Protokoll der Sitzung vom 26.01.2011

Zur Konsequenz: Wir hatten in erster Konsequenz zu einem Sofortprogramm gegriffen, das einmal hieß – und zwar in sehr enger Abstimmung zwischen Landwirtschaftsminister und Verbraucherministerin –, erstens möglichst schnell Klarheit zu schaffen, im Übrigen auch für die möglicherweise betroffenen Betriebe im direkten Kontakt.

Zweitens haben wir eine Infohotline mit einem Infotelefon geschaltet, um den Bedürfnissen nach Information bei verunsicherten Verbrauchern und Verbraucherinnen, aber auch bei den vielen kleinen Betrieben Rechnung zu tragen. Über 200 Anrufe pro Tag am Anfang unterstreichen, dass das richtig und sinnvoll war.

Drittens habe wir eine Internetinformation geschaltet, die kontinuierlich aktualisierte Erkenntnisse – vor allen Dingen auch aus den anderen Bundesländern – darstellt.

Viertens haben wir Kontrollen vor allen Dingen in den sensiblen und großen Betrieben bei Futtermitteln wie aber auch zum Beispiel Molkereien durchgeführt.

Ich habe dann im Laufe der Zeit auch ein Sofortprogramm „Dioxinmessungen in Schlachthöfen und Zerlegebetrieben“ angeordnet. Letzteres geschah im Übrigen auch deswegen, weil wir unseren Beitrag dazu leisten wollten, möglichst schnell wieder die Märkte und die Verbraucher und Verbraucherinnen zu beruhigen.

(Vereinzelt Beifall bei der SPD)

Ich kann Ihnen heute auch die ersten Ergebnisse nennen. Die ersten zwei Untersuchungsserien liegen vor. Das heißt, wir können heute Entwarnung für 18 von 27 Proben geben. Sie liegen deutlich unterhalb des Grenzwertes.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, aber wer mit der Materie vertraut ist, der wusste von Anfang an, dass es wahrscheinlich ein Skandal von erheblicher Dimension für Landwirtschaft und die Verbraucher und Verbraucherinnen wird. Das war für uns Handlungsgrundlage, aber wir können nicht feststellen, dass das Handlungsgrundlage und Erkenntnis bei der Bundesregierung, beim Bundesverbraucherministerium, gewesen ist. Ich kann nur noch einmal wiederholen: Mit Abwarten, Abtauchen und dann mit dem Finger auf die Länder zu zeigen, waren wir am Anfang konfrontiert.

(Schweitzer, SPD: So ist es! – Fuhr, SPD: Typisch!)

Dann wurde die Parlamentarische Staatssekretärin vorgeschickt, die sichtlich überfordert

(Pörksen, SPD: Wer ist das denn? – Bracht, CDU: Jetzt sind Sie endlich da, wo Sie hinwollten, die ganze Zeit schon!)

ich habe mir das in der Tat damals auch angeschaut – dann der erstaunten Öffentlichkeit erklärt, Dioxin sei ein

Stoff, den man nicht ohne Bedenken zu sich nehmen sollte.

(Schweitzer, SPD: Das ist toll!)

Ich kann das nur noch einmal wiederholen. Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, so flapsig und so schnoddrig kann man sich vielleicht bei Harald Schmidt oder auch bei Stefan Raab unterhalten,

(Pörksen, SPD: Sehr richtig!)

aber nicht, wenn es darum geht, dass die erste und oberste Verbraucherministerin am Anfang eines solchen Skandals die Öffentlichkeit zu informieren hat.

(Beifall bei der SPD – Bracht, CDU: Im Parlament sollte man das erst recht nicht tun, Frau Ministerin!)

Das heißt, an der Stelle wäre klar, ruhig und fachlich kompetent wesentlich wichtiger gewesen.

(Pörksen, SPD: Haben Sie das gesehen? Das war doch peinlich!)

