Protokoll der Sitzung vom 15.11.2007

(Beifall bei der CDU)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Wird eine Ausschussüberweisung des Antrags beantragt? – Das ist nicht der Fall. Wir kommen dann direkt zur Abstimmung. Wer dem Antrag der Fraktion der CDU – Drucksache 15/1614 – zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen! – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Der Antrag ist mit den Stimmen der SPD gegen die Stimmen der CDU und der FDP abgelehnt.

Ich rufe Punkt 17 der Tagesordnung auf:

Marketing Unternehmensnachfolge und „MitarbeiterbeteiligungRLPplus“ Antrag der Fraktion der SPD – Drucksache 15/1644 –

Ich erteile Herrn Abgeordneten Schweitzer das Wort.

(Zurufe von der SPD – Abg. Alexander Schweitzer, SPD, begibt sich zum Rednerpult)

Das ist ein Problem, ich kann noch den Vornamen dazusagen. Es steht ein großer Mann, Herr Alexander Schweitzer, vor mir. Es ist eine Grundredezeit von fünf Minuten vereinbart. Herr Abgeordneter Schweitzer, Sie haben das Wort.

Abg. Schweitzer, Alexander, SPD:

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte mich beim lieben Kollegen Harald Schweitzer dafür entschuldigen, dass er zu dieser späten Zeit und nach dieser umfangreichen Tagesordnung einen Schreck erfahren hat, da er gedacht hat, er muss jetzt zu diesem Tagesordnungspunkt sprechen. Er hätte das sicherlich gut gekonnt, aber ich möchte mich trotzdem an dem Thema versuchen.

Meine sehr geehrte Damen und Herren, Rheinland-Pfalz ist Land des modernen Mittelstandes. Darauf weisen wir gerne hin, das ist auch so. Sie wissen, dass wir eine überdurchschnittlich hohe Gründungsintensität im Land verzeichnen können.

Das wird durch das solide Wachstum, über das wir uns auch in diesem Quartal freuen können, eher verstärkt. Wir wissen, es sind die kleinen und mittleren Unternehmen, die Rheinland-Pfalz kennzeichnen.

(Vizepräsident Schnabel übernimmt den Vorsitz)

Eine Zahl, die ich immer wieder gern in Gesprächen anbringe, weil sie sehr deutlich macht, wie sehr die kleinen und mittleren Unternehmen Rheinland-Pfalz prägen, ist die Zahl, dass etwa 93 % aller Unternehmen bis zu zehn Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschäftigen. Dort entstehen die wichtigen Jobs und die wichtigen Zukunftsentwicklungen.

Es ist Ziel und erfolgreiche Praxis der Landesregierung und der sie tragenden sozialdemokratischen Landtagsfraktion, kleine und mittlere Unternehmen im Land, ganz gleich welcher Branche sie angehören, ob Dienstleistung, Produktion oder Handwerk, an der Stelle zu unterstützen, an der es um entscheidende Weichenstellungen im Unternehmen geht. Das ist bei der Existenzgründung, ganz am Anfang eines selbstständigen Unternehmens der Fall, aber auch bei der Neuausrichtung eines Unternehmens, wenn es um Produkt- oder Verfahrensinnovationen geht, wenn es um die Erschließung neuer Märkte geht usw. Wenn sich das Berufsleben eines Inhabers oder einer Inhaberin der Zielgerade nähert, dann geht es auch darum, die Frage zu beachten, wie es mit dem Betrieb weitergeht. Auch da muss Politik Unterstützung gewähren.

Die Frage nach der Unternehmensnachfolge ist mehr und mehr zu einer zentralen Herausforderung unseres Wirtschaftslebens geworden. Das war Grund genug für uns als SPD-Fraktion, sich mit dieser Frage zu befassen. Das geschah in Form einer Anhörung zum Thema „Unternehmensnachfolge in Rheinland-Pfalz“. Diese Anhörung fand Mitte September statt. Wir haben Vertreter der Handwerkskammer, der Industrie- und Handels

kammer, die ISB usw. eingeladen. Selbstständige Unternehmer haben aus ihrer Praxis dort berichtet.

