Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich glaube, es gibt einen Grundkonsens hier im Haus, dass man aktiv gegen Lohndumping gerade auch bei öffentlichen Aufträgen vorgehen sollte. Das ist ein Grundkonsens.
Aus diesem Grund unterstützen wir die Zielsetzung des vorliegenden Gesetzentwurfs. Auch wir wollen keine Wettbewerbsverzerrungen zulasten mittelständischer Unternehmen hier in diesem Land. Wir haben uns aber überlegt, irgendetwas ist doch mit diesem Gesetz verbunden. Da haben wir selbst eine Anhörung veranstaltet. Sie fand bereits im September dieses Jahres statt. Hier waren wir ganz überrascht, dass überwiegend schwerwiegende Bedenken an der Umsetzbarkeit und Kontrolle des hier vorgelegten Tariftreuegesetzes geäußert worden sind.
Ein Großteil der Anzuhörenden war sich einig, dass die heutige Rechtslage eigentlich in Form des Entsendegesetzes ausreiche, um Lohndumping und damit verbundene Wettbewerbsverzerrung zumindest in der Bauwirtschaft auszuschließen. So wurde unter anderem auch von der rheinland-pfälzischen Bauindustrie hervorgehoben, dass bereits jetzt schon Tariftreueerklärungen im Vergabehandbuch existiere – Frau Thelen, das ist das, was Sie eben auch angesprochen haben – und das Vergaberecht jetzt schon viel zu kompliziert sei, die bestehende Rechtslage ausreiche und wir im Grundsatz kein Regelungsdefizit, sondern ein Vollzugsdefizit haben.
Meine Damen und Herren, überraschend war auch, dass im Grundsatz die kommunalen Gebietskörperschaften – das hat zumindest auch Nordrhein-Westfalen gezeigt – überfordert waren; denn die öffentliche Hand war kaum in der Lage, dann die einschlägigen Tarifverträge korrekt anzugeben. Das wird ein Problem sein. Neben der Schwierigkeit der Kontrolle auf Einhaltung wurden von den Anzuhörenden vor allem ein Übermaß an Verbürokratisierung sowie auch Mittelstandsfeindlichkeit unterstellt.
In diesem Zusammenhang stellte zum Beispiel die Arbeitsgemeinschaft der Industrie- und Handelskammern richtigerweise fest, dass der zu beratende Gesetzentwurf eines Landestariftreuegesetzes der Zielsetzung des Koalitionsvertrages der Großen Koalition von 2005 zuwiderläuft, in dem festgehalten wird, dass das deutsche Vergaberecht kompliziert, bürokratisch und mittelstandsfeindlich sei. Dem Ziel einer Verschlankung der Bürokratie und einer höheren Mittelstandsfreundlichkeit würden nach Ansicht der Industrie- und Handelskammer vergabefremde Kriterien wie die Einführung einer Tariftreue zuwiderlaufen. Ein Blick auf andere Bundesländer zeige, dass Tariftreuegesetze keinen positiven Einfluss auf die Entwicklung der Beschäftigungsverhältnisse hätten.
So hatte das Tariftreuegesetz in Berlin keinen positiven Einfluss auf die dortigen Beschäftigungsverhältnisse. In Sachsen-Anhalt ist das Tariftreuegesetz nach kurzer Zeit wieder abgeschafft worden. In Nordrhein-Westfalen war das dortige Tariftreuegesetz gerade einmal knapp vier Jahre in Kraft. So gleicht der jetzige Gesetzentwurf der rheinland-pfälzischen Landesregierung zu etwa 90 % dem Tariftreuegesetz von Nordrhein-Westfalen vom 17. Dezember 2002, welches am 25. Oktober 2006 von der nordrhein-westfälischen Landesregierung wegen Untauglichkeit außer Kraft gesetzt wurde.