Aber das war ja nicht alles, was ich dann hier feststellen musste. Dann hat eine wahlkämpfende Parlamentarische Staatssekretärin gemeint, sie müsste auch noch meine Arbeit hier in Rheinland-Pfalz übernehmen, und gibt dann vorzeitig Entwarnung – ich habe es morgens in der Presse gelesen –, dass doch gar keine belasteten Lebensmittel nach Rheinland-Pfalz gekommen wären. Wer etwas Ahnung von der Materie hat, der wusste, dass es zu einem Zeitpunkt, zu dem wir erst am Anfang der Untersuchungen standen und noch Tausende Betriebe gesperrt waren, wahrscheinlich nur eine Frage der Zeit ist, bis wir etwas in Rheinland-Pfalz finden. Ich musste das dementieren. Ich habe das am selben Tag dementiert.

(Bracht, CDU: Wieso haben Sie das nicht ver- hindert, wenn Sie das alles wussten?)

Vier Stunden später hatten wir – ich weiß es nicht genau, aber ein par Stunden später – dann auch die belasteten Eier in Rheinland-Pfalz entdeckt.

(Pörksen, SPD: Wahrscheinlich Sie die reinge- schmuggelt!)

Der dritte Punkt, den ich in der Tat auch der Hausspitze in Berlin vorwerfe, ist die totale Verkennung, was von Anfang an notwendig gewesen wäre. Ich habe zusammen mit meinem Kollegen Hendrik Hering bereits am 6. Januar darauf gedrängt, dass es eine gemeinsame Agrar- und Verbraucherministerkonferenz gibt, weil wir erstens wussten, wir müssen uns zusammensetzen und auch ein Signal geben, und zweitens, weil innerhalb der ersten Woche annähernd klar gewesen war, wo eigentlich die Handlungsnotwendigkeiten bestehen und welche Konsequenzen zu ziehen sind. Ich habe bereits am 11. Januar eine abgestimmte Position – zumindest in den Bausteinen – im Ausschuss genannt, die auch

Grundlage des Programms war, welches wir dann in derselben Woche der Öffentlichkeit vorgestellt haben.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, weder Frau Aigner, die Union und die FDP – das muss ich echt sagen –, sind diesem Ansinnen entgegengekommen. Ich habe mich nur noch gewundert. Ich habe gedacht, ich renne mit einem solchen Ansinnen offene Türen ein. Es wurde geblockt, nicht für nötig gehalten, es sei noch zu früh, und dann hat man plötzlich ein Aktionsprogramm vorgestellt in der Hoffnung, man käme den Ländern zuvor. Das war alles auf dem Markt, meine sehr verehrten Damen und Herren. Aber es geht mir da gar nicht darum zu sagen, wer der Erste war.

(Heiterkeit bei der CDU)

Eigentlich ist es eine blöde Diskussion.

(Zuruf des Abg. Bracht, CDU)

Es geht mir darum, weil es permanent von Berlin gesagt wird. Ich habe heute gelesen, dass die Parlamentarische Staatssekretärin in Berlin gesagt hat, sie müsste jetzt noch das vom Bundesverbraucherministerium initiierte Aktionsprogramm auf den Weg bringen. Deshalb könne sie wohl erst am 15. Februar zurücktreten. Das ist doch absurd in dieser Situation. Warum kann man nach einer solchen Konferenz nicht einmal sagen, Bund und Länder – und im Übrigen Länder und Bund – haben gemeinsam ein Konzept auf den Weg gebracht. Es ist auch kein Aktionsprogramm. Das ist ein falscher Begriff.

(Bracht, CDU: Alles falsch!)

