Protokoll der Sitzung vom 25.04.2007

Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Schmitz.

Herr Präsident, meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Frau Ministerin, ich habe den Kopf in beide Richtungen bewegt. Ja, es gibt einen Euro-EBM, der in der Tat das Morbiditätsrisiko, wie es so schön heißt, auf die Kassen verlegt. Ich habe den Kopf in die andere Richtung bewegt, als Sie versucht haben, vom Kuchen abzulenken. Herr Kollege Pörksen muss schon 1,6 % höhere Beiträge bezahlen. Was wollen Sie ihm denn doch noch als AOK-Versichertem zumuten?

(Pörksen, SPD: Das ist doch eine Frechheit! Warum das denn?)

Wir lesen doch alle nasenlang, dass die Entschuldung der AOK zusammen mit drei anderen Allgemeinen Ortskrankenkassen in der Bundesrepublik nicht so schnell wie in den übrigen Bundesländern vorangeht. Das Geld, das als Beitrag hereinkommt, ist trotz des Konjunkturaufschwungs begrenzt. Von daher haben wir beide recht. Einigen wir uns darauf.

Ich möchte noch einen Punkt ansprechen, Frau Ministerin, und habe dazu auch eine Bitte. Versuchen Sie nicht, die Dinge von sich wegzudrücken und schönzureden. Ich unterstelle Ihnen das nicht, dass Sie das wollen. Sie wissen doch aber ganz genau, dass die Beschreibung der Durchschnittszahlen auch eine statistische Aufblähung darstellt. Da geht zum Beispiel der Effekt der zunehmenden Niederlassung psychologischer Psychotherapeuten – so heißen sie normal – ein, was mit der Hausarztdichte und der übrigen Facharztdichte überhaupt nichts zu tun hat.

Wir haben mehr angestellte Ärzte. Wir haben mehr Teilzeitärzte, und wir haben mehr Ärzte mit grenzwertigen

Deutschsprachkenntnissen. Das ist auch etwas, was uns Sorge machen sollte.

(Dr. Rosenbauer, CDU: So ist es!)

Wenn Ihre Parteifreundin Frau Schmidt, die berühmte Ulla Schmidt, mit den Äußerungen zitiert wird, einem Drittel der Ärzte geht es blendend, ein Drittel hat aus verschiedensten Gründen Existenznöte, und der Rest fürchtet, in die untere Gruppe abzurutschen, dann ist das für mich kein Hinweis darauf, dass der Ärzteberuf kurzfristig attraktiver wird.

Was wollen wir für die rheinland-pfälzische Bevölkerung? Ganz einfach, eine adäquate Versorgung mit dem Arzt ihres Vertrauens, mit gut ausgebildeten Ärzten,

(Glocke des Präsidenten)

mit vernünftig erreichbaren Ärzten und mit Ärzten, die auch der deutschen Sprache mächtig sind.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der FDP)

Meine Damen und Herren, wir sind damit am Ende des ersten Teils der aktuellen Stunde.

Ich rufe den zweiten Teil der

AKTUELLEN STUNDE

auf:

„Gewährleistung der Inneren Sicherheit – Wahrung rechtsstaatlicher Grundsätze“ auf Antrag der Fraktion der SPD – Drucksache 15/1015 –

Ich erteile Herrn Kollegen Hartloff das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! In Kürze wird den Kindern ein Chip implantiert. Mit diesem Chip, der natürlich auf Geodatenbasis gestützt ist, kann man jederzeit aufrufen, wann wer wo ist. Man kann wissen, was er vielleicht denkt und was er plant. Wir speichern dies.

Sie mögen sagen: Von was erzählt Herr Hartloff da?

(Baldauf, CDU: Das ist wohl wahr!)

Ich darf Ihnen vielleicht dazu aus der „ZEIT“ zitieren, um zu zeigen, dass es gar nicht so irreal ist, dass solche Entwicklungen kommen:

„Funkchip I: Schaurig“, überschrieben „Macher und Märkte“.

„Die amerikanische Firma Verichip aus Delray Beach, Florida, möchte ab sofort mit neuen Ideen in der amerikanischen Einwanderungsdebatte punkten: In einer Lobbykampagne will sie Washingtoner Abgeordnete davon überzeugen, jedem Wanderarbeiter einen speziellen Chip zu implantieren. ‚Davon hätten auch die Immigranten etwas’, sagt der Firmenchef Scott Silverman. ‚Schließlich kann man einen herkömmlichen Pass verlieren’.“

Es geht auch unter die Haut, wie man das macht. Jetzt sagen Sie, das ist ganz fern, und das ist ein ganz anderes Land und hat mit unserer Welt überhaupt nichts zu tun. Was ich hiermit illustrieren möchte, ist Folgendes: Wir haben eine ganz schnelle Entwicklung technischer Art, die es ermöglicht, an Informationen jeglicher Art über Bürgerinnen und Bürger zu gelangen. Wir haben natürlich als Staat die Aufgabe – dieser Aufgabe stellen wir uns –, Sicherheit für unsere Bürgerinnen und Bürger zu gewährleisten. Wir haben eine Debatte in diesem Land, die sich natürlich nach den Ereignissen des 11. September 2001 in Amerika entzündet hat – Terrorabwehr als Stichwort – und die von vielen neuen Maßnahmen geprägt ist, wie wir Sicherheit in Deutschland schaffen wollen.

