Protokoll der Sitzung vom 13.12.2007

(Beifall der CDU und des Abg. Eymael, FDP – Widerspruch von der SPD)

Sie haben gesagt, Herr Hering, dass tarifgebundene Unternehmen keinen zusätzlichen Aufwand haben. Entschuldigung bitte, wenn ein Unternehmen die Tariftreueverpflichtung unterschreibt und bestätigt, wir wenden Tarifverträge an, ist doch der Auftraggeber deshalb nicht aus der Pflicht, das zu überprüfen.

Selbst wenn es ein tarifgebundenes Unternehmen ist, so ist klar, dass es überall böse Menschen gibt. Die schwarzen Schafe gibt es auch bei Unternehmen. Wenn es der Auftraggeber will, muss selbstverständlich jedes Unternehmen alle Unterlagen vorlegen, die belegen, dass diese Tariftreueverpflichtung in die Realität umgesetzt wird. Herr Hering, Sie behaupten, es gebe da keinen Aufwand. Ich lebe offensichtlich in einer anderen Realität als Sie.

(Beifall der CDU – Pörksen, SPD: Das stimmt! – Hartloff, SPD: Wir glauben allerdings erst einmal, dass die Menschen gesetzestreu sind!)

Wir kommen zu dem Aufwand, den Sie hier beschreiben. Sie beschreiben ihn als so marginal, dass er nicht unter das Konnexitätsgesetz fällt. Das Konnexitätsgesetz schreibt vor, wenn das Land den Kommunen neue Aufgaben überträgt, die in der Anwendung Geld kosten, dann muss das Land dieses Geld bezahlen. Um Bürokratie zu sparen, haben wir eine untere Bagatellgrenze festgelegt. Diese liegt bei 25 Cent pro Einwohner. Sie sagen jetzt, diese Bagatellgrenze ist nicht berührt. Ich wäre sehr dankbar, wenn wir spätestens nach einem Jahr nachschauen würden, ob diese Bagatellgrenze wirklich nicht berührt ist.

Ich bin sehr gespannt, was unsere kommunalen Vertreter zu dieser Einschätzung sagen werden. Ich glaube, dass der Aufwand deutlich über dieser Bagatellgrenze liegen wird. Dann muss das Land den Kommunen den zusätzlichen Aufwand erstatten.

(Zuruf des Abg. Pörksen, SPD)

Meine Damen und Herren, das ist nur der zusätzliche Aufwand für die Bürokratie. Ganz interessant finde ich Ihre Erläuterung zu den Kosten. Ich finde sie sogar ein Stück weit entlarvend, Herr Minister. Wenn Sie sagen, Dumpinglöhne haben in Rheinland-Pfalz nichts zu suchen, dann unterstelle ich, dass Sie der Auffassung sind, dass es häufig Firmen gibt, die Dumpinglöhne zahlen. Weil es nicht nur Einzelfälle sind, müssen wir ein Gesetz machen. Ich denke, wir sind uns einig, dass wir für Einzelfälle kein Gesetz machen müssen.

Es gibt also eine erkennbare Zahl von Firmen, die Dumpinglöhne zahlen. Zu diesen Firmen sagen Sie, ihr müsst ab sofort Tariflohn zahlen. Die Zielsetzung bestreite ich gar nicht. Sich hier hinzustellen, sich zu winden und zu behaupten, dass es im Ergebnis vielleicht bei der Auftragssumme doch keine Kostensteigerung verursacht, ist lächerlich und inkonsequent.

(Beifall der CDU und bei der FDP – Dr. Rosenbauer, CDU: Das wäre doch nicht notwendig! – Zuruf des Abg. Pörksen, SPD)

Wenn ich will, dass die Leute besser bezahlt werden, können solche Sätze einfach nicht stimmen. Ich zitiere aus Ihrem eigenen Gesetzentwurf: „Unmittelbar führt das Landestariftreuegesetz bei der Vergabe öffentlicher Aufträge nicht zwingend zu höheren Kosten. Welches Gewicht den Lohnkosten in einem komplexen Vertragsgefüge zukommt, kann nur im Einzelfall entschieden werden.“ Wenn man sich mutig hinstellt und sagt, zu Rheinland-Pfalz passen keine Dumpinglöhne, dann muss man auch bereit sein zu sagen, die dadurch entstehenden Mehrkosten werden wir zusammen mit den Kommunen tragen, weil es uns das Ziel wert ist.

Wir haben die Bitte nach etwas mehr Aufrichtigkeit im Zusammenhang mit diesem Gesetz. Wir erwarten, dass es eine intensive Beratung im federführenden Ausschuss unter Beteiligung des Sozialpolitischen Ausschusses gibt. Das Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Familie und Frauen ist in Rheinland-Pfalz für das Tarifrecht zuständig. Wir würden uns freuen,

wenn die Anhörung gemeinsam durchgeführt werden könnte.

Vielen Dank.