Uns hat vor allem die Frage beschäftigt, wie die Situation aussieht. Ganz aufschlussreich war eine Erhebung der Handwerkskammer Trier aus dem Jahr 2004. Sie ist noch heute und landesweit aussagekräftig. Die Trierer Handwerkskammer hat bei ihren Unternehmen eine Umfrage gestartet und dabei 159 Betriebe, deren Inhaber älter als 55 Jahre sind, gefragt, ob sie sich Gedanken gemacht haben. Von diesen Unternehmen haben sich 61,6 % tatsächlich mit ihrer eigenen Nachfolge beschäftigt. Wenn ich das richtig gerechnet habe, bedeutet das, dass sich fast 40 % der Unternehmen, die von Inhabern geführt werden, die um die 60 Jahre alt sind, noch keine Gedanken gemacht haben, wie es weitergeht.

Ich denke, eine Veröffentlichung der Deutschen Bank Research mit dem Titel: „Deutscher Mittelstand vom Aussterben bedroht?“ zeigt, wie sehr dieses Thema virulent ist.

Die Autorinnen und Autoren dieser Studie kommen zu der Feststellung, dass es im deutschen Mittelstand ein strukturelles Nachfolgeproblem gibt.

Worum geht es in unserem Antrag? Wir wollen Problembewusstsein wecken. Wir wollen deutlich machen, dass es uns darum geht, sich frühzeitig mit der Nachfolge zu beschäftigen. Wir wollen sensibilisieren. Wir wollen natürlich nicht nur das, sondern wir wollen auch Beratungsleistungen anbieten. Wir denken, dass die Landesregierung und die Politik hier in der Pflicht sind. Wir wissen, um welche Fragen es geht.

Es geht darum, wie die Übernahmeverträge konkret zu gestalten sind. Wie sehen die gesetzlichen Verpflichtungen zur Übernahme von Rechten und Pflichten der Arbeitsverhältnisse aus? Wie sieht es aus mit der Entwicklung oder Erstellung eines zuverlässigen Unternehmenswertes oder eines Preises? Wir wissen, es sind viele Fragen zu klären. Wir wissen auch, viele Unternehmen beschäftigen sich zu spät damit. Viele Unternehmen werden zu spät übergeben. Das ist überdurchschnittlich spät im EU-Vergleich. Wir wissen, dass das oftmals zur Folge hat, dass die Unternehmen nicht den Preis erzielen, den sie hätten erzielen können.

Ich denke, es ist wichtig, dass die Politik auf diesem Weg weiterschreitet, den sie zurzeit schon eingeschlagen hat. Wir wollen Lust auf Selbstständigkeit wecken. Das soll durch verschiedene Projekte geschehen, wie zum Beispiel „JUNIOR“, „B.O.S.S.“, also die berufliche Orientierung, Schüler als Selbstständige. Dieses hat gerade in jüngster Zeit in Landau Schülerinnen und Schüler und Selbstständige zusammengebracht. Damit wurden Einblicke vermittelt, die man im alltäglichen Leben sonst vielleicht nicht hat.

Am anderen Ende der demografischen Skala, bei den etwas Älteren, geht es darum, Lust auf Selbstständigkeit zu wecken. „Starten mit 50 +“, die Gründeroffensive des Landes setzt meines Erachtens hier die richtigen Akzente.

Auch die Initiative „Beruf und Familie“ setzt darauf, dass es auch in Unternehmen möglich ist, Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu gewinnen, die qualifiziert und engagiert sind, aber nicht mehr auf ein erfülltes Privat- und Familienleben verzichten wollen. Auch diese muss man gewinnen können.

Die von mir genannte Studie der Deutschen Bank Research hat deutlich gemacht, dass die Eigenkapitalfinanzierung weiterhin die Hauptquelle der mittelständischen Finanzierung ist. Etwa zwei Drittel der Unternehmen finanzieren ihre Investitionen aus eigenen Mitteln oder aus einbehaltenen Gewinnen. An der Stelle geht es auch darum, das wir die Unternehmen stärken und attraktiv machen. Hier setzt das Programm „MitarbeiterbeteiligungRLPplus“ an. Engagierte Mitarbeiter sollen gewonnen und zu Profiteuren in den Unternehmen gemacht werden. Gleichzeitig soll dadurch die Eigenkapitalbasis des Unternehmens gestützt werden.