Ich möchte Ihnen einige Maßnahmen aufzeigen – jedes Gesetz lässt sich möglicherweise für sich allein gut begründen –: Videoüberwachung, Speicherung genetischer Fingerabdrücke, biometrische Daten in Pässen, Abschuss besetzter Passagiermaschinen, Ausspähen von Daten auf heimischen PCs per Onlinedurchsuchung, Wohnraumüberwachung in Schlafzimmern, Rasterfahndung, Speicherung aller Telekommunikationsverbindungen nebst Mobiltelefonstandorten, Schaffung einer präventiv tätig werdenden Bundespolizei, Anwendung von so genannten Massen-Screenings, Verwendung von Mautdaten für andere Zwecke, Einsatz der Bundeswehr im Innern usw.

Wir haben eine Diskussion, die sich an dem Spannungsverhältnis zwischen Innerer Sicherheit, Prävention, Wahrung des Rechtsstaats und Freiheiten des Bürgers entfacht hat.

Im Angesicht dessen, dass wir 175 Jahre Hambacher Fest in diesem Land als großes Jubiläum feiern, meine ich, es ist sehr gut, dass wir die Diskussion über dieses Spannungsverhältnis in unserer Gesellschaft haben. Es ist außerdem sehr gut, dass bei der Gewaltenteilung unser Bundesverfassungsgericht darüber wacht, ob wir nicht zu weit mit dem gehen, was wir an Sicherheitsmaßnahmen präventiv machen.

Was tun wir unserem Staat an, wenn wir sagen, dass Unschuldsvermutungen nur im Strafrecht gelten und nicht gegenüber jeder Bürgerin und jedem Bürger in unserem Staat? Begegnen wir uns in dem Staat nicht auf der Ebene gleichberechtigter Bürger, die zunächst einmal unverdächtig sind und nicht zunächst verdächtig? Kehren wir dieses Verhältnis nicht zu sehr um?

Diese Diskussion müssen wir sehr wohl führen. Wir müssen sie führen, weil wir in Rheinland-Pfalz gefordert sind. Wie stehen wir zu diesen Fragen? Wo positionie

ren wir uns? Sie werden natürlich auch als Mittel zum Zweck genommen.

Ich sehe Äußerungen von Herrn Beckstein in der „Passauer Neue Presse“, wo er sagt, die SPD dürfe hier nicht länger blockieren. Es geht um den Bundeswehreinsatz im Innern, Forderungen Schäubles, welche Beckstein ebenfalls forderte und hinzufügte: „Ich fürchte, dass wir uns mit der SPD erst nach einem hoffentlich nie kommenden Terroranschlag einigen können. Wenn es dazu kommt, werden wir in jedem Falle auch eine Diskussion um die Mitschuld bekommen. Die SPD müsste sich dann die Frage stellen, warum sie nicht alles zur Terrorabwehr unternommen hat.“ –

(Pörksen, SPD: Unerhört, Frechheit!)

Meine Damen und Herren, dies ist ein Totschlagargument in einer solchen Diskussion.

(Beifall der SPD und vereinzelt bei der FDP)

Die SPD steht für Innere Sicherheit.

(Glocke des Präsidenten)

Meine Damen und Herren, es kann nicht angehen, dass dann, wenn man überzieht, wie es in Guantánamo der Fall war – darüber sind wir uns sicher einig –, was ein Menetekel für die Glaubwürdigkeit der westlichen Welt ist, der Rechtsstaat verlassen wird. Dass uns so etwas passiert in der Abwägung zwischen Innerer Sicherheit, dem Schutz der Bürgerinnen und Bürger, und dem, was für die Freiheitsrechte der Menschen notwendig ist und in Zukunft notwendig sein wird, müssen wir vermeiden damit wir in dem demokratischen Staat zusammenleben können.

(Glocke des Präsidenten)

Hierfür bitte ich, dass wir gemeinsam dafür werben.

(Beifall der SPD)

Das Wort hat Herr Kollege Hörter.

Herr Präsident, meine Damen und Herren Kolleginnen und Kollegen! Der literarische Einstieg des Herrn Hartloff war beachtlich, der sich versuchte, George Orwell fortzuschreiben.

Was ich eigentlich erwartet hätte, wäre nicht ein Lippenbekenntnis der SPD zu einer der zentralen Aufgaben unseres Staates, nämlich die Sicherheit des Bürgers zu bewahren und die Menschen vor möglichen Anschlägen aus dem Bereich des internationalen Terrorismus zu schützen.

(Beifall bei der CDU)

Vielleicht hängt die ganze Diskussion, die jetzt vom Zaun gebrochen wurde, mit schlechten Werten in Umfragen zusammen,

(Zuruf von der SPD: Das hat damit nichts zu tun!)

dass man sich jetzt mit dem Bürgerrechtsthema profilieren will.