(Beifall bei CDU und FDP)

Das Wort hat Frau Kollegin Mohr.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Werte Frau Kollegin Thelen, Sie haben sich jetzt eigentlich entlarvt, wie wenig Sie in der kommunalpolitischen Realität stehen.

(Beifall der SPD – Zuruf des Abg. Dr. Schmitz, FDP – Zurufe von FDP und CDU: Oh!)

Sie haben versucht, ein Gesetz zu zerreden, das – ich darf aktuell berichten – in Hessen – – –

(Dr. Rosenbauer, CDU: Das Duell möchte ich gerne sehen!)

Ich denke, wir sollten auf die aktuellen Ereignisse verweisen. In Hessen wurde heute das Tariftreuegesetz verabschiedet.

(Baldauf, CDU: Das ist etwas völlig anderes, das müssen Sie einmal durchlesen! – Zuruf des Abg. Eymael, FDP)

Die SPD hat dagegen gestimmt, weil ihr das Gesetz nicht weitgehend genug war. In diesem Gesetz waren nur drei Branchen verankert. Auch die Sanktionsmechanismen waren nicht hart genug.

Ich denke, die Landesregierung ist mit der Einbringung des Tariftreuegesetzes für Rheinland-Pfalz auf einem guten und richtigen Weg. Meine Fraktion unterstützt das Gesetz zur tariflichen Entlohnung bei öffentlichen Aufträgen nachdrücklich.

Wir müssen uns fragen, warum wir überhaupt ein solches Gesetz brauchen. Wir stehen nicht allein mit dieser Frage da. Andere Bundesländer haben sich schon entschieden. Bayern, Berlin, Bremen, Hamburg, Niedersachsen, das Saarland und Schleswig-Holstein haben das Gesetz. Wie ich gesagt habe, kommt jetzt noch Hessen hinzu.

(Baldauf, CDU: Was ist mit Nordrhein-Westfalen? – Eymael, FDP: Und Sachsen?

Das wird sicher Herr Eymael irgendwo aufklären.

Meine Damen und Herren, ich denke, der zunehmende Einsatz von Billiglohnkräften in vielen Branchen führt zu einer starken Wettbewerbsverzerrung. Arbeitsplätze in einheimischen, insbesondere in mittelständischen Un

ternehmen werden gefährdet. Die Gewerkschaft TRANSNET verweist in ihrer Stellungnahme zu der Anhörung darauf, dass auch ähnliche Entwicklungen im öffentlichen Personennahverkehr zu befürchten sind. Wenn Sie sich kommunal informieren, dann wissen Sie, dass momentan an vielen Ausschreibungen in diesem Bereich gearbeitet wird, weil viele Konzessionsverträge im öffentlichen Personennahverkehr in den nächsten Jahren neu vergeben werden müssen.

Das nun eingebrachte Tariftreuegesetz schafft die Voraussetzungen für einen fairen Wettbewerb gerade im Interesse der kleinen und mittelständischen Unternehmen in unserem Land. Wie die Anhörung zum Gesetzentwurf gezeigt hat, begrüßen die Gewerkschaften, aber auch viele Verbände die Gesetzesinitiative.

(Zuruf des Abg. Eymael, FDP)

Sie bringen im Sinne der Anhörung ihre Bedenken mit ein. Dass nicht alle hellauf begeistert sind, ist zum Teil systemimmanent bzw. klientelimmanent, Herr Eymael.

(Eymael, FDP: Wenn Sie das auf die Gewerkschaften beziehen, vielleicht!)

Wie Viele sehen wir im Tariftreuegesetz einen wichtigen Baustein zu fairen Arbeitsbedingungen und für einen fairen Wettbewerb. Diese Regelung gilt nicht nur für die Unternehmer, sondern explizit auch für den Nachunternehmer. Keiner von uns kann es wollen, dass sogenannte Billigunternehmer nur über schlecht ausgebildete und schlecht bezahlte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bei öffentlichen Ausschreibungen in den Markt drängen. Wir schaffen heute die Voraussetzungen, dass Wettbewerb nicht über Lohndumping, sondern über Produktivität, Service und Qualität bestimmt wird. Ich denke, das ist auch für die Betriebe und Unternehmen ein Beitrag zur Innenreflektion. Der Minister hat es angedeutet. Unternehmen müssen ein gewisses Maß an Eigenhygiene betreiben. Man muss sich fragen, ob man seine Arbeitnehmer angemessen entlohnt.

Wir können uns fragen, wie es in der kommunalen Realität bisher aussieht. Viele von uns sitzen in Kommunalräten von Gemeinden, Städten und Kreisen. Dort wird über Auftragsvergaben entschieden.

Meine Damen und Herren, 90 % der öffentlichen Bauaufträge haben einen Auftragswert von unter 20.000 Euro. Diese Aufträge werden nicht betroffen sein; denn im Gesetz liegt der normierte Schwellenwert bei 20.000 Euro, was bei der Abwägung sicherlich einen richtigen materiellen Schwellenwert darstellt.

Meine Damen und Herren, wenn es um hohe Beträge geht, dann beginnen die Probleme. Beispielsweise berät ein Kreistag über die Vergabe eines Millionenauftrages. Das kann beispielsweise den Bereich der Müllentsorgung betreffen. Die Submission weist einen Bieter aus, der weit unter den Angeboten der anderen Bieter liegt. Das Angebot liegt weit unter dem des derzeitigen Entsorgers und der anderen Unternehmen aus der näheren Umgebung. Man könnte denken, diese kennen die geografischen Bedingungen, kennen auch die versorgungsspeziellen Bedingungen und haben damit einen gewis

sen Vorteil, um sich am Wettbewerb zu beteiligen. Wie ist es jetzt? Dem Vergaberecht folgend muss das Gremium selbst bei den größten Zweifeln an tarifgerechter Entlohnung und anderen damit verbundenen Parametern wie Urlaubstage, Freizeit usw. dem wirtschaftlichsten Angebot den Zuschlag geben.

Der Beweis einer Nichtauskömmlichkeit ist sehr schwer zu führen. Das wissen Sie selbst. Ich denke, glücklich und zufrieden geht bei solchen Entscheidungen kaum ein Mitglied aus dem Haus.

Meine Damen und Herren, dies hat sich leider vielfach so in Rheinland-Pfalz ereignet. Das war das, was Frau Thelen in Frage gestellt hat. Heute setzen wir aber ein Zeichen. Wir schaffen das Instrumentarium für eine menschenwürdige Arbeitswelt dort, wo wir Einfluss geltend machen können, nämlich dort, wo die öffentliche Hand – die Gemeinden, Gemeindeverbände, das Land und die öffentlichen Auftraggeber, wie zum Beispiel auch die Eigenbetriebe und Zweckverbände – den notwendigen Einfluss hat.

(Beifall der SPD)

Die unter Umständen entstehenden Mehrausgaben – Frau Thelen, wir wollen das gar nicht leugnen – für öffentliche Auftraggeber durch die Entlohnung nach Tarif am Ort der Leistungserbringung werden durch die positiven Effekte am Arbeitsmarkt gemildert oder sogar abgefangen und aufgefangen. Durch die Regelung werden Arbeitsplätze erhalten, die einen ausreichenden Sozialschutz sowie ein angemessenes Einkommensniveau gewährleisten und die Sozialsysteme auch vor Ort stabilisieren. Da auch in der Anhörung gewisse Schwierigkeiten angesprochen wurden, und zwar hauptsächlich, dass die jeweils einschlägigen Tarifverträge als öffentliche Hand nur sehr schwer zu ermitteln sind, wird vom Land im Geschäftsbereich des Sozialministeriums eine Servicestelle neu eingerichtet, die dann angerufen werden kann und diese einschlägigen Tariflöhne mitteilt.

Außerdem gibt es – Herr Baldauf, das habe ich Ihnen auch gesagt – ein Präqualifikationssystem. Das gilt aber nur für das Baugewerbe. Auf Bundesebene gibt es sechs oder sieben Stellen, die angerufen werden können.

Das nun vorliegende Gesetz folgt dem Beispiel der öffentlichen Auftragsvergabe, wie es schon in anderen Bundesländern praktiziert wird. Es gehört aber, von den Sanktionsmaßnahmen her, zu den weitestgehenden Gesetzen.

Meine Damen und Herren, gestatten Sie mir noch einen Ausflug in unsere Landesverfassung, die bekanntlich das Wertefundament unseres Gemeinwesens ist. Bei manchen gerät die Landesverfassung offensichtlich leider ein bisschen in Vergessenheit. Im ersten Hauptteil in Abschnitt VI „Die Wirtschafts- und Sozialordnung“ können wir in § 51 lesen: „Die soziale Marktwirtschaft ist die Grundlage der Wirtschaftordnung. Sie trägt zur Sicherung und Verbesserung der Lebens- und Beschäftigungsbedingungen der Menschen bei, indem sie wirtschaftliche Freiheiten mit sozialem Ausgleich, sozialer Absicherung und dem Schutz der Umwelt verbindet.“

Artikel 53 sagt: „Die menschliche Arbeitskraft ist als persönliche Leistung und grundlegender Wirtschaftsfaktor gegen Ausbeutung, Betriebsgefahren und sonstige Schädigungen zu schützen.“

Dann gibt es noch den Artikel 56: „Das Arbeitsentgelt muss der Leistung entsprechen, zum Lebensbedarf für den Arbeitenden und seine Familie ausreichen und ihnen die Teilnahme an den allgemeinen Kulturgütern ermöglichen.“

Meine Damen und Herren, wenn die Landesverfassung das Wertefundament unseres Gemeinwesens ist, dann sollten wir das meines Erachtens auch in die Überlegungen und in die Diskussionen in den Ausschüssen mit einbeziehen.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall der SPD)

Für die FDP-Fraktion hat nun Herr Kollege Eymael das Wort.