Schon im Gesetzgebungsverfahren waren damals vor allem von Vertretern der Kommunen in NordrheinWestfalen massive Bedenken hiergegen geäußert worden. Diese wurden nochmals durch ein von der vormaligen rot-grünen Landesregierung in Nordrhein-Westfalen in Auftrag gegebenes Gutachten der Dortmunder Sozialforschungsstelle bestätigt. Im Kern hat sich das Tariftreuegesetz in Nordrhein-Westfalen als unwirksam, unpraktikabel und bürokratielastig erwiesen. Im Februar 2005 stellten die Dortmunder Wissenschafter unter anderem fest, die tatsächliche Einhaltung der Tariftreue wird von 70 % der Kreise und 96 % der Gemeinden in Nordrhein-Westfalen nicht überprüft. 80 % der Vergabestellen haben erhebliche Schwierigkeiten bei der Abgrenzung der jeweils gültigen Tarifverträge. Besondere rechtliche und tatsächliche Probleme gibt es bei der Auswahl der anzuwendenden Tarifverträge im ÖPNV. 70 % der Vergabestellen stellten zudem fest, dass die Nachprüfung der Kalkulationen extrem schwierig ist, und rund 65 % sind der Auffassung, dass das Tariftreuegesetz Nordrhein-Westfalens sich nicht in allen Punkten korrekt umsetzen lässt.
70 % der Bauunternehmen beanstanden, dass die öffentlichen Auftraggeber Kontrolltätigkeiten auf Generalunternehmer abwälzen. Fast 44 % der befragten Unternehmen hielten das nordrhein-westfälische Tarifgesetz zur Sicherung tarifgebundener Arbeitsplätze für nicht
hilfreich. Etwa die Hälfte der Unternehmen des dortigen Baugewerbes vertrat die Auffassung, dass die Ziele des Tariftreuegesetzes bereits durch den allgemein verbindlichen Tarifvertrag Mindestlohn erfüllt würden.
Meine Damen und Herren, auch das Thema „Kostenabwälzung, Konnexitätsprinzip, Kostenabwälzung auf die Kommunen“ spielt eine große Rolle. Außerdem spielt auch der enorme Kontroll- und Verwaltungsaufwand eine Rolle, der die Kommunen sicherlich belasten wird.
In Nordrhein-Westfalen kam man zu dem Ergebnis, es gibt weniger, aber teurere Straßen, es gibt weniger aber teurere Schulgebäude, und es gibt weniger aber teurere Krankenhäuser. Ob das die Zielsetzung sein kann, wage ich zu bezweifeln.
Es gibt weitere Probleme wie Haftungsübernahmen für die Nachunternehmer, die Sanktionsmaßnahmen, der Mittelstand hat erhebliche Probleme, bürokratisch zu aufwendig. Es gibt auch SPD Politiker wie den sächsischen Wirtschaftsminister, der Parteifreund Jurk, der das Gesetz in Sachsen zurückgenommen hat. Er hat seine Lehren daraus gezogen.
Trotzdem sage ich hinzu, trotz aller Bedenken, lassen wir uns durch eine neue Anhörung vielleicht noch ein Stückchen weiter in unserer Willensbildung informieren, was den Gesetzentwurf insgesamt betrifft. Auf diese Diskussion freuen wir uns. Wir werden es jedenfalls konstruktiv begleiten.
Ich bin gespannt, ob diese Anhörung, die vielleicht der Ausschuss machen wird, zu einem anderen Ergebnis kommt als die Anhörung, die wir selbst gemacht haben, in der wir uns ein Bild von den Schwierigkeiten gemacht haben, die mit einem solchen Gesetz verbunden sind.
Herr Minister, ich sage noch einmal, Sie bemühen sich zu entbürokratisieren. Sie haben die letzte Woche wieder ein Sammelsurium von Vorschlägen mit Leistungsversprechen, Antragkommission und Sonderpreisen verkündet. Wissen Sie was? – Hier machen Sie genau das Gegenteil. Hier schaffen Sie eine Unmenge an Bürokratie und Aufwand.
