Protokoll der Sitzung vom 27.02.2008

(Beifall der CDU und der FDP)

Wir haben allerdings in der Anhörung, die zu diesem Gesetz durchgeführt wurde, auch feststellen müssen, dass es noch Punkte gibt, die sicherlich verbesserungsbedürftig und auch verbesserungsnotwendig sind. Ich habe es als ausgesprochen produktiv empfunden, dies gemeinsam mit dem Kollegen der FDP und der Kollegin der SPD sehr zielführend diskutieren zu können, sodass wir einen gemeinsamen Änderungsantrag und einen gemeinsamen Entschließungsantrag vorlegen konnten, von dem wir der Überzeugung sind, einen guten Weg in Deutschland und durchaus auch einen vorbildlichen Weg für das Kindeswohl zu gehen.

Ich möchte allerdings noch einmal ausdrücklich darauf hinweisen, dass der kleine Dissens, der aufgetreten ist, durchaus noch vorhanden ist. Frau Ministerin, Sie werden wissen, worum es mir geht.

Wir haben sehr wohl auch aus rechtlichen Bewertungen der Gesamtsituation heraus nach wie vor eine gewisse Skepsis, ob allein das verbindliche Einladungssystem für die Früherkennungsuntersuchungen ausreichen wird, um möglichst alle Kinder davon profitieren zu lassen; denn solange Eltern für sich keine Verpflichtung sehen, diesem Angebot nachzukommen, haben wir eigentlich kaum Möglichkeiten, sie dazu zu bringen, dennoch ihr Kind untersuchen zu lassen. Darin liegt für mich noch immer der Hase im Pfeffer. Deshalb ist es uns von der CDU-Fraktion auch besonders wichtig, dass uns nicht nur ein Bericht vorgelegt wird, der auf statistischen Fakten fußt, sondern ein Bericht, der eine wissenschaftliche Evaluation darstellt. Das heißt, die Wirkung des Gesetzes wird von Anfang an wissenschaftlich wahrgenommen, begleitet und untersucht, damit wir erkennen können, ob das Mittel einer verbindlichen Einladung für eine Früherkennungsuntersuchung ausreicht oder ob wir nicht vielmehr konsequenterweise über den Weg einer Verpflichtung debattieren müssen. – Wir könnten diese Verpflichtung auf Landesebene nicht einführen, sondern es müsste über ein Bundesgesetz grundgelegt werden, aber ich denke, diese Offenheit müssen wir uns heute bewahren, und der Bericht soll letztendlich dazu dienen, unser Gesetz noch einmal reflektieren zu können und gegebenenfalls Schwachpunkte aufgreifen zu können.

Ich möchte an dieser Stelle auch all jenen danken, die sich bei unseren Anhörverfahren die Mühe gemacht haben, sich das Gesetz sehr sorgfältig anzusehen und zu überprüfen, wo es Knackpunkte und Schwachstellen gibt. Von diesen Anhörungen haben wir sehr wichtige Anregungen aufgegriffen, und ich denke, dies sollte man

den Verbänden wiedergeben. Es wurden wichtige Anregungen der Liga der Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege aufgegriffen, und es sind die Anregungen der kommunalen Spitzenverbände zumindest in ihren wichtigsten Punkten aufgenommen worden. Die Jugendämter haben sehr großen Wert auf die Verortung eines zügigen Verfahrens im Gesetz selbst gelegt, und auch dies ist berücksichtigt worden.

Aus unserer Sicht war es in der Anhörung sehr wertvoll, auch die Bedenken des Landesdatenschutzbeauftragten in das Gesetz aufzunehmen, der immer wieder darauf hingewiesen hat, mit welch umfangreichem und durchaus sensiblem Datenmaterial bei diesem zentralen Einladungsverfahren gearbeitet wird. Es werden Adressen vieler Eltern sowie die Geburtsdaten ihrer Kinder gespeichert. Wenn die Rückbestätigung durch den Kinderarzt an die Zentrale Stelle nicht erfolgt, erfolgt eine Information an die Gesundheitsämter, die dann auf die Betroffenen zugehen sollen. Wenn auch daraufhin immer noch keine Untersuchung durchgeführt wird, muss das Gesundheitsamt das Jugendamt informieren.

