So wird gutes Geld schlechtem Geld hinterhergeworfen. Eine zukunftsfeste Reform bedeutet aber, dass man eher die Systematik der gesetzlichen der privaten Pflegeversicherung annähern müsste als umgekehrt.
Die Bürgerversicherung für die Pflege ist ein Irrweg. Damit gibt es nicht nur mehr Beitragszahler, sondern auch mehr Leistungsempfänger. So kann die Pflegeversicherung nicht vor dem drohenden Kollaps bewahrt werden. Wir brauchen dringend eine Demografiereserve im System der Pflegeversicherung.
Aber es gibt auch Positives zu vermelden. Die beschlossene Beitragsanpassung wird mit der Absenkung der Arbeitslosenversicherung um 0,3 Beitragspunkte ausgeglichen. Mit der gesetzlichen Entlastung der Arbeitnehmer bleibt der Gesamtsozialversicherungsbeitrag unter 20 % und stellt damit eine Belastung für den Wettbewerbsstandort Deutschland dar. Pflegebedürftige erhalten mit dem Kompromiss neue Perspektiven. Durch die geplante Neuerung werden konkrete Bedürfnisse insbesondere von Altersverwirrten anerkannt und durch gezielte Maßnahmen befriedigt. Es wird somit eine deutliche Verbesserung der Situation der Pflegebedürftigen erzielt. Gerade für die Pflegenden und ihre Angehörigen stellt der vorgelegte Kompromiss eine deutliche Verbesserung der aktuellen Situation dar.
Etwa 1 Million an Demenz erkrankte Pflegebedürftige erhalten neue Perspektiven für ihre Situation. Die geplante Dynamisierung der Pflegesätze, die seit Einführung der Pflegeversicherung eingefroren waren, wird dafür sorgen, dass die steigenden Pflegekosten ausgeglichen werden und ein Abrutschen in die Bedürftigkeit aufgehalten wird.
Die Einführung einer Pflegezeit für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die ihre Angehörigen pflegen, ist ein großer Schritt zur Stärkung der ambulanten Pflege. Das Rückkehrrecht in den Beruf wird ermöglicht, um mit der neuen Situation besser zurechtzukommen und die notwendigen Dinge zu organisieren. Hierbei ist auch die besondere Situation von Kleinbetrieben zu berücksichtigen.
Mit dem Aufbau von Pflegestützpunkten zur Beratung der Pflegenden und ihrer Angehörigen werden wir in Rheinland-Pfalz aufgrund unserer Struktur der BEKOStellen sicherlich keine Probleme haben. Für Rentner können über geplante Rentenanpassungen Belastungen ebenfalls gemindert werden. Wenn auch für sie eine direkte Entlastung über die Absenkung der Arbeitslosenversicherung naturgemäß ausbleibt,
so profitieren sie dennoch am Ende über möglichst viele Beitragszahler aus den neuen Generationen. Sie beteiligen sich an der Finanzierung der neuen Leistungen,
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Warum braucht Deutschland eine Reform der Pflegeversicherung? – Die Antwort ist einfach: Die bisherige Finanzierungsgrundlage reicht nicht aus. Die Pflegeversiche
rung ist chronisch defizitär, und die Leistungen liegen deutlich unter den Erwartungen derer, die aus der Pflegeversicherung für die Pflege ihrer Angehörigen Leistungen erhalten.
Hinzu kommt – und dies ist das eigentliche Problem –, dass wir ein Demografieproblem haben. Herr Kollege Rüddel hat das Demografieproblem in seiner Rede ebenfalls angesprochen, die jedoch nicht so recht zum Ausdruck bringen konnte, ob dies nun eine gute oder eine schlechte Sache ist. Herr Rüddel, ich verstehe Sie aber sehr gut, mir wäre es an der Stelle auch schwergefallen.
Es stellt sich die Frage, ob man eine Demografiereserve aufbauen kann; denn das, was allein aus demografischen Gründen auf uns zukommt – einmal ganz abgesehen von den Leistungserweiterungen im Rahmen der Demenz – sprengt jeden Rahmen. Im Jahr 2030 brauchen wir ca. 50 % mehr Geld, um das bestehende System ausfinanzieren zu können.