Sie können doch nicht Sprechblasen loslassen, um dann in der Wirklichkeit etwas ganz anderes zu machen. Sie müssen ehrlich bleiben.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Eymael, Sie haben zum Schluss den entscheidenden Punkt angesprochen. Es geht um Glaubwürdigkeit. Ich kann nicht auf der einen Seite sagen, ich beklage Lohndumping, ich unterstütze das Ziel, aber dann, wenn Maßnahmen ergriffen werden sollen, sage ich nicht Ja. Das geht nicht. Entweder oder.
Frau Thelen, dasselbe bei Ihnen. Man kann nicht als Sozialpolitikerin in Sonntagsreden beklagen, dass Menschen nicht anständig bezahlt werden. Die öffentliche Hand muss die Vorbildfunktion haben. Dann, wenn es darum geht, Instrumente auf den Weg zu bringen, damit dies Wirklichkeit wird, muss man auch zu diesen Maßnahmen stehen.
Wer längere Zeit in der Kommunalpolitik tätig ist und diese Aufgabe ernst genommen hat, kennt Fälle von Lohndumping, bei denen sich anständige Unternehmen berechtigterweise beschwert haben, dass sie, die ihre Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer tarifgerecht bezahlen, in machen Branchen keine Chancen mehr hatten, an öffentliche Aufträge heranzukommen. Jeder kennt diese Beispiele, wer in der Kommunalpolitik wirklich engagiert ist.
Es ist im Vergaberecht eben so nicht machbar. Das Tariftreuegesetz ist die Ausfüllung der Möglichkeiten des Vergaberechts, dies zu regeln.
Ich werde nicht akzeptieren, dass es in Rheinland-Pfalz rechtmäßig ist, dass Müll zu Dumpinglöhnen mit 5, 6 Euro eingesammelt wird,
Menschen im öffentlichen Auftrag den Schmutz der Gesellschaft aufheben müssen und das noch als rechtmäßiges Handeln in Rheinland-Pfalz gilt.
Sie haben zum Schluss eine gewisse Einsichtsfähigkeit in Aussicht gestellt, sich mit dem Gesetz näher zu befassen. Das ist auch notwendig; denn Sie haben den Aufwand in Nordrhein-Westfalen und woanders beklagt, den richtigen Tarifvertrag bei einem öffentlichen Auftrag
weil unser Gesetz innovativer ist als das in anderen Länder. Es wird die Servicestelle der Landesregierung geben, die genau mitteilt, welche Tarifverträge einschlägig sind. Hier entsteht Kommunen und anderen öffentlichen Auftraggebern kein zusätzlicher Aufwand. Sie bekommen dies – deswegen auch Servicestelle – als Service vom Land geliefert.
Frau Thelen, ich stelle mir schon die Frage, wo soll eine nennenswerter zusätzlicher Aufwand für Kommunen sein. Es gilt für Aufträge ab 20.000 Euro. Die Servicestelle teilt mit, welcher Tarifvertrag einschlägig ist. Der Aufwand ist, bei den Ausschreibungsunterlagen ein Blatt oder bei EDV-Ausschreibungen den Satz hinzuzufügen, welcher Tarifvertrag gültig ist.
Frau Thelen, dann kommt der Kontrollaufwand dazu. Das wollen wir. Wir wollen, dass öffentliche Auftraggeber kontrollieren, werden Tarifverträge eingehalten, oder gibt es schwarze Schafe, die ihre Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gesetzeswidrig bezahlen, obwohl sie öffentlich andere Erklärungen abgegeben haben.
Wir erwarten allerdings, dass dies für einen fairen Wirtschaftsstandort kontrolliert wird, wo gute Arbeit zu einem Grundprinzip wird. Diesen Aufwand erwarten wir. Dieser Aufwand ist überschaubar.
Die Stellungnahmen der Kommunen und der kommunalen Spitzenverbände in Gänze haben sich positiv zu diesem Gesetz geäußert.