Protokoll der Sitzung vom 27.09.2007

Es liegen keine weiteren Wortmeldungen mehr vor.

Ich rufe den zweiten Teil der

AKTUELLEN STUNDE auf:

„Haltung der Landesregierung zur beabsichtigten Änderung des § 42 der Abgabenordnung im Rahmen des Jahressteuergesetzes 2008“ auf Antrag der Fraktion der CDU – Drucksache 15/1519 –

Herr Kollege Wirz, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Bundestag und Bundesrat beraten derzeit den Entwurf der Bundesregierung für ein Jahressteuergesetz 2008. Dieser überaus umfangreiche Gesetzentwurf enthält eine Rechtsänderung, die zwar im Text recht knapp formuliert ist, es aber in sich hat. Es geht um die Änderung des § 42 der Abgabenordnung, der die sogenannten Steuergestaltungen behandelt.

Künftig steht der Steuerbürger – sprich, das Unternehmen – nach dieser Änderung in der Beweispflicht nachzuweisen, dass er mit der buchstabengetreuen Anwendung des Steuerrechts wesentliche andere Ziele verfolgt, als möglichst wenig Steuern zu zahlen. Gelingt ihm das nicht, wendet das Finanzamt das Steuerrecht so an, wie es meint, dass der Staat es gern hätte oder es für den Staat gut ist und nicht für den Steuerbürger.

Es geht dabei nicht um Steuerbetrug oder Steuerhinterziehung, es geht um eine Anwendung des Steuerrechts, die unzweifelhaft dem Buchstaben des Gesetzes entspricht. Dies will der Staat künftig den Bürgern verwehren. Um ein sehr zugespitztes Beispiel zu nennen, müsste man künftig nachweisen, dass man nicht heiratet, um über das Ehegatten-Splitting weniger Steuern zu zahlen, sondern weil man seine Frau wirklich liebt. Das ist jedenfalls die Logik dessen, was künftig neues Abgabenrecht werden soll, meine Damen und Herren.

Es geht nicht um Steuerrecht, es geht vielmehr um die Frage, wie der Staat mit seinem eigenen Recht umgeht und wie er mit seinen Bürgern umgeht. Wenn Recht nur noch Recht sein soll, wenn es der Exekutive passt, dann ist das Prinzip der Rechtsstaatlichkeit und der Rechtssicherheit verletzt. Ich bezweifle deshalb auch, dass diese Rechtsänderung vor dem Bundesverfassungsgericht Bestand haben wird. Schon aus solchen staatspolitischen Gründen darf eine solche Änderung nicht Gesetz werden, meine Damen und Herren.

Steuerrechtlich geht es um Fragen, die die wirtschaftliche Substanz von Unternehmen treffen können. Unser überaus kompliziertes Steuersystem, das als das komplizierteste auf der Welt gilt, kennt so viele Verästelun

gen, dass die verschiedensten rechtlichen Gestaltungen von Geschäften möglich sind: Je nachdem, welche Variante man wählt, kann sie zu einer Besteuerung der wirtschaftlichen Tätigkeit zwischen 20 % und 80 % des Umsatzes oder des Ertrages führen.

Bei diesen Fragen sollen die Unternehmen nun der Willkür der Verwaltung unterworfen werden. Großkonzerne mit hochbezahlten Steuerspezialisten werden auch damit noch zurechtkommen, aber der Mittelstand wird der Gekniffene sein.

Es kommt hinzu, dass man seit einem Jahr für Rechtsauskünfte und Beratungen durch die Finanzverwaltung, zu denen man gezwungen ist, wenn man unter solchen Verhältnissen wirtschaften muss, teure Gebühren abliefern darf. Die Verwaltung verlangt Geld dafür, dass sie den Bürgern erklärt, was rechtens ist. Meine Damen und Herren, das ist jedenfalls nicht meine Vorstellung von einem Staat, dessen Souverän der Bürger und nicht die Verwaltung ist.

(Beifall der CDU)

Wenn also der Gesetzgeber ein so überkompliziertes Steuerrecht will, mit dem er in oft widersprüchlicher Weise wirtschaftliches Verhalten lenken will, und dann feststellt, dass ihm die Wirkungen dieses Rechts aus dem Ruder laufen, dann ist es aber doch absurd, das Recht der Willkür der Verwaltung zu überlassen. Dann muss der Staat das Recht ändern, damit es überschaubar, eindeutig und für jedermann nachvollziehbar ist.

