Protokoll der Sitzung vom 15.11.2007

Gerade Bildung und Sprachförderung sowie individuelle Fördermaßnahmen verbessern die Integration und mindern das Risiko einer patriarchalisch-kulturellen Unterdrückung. Durch die Änderungen in den Bleiberechtsregelungen wird ein Einfallstor für Zwangsverheiratungen geschlossen; denn der Nachzug von Ehepartnern wird künftig erst ab einem Alter von 18 Jahren möglich sein. Polizei und andere gesellschaftliche Stellen werden durch die Landesregierung gezielt geschult und sensibilisiert, um solche Gewalt in engen sozialen Netzwerken zu erkennen und frühzeitig einzugreifen. Das Engagement der Landesregierung ist in diesem Bereich vorbildlich.

Wir wollen heute aber noch einen Schritt weitergehen und haben Prüfaufträge zur weiteren Strafverschärfung, zu einem Opferschutzprogramm und zur Erhebung verlässlicher Daten formuliert. Wir wünschen uns, dass der Dialog der Kulturen intensiviert wird, die bestehenden Hilfsangebote weiter ausgebaut werden und vor allem die Gesellschaft gerade diejenigen beschützt, gezielt fördert und ermuntert, die aus einem Teufelskreis ausbrechen wollen, denen aber alleine dafür die Kraft fehlt.

Wir wollen jetzt gemeinsam eine härtere Gangart der Gesellschaft gegen Zwangsheirat einlegen. Wir wollen unseren Beitrag leisten, um in einer toleranten Gesellschaft zu leben, aber Toleranz ist keine Einbahnstraße. Wer Toleranz erwartet und einfordert, muss sie auch selbst üben.

Unsere Werte sind die Menschenwürde und die Grundrechte. Daran gibt es nichts zu rütteln. Unsere Kultur hat die Aufklärung erfolgreich durchschritten. Diesen Weg haben andere noch vor sich. Wir wollen eine Gesellschaft der Toleranz, des friedlichen Miteinanders aller Kulturen und Lebensanschauungen, der Gleichberechtigung, unabhängig von Herkunft, Hautfarbe, Religion oder Geschlecht.

Wir reichen die Hand, diesen Weg gemeinsam zu beschreiten; denn eine erfolgreiche Integration ist die beste Prävention gegen Zwangsverheiratung und Unterdrückungsmorde.

Klar ist aber auch, wer diese Hand ausschlägt und im Namen vermeintlicher Ehre abscheuliche Verbrechen begeht, kann weder Toleranz einfordern noch wird er sie bekommen.

Vielen Dank.

(Beifall der SPD und der CDU)

Das Wort hat Frau Abgeordnete Wopperer.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Wir kommen heute wieder zu einem Thema, das uns allen sehr am Herzen liegt. Ich bin sehr froh, dass es gelungen ist, dass wir in allen drei Fraktionen zu einem gemeinsamen Antrag gefunden haben.

(Beifall der CDU und vereinzelt bei der SPD)

Vor ziemlich genau zwei Jahren, nämlich am 16. November 2005, gab es bereits den ersten Antrag zu diesem Thema. Damals wurde er von der CDU-Fraktion gestellt. Er wurde gestellt, weil ganz viele schreckliche Fälle damals publik geworden sind. Herr Hoch, Sie haben einen davon genannt. Das sind Fälle, die wir mit unserer Auffassung von Menschenwürde in keiner Weise vereinbaren können.

(Beifall der CDU)

Wir hatten damals bei dem Antrag relativ viel von den Dingen, die Sie heute im gemeinsamen Antrag finden, bereits vorformuliert. Es war sehr schade, dass dieser Antrag damals der Diskontinuität zum Opfer gefallen ist und er in der damaligen Legislaturperiode nicht mehr behandelt werden konnte.

Der große Vorteil, dass er in dieser Legislaturperiode behandelt wird, ist, dass wir es wirklich geschafft haben, dass sich alle drei Fraktionen zusammengesetzt und daran gearbeitet haben, dass die Punkte durchgeführt werden können, die maßgeblich und wichtig sind.

Um welche Punkte handelt es sich? Sie haben alle den Antrag vor sich liegen. Ich erspare Ihnen und mir, im Einzelnen noch einmal alles aufzuzählen. Ich denke, es ist wichtig, dass die Landesregierung aufgefordert wird, dafür zu sorgen, dass auch die europäischen Nachbarn mitmachen; denn was nützt es, wenn nur wir auf einer kleinen Insel in diesem Bereich arbeiten.

Natürlich ist gerade bei diesem Thema eine nationale und internationale Zusammenarbeit wichtig. Von daher ist richtig, dass wir im ersten Punkt fordern, dass auch mit Europol und Eurojust weiter zusammengearbeitet wird.

