafbare Handlungen werden verfolgt.

Das Skinhead-Konzert, auf das Herr Kollege Schnabel hingewiesen hat, ist zeitgleich gelaufen. Dort waren in kurzer Zeit über 200 Beamtinnen und Beamte im Einsatz. Diese Beamtinnen und Beamten haben festgestellt, dass es sich um ein Skinhead-Konzert mit rechtsextremem Liedgut, mit Rassenhass und mit verfassungswidrigen Symbolen handelt. Auch dort hat die Polizei die Situation über eine lange Zeit bis hin zu dieser Einsatzbewältigung verfolgt. Man muss dazu sagen, dass das Konzert eigentlich ganz woanders, nämlich in Stromberg, stattfinden sollte.

Meine Damen und Herren, dies zeigt, dass wir konsequent sind. Es gab 109 Platzverweise, und es laufen mehrere Ermittlungsverfahren in diesem Bereich. Das heißt, die Polizei arbeitet konsequent genau an dieser Null-Toleranz-Grenze. Nun werden Sie mich fragen: Wie geht das?

Meine Damen und Herren, wir richten uns strikt nach den Vorgaben der Strafprozessordnung und des Polizei- und Ordnungsbehördengesetzes. Wir werden tätig, sobald wir merken, dass es Möglichkeiten gibt, bei denen Menschen in diese Richtung driften oder aktiv werden.

Um es einmal etwas salopp zu sagen, wir vermiesen den Rechten schon, dass sie sich in Rheinland-Pfalz treffen können. Wir gehen dem nach, und wir kontrollieren Fahrzeuge und Personen. Wir sagen ihnen: Ihr seid eigentlich nicht erwünscht. – Wir sprechen übrigens

auch sogenannte Gefährder, also Menschen, die eine Multiplikatorenfunktion in diesem Bereich wahrnehmen, an.

Meine Damen und Herren, was tut der Staat? – Ich habe auf unsere rechtlichen Grundlagen hingewiesen. Wir gehen in diesen Rechtsfragen sehr konsequent vor und lassen uns auch nicht dadurch davon abhalten, dass die Rechten sich oftmals auch juristischen Beistand holen. Bisher waren wir immer auf der Seite derjenigen, die zum Schluss sagen konnten: Der Rechtsstaat hat sich durchgesetzt, und unsere Rechtsmeinung wurde bestätigt.

(Beifall der SPD und der FDP)

Auch den Gerichten und der Justiz muss man ein großes Lob zollen, die in all diesen Fragen Notstaatsanwälte oder Haftrichter zur Verfügung stellen. Wir pflegen in diesem Bereich ein sehr gutes Miteinander.

Meine Damen und Herren, der Staat ist gefordert. Man muss Solidarität zeigen. Wenn Menschen befürchten, dass sich die NPD irgendwo ein Haus kauft, fragen sie sich natürlich: Was geschieht da? Was tut der Bürgermeister oder die Bürgermeisterin? Was tut die Polizei, und was macht die Ordnungsbehörde? – Dort muss die Polizei hineingehen, und wir beraten dort. Wir beraten durch den Verfassungsschutz, durch den Staatsschutz und durch die Polizei. Wir beraten die Ordnungsbehörden, wo ihre Einsatzmöglichkeiten sind und wie die Schwellen sind, wann sie was tun können und wie es mit der Personalfeststellung aussieht. Wir gehen sehr konsequent in diesen Fragen vor, und wir machen keinen Hehl daraus. Wir tun dies nicht im stillen Kämmerlein. Die Rechten – und im Übrigen auch die Linken – müssen damit rechnen, dass etwas passiert, und es geschieht dann auch. In diesem Bereich sind wir in Rheinland-Pfalz gut aufgestellt.

Das Ergebnis ist auch sichtbar. In der letzten Woche wurde von der gesamten Presse abgefragt, wie es mit Straftaten im rechten Spektrum aussieht, Körperverletzung, Propaganda und anderen Straftaten. Wir sind das einzige Land in der Bundesrepublik Deutschland, das rückläufige Zahlen hat. Hessen hat stagnierende Zahlen, wir haben im Moment rückläufige Zahlen.

Ich sage nicht, dass ich damit zufrieden bin. Ich sage nicht, dass damit alles in Ordnung wäre. Aber ich sage, es hat offenbar eine Wirkung, wie wir damit umgehen, dass wir politisch damit umgehen und ein Landtag bereit ist, darüber zu diskutieren und einvernehmlich zu sagen: Wir stehen dagegen. – Ich denke, das alles hat Wirkung.

Meine Damen und Herren, dazu gehört aber auch, dass wir uns Gedanken über die Frage der Prävention machen. Herr Abgeordneter Hüttner hat auf die SchulhofCD hingewiesen. Das Innenministerium hat gemeinsam mit dem Bildungsministerium sehr frühzeitig die Direktorinnen und Direktoren darauf hingewiesen, dass etwas auf sie zukommen könnte. Wir haben darum gebeten, uns anzurufen, wenn dies der Fall ist, damit wir einschreiten können, und wir sind eingeschritten. Es muss ein breites Feld sein und nicht nur verengt auf die Möglichkeiten der Polizei.