Dieses Prozedere kann natürlich im Ergebnis dazu führen, dass das Jugendamt auch über Familien informiert wird, die möglicherweise sogar sehr gute Gründe hatten, nicht an einer Früherkennungsuntersuchung teilzunehmen, bei denen es vielleicht einfach unmöglich war, weil sie sich beispielsweise ein Vierteljahr in Australien aufgehalten haben,

(Frau Spurzem, SPD: Das kommt aber sehr oft vor!)

oder bei denen eine Früherkennungsuntersuchung völlig obsolet ist, weil sich das Kind beispielsweise wegen einer schweren Erkrankung ohnehin in einer Klinik befindet. Wir haben einen Weg gefunden zu ermöglichen, dass das Gesundheitsamt solche eindeutigen Erkenntnisse dem Jugendamt mitteilen kann, damit nicht unbescholtene und durchaus völlig ordentliche Eltern mit dem Jugendamt konfrontiert werden, was bei den Betroffenen letztendlich immer ein wenig den Eindruck hinterlassen kann, man werfe ihnen ein Fehlverhalten vor. Wir sind sehr dankbar dafür, dass sich dieses Anliegen im Gesetz wiederfindet.

Ich denke, damit ist es insgesamt eine sehr runde Sache geworden. Wir sind sehr optimistisch, dass auch eine Überzeugung bei den noch skeptischen Eltern gelingen wird. Es würde mich sehr freuen, wenn wir nach Vorlage des ersten Berichts feststellen könnten, dass dieses Vorgehen letztendlich seine Wirkung gezeigt hat.

In diesem Sinne wünsche ich allen, die an der Umsetzung beteiligt sind, ein gutes Gelingen.

Danke schön.

(Beifall im Hause)

Ich erteile Herrn Abgeordneten Dr. Schmitz das Wort.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Jedes Mal, wenn die entsprechenden Bilder durch die Medien gehen, Bilder von Kindern, denen Gewalt angetan wurde, die missbraucht wurden, von Kindstötungen, dann geht nachvollziehbarerweise und verständlicherweise eine Woge der Empörung und der Verständnislosigkeit durch unser Land, dies auch deshalb – ich wiederhole meine Vorredner, die das schon richtig beschrieben haben –, weil die ganz große Masse der Eltern nichts mehr und nichts lieber tut, als sich um ihre Kinder und um das Wohl der Kinder zu kümmern. Es ist eher bei vielen das Problem der Überbetreuung als der Vernachlässigung. Dennoch beschließen wir heute ein Gesetz zum Schutz des Kindeswohls, weil wir sehen, dass Eltern in vielen Fällen ihren Rechten und Pflichten nicht nachkommen, weil sie es nicht können oder nicht wollen.

Wir begeben uns auf ein ganz kompliziertes Gebiet und betreten – bei allem Zwang zum politischen Handeln, in dem wir uns einig sind – politisches Neuland. Das ist die Kehrseite dieses frühen rheinland-pfälzischen und umfassenden Gesetzeswerkes, das ich vom Grundsatz her begrüße und bei dem ich mich auch in dem Dank an Frau Ministerin Dreyer, an Ihr Haus und an meine Kolleginnen anschließe. Ich danke auch dafür, dass die Kolleginnen uns als FDP gleichberechtigt an diesem Gesetz haben mitarbeiten lassen. Ich führe es darauf zurück, dass wir bei zwei unterschiedlich vorliegenden Anträgen im Sozialpolitischen Ausschuss mit einem Appell an die Vernunft dafür gesorgt haben, dass wir uns quasi alle auf null zurückgedreht haben, um dann gemeinsam neu zu starten. Frau Thelen und Frau Grosse, das war ein Akt politischer Vernunft. Noch einmal danke schön dafür. Das war ein richtiger Kontrapunkt zu dem, was wir hier eben erlebt haben.

Meine Damen und Herren – auch das ist eine Wiederholung –, ganz kurz, das Gesetz gliedert sich in drei Bereiche. Das eine sind niederschwellige Hilfen für Eltern, vor allem im frühkindlichen Bereich. Dazu ein uneingeschränktes Ja.

Das Zweite ist der Bereich der Netzwerkbildung so, wie es meine Kolleginnen beschrieben haben. Auch dazu ein uneingeschränktes Ja.

Man kann zwar überlegen, ob man für diese beiden Bereiche eigens ein Gesetz gebraucht hätte, aber Haken daran und weiter.

Ich komme jetzt zum dritten Bereich. Frau Kollegin Thelen hat das in den Mittelpunkt ihrer Ausführungen gestellt. Das ist der Bereich, in dem wir zur Sicherung des Kindeswohls und zum Schutz vor Gewalt und Missbrauch eine höhere Frequenz der kinderärztlichen Untersuchungen erreichen wollen. Das müssen wir uns deutlich machen.