(Beifall bei der CDU)

Dies ist jetzt zu fordern, anstatt diese fiesen Tricks, mit denen die Bürger drangsaliert werden.

Vor diesem Hintergrund ist es für uns schon interessant, wie sich die Landesregierung im Bundesrat bei dieser Frage verhält, meine Damen und Herren. Wenn Ministerpräsident Beck – er ist gerade leider nicht da – etwas für die Bürger und insbesondere für den Mittelstand unseres Landes tun möchte, sollte er diesem Treiben von Herrn Steinbrück ein Ende bereiten und diese Änderung im Bundesrat ablehnen.

Ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall der CDU)

Das Wort hat nun Herr Kollege Puchtler.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich glaube, wir sind uns alle einig, dass es gerade im Steuersystem wichtig ist, für beide Seiten – sowohl für den Steuerpflichtigen als auch für die Finanzverwaltung – ein Höchstmaß an Rechtssicherheit und Berechenbarkeit zu schaffen. Genau dies ist auch der Anlass, den derzeitigen § 42 der Abgabenordnung, in

dem es um den Missbrauch von rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten geht, klar zu definieren.

In § 42 der Abgabenordnung in seiner jetzigen Form heißt es:

„Durch Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts kann das Steuergesetz nicht umgangen werden.“

Im Zuge verschiedener Rechtsprechungen ist das Problem aufgetaucht, wie der Begriff „Missbrauch“ definiert wird. Es stellt sich also die Frage: Was heißt konkret Missbrauch der entsprechenden Gestaltungsmöglichkeiten?

(Creutzmann, FDP: Das wird in dem neuen Paragrafen auch nicht definiert!)

Es wird nun versucht, diese Missbrauchsdefinition im Rahmen der Änderung des Jahressteuergesetzes klarer zu fassen; denn wenn ein Missbrauch festgestellt wird, entsteht schon nach der geltenden Rechtslage der Steueranspruch so, wie es ein normaler rechtlicher Vorgang gewesen wäre. Wenn also ein Missbrauch festgestellt wird, ist jetzt schon die Konsequenz, dass man auf eine normale Gestaltung zurückgeführt wird.

Die entscheidende Frage lautet: Wie kann es gelingen, Formulierungen zu finden, um eine rechtliche Klarstellung zu schaffen?

In dem aktuellen Entwurf der Bundesregierung wählt man die Formulierung: „wenn eine zu einem Steuervorteil führende ungewöhnliche rechtliche Gestaltung entsteht“. – Somit ist die Definition des Missbrauchs eine ungewöhnliche rechtliche Gestaltung. Das heißt, das Finanzamt muss in dem konkreten Fall nachweisen, dass bei dem Steuerpflichtigen eine ungewöhnliche rechtliche Gestaltung vorliegt. Wenn diese ungewöhnliche rechtliche Gestaltung vom Finanzamt nachgewiesen wird, ist der Steuerpflichtige selbstverständlich berechtigt darzulegen, wie diese Gestaltungsmöglichkeit entstanden ist.

Von daher glaube ich, dass man bei einer Gesetzesänderung mit dem Ziel, mehr Rechtssicherheit und mehr Rechtsklarheit herbeizuführen, nicht davon sprechen kann, dass rechtsstaatliche Prinzipien außer Kraft gesetzt werden.

(Wirz, CDU: Aber ja, aber ja!)

Eigentlich ist das Gegenteil gewollt: Man will eine Klarstellung des Begriffs „Missbrauch“ und möchte eine solide Lösung herbeiführen.

Der Bundesrat hat am Freitag, den 21. September, getagt und ausdrücklich festgestellt, dass es wichtig ist, dass in § 42 eine Klarstellung erfolgt. Aber es ist genauso wichtig, dass wir mit einer Neuformulierung des Textes dieses Paragrafen eine Rechtssicherheit erreichen und nach Möglichkeit keine Formulierung wählen, die auch weiterhin dazu führt, dass die Finanzgerichte oder auch der Bundesfinanzhof damit befasst werden müssen. Von daher ist es eine vernünftige Ausgangslage, die nun vom Bundesrat auf den Weg gebracht wurde,

der Bundesregierung zu empfehlen, in dem laufenden Gesetzgebungsverfahren die Frage zu prüfen: Ist mit der jetzt vorgelegten Formulierung das Ziel, weniger Streit und klarere Positionen für den Steuerpflichtigen und auch für die Finanzverwaltung zu schaffen, erreicht worden? – Ich glaube, dies ist ein ganz wichtiger Punkt.

