Protokoll der Sitzung vom 26.04.2007

Wir wollen in die Kindergärten Qualität hineinbringen.

(Beifall der CDU)

Gerade wenn wir diese vier Jahrgänge unter einem Dach betreuen und sagen, wir möchten jedem Kind eine individuelle Förderung geben, ist das kaum machbar, wenn wir Zweijährige in der Gruppe haben, die kaum ein Wort sprechen können und die gewickelt werden müssen, während in der gleichen Gruppe Siebenjährige sitzen, die durchaus auch eine Stunde im Stuhlkreis verbringen können und gerne gefördert würden, aber den Erzieherinnen die Hände gebunden sind.

(Beifall der CDU)

Wir nehmen immer mehr Zweijährige auf, was ich ausdrücklich begrüße, aber das geht nicht in dieser Spanne. Wir werden den Kindern nicht mehr gerecht.

(Frau Brede-Hoffmann, SPD: Ist Ihnen nicht aufgefallen, dass es da mehr Personal gibt?)

Wir kennen das durchaus, aber sprechen Sie einmal mit den Erzieherinnen, wie weit es mit diesem Personal her ist und inwieweit diese Förderung bei uns wirklich möglich ist.

Wir haben als CDU das Modell der fördernden Grundschule entwickelt, um den letzten Jahrgang aus den Kindergärten herausnehmen zu können.

(Glocke der Präsidentin)

Wenn Sie dem schon nicht zustimmen, bitte ich Sie inständig, wenigstens auf Landesebene zu unterstützen, dass wir mehr Festgruppen für Zwei- bis Dreijährige einrichten, um das Ganze ein bisschen entzerren zu können.

(Beifall der CDU)

Ich erteile Frau Kollegin Morsblech das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist ein Anliegen, das uns parteiübergreifend und auf allen politischen Ebenen bewegt. Es ist zunächst

einmal gut, dass wir feststellen können, dass in den Kommunen, in den Ländern und im Bund alle dasselbe Ziel verfolgen, was nicht immer der Fall ist.

Auch wenn im Bund nach wie vor um den richtigen Weg der Finanzierung gerungen wird – hier auch, obwohl man die Bundesangelegenheit hier leider nicht bewältigen kann –, ist es zunächst einmal positiv zu bewerten, dass es einen politischen Konsens bei dem Ziel gibt, flächendeckend mehr Betreuungsangebote für unter Dreijährige zur Verfügung zu stellen und damit vor allem für junge Frauen mehr Möglichkeiten zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu schaffen, dies auch vor dem Hintergrund der nicht besonders überraschenden Ergebnisse der jüngsten Bertelsmann-Studie.

(Beifall der FDP)

Es war die richtige Entscheidung, in der vergangenen Legislaturperiode das Programm „Zukunftschance Kinder – Bildung von Anfang an“ mit seinen Instrumenten auf den Weg zu bringen. Man kann auch anerkennend sagen, dass der Anstieg bei der Versorgungsquote von unter Dreijährigen auf 10,3 % in der Tat einen Erfolg darstellt.

Ich gebe allerdings in dieser Debatte zwei Punkte zu bedenken.

Punkt 1: Auf Dauer sind für den Erfolg von frühkindlichen Bildungs- und Betreuungsangeboten nicht nur die reinen Zahlen wichtig. Frau Kollegin Dickes hat bereits darauf hingewiesen. Letztlich ist es besonders entscheidend für die Eltern, für die Erzieherinnen und Erzieher, die in den Einrichtungen arbeiten, aber vor allem für die Zukunft unserer Kinder, in welcher Qualität die Angebote ausgestaltet werden.

(Beifall der FDP und bei der CDU)

Gerade die Erzieherinnen und Erzieher sind in besonderer Art und Weise bereit, sich zusätzlich zu engagieren und Fortbildungsangebote wahrzunehmen. Sie berichten allerdings auch zunehmend darüber – man kann das auch in den Einrichtungen erleben –, dass bei der Bewältigung der vielen Aufgaben, die zusätzlich auf sie zukommen, seien es die Umsetzung der Bildungs- und Erziehungsempfehlungen, die Sprachdiagnostik ein Jahr vor der Einschulung, die Integration der Zweijährigen in die Gruppen oder die verstärkte Kooperation mit den Grundschulen, der eine oder andere auch an seine Grenzen kommt.