Herr Hoch, Sie haben von den Prüfaufträgen gesprochen. Wir haben unter anderem auch darüber diskutiert, inwiefern Zwangsheirat und Unterdrückungsmord – ich sage bewusst Unterdrückungsmord und nicht Ehrenmord; denn aus meiner Sicht gibt es keinen Ehrenmord, sondern nur einen Unterdrückungsmord – als Verbrechen und eigenständiger Straftatbestand gesehen werden können.

Hier stellt sich die Frage, ob diese Prüfung in die eine oder andere Richtung laufen soll. Ich erinnere mich an Diskussionen im kommunalen Bereich. Dort wurde immer gesagt, wer weiß, was aus einem Prüfauftrag herauskommt. Damit hat man manchmal die Frage einfach zur Seite gelegt.

Deswegen möchten wir noch einmal ganz deutlich betonen, dass es uns wichtig ist, dass Zwangsverheiratung und Unterdrückungsmord aus unserer Sicht einen eigenständigen Straftatbestand darstellen. Wir freuen uns, wenn die Prüfung auch in diese Richtung läuft; denn man muss sehen, dass Ehrenmorde nichts anderes als Morde aus niedrigem Beweggrund sind.

In den letzten Jahren ist auch in der Zusammenarbeit zwischen Ihnen und der CDU einiges im positiven Sinn passiert. Ich erinnere an das Programm RIGG, das in Bezug auf die Bekämpfung von Gewalt in engen sozialen Beziehungen erfolgreich arbeitet.

Ich denke, über alle Hilfsangebote und die Integrationsförderung hinaus, über die wir im Moment diskutieren, muss eines immer im Vordergrund stehen: Wenn wir Artikel 3 Grundgesetz – Gleichberechtigung von Frauen und Männern – und Artikel 6 – Schutz der Ehe und Familie – ernst nehmen und davon ausgehen, dass auch Artikel 12 der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte ernst genommen wird, muss man sehen, dass hier noch weit mehr angegangen werden muss, nämlich die Wertevermittlung in unserer Gesellschaft.

Alle Gesetze und alle Regelungen nützen nichts, wenn es uns nicht gemeinsam gelingt, Werte zu vermitteln und z. B. in Schulen jungen Leuten schon als Prävention

Werte mitzugeben, sodass man vor Fanatikern und Ideen der falschen Ehre und Ähnlichem gefeit ist.

Von daher gilt der Appell an Sie alle, daran weiterzuarbeiten, in diesem grundlegenden Bereich die Grundlagen dafür zu schaffen, dass wir uns in unserer Gesellschaft gemeinsam gut in die richtige Richtung weiterbewegen. Ich freue mich, dass wir diesen gemeinsamen Antrag heute sicher auch beschließen werden.

Vielen Dank.

(Beifall der CDU)

Das Wort hat Frau Abgeordnete Dr. Lejeune.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! „Gottes ist der Orient! Gottes ist der Okzident! Nord- und südliches Gelände ruht im Frieden seiner Hände. Er, der einzige Gerechte, will für jedermann das Rechte. Sei von seinen hundert Namen dieser hochgelobet! Amen.“

Diese Zeilen aus dem „Buch des Sängers“ aus dem „West-östlichen Divan“ von Goethe sind beispielgebend für die Haltung Europas zum Orient und insbesondere zum Islam.

Im Bewusstsein derselben geistigen Wiege aller drei monotheistischen Weltreligionen wurden in unserer Geistesgeschichte über Jahrhunderte vornehmlich die Gemeinsamkeiten betont und die Unterschiede vernachlässigt. Dabei ist es gleich, ob sie sich mit den Schriften von Nikolaus von Kues beschäftigen, „Nathan der Weise“ von Lessing auf der Bühne erleben – dieses Stück können Sie übrigens in Trier sehen –, die „Entführung aus dem Serail“ von Mozart hören oder ein cineastisches Meisterwerk wie „Lawrence von Arabien“ ansehen.

In all diesen Werken werden stets die ethischtheologischen Übereinstimmungen betont und die Andersartigkeit in den Bereich des Geheimnisvollen, des Zauberhaften verbannt und mit ästhetisch ansprechender Folklore bemäntelt.

Dieser zum Teil verklärte Blick und die Vorstellung einer sich stets verbrüdernden Welt ist so lange vermittelbar, solange die Kulturkreise und ihre Religionen miteinander nur sehr marginale Berührungspunkte haben und eine friedliche Koexistenz pflegen können.