Dies wusste auch die Große Koalition und hat sich daher im Koalitionsvertrag darauf verständigt, zur Ergänzung des Umlageverfahrens kapitalgedeckte Elemente als Demografiereserve in das System mit einfließen zu lassen. Das Problem wurde also erkannt, und man kam auch umhin, dies bis zum Jahr 2006 zu regeln. Nun befinden wir uns im Jahr 2007, aber das ist geschenkt.
Nun stellt die SPD heute dieses Thema zur Aussprache, ein mutiger Schritt, den ich verstehe, weil man aus den Erfahrungen der Gesundheitsreform gelernt hat: Wenn wir schon eine schlechte Reform machen, sollten wir wenigstens versuchen, sie offensiv zu verkaufen. Nichts anderes ist der Versuch heute.
Man geht dabei sehr stark auf die Leistungsausweitungen ein, die ich selbstverständlich begrüße. Wer könnte etwas gegen Leistungsausweitungen haben? – Allein, das Geld dazu fällt vom Himmel.
Meine Damen und Herren, dieser Versuch, die Reform nun über Kommunikation zu retten, wird nicht gelingen, weil die Journalisten dazu nicht ausreichend dumm sind.
(Ministerpräsident Beck: Das ist unglaublich! – Pörksen, SPD: Aber Sie halten sie für ziemlich dumm, Herr Kollege, das muss ich schon sagen!)
Die Kommentarlage ist eindeutig. Ich bemühe mich, Zeitungen zu zitieren, die frei sind vom Vorwurf der Rechtslastigkeit, so beispielsweise „DIE ZEIT“:
„Die Reform ist viel weniger, als die Regierung versprochen hat. Die Große Koalition hat eine Reform für die Pflegefälle von heute gemacht, nicht für die von morgen und übermorgen.“
Das sagt „DIE ZEIT“. Ich kann mich dem nur anschließen und schließe in der ersten Runde mit einer Frage an Frau Staatsministerin Dreyer zum Zugriff auf die Rückstellungen der privaten Krankenversicherungen. Frau
Ministerin Dreyer, verstehe ich Sie richtig, dass Sie nicht nur einen Finanzausgleich für Neufälle fordern, sondern dass Sie auch auf den Kapitalstock derer zurückgreifen wollen, die bereits seit elf oder zwölf Jahren angespart haben? – Auf diese Antwort warte ich gespannt für die nächste Runde.
(Beifall der FDP – Ministerpräsident Beck: Wenn Sie die Koalitions- vereinbarung gelesen haben, wissen Sie doch, dass der Kapitalstock nicht angegriffen wird! Da muss man doch nicht gespannt sein und solche Fragen erfinden! Was Sie reden, ist Unsinn! Unredlich ist das!)
Meine sehr geehrten Herren und Damen! Ich gehe auf einzelne Punkte ein, zunächst einmal aber auf die Rede von Herrn Abgeordneten Rüddel. Herr Abgeordneter Rüddel, Ihre Rede hat gut angefangen. Aber dass Sie, der Sie aus dem Bereich der Pflege kommen, die soziale Pflegeversicherung als „krankes System“ bezeichnen, das, finde ich, ist echt der Gipfel!
Dieses nach Ihren Worten „kranke System“ hat mit Abstand die größte Versichertengruppe. Die Pflegeversicherung der vergangenen Jahre hat dafür gesorgt, dass rund 2,1 Millionen pflegebedürftige Menschen verlässliche Leistungen aus der Pflegeversicherung erhalten. Dieses „kranke System“ hat dazu geführt, dass häusliche Pflege gestärkt worden ist. Dieses „kranke System“ hat dazu geführt, dass die soziale Abhängigkeit deutlich verringert worden ist und, was vielleicht genauso wichtig ist, 250.000 neue Arbeitsplätze im Bereich der Pflege geschaffen worden sind.
Wenn es eine gemeinsame Meinung in Bezug auf die soziale Pflegeversicherung gibt, dann die, dass sich die Pflegeversicherung bewährt hat, wir wirklich eine erfolgreiche Pflegeversicherung in der Vergangenheit hatten und – auch das war unstreitig – eine Weiterentwicklung in der Pflegeversicherung brauchen. Wen wundert das auch? Das System ist zwölf Jahre alt. Wir haben neue Herausforderungen zu stemmen, auch inhaltlicher Art.
Herr Dr. Schmitz, es ist nicht ein Vorwand, auf die Inhalte einzugehen. Der Hauptbestandteil einer Pflegeversicherung lag darin, die inhaltlichen Bereiche weiterzuentwickeln, die längst nicht mehr dem Pflegemarkt der heutigen Zeit standgehalten haben.