Dazu gehört aber auch, dass wir uns Gedanken über die Prävention machen müssen. Was geschieht davor? Wie informieren wir diejenigen, die möglicherweise durch rechtsextremes Gedankengut gefährdet sind? – Es ist alles sehr schön. Es ist alles sehr einfach zu regeln. Wir leben in einer Demokratie, und wir sind ein hochmoderner Staat. Es ist nicht alles so einfach zu machen, und wenn es einfache Antworten gibt, ist das zunächst einmal interessant und möglicherweise anziehend.

Deswegen bin ich schon der Meinung, dass es gut ist, dass wir viele Initiativen ergreifen, die zum Teil in verschiedenen Ministerien laufen, die aber gebündelt werden. Wir haben eine Bündelung nicht nur über das Innenministerium, sondern auch über das Kultus- und das Schulministerium. Ich nenne beispielhaft das Projekt „EASI“, bei dem es um Information geht, das Projekt „Prävention im Team“ sowie das Projekt „Netzwerk für Demokratie und Courage“, bei dem wir mit dem DGB und anderen klar gemacht haben, dass Möglichkeiten in den Schulen bestehen.

Über 100 junge Multiplikatorinnen und Multiplikatoren gehen in die Schulen und geben dort Informationen, wenn es um rechte und auch linke Gewalt geht. Meine Damen und Herren, von daher denke ich, wir tun all das, was notwendig ist. Ich denke auch, das hat Wirkung. Ich glaube auch, dass wir in Rheinland-Pfalz etwas tun, was angebracht ist. Nach meiner Meinung gehört es zu unserem Handwerk, unsere Grundwerte offensiv zu verteidigen.

Vielen Dank.

(Beifall der SPD und der FDP)

Vielen Dank, Herr Staatsminister Bruch. Das Wort hat nun der Abgeordnete Michael Hüttner.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich freue mich, dass wir alle so einmütig zu diesem Thema stehen, wie es notwendig ist, und in dieser Frage kein Blatt Papier zwischen uns passt, dass wir den Rechtsextremismus bekämpfen müssen.

Gestatten Sie mir noch einige wenige Anmerkungen. Dass wir einen Handlungsbedarf haben, hat zuletzt erschreckend eine Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung aufgezeigt, nach der 27 % fremdenfeindlich sind. Das muss uns ungemein zu denken geben.

Wir müssen insgesamt gesellschaftliche Bündnisse daraus knüpfen. Herr Minister Bruch hat es soeben angedeutet: Wir müssen die Politik, die Schulen, die Vereine, die Kirchen, die Gewerkschaften und alle anderen Partner an einen Tisch bekommen bzw. über Multiplikatorensysteme diese Dinge nach außen tragen.

(Beifall der SPD)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir müssen dabei im Kleinen anfangen. Sowohl die öffentliche Hand als auch die Privaten müssen in Miet- und Pachtverträgen regeln, dass solche Gruppierungen keine Hallen mieten können. In Schul- und Hausordnungen muss geregelt werden: Wer rechtsextreme Kleidung trägt, wird mit einem Hausverbot belegt. In Satzungen von Vereinen, Verbänden und anderen Institutionen muss aufgenommen werden: Wer eine solche Gesinnung hat, muss aus dem Verein ausgeschlossen werden. Die passenden Beispiele dafür gibt es.

Wir müssen alle legitimen Mittel ergreifen – da bin ich dem Minister dankbar –, ob das nun ein Verbotsverfahren ist, ob das unser Polizei- und Ordnungsgesetz ist, ob das die Strafprozessordnung ist, ob es Geschäftsordnungen, Satzungen, Verträge oder was auch immer sind. Wir müssen alle Möglichkeiten schaffen, damit wir letztendlich konsequent solidarisch null Toleranz gegenüber dem Rechtsextremismus zeigen und das alles umsetzen können.

Herzlichen Dank. (Beifall der SPD)

Ich erteile Herrn Kollegen Schnabel das Wort.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! In Anbetracht der noch wirklich kurzen Redezeit, die ich habe, nur noch eine Bemerkung zu der Frage des NPDVerbots. Die Diskussion hierüber geht quer durch alle Parteien. Wir brauchen uns gegenseitig nichts zu erzählen, wer wo was wie in der Frage gefordert hat. Es ist für mich aber immer wieder ein neues Ärgernis, wenn ich mir vorstelle, dass unsere Bürgerinnen und Bürger im Rahmen der Parteienfinanzierung für die Partei der NPD immer noch Geld aufbringen müssen.

(Ministerpräsident Beck: Das ist wohl wahr!)

Insbesondere ist es ärgerlich, dass unsere Polizei diese Gruppierungen bei den entsprechenden Veranstaltungen und Aufmärschen immer noch begleiten muss. Ich glaube, das ist schon ein Ärgernis.

Wir wissen alle, wie schwierig ein Verbot derzeit durchzusetzen ist. Wir kennen die Situation, zweifelsohne auch im Zusammenhang mit der Zurückziehung des Verfassungsschutzes. Das ist alles mehr als bekannt. Ich denke aber, die demokratischen Parteien in Deutschland dürfen sich nicht mit dem Nasenring durch die Arena ziehen lassen. Hier müssen alle demokratischen Kräfte zusammenstehen. Ich denke – das möchte ich als letzten Satz noch anfügen –, die bitteren Erfahrungen aus Weimar verpflichten uns alle dazu.

Ich bedanke mich.

(Beifall bei der CDU und des Abg. Schweitzer, SPD)

Ich erteile Herrn Abgeordneten Auler das Wort.