Dabei ist natürlich diese Umschreibung gemessen am Zeitalter des Kolonialismus deutlich zu euphemistisch. In diesen Zeiten wurde unterdrückt und erobert. Friedlich war dies nur aus Sicht der Sieger, nicht der Verlierer. Und heute?

Meine sehr geehrten Damen und Herren, heute leben wir im Zeitalter der Globalisierung, die durch eine zu

nehmende Technisierung und Ökonomisierung unaufhaltsam vorangetrieben wird. Man mag dies beklagen oder begrüßen. Auf jeden Fall müssen wir damit leben und sie als Herausforderung annehmen.

Wir haben nicht nur marginale Berührungspunkte der Kulturkreise, deren Grenzen mit jenen der Staatsgebiete konform gehen, sondern in jedem Staatsgebiet unterschiedliche Kulturen und Glaubensgemeinschaften. Solange diese sich mit gegenseitigem Respekt begegnen, auf das Missionieren und Dominieren untereinander verzichten, ist ein friedliches Nebeneinander kein Problem.

Zum Miteinander gehört darüber hinaus noch der interkulturelle und intertheologische Dialog in der Landessprache, wozu natürlich nicht nur die Politik und die Gesellschaft berufen sind, sondern vor allen Dingen auch die Glaubensgemeinschaften und die Kirchen.

Unabdingbar ist zudem, dass die Glaubensgemeinschaften und ihre Repräsentanten den Staat, seine Organe und das gesetzte Recht sowie die Verfassung uneingeschränkt achten und beachten. Ist dies nicht der Fall, sind Konflikte vorprogrammiert und der Staat zum Handeln verpflichtet.

An diesem Punkt befinden wir uns beim Thema „Zwangsheirat und Unterdrückungsmorde“. Meine beiden Vorredner haben es auch schon ausgeführt. Man kann es nicht oft genug sagen. Hier werden die Menschenrechte, das Selbstbestimmungsrecht und die Freiheit eines jeden, aber besonders von Mädchen und Frauen, mit Füßen getreten. Das Ausmaß dieser Übergriffe auf sich nicht dem patriarchalischen Willen Beugende kann man den im Antrag dargelegten Zahlen entnehmen.

Für diese Bevormundung und Gewaltanwendung gibt es keine Entschuldigung, auch keine ethisch oder religiös begründete. Zwangsverheiratungen sind keine privaten Angelegenheiten, in die sich der Staat nicht einzumischen hat, sondern ein Verbrechen. Als solches müssen sie auch geahndet werden.

Diese Haltung, man könne mit seinen Kindern und Frauen nach eigenem Gutdünken verfahren, der Wille des Patriarchen und des Familienclans gehe dem individuellen Willen in jedem Falle vor, ist mit unserer Rechts- und Verfassungsordnung nicht vereinbar. Man kann sich nicht für dieses Handeln als Glaubensgemeinschaft auf die Religionsfreiheit nach Artikel 4 Grundgesetz und eine staatliche Anerkennung, wie die christlichen Kirchen begehren, berufen, andererseits aber die Individualgrundrechte mit Füßen treten.

Die Zwangsehen und Unterdrückungsmorde und ihre Bekämpfung sind nur ein Beispiel aus einer ganzen Reihe, die noch vor uns liegen werden. Falsch verstandene Toleranz wäre hier das falsche Signal. Ich brauche nicht zu betonen, dass sich auch die FDP darüber freut, dass alle drei Fraktionen dieses Hauses einen gemein

samen Antrag in diesem Sinne zustande gebracht haben.

Vielen Dank.

(Beifall der FDP)

Das Wort hat Frau Staatssekretärin Reich.

Mein sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete! Zu der Problematik der Unterdrückungsmorde und der Zwangsheirat hat Staatsminister Dr. Bamberger bereits ausführlich in der Plenarsitzung am 6. Juli letzten Jahres Stellung genommen. Ich darf darauf Bezug nehmen.

Für die Landesregierung möchte ich aber noch einmal ausdrücklich feststellen, dass die in dem gemeinsamen Antrag vorgenommenen Bewertungen von Unterdrückungsmorden und Zwangsverheiratungen als Mord und schweres Unrecht in vollem Umfang geteilt werden.

Die Bekämpfung von Unterdrückungsmorden und Zwangsverheiratungen wird auch weiterhin auf allen Ebenen entschieden und mit Nachdruck fortgesetzt.

Tötungsdelikte, bei denen sich der Täter seiner persönlichen Ehre und der vermeintlichen Familienehre wegen sozusagen als Vollstrecker eines von ihm und seiner Familie gefällten Todesurteils über einen anderen Menschen erhebt, sind besonders verwerflich und rücksichtslos. Sie sind nichts anderes als gemeiner Mord und mit der Höchststrafe zu ahnden.