Protokoll der Sitzung vom 27.02.2008

Danke schön.

(Beifall der CDU)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich rufe das zweite Thema der

AKTUELLEN STUNDE

auf:

„Verkürzung der gymnasialen Schulzeit: Das rheinland-pfälzische Konzept G8GTS und die Probleme in anderen Ländern“ auf Antrag der Fraktion der SPD – Drucksache 15/1949 –

auf.

Das Wort hat Herr Kollege Fuhr.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Der staunenden Öffentlichkeit quer durch die Bundesrepublik wird momentan wieder eine Debatte geliefert, gemeistert und geführt von CDU-Bundespolitikern und CDU-Bildungspolitikern in den Ländern,

(Harald Schweitzer, SPD: Gibt es die denn?)

die ein Musterbeispiel dafür ist, wie man eine Schulzeitverkürzung nicht durchführen soll und wie man Menschen verunsichert, wenn man einen solchen Weg geht, wie er in diesen Bundesländern gegangen wurde.

(Beifall der SPD)

Ursache für diese Debatte ist, dass man eine generelle Verkürzung ohne Rücksicht auf die Konsequenzen, auf

die vorher schon bekannten Probleme und auf die Menschen eingeführt hat.

Ich will Ihnen exemplarisch ein paar Schlagzeilen zu der Umsetzung in diesen CDU-geführten Bundesländern nennen. Es sind alles Schlagzeilen der vergangenen Wochen. Sie haben sie vielleicht auch gelesen.

Es wird von Hauruck-Verfahren gesprochen, von Eltern und Schülern auf den Barrikaden, von G8-Flucht, davon, dass der Schulstreit die Bildungslandschaft erschüttere, von Scherbenhaufen, Protesten, davon, dass Schulen sträflich alleine gelassen werden, fahrlässig bei der Umsetzung geschlampt wurde, von überstürzt und schlecht vorbereitet. Das ist das allgemeine Urteil über CDU-Bildungspolitik in den Bundesländern, die G8 übereilt und verkürzt eingeführt haben.

Wenn man diese Schlagzeilen sieht, denkt man, diese Politiker werden etwas aus dem lernen, was sie gemacht haben, werden etwas verändern und werden sich fragen, wie die Debatten laufen.

Es sind dieselben Debatten, die wir schon vor einem Jahr hatten, als wir in diesem Landtag unseren Beschluss umgesetzt haben. Die Diskussion führen CDUBildungspolitiker heute. Es wird über die Abschaffung von Schulstunden, über die Einschränkung von Fachstunden, über die Verkürzung der Ferienzeit und über die Wiedereinführung des Samstags als Unterrichtstag diskutiert. Dies sind alles Diskussionen, die schon vor einem Jahr geführt und auf breiter Basis von Eltern, Lehrern und den Betroffenen in den Schulen abgelehnt wurden. Viel weiter sind sie heute noch nicht, nein, sie diskutieren immer noch in der Vergangenheit.

(Beifall der SPD – Harald Schweitzer, SPD: Lerndefizite!)

Das führt dazu, dass in diesen Bundesländern mittlerweile schon die Rückkehr zum G9 gefordert wird. Der Philologenverband Baden-Württemberg führt eine sehr interessante Diskussion und Argumentation, die genau das stützt, was wir auch in Rheinland-Pfalz gemacht haben.

Es wird darauf hingewiesen, dass es nun einmal unterschiedliche Schülerinnen und Schüler gibt

(Baldauf, CDU: Genau!)

und man deswegen Parallelführung, G8 und G9, machen

(Baldauf, CDU: Genau!)

und mit Rücksicht auf diese Schülerinnen und Schüler wieder teilweise zum G9 zurückkehren sollte.

Das ist genau der Weg, den wir beschreiten. Die Umsetzung darf nicht flächendeckend, nicht überstürzt, sondern den Schülerinnen und Schülern angemessen erfolgen. Das wird in anderen Bundesländern mittlerweile gefordert.

(Beifall der SPD)

Die von dieser Schulreform Betroffenen klagen über eine 50-Stundenwoche für ihre Kinder, bis zu 35/36 Stunden Unterricht, Hausaufgaben machen, lernen, das Nach- und Vorbereiten. All das führt zu einer unheimlichen Belastung der Familien. Das wird berichtet. Es führe zu Stress und zu Stresssymptomen bei 11- und 12Jährigen, die dadurch krank werden.