Wir wollen mit unserem Antrag deutlich machen, dass wir im Bereich der Unternehmensnachfolge Handlungsbedarf sehen. Wir wollen Unternehmerinnen und Unternehmer sensibilisieren und unterstützen. Wir wollen die Aktivitäten der verschiedenen Akteure, zum Beispiel Handwerkskammern, IHK usw., verstärken und zusammenfassen. Gleichzeitig wollen wir deutlich machen, die Initiative „MitarbeiterbeteiligungRLPplus“ ist ein wirksames Instrument in diesem Bereich. Hier kann es noch mehr an Marketing geben, damit wir an der Stelle weiter erfolgreich sind.

Herzlichen Dank fürs Zuhören.

(Beifall der SPD)

Das Wort hat Herr Kollege Weiner.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Kollege Schweitzer, vieles von dem, was Sie vorgetragen haben, könnten wir teilen. Das Anliegen, den Unternehmen bei der Nachfolge Hilfestellung zu geben, findet unsere volle Unterstützung.

Wenn man sich aber den schriftlichen Antrag ansieht, so stellt man fest, dass er von dem, was Sie gesagt haben, meilenweit entfernt ist. Er enthält zum Teil gar nicht die Informationen, die Sie hier genannt haben. Er hat auch ein ganz anders Ziel.

Er enthält überhaupt keinen neuen Vorschlag in der Sache. Einzig und allein soll die Öffentlichkeitsarbeit der Landesregierung verstärkt werden. Dabei listen Sie auf, um was es geht. Insbesondere das Projekt „MitarbeiterbeteiligungRLPplus“, das erst seit einem halben Jahr läuft, soll verstärkt werden. Dieser Antrag ist immerhin keiner der üblichen Huldigungsanträge. Er enthält aber auch überhaupt keine Erfolgsmeldungen. Wie viele der 3.650 Betriebe – das ist Ihre eigene Zahl – haben sich in diesem Jahr bei ihrer Nachfolgesuche über das Pro

gramm beraten lassen? Wie viele davon haben tatsächlich von dem Programm Gebrauch gemacht? Dazu findet sich in dem Antrag überhaupt nichts. Nur eine Formulierung lässt Schlüsse zu. Es steht drin, dass die Unternehmen das Programm zur Kenntnis genommen hätten.

Meine Damen und Herren, das ist eine ganz besonders nette Umschreibung für einen Flop. Bei seriöser Vorgehensweise müssten wir erst einmal prüfen, woran es liegt, dass die Betriebe das Programm zwar zur Kenntnis genommen haben, es aber offenbar kaum nutzen. Sie sehen die Ursache wieder verstärkt nur bei den Betrieben, die Sie sensibilisieren wollen. Es könnte eventuell vielleicht auch am Programm selbst liegen, oder der Zeitrahmen war zu kurz. All diese Fragen stellen Sie sich nicht.

Bei dem schriftlichen Antrag geht es Ihnen in erster Linie um die Legitimierung einer zusätzlichen Werbekampagne. Der schriftliche Antrag weicht von Ihren Ausführungen deutlich ab. Es geht um mehr Broschüren, Plakate und vielleicht auch um einen Werbefilm. Es geht um Regionalkonferenzen, Workshops, Unternehmertagungen und Symposien. Wir erleben das in letzter Zeit verstärkt im Land. Kurz und gut, es geht um Bühnen und Plattformen für den Wirtschaftsminister, der offensichtlich, nachdem die Realschule plus in aller Munde ist, mit der „MitarbeiterbeteiligungRLPplus“ – ein Zungenbrecher – auch in das Licht der Öffentlichkeit zurückkehren will.

(Zuruf des Abg. Licht, CDU)

Es geht vielleicht auch darum, für den Ministerpräsidenten, der mit viel Aufwand ein Erfolgsmodell braucht, ein rheinland-pfälzisches Vorzeigemodell für Berlin zu bekommen.

Da der Erfolg sich offensichtlich noch nicht so eingestellt hat, wie er sich dies wünscht, wird jetzt kräftig nachgebuttert. Kein Wort zur Finanzierung, meine Damen und Herren von der SPD. So etwas kostet doch auch Geld. Dieser Antrag ist ein wahrer Blankoscheck für die Regierung. Bevor wir uns damit befassen, sollten wir erst einmal im Ausschuss für Wirtschaft und Verkehr darüber reden, wie der Sachstand ist, wie das Programm Anklang findet oder nicht und welches dann die richtigen Maßnahmen sind. Das wird dann vielleicht als ein zweiter Schritt kommen, aber zuerst die Beratung im Ausschuss.