Mit dem, was wir im dritten Teil des Gesetzes machen, bekämpfen wir nicht direkt die Kindesmisshandlung und Gewalt gegen Kinder oder andere schlimme Dinge, die dieses Gesetz veranlasst haben, sondern mit guten Argumenten erhöhen wir, wenn wir erfolgreich sind, die Zahl der Frühuntersuchungen und die Zahl derer, die,

weil sie die Frühuntersuchung nicht wahrgenommen haben, auffällig werden.

Meine Damen und Herren, das war auch der Punkt, an dem wir uns am längsten festgehalten haben, dies aus guten Gründen, weil nämlich da die Positionen am weitesten auseinandergehen. Mit dem Ergebnis, das alle drei Fraktionen gemeinsam tragen, haben wir eine guten Kompromiss auf politischem Neuland gefunden, bei dem wir alle wissen, dass wir in zwei Jahren noch einmal genau hinschauen müssen. Das stand im Kern unserer Anstrengungen, was Gesetzesänderung und Entschließungsantrag anging, dass wir nämlich darauf Wert gelegt haben, dass in zwei Jahren objektiv und wissenschaftlich evaluiert wird, damit wir wissen, ob all das, was wir anstoßen, letztlich der eigentlichen Intention des Gesetzes überhaupt dient. Das ist noch nicht sicher.

Frau Kollegin Thelen, Sie wissen, wie sehr ich Ihre Kompetenz und Sie persönlich schätze. In zwei Sachen erlaube ich mir aber, Ihnen zu widersprechen. Das ist einmal Ihre Formulierung: Kinderschutz gewährleisten. – Ich bin leider davon überzeugt, dass wir mit diesem und ohne dieses Gesetz per staatlichem Handeln nicht in der Lage sein werden, Kinderschutz zu gewährleisten. Wir werden Hilfen formulieren und bilden. Wir werden alles tun können, was in staatlichem Ermessen und in staatlichen Handlungsspielräumen liegt, aber wir werden den Kinderschutz leider nicht gewährleisten können.

Der zweite Punkt, der uns trennt, was Sie wissen, ist Ihr – entschuldigen Sie diesen etwas flapsigen Ausdruck bei einem so ernsten Thema – steter Wunsch nach einem „Kinder-Schäuble“. Frau Thelen, das ist ein Bereich, an dem wir nie zusammengehen werden. Deswegen waren mir diese Ausführungen so wichtig, da zu fragen ist, was wir mit der höheren Frequenz der Kinderuntersuchungen erreichen. Wir gehen gar nicht ins Zentrum des an sich Intendierten, sondern wir halten uns weiterhin in der Peripherie auf. Nichts gegen höhere Untersuchungsquoten bei der U 1 bis U 9. Man könnte auch über Jugenduntersuchungen nachdenken. Bei der J 1 machen wir es. Aber wir tun gegen das, was das Gesetz angestoßen hat, wenig oder nichts damit.

Wenn wir das mit den Bedenken des Landesdatenschutzbeauftragten in Deckungsgleichheit bringen, der gesagt hat, jawohl, die Bemühungen um das Kindswohl rechtfertigen die Hintanstellung der datenschutzrechtlichen Bedenken, dann wird der Landesdatenschutzbeauftragte – das wage ich zu prognostizieren – in zwei Jahren fragen: Stand das denn dafür? – Diese Frage können wir nicht beantworten.

Wir wissen aber, dass die Mehrzahl der schlimmen und problematischen Fälle nicht bei denen gewesen wäre, die wir durch diese Vorgehensweise überhaupt herausfiltern können, ganz abgesehen von den praktischen Schwierigkeiten, die Sie beschrieben haben, Frau Thelen. Ich könnte andere hinzufügen, und zwar eine Fülle von Tatbeständen, die das zielgerichtete Erkennen von Problemfamilien über dieses Gesetz gar nicht möglich machen.

Meine Damen und Herren, deshalb ist die spannende Frage, wie das in zwei Jahren aussehen wird. Hervorra

gend im Gesetz finde ich, das Gesetz behauptet auch nicht, einen Königsweg zu kennen. Das Gesetz sagt ganz bewusst – einschließlich Änderungs- und Entschließungsanträge –, es gibt viele Wege, die wir ausprobieren müssen, auch viele unterschiedliche Wege. In der Anhörung wurde deutlich gemacht, dass beispielsweise eine stärkere aufsuchende Sozialarbeit in sozialen Brennpunktbereichen Kindsvernachlässigung erschweren und Kindern helfen könnte. Für andere Bereiche wie sexueller Missbrauch und Gewalt gegen Kinder gilt das nicht, weil es nicht milieuspezifisch ist. Das werden wir sehen müssen.

Wir werