2. Sieht die Landesregierung die Notwendigkeit, aus den jüngst bekannt gewordenen Vorfällen Konsequenzen zu ziehen?
Herr Präsident, meine sehr verehrten Herren, meine sehr verehrten Damen Abgeordnete! Die Mündliche Anfrage der Abgeordneten Ulla Brede-Hoffmann, Marianne Grosse und Peter Wilhelm Dröscher beantworte ich namens der Landesregierung wie folgt:
Zu Frage 1: Die Einrichtung Casa Reha in Mainz-Finthen wurde im Oktober 2004 in Betrieb genommen. Von September 2005 bis heute fanden anlassbezogen verschiedene Überprüfungen durch das Gesundheitsamt, das Landesuntersuchungsamt, den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung und der Heimaufsicht statt. Dabei wurde der Träger bei der Umsetzung von konkreten Maßnahmen zur Mängelbeseitigung intensiv beraten.
Die in den Prüfungen festgestellten Mängel waren nach Aussagen von Prüfern jedoch nicht so relevant, dass sie die Kündigung des Versorgungsvertrages oder eine Betriebsuntersagung gerechtfertigt hätten. Der Versorgungsvertrag wurde von den Pflegekassen befristet verlängert.
Am 8. Oktober 2007 hat das Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Familie und Frauen über den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung RheinlandPfalz eine Beschwerde erreicht, die zu Besorgnis hinsichtlich der pflegerischen Versorgung in der Einrichtung Casa Reha in Mainz Anlass gab.
Daraufhin hat das Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Familie und Frauen am 9. Oktober 2007, also einen Tag später, eine gemeinsame unangemeldete Überprüfung der Einrichtung durch die Heimaufsicht und den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung veranlasst. Beteiligt war auch die Staatsanwaltschaft Mainz.
Am 24. Oktober 2007 hat die Heimaufsicht ein Anhörungsverfahren zur Betriebsuntersagung eingeleitet. In diesem Rahmen nimmt der Träger auch zu den vorgefundenen Prüfergebnissen Stellung.
Zu den Fragen 2 und 3: Nach Bekanntwerden der anonymen Anzeige hat die Heimaufsicht gemeinsam mit dem Medizinischen Dienst der Krankenversicherung und der Staatsanwaltschaft unverzüglich gehandelt. Die Staatsanwaltschaft ermittelt. Die Heimaufsicht hat ein Verfahren zur Betriebsuntersagung eingeleitet. Der Träger hat inzwischen umfassend Stellung genommen. Die Heimaufsicht wertet die Stellungnahme zurzeit aus und wird Ende dieser oder Anfang der kommenden Woche entscheiden, ob der weitere Betrieb untersagt wird.
Frau Ministerin, bisher sind neun Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter plus Heimaufsicht freigestellt worden. Gibt es dazu Äußerungen vonseiten der Träger?
Nein. Wir kennen natürlich Äußerungen des Trägers insoweit, als dass eine 72 Seiten umfassende Stellungnahme zu dem Thema „Anhörung“ eingegangen ist.
Im Übrigen aber spricht der Träger zumindest öffentlich in der Zeitung so, dass es rein prophylaktische Maßnahmen gewesen wären, die Heimleitung, auch die Gruppenleitung, insgesamt zehn Beschäftigte zurzeit freizustellen. Es läuft ein Verfahren wegen Beschäftigungsverbots seitens der Heimaufsicht gegen drei Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.
Sehr geehrte Frau Ministerin, Sie haben aufgezählt, dass es schon diverse Überprüfungen im Vorfeld gegeben hat, bei denen Mängel festgestellt worden seien, die allerdings nicht ausgereicht hätten, um sofort einen weiteren Betrieb zu untersagen. Ist Ihnen bekannt, welche Erkenntnisse vorgefunden werden müssen, um tatsächlich sofort zu handeln, also zügiger zu einer Betriebsuntersagung zu gelangen?
Wenn Sie gestatten, würde ich ganz kurz einmal sagen, was in den Überprüfungen damals vorgefunden worden ist. Ich nenne dies grob in Stichpunkten und komme dann noch einmal auf den anderen Teil Ihrer Frage zurück.
Am 16. August 2006 gab es einen unangemeldeten Besuch durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung. Dort wurden Mängel in der Ablauforganisation und Dokumentation gefunden.
Am 6., 7. und 9. November 2006 gab es unangemeldete Überprüfungen durch das Landesuntersuchungsamt – dabei handelt es sich um das Institut für Lebensmittelchemie und Arzneimittelprüfung – nach Beschwerde wegen Mängeln in der Speiseplangestaltung und eine Aufforderung zur Umgestaltung.
Am 13. Dezember 2006 gab es eine angemeldete Heimaufsichtsbegehung. Schwerpunkte waren die Erfassung von Personalplänen und der Umgang mit Bewohnern mit Demenz.
Am 21. März 2007 gab es unangemeldete Überprüfungen durch die Heimaufsicht und das Gesundheitsamt. Da ging es um Zusagen der Qualitätsbeauftragten hinsichtlich der Schulung von Personal und Veränderungen auch bezogen auf das Personal.
Am 10. und 11. Juli 2007 gab es die unangemeldete Begehung durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung. Dort sind Mängel in Prozess- und Ergebnisqualität festgestellt worden. Dann ging praktisch das Verfahren los, das ich vorhin genannt habe.
Es gab also durchaus zahlreiche Mängel, die sich auf unterschiedliche Dinge bezogen, wie Sie eben gehört haben, aber alles waren keine durchgreifenden Mängel, um tatsächlich wirklich zu sagen, der Betrieb muss untersagt werden.
Erschwerend kommt hinzu, dass die Mängel schwerpunktmäßig in einem Wohnbereich vorgefunden worden sind. Die Einrichtung besteht aus vier Wohnbereichen. Maßgeblich betroffen ist ein spezieller Wohnbereich. Es
ist schwer, abstrakt zu sagen, was vorgefallen sein muss, um eine Betriebsuntersagung aussprechen zu können. Sicher ist das immer dann möglich, wenn die Pflege gefährdend wird für die Personen und Menschen, die dort leben. Dann ist ein Betriebsuntersagungsverfahren durchaus angemessen. Dementsprechend läuft es. Nach der anonymen Anzeige sind zum ersten Mal Mängel festgestellt worden, die sehr viel gravierender waren, als es in der Vergangenheit der Fall war.
Frau Ministerin, wenn solche Mängel festgestellt werden, dann stellt sich die Frage, wie diese Mängel bzw. das Verfahren im Nachgang evaluiert werden. Wie wird nachgefasst?
Ich komme zum zweiten Punkt. In welcher Form werden die Angehörigen bzw. die Bewohner des Heimes über eventuelle Mängel und deren Abstellung informiert?
Selbstverständlich werden diese Begehungen dokumentiert. Sie werden auch nachgeprüft. Deswegen gibt es immer Nachprüfungen, die auf Prüfungen folgen, bei denen Mängel festgestellt worden sind. Dort sind regelmäßig Mängel beseitigt und Zusagen gegeben worden.
Es gibt einen Satz, der mir nachhaltig in Erinnerung ist. Es gibt Einrichtungen, bei denen man immer wieder prüft und immer wieder kleinere Mängel feststellt. Das ist aus meiner Sicht ein großes Problem. Die Durchgriffsmöglichkeiten der Heimaufsicht und des MDK sind sehr begrenzt. Es gibt eigentlich nur die Möglichkeit, man prüft nach und trifft neue Vereinbarungen oder Anordnungen. Es gibt Zusicherungen der Qualitätsbeauftragten in den Einrichtungen. In der Regel wird das bei guten Einrichtungen alles erfüllt.
Wenn diese Anforderungen nicht erfüllt werden, gibt es eigentlich nur noch den Schritt, das Betriebsuntersagungsverfahren einzuleiten. Nach dem, was ich alles zu dem konkreten Fall gehört habe, halte ich das für ein Problem. Wir sind ernsthaft dabei zu prüfen, ob wir uns in Zukunft landesrechtlich überlegen, der Heimaufsicht andere Sanktionsmittel an die Hand zu geben, beispielsweise Geldstrafen, wenn bestimmte Mängel nicht innerhalb einer bestimmten Frist abgestellt werden.
Frau Ministerin, ist Ihnen bekannt, ob andere Einrichtungen des gleichen Trägers auch mit Mängeln behaftet waren und bei Überprüfungen aufgefallen sind? Sind die jetzt vorliegenden Beschwerden ausschließlich standort- und leitungsbezogen? Das ist das eine.
Das Zweite ist Folgendes: Wie beurteilen Sie das Instrument der unangemeldeten Überprüfung? Erhoffen Sie sich auch bei anderen Einrichtungen, auf sich einschleichende Mängel frühzeitig aufmerksam zu werden, um damit gravierende Mängel in der Pflege unterbinden zu können?
Casa Reha ist einer der größten privaten Einrichtungsbetreiber in der Bundesrepublik Deutschland. Ich habe die Zahl nicht genau im Kopf, ich glaube aber, sie haben bundesweit 48 Einrichtungen. Darunter sind auch sehr gut geführte Häuser. Mir ist nicht bekannt, wie sich das Bild bundesweit darstellt. Insgesamt hat der Einrichtungsträger einen guten Ruf.
Es gibt weitere Einrichtungen in Rheinland-Pfalz. In einer Einrichtung sind wir auch immer wieder mit Überprüfungen zugange. Man muss an dieser Stelle Folgendes deutlich sagen: Wir stellen immer wieder fest, wenn Einrichtungen mit Mängeln auffallen, dann ist das ein klares Leitungsproblem. Wir können es im Moment noch nicht abschließend beurteilen. Wir befinden uns zurzeit in den laufenden Ermittlungen. Alles, was wir öffentlich sagen, kann morgen für uns möglicherweise ein Problem werden.
Wir können im Moment nicht abschließend beurteilen, ob das für Casa Reha auch zutrifft. Die Tatsache, dass sich die Mängel auf eine Wohngruppe beziehen und nicht auf die gesamte Einrichtung, hat nach unserem Eindruck auch damit zu tun, dass es in diesem Bereich Leitungsfehler gibt. Aus meiner Sicht ist es deshalb erforderlich, an die Einrichtungsleitung andere Anforderungen als bisher zu stellen.
Das ist die Frage, ob Sie der Meinung sind, dass man mit dem Instrument der unangemeldeten Überprüfung in anderen Einrichtungen relativ frühzeitig etwas feststellen kann, und zwar bevor sich wirklich gravierende Probleme einstellen.
Ehrlich gesagt hoffe ich, dass das in Rheinland-Pfalz kein Dauerzustand wird. Es soll die Ausnahme bleiben. Die unangemeldete Heimaufsichtsüberprüfung habe ich im September angeordnet. Das geschah aus einer ganz anderen Motivation heraus. Ich bin heute froh, dass wir das Verfahren umgestellt haben. Ich denke, es ist wichtig, dass die Heimaufsicht und zum Teil der MDK unangemeldet in die Einrichtungen kommt und sich vergewissern kann, wie gut die Qualität ist.
Ich füge trotzdem Folgendes an: In dieser Einrichtung hat es viele Überprüfungen gegeben. Das geschah auch durch den MDK.
Ich bin mit Herrn Fussek einer Meinung. Wir sind darauf angewiesen, dass die Bevölkerung, die Bewohner und die Angehörigen sich unbedingt melden müssen, wenn sie Zustände in einer Einrichtung vorfinden, die nicht in Ordnung sind. Das brauchen wir zur Erreichung eines guten Qualitätsmanagements. Die Heimaufsicht oder der MDK können eine Einrichtung nie so überprüfen, dass man alle Mängel wirklich im Griff hat. Ich nenne noch einmal den Appell. Wir haben ein Beschwerdetelefon in Rheinland-Pfalz, bei dem man anonym anrufen kann. Es wäre wichtig, dass die Bevölkerung weiß, dass ihre Mitarbeit an dieser Stelle unbedingt erforderlich ist.
Meine Damen und Herren, es liegen noch drei Wortmeldungen vor. Die Fragestunde ist eigentlich vorbei. Im Hinblick auf das Fragerecht der Abgeordneten will ich die drei Fragen noch zulassen, und zwar von Frau Grosse, Herrn Dr. Schmitz und Herrn Hartloff.