Es ist ein Handlungskonzept, welches in der Summe bedeutet, mehr Sicherheit für Verbraucher und Verbraucherinnen, für Futtermittelindustrie, eine klare Ansage auch an die Futtermittelwirtschaft, dass wir kriminelle Akte nicht dulden und versuchen, das Netz so dicht zu knüpfen, dass sie entdeckt werden, Verstöße mit härteren Strafen verbunden sein werden. Es ist ein gemeinsames Konzept zur Beruhigung der Märkte.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich gehe davon aus, mein Kollege Hering wird noch auf die Details in einigen Punkten eingehen. Aber eines will ich Ihnen auch sagen. Wenn Sie das vergleichen, können Sie feststellen, dass Ihnen vieles, was in diesem Konzept steht, bereits im Ausschuss vorgetragen worden ist. Es wird keine Verschiebung von Kompetenzen zwischen Bund und Land gegeben. Auch diese Diskussion war eine solche totale Fehlleistung, statt zu handeln. Zehn von 14 Punkten in diesem Handlungskonzept sind in der Verantwortung vor allem des Bundes umzusetzen.

Sich zunächst einmal darauf zu konzentrieren, was man selbst tun kann in diesen Bausteinen und dann immer wieder – und das auch im Nachhinein – auf die Länder zu schielen, das ist absurd.

(Bracht, CDU: Absolut absurd!)

Wir haben das zugestanden, was wir vorgeschlagen haben, auch vonseiten der Länder. Ja, auch bei uns sind wir bereit, die Konsequenzen zu ziehen, und wir sind

nicht zu stolz, das auch zuzugeben und immer wieder zu betonen.

(Beifall des Abg. Pörksen, SPD)

Ich kann zum Schluss noch dafür plädieren, dass wir das Konzept zügig umsetzen. Das betrifft alle Beteiligten, jede und jeden in ihrer oder seiner Verantwortung. Wir werden mit Spannung die Frage erleben können, wie das, was wir jetzt gemeinsam beschlossen haben, auch in dieser Koalition von FDP und CDU im Bund tatsächlich vom Kabinett umgesetzt werden wird.

Meine Damen und Herren, einer Debatte haben Sie sich verweigert.

(Ministerpräsident Beck: Die streiken doch schon wieder!)

Das ist zum Beispiel die Frage, die wir – ich spreche hier auch für die SPD-geführten Länder – gern angestoßen hätten, weil das auch der Verbraucher und die Verbraucherin, aber auch die Landwirtschaft verdient haben, dass wir uns einmal perspektivisch darüber verständigen: Wohin soll die Landwirtschaft sich entwickeln, auch im Interesse der Verbraucher, auch im Interesse der bäuerlichen Landwirtschaft, oder im Interesse zum Beispiel des Tierschutzes? Wir wollten das auf den Weg bringen, aber FDP und CDU haben eine solche Entscheidung verhindert. Deswegen ist es nur eine Protokollerklärung bei diesem 14-Punkte-Programm geworden.

(Zurufe von der CDU: Oh! – Zuruf des Abg. Eymael, FDP)

Auch das ist eine Debatte, der Sie nicht ausweichen können; der müssen Sie sich stellen, ob Sie wollen oder nicht.

Vielen Dank.

(Beifall der SPD)

Das Wort hat Herr Abgeordneter Wehner von der SPDFraktion.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Wieder einmal stehen wir vor einem Scherbenhaufen. Wir, das sind nicht nur die Verbraucher und Verbraucherinnen, die Landwirte und die Landwirtinnen, nein, das ist auch ein Teil der politisch Handelnden gerade auf Bundesebene. Wieder ist ein Stück Vertrauen in unsere Lebensmittel verloren gegangen, weil durch Profitgier und kriminelle Methoden zuerst Futtermittel und dann Nahrungsmittel verseucht wurden. Jetzt üben sich Verbraucher in Kaufzurückhaltung. Es kam zum Exportstopp von Schweinefleisch, und dann stürzten die Preise in den Keller. Viele Schweinehalter, ob Mäster oder Aufzuchtbetriebe, stehen vor dem Ruin. Das trifft

viele von ihnen bis ins Mark. Das ist aus Sicht der Landwirtschaft eine mittlere Katastrophe. Deshalb, Frau Kollegin Schäfer, ist es kein Wahlkampfthema von uns, sondern ein Thema, welches den Landwirten vor Ort auf den Nägeln brennt, und wir kümmern uns darum.