Gestern hat der SWR dieses Thema aufgegriffen, zudem haben Eltern berichtet. Eine Mutter hat gesagt, sie lasse ihr Kind ab und zu für einen Tag aus der Schule, nur damit es das bewältigen kann, was in BadenWürttemberg und anderen Bundesländern umgesetzt werde.

So wird mit Menschen umgegangen, wenn man nicht Rücksicht auf sie nimmt, sondern ideologisch ein Projekt umsetzt, ohne zu sehen, welche Folgen es in der Praxis hat.

(Beifall der SPD)

Es hat auch eine soziale Dimension, weil immer mehr Familien in die Nachhilfe flüchten müssen. Gerade für Familien, die sich eine teure Nachhilfe nicht leisten können, für Alleinerziehende, für berufstätige Mütter ist das ein Problem.

In einer Zeitschrift habe ich die erschreckende Aussage einer Mutter gelesen, die sagte: Für alleinerziehende Mütter ist es nicht mehr möglich, ihr Kind auf ein Gymnasium zu schicken. – Wenn es in einem Bundesland einmal so weit kommt, muss man sich überlegen, wohin man gekommen ist.

(Lelle, CDU: Jetzt übertreiben Sie es aber!)

Dies sind Aussagen der Betroffenen. Sie sollten auf die Betroffenen hören, die genau das aus ihren Erfahrungen aus dem Schulalltag sagen.

(Beifall der SPD)

Deswegen haben wir in Rheinland-Pfalz die Verbindung mit einer nicht flächendeckenden Einführung der Ganztagsschule gewählt, um den Schulen Rahmenbedingungen einzuräumen, damit sie dieses Projekt umsetzen können. Ich zitiere in diesem Zusammenhang die Aussage eines Schulleiters aus Rheinland-Pfalz, aus Trier, der gesagt hat: Ohne diese Rahmenbedingungen wäre ich dieses Projekt nicht angegangen. Kinder sind keine Maschinen, sondern sie brauchen auch Pausen, und sie brauchen die entsprechenden Rahmenbedingungen. –

(Beifall der SPD)

Deswegen fordern wir Sie auf: Gehen Sie von Ihrem Irrweg ab! Schwenken Sie um, und bekennen Sie sich zu dem, was wir in Rheinland-Pfalz umgesetzt haben. Sie wollen die flächendeckende Umsetzung in Rheinland-Pfalz, und es ist eine Lebenslüge Ihres Vorschlags, wenn Sie sagen, Sie könnten flächendeckend umsetzen, ohne dass diese Probleme entstehen.

(Zuruf des Abg. Keller, CDU – Weitere Zurufe von der CDU)

Gehen Sie von diesem Weg ab. Das ist das, was Sie gesagt haben.

(Glocke des Präsidenten)

Dazu fordern wir Sie auf.

(Beifall der SPD – Baldauf, CDU: Da sprach ein Betroffener!)

Das Wort hat nun Frau Kollegin Beilstein.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Zunächst einmal finde ich die Überschrift Ihres Antrags für diese Aktuelle Stunde schon sehr bemerkenswert: „Das rheinland-pfälzische Konzept G8GTS und die Probleme in anderen Ländern“.

(Beifall bei der CDU – Zurufe von der SPD: Aber genauso ist es!)

Soeben wurde schon sehr deutlich, dass man offensichtlich versuchen will, die zögerliche Umsetzung von G8 in Rheinland-Pfalz mit den Fehlern der anderen Bundesländer einfach nur schönzureden.

(Beifall der CDU – Zurufe von der SPD: Ah!)

Aber hellsehen kann auch die SPD in Rheinland-Pfalz noch nicht, und so hat man beim Einbringen dieses Tagesordnungspunktes wohl noch nicht wissen können, dass eine Pressemitteilung von gestern aus dem saarländischen Bildungsministerium leider nicht in dieses Konzept hineinpassen würde. Die dortige Kultusministerin und Vorsitzende der KMK hat nämlich Fakten vorgestellt, an denen man nicht so leicht vorbeikommt.