Damit die gesetzten Ziele mit dem Programm erreicht werden, muss genau hingehört, evaluiert und das aufgegriffen werden, was die Fachkräfte in den Einrichtungen bewegt und welche zusätzlichen Ressourcen auf Dauer notwendig sein werden. Wir wollen, dass sich die Erzieherinnen die Zeit für die Kinder, vor allem für die ganz Kleinen, nehmen können, damit gerade in den frühen Jahren der wichtige enge Bezug zwischen Erzieherin und Kind gelingt, der Start gut ist und die Eltern auch das Gefühl haben, dass ihre Kinder dort gut aufgehoben sind.

In diesem Zusammenhang kommt man dann zu den Finanzfragen. Sie werden mit Sicherheit noch weitere Ressourcen für die Qualitätssicherung im Kindertagesstättenbereich brauchen, aber schon jetzt finanzieren Sie die Beitragsfreiheit aus der Neuverschuldung. Diese Beträge werden die Kinder, die jetzt die Einrichtungen besuchen, später in Form eines nachgelagerten Kindergartenbeitrags sozusagen zu schultern haben,

(Beifall der FDP)

wenn Sie sich nicht langsam über eine solidere Finanzierung Gedanken machen und für dieses wichtige Vorhaben vielleicht auch einmal auf das eine oder andere in anderen Ressorts verzichten. Sie haben mir bisher auch im Ausschuss noch nicht die Frage beantworten können, wo das stattfinden soll.

Mein zweiter Punkt liegt unserer Fraktion besonders am Herzen. Die Politik stellt mit der Entwicklung von Familienförderung und Kinderbetreuung auch entscheidende gesellschaftliche Weichen insgesamt. Wie viel Pluralismus, wie viel Staatlichkeit, wie viel Institutionalisierung, wie viel Freiheit und wie viel Verantwortung für wen es künftig in der frühkindlichen Betreuung geben wird, wird jetzt mitentschieden.

Wenn wir wollen, dass verschiedenste Familien- und Lebensmodelle in unserer Gesellschaft Platz haben, brauchen wir mehr als einen staatlich finanzierten Kindergartenplatz für jedes Kind. Wir brauchen Möglichkeiten für die unterschiedlichen Bedürfnisse von Pendlern, von Menschen in Schichtarbeit und mehr Flexibilität. Wir brauchen auch Möglichkeiten für diejenigen, die eine Tagespflege suchen.

(Frau Brede-Hoffmann, SPD: Finanziert über Neuverschuldung oder wie?)

Wir dürfen auch nicht diejenigen vergessen, die sich bewusst dafür entscheiden, selbst in der Familie zu betreuen und zu erziehen. Wenn die Politik respektiert, dass junge Familien die unterschiedlichsten Bedürfnisse haben und dass sich Eltern für die unterschiedlichsten Lebensentwürfe selbst entscheiden wollen, muss sie in ihren Überlegungen diesen Bedürfnissen in der Breite gerecht werden und diesen Pluralismus von vornherein in dem, was wir jetzt tun, anlegen.

(Beifall der FDP)

Aus diesem Grunde wäre es konsequent, das Programm „Zukunftschance Kinder – Bildung von Anfang an“ durch ein Gutscheinmodell weiterzuentwickeln, bei dem jede junge Familie für jedes Kind einen Betreuungsgutschein zur Verfügung gestellt bekommt und ihn nach den eigenen Bedürfnissen für eine Tagespflegeperson, für einen Platz in einer Einrichtung

(Glocke der Präsidentin)

ich komme gleich zum Schluss –, aber auch in Form der steuerlichen Absetzbarkeit einsetzen kann, wenn man selbst erziehen möchte. Das wäre wirklicher Pluralismus, der von vornherein in einem solchen Programm angelegt werden könnte.

Vielen Dank.

(Beifall der FDP)

Es spricht Frau Ministerin Ahnen.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren Abgeordnete! Lassen Sie mich zunächst auf das eingehen, was im Moment auf der Bundesebene diskutiert wird. Ich will das dann um ein paar Aspekte aus dem Land ergänzen und anschließend ein paar Perspektiven formulieren, wie ich mir vorstellen würde, dass man auf Bundesebene voranschreitet.

Sie haben mitbekommen, dass sich die Jugendministerinnen und -minister der Länder mit der Bundesfamilienministerin getroffen haben. Sie haben sich immerhin auf das Ziel verständigt, dass der Ausbau der Plätze für die unter Dreijährigen bis 2013 mit großen Schritten vorangehen soll. Es soll dann immerhin ein Angebot für ein Drittel dieser Altersgruppe geben.