An diesem Punkt – das sage ich ganz ausdrücklich – ist diese Reform mehr als erfolgreich, sie ist nachhaltig; denn sie führt zu deutlichen Verbesserungen auch in der Struktur, was das Thema „Pflege“ betrifft.
Ich habe die Zeitungsartikel nicht alle dabei, aber ich teile auch da nicht Ihre Meinung. Die Kommentierung bezogen auf die Pflegeversicherung ist nicht so negativ, wie Sie es darstellen. Wenn Sie einmal diejenigen fragen, die sich auskennen und mit der Pflege zu tun haben, hören Sie das. Selbst der VDAB, Herr Dr. Schmitz, also der Verband der privaten Anbieter in diesem Bereich, gibt durchweg positive Kommentierungen.
Zugegeben, die Reform der Pflegeversicherung ist einfach aufgrund der Mindestlohndebatte ein Stück nach hinten gerückt. Es ist alles am selben Abend miteinander besprochen worden, deshalb hatte die Pflegeversicherungsreform gar nicht die große Chance, auch maßgeblich zur Kenntnis genommen zu werden. Das liegt allerdings nicht an den Inhalten.
Ich möchte noch einen zweiten Punkt ansprechen. Ich habe schon gesagt, aus meiner Sicht handelt es sich um eine nachhaltige Reform. Es sind wichtige Weichenstellungen vorgenommen worden. Inhaltlich haben Sie auch viele Punkte genannt.
Warum sind es eigentlich strukturell wichtige Punkte? Ich denke, das muss man noch einmal betonen. Ich nenne als Beispiel die Förderung betreuter Wohnformen. In Zukunft wird es möglich sein, Leistungen zu poolen. Was heißt das eigentlich? In der Vergangenheit war es so, dass der Pflegedienst, wenn Menschen in einer Wohngemeinschaft gewohnt haben, auch dann, wenn er alle drei Bewohner betreut hat, eigentlich immer nur individuelle Leistungen erbringen konnte. Heute ist es so, dass der Pflegedienst in Absprache mit den Bewohnern die Möglichkeit hat, gemeinsame Leistungen zu erbringen und deshalb sehr viel effizienter zu sein und die Bedürfnisse der Bewohnerinnen und Bewohner sehr viel stärker in den Mittelpunkt zu stellen. Das ist ein winziger Mosaikstein dieser Reform, der deutlich zeigt, dass natürlich auch an den strukturellen Bedürfnissen angesetzt wird und die Reform einen inhaltlichen hohen Wert für uns alle hat.
Ich möchte auf das leidige Thema „Finanzierung“ eingehen. Warum eigentlich „leidig“? Leidig ist dieses Thema für mich, weil es im Bereich der Pflegeversicherung absolut überbewertet wird. Wenn man sieht, wie klein diese Gruppe ist, über die wir sprechen, und wie klein überhaupt das gesamtfinanzielle Volumen gemessen an unseren großen anderen sozialen Sicherungssystemen ist, dann weiß man auch, dass wir eine etwas übertriebene Debatte führen.
Herr Dr. Schmitz, kein Mensch hat jemals vorgehabt – so steht es auch im Koalitionsvertrag –, an den Kapitalstock der privaten Krankenversicherung zu gehen. Es ist schon immer anerkannt gewesen, auch seitens der SPD, dass das möglicherweise erstens einmal grundsätzliche Probleme für den Geschäftsbereich der privaten Krankenversicherung aufwirft, umgekehrt aber auch
rechtliche Gesichtspunkte zu sehen sind. Aber die private Krankenversicherung macht nach wie vor in diesem Bereich regelmäßige Überschüsse.
Der Sinn und Zweck, den wir verfolgt haben und der auch im Koalitionsvertrag ganz klar dargelegt war, war der, im Bereich dieser Überschüsse einen Transfer herzustellen, um diesen Nachteil, den die gesetzliche Pflegeversicherung nur aufgrund der verschiedenen Versichertenstruktur hat, auszugleichen.
Dieser Transfer wäre auch deshalb gut gewesen, weil man damit ohne Weiteres die Rückstellungen hätte aufbauen können. Jetzt wende ich mich auch noch mal an die Mitglieder der CDU-Fraktion, Herr Dr. Rüddel.