Für mich ist entscheidend, § 42 in der jetzigen Form zu belassen, wird nicht ausreichen. Das stellen wir jetzt schon fest, da wir uns andauernd mit rechtlichen Fragen beschäftigen müssen. Von daher meine ich, dass es wichtig ist, § 42 auch im Rahmen der Änderung des Jahressteuerreformgesetzes anzugehen und die Begrifflichkeiten sauber zu definieren und sorgfältig zu prüfen. Wir verfolgen das Ziel, für beide Seiten – sowohl für den Steuerpflichtigen als auch für die Finanzverwaltung – mehr Berechenbarkeit zu schaffen.

(Creutzmann, FDP: Hier geht es nicht um beide Seiten, sondern es geht nur um den Fiskus!)

Entschuldigen Sie, Herr Kollege! – Wir sehen immer das Ganze, und ich glaube, das sieht auch die Bundesregierung so. Dies wird von allen Beteiligten unterstützt. Entscheidend ist, mehr Rechtssicherheit und Rechtsklarheit zu schaffen sowie sauber zu definieren. Dies sollten wir Schritt für Schritt und sorgfältig tun. Ich glaube, wir sind auf dem richtigen Weg, wenn wir nicht die Konfrontation suchen, sondern den Weg eines vernünftigen Ausgleichs. Durch die Bundesratsentscheidung mit der deutlichen Empfehlung, im laufenden Gesetzgebungsverfahren zu prüfen, ob man eine sinnvolle Formulierung wählt, kommen wir dem entsprechend nach. Ich glaube, nur so gehen wir den Weg in die richtige Richtung.

(Beifall der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Puchtler.

Ich begrüße als weitere Gäste im Landtag Frauen der „Kirchenmai“ Niederhambach und Bürgerinnen und Bürger aus Ruschberg bei Baumholder. Seien Sie herzlich willkommen im Landtag!

(Beifall im Hause)

Herr Kollege Creutzmann, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Es geht nicht darum, einen Ausgleich zwischen Fiskus und Steuerpflichtigem zu schaffen, Herr Puchtler. Hier geht es expressiv verbis um die Knebelung des Steuerpflichtigen. Das werde ich Ihnen in meinem Redebeitrag auch beweisen.

(Pörksen, SPD: Sie und beweisen!)

Ja. Herr Pörksen, auch Sie werden sich noch als Geschäftsführer wundern. Sie dürfen in Zukunft nur noch

das geltend machen, was Ihre persönlichen und – jetzt kommt das Perverse – die wirtschaftlichen Verhältnisse betrifft. Es geht um die Knebelung des Steuerpflichtigen durch die Finanzverwaltung. Das ist ganz klar.

(Beifall der FDP – Zurufe im Hause)

Herr Pörksen, bezeichnend ist die Begründung zu § 42 Abgabenordnung. Ich zitiere: Da werden die Steuerpflichtigen in „raffinierte“ Steuerpflichtige und in „anständige“ Steuerpflichtige eingeteilt. Wird ein Sachverhalt festgestellt, der zu einem von der Finanzverwaltung nicht gewollten Steuervorteil führt, muss der Steuerpflichtige nachweisen, dass für die von ihm gewählte Gestaltung der Steuerpflicht beachtliche außersteuerliche Gründe vorliegen. Außersteuerliche Gründe können nach der Begründung des Gesetzentwurfs persönliche – das hätte ich noch verstanden –, aber auch wirtschaftliche sein. Ihre steuerliche Beachtlichkeit richtet sich aber danach, ob die Verfolgung dieser Gründe nach Wertungen der Finanzverwaltung – Herr Kollege Puchtler, nicht nach Wertung des Steuerpflichtigen – zu berücksichtigen sind.

Jetzt kommt die Perversität. Ich zitiere die Begründung.

(Pörksen, SPD: Oh!)