Ich will sehr deutlich sagen, dieses Ziel habe ich bei diesem Treffen und auch in Gesprächen mit der Bundesministerin nicht nur mit Nachdruck unterstützt, sondern ich hätte mir das an der einen oder anderen Stelle sogar etwas weitergehender vorstellen können. Ich habe das natürlich auch deshalb unterstützt, weil das stark an den Zielmarken orientiert ist, die wir uns im Land gesetzt haben.

Unser Programm „Zukunftschance Kinder – Bildung von Anfang an“ sieht eben vor, dass wir bis 2010 knapp 30 % dieser Altersgruppe mit entsprechenden Angeboten versorgen können. Wir sind also Vorbild und sozusagen Messlatte für das, was im Moment auf Bundesebene diskutiert wird. Das ist der Teil des „Krippengipfels“, mit dem ich zufrieden bin.

Jetzt kommen die Punkte, die ich für unzureichend halte. Es ist den Eltern sehr, sehr viel in Aussicht gestellt worden, aber als dann der Vorschlag aus einigen Ländern kam, man solle es konkret machen, und zwar nicht mit einer abstrakten Quote, sondern mit dem einzig richtigen Instrumentarium, das es in einem solchen Fall gibt, nämlich einen Rechtsanspruch für die Eltern zu schaffen, hieß es, so weit wolle man dann doch nicht gehen. Man hat lieber einer abstrakten Quote den Vorzug gegeben. Ein Rechtsanspruch war vielen dann doch sehr suspekt.

Als es dann darum ging, klar zu definieren, wie der Bund die Länder und die Kommunen unterstützt – in welcher Form und mit welchem Betrag das geschieht –, wurde gesagt, es wäre schon einmal wichtig, dass man sich auf das Ziel verständigt hätte.

Ich sage dazu: Es ist bundesweit wichtig, dass man sich auf ein Ziel verständigt hat. – Nur hatten wir dieses Ziel

in Rheinland-Pfalz schon. Jetzt wäre es für die Eltern wichtig zu wissen, wie es Realität wird. Das ist der Anspruch, den sie zunehmend formulieren, weil man lange genug Ankündigungen vorgenommen hat.

(Beifall der SPD)

Ich komme zur Situation im Land. Wir haben uns einen realistischen Fahrplan gegeben. Wir wissen, dass wir gut in der Zeit sind, was das Programm „Zukunftschance Kinder – Bildung von Anfang an“ angeht. Wir haben binnen kürzester Zeit einen Ausbau auf über 10 % erreicht. Wir haben diesen mit vielen qualitativen Aspekten verbunden.

Sehr geehrte Frau Abgeordnete Dickes, wenn Sie mir die Quellen Ihrer Zahlen sagen würden, die Sie nennen, könnten wir auch über diese Zahlen diskutieren. Alle Zahlen, die mir vorliegen, weisen darauf hin, dass Rheinland-Pfalz einen überdurchschnittlich guten Betreuungsschlüssel hat.

(Beifall der SPD)

Dieser ist in der Krippe – das ist völlig klar – noch einmal deutlich günstiger. Sie kritisieren das Kindergartenkonzept für Zweijährige. Auch Ihre Bundesfamilienministerin spricht von der Frage der Aufnahme in die Kindergärten. Auch hier hat man offensichtlich nach Rheinland-Pfalz geschaut. Sie müssen irgendwann auch einmal bekennen, was Sie wollen. Wollen Sie diesen Weg mitgehen, der den Eltern realistische Perspektiven eröffnet, oder permanent Forderungen erheben, die völlig unrealistisch sind? Dieses klare Bekenntnis aus Ihrem Mund würde in der Debatte auch weiterhelfen.

(Beifall der SPD)

Sie führen in die Debatte den Schulkindergarten ein und sagen, die Kinder könnten nicht mehr dorthin gehen. Das würde man diesen auch noch nehmen. Ich möchte noch einmal deutlich machen: Der Schulkindergarten, der im Übrigen nicht abgeschafft, sondern dort, wo es keinen Bedarf mehr gibt, eingestellt wird, ist eine Einrichtung für von der Schule zurückgestellte Kinder, also für schulpflichtige Kinder. Dieser deckt ein völlig anderes Segment ab. Wir müssen schauen, über welchen Bereich wir reden. Wenn wir das alles durcheinanderwerfen, kommen wir vor Ort nicht weiter.