Danke schön.

(Beifall der CDU)

Für die FDP-Fraktion spricht Herr Kollege Eymael.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Das Thema „Unternehmensnachfolge“ ist kein neues Thema, son

dern es beschäftigt die Regierung und die Fraktionen schon seit den letzten zehn Jahren, weil wir wissen, dass darin eine besondere Brisanz liegt. Aber de facto ist es so, dass wir insgesamt zu wenig Unternehmer und zu wenig Selbstständige haben. Die Quote liegt jetzt bei rund 10 % innerhalb der Beschäftigtenquote grundsätzlich. Um aber weltweit in einer globalisierten Welt wettbewerbsfähig zu sein, bräuchten wir bis zu 14 % Selbstständige und Unternehmer. Deswegen gilt es natürlich, für die Selbstständigkeit grundsätzlich und für die Unternehmensnachfolge natürlich genauso zu werben. Entscheidend ist aber nicht ein Marketingprogramm dafür, Unternehmer zu werden, sondern entscheidend sind die Rahmenbedingungen für die jungen Leute.

(Beifall bei der FDP)

Die schrecken oftmals zurück, weil diese Rahmenbedingungen nicht stimmen. Da werden sie mit einem riesigen bürokratischen Aufwand belastet, wenn es darum geht, eine Existenz aufzubauen. Es ist leider in Deutschland so. Dann sind wir zu wenig flexibel, was Arbeitsmarktprobleme betrifft. Ich denke, die Lockerung des Kündigungsschutzes ist ein Thema, das viele Unternehmer abschreckt – gerade im Bereich der kleinen und mittleren Unternehmen –, zusätzliche Mitarbeiter einzustellen.

(Beifall bei der FDP)

Ich denke an umständliche grundsätzliche Genehmigungs- und Bewilligungsverfahren. Ich denke an die Problematik der Steuern und Abgaben grundsätzlich, vor der Sie zurückschrecken. Lieber Herr Minister Hering, ich denke auch daran – da können Sie zwar am wenigsten dafür –, dass Ihre Partei so nach dem Grundsatz des alten militärischen Befehls „Links schwenk marsch“ unterwegs ist. Das trifft zum Beispiel das Tariftreuegesetz und Mindestlöhne. Das sind alles Dinge, die natürlich auch Unternehmer davor abschrecken, erfolgreich ein Unternehmen aufzubauen oder letztlich die Nachfolge anzutreten.

Meine Damen und Herren, ich will aber auch einen Appell an die Unternehmer selbst richten, gerade an die, die kleinere und mittlere Betriebe führen. In der Familie kann man auch ein unternehmerfreundliches Klima für die nächste Generation schaffen. Man kann in der Familie alles miesreden und alles nur negativ darstellen. Man kann sich aber auch positiv dafür einsetzen, dass der junge Mann oder die junge Frau – Sohn oder Tochter – bereit ist, das Unternehmen zu übernehmen. Es macht auch Spaß, Unternehmer zu sein. Ich hatte das Vergnügen auch einige Jahre. Mein Sohn hat auch ein kleines Unternehmen übernommen und macht es mit großem Elan und mit großer Freude. Wir sind da alle gefordert.

(Vereinzelt Beifall bei der FDP)

Meine Damen und Herren, natürlich muss die Wirtschaftsförderung den jungen Leuten entsprechend helfen. Daran gibt es keinen Zweifel. Eigenkapital ist gefragt. Die Banken wollen Eigenkapital sehen, um weitere Darlehen letztlich auch zu gewährleisten. Wie man das macht, ist die Frage, die sich immer wieder stellt. Nachdem in diesem Antrag hier mehrfach dieses „MitarbeiterbeteiligungsprogrammRLPplus“ in der Tat nach Real

schule plus, Mitarbeiterbeteiligung plus usw. kommt, frage ich mich, wann das nächste „plus“ kommt. Wenn natürlich alles nur minus ist, ergibt minus mal minus dann auch wieder plus. Insofern muss man einmal schauen, wie sich das weiterentwickelt. Aber de facto spricht man hier von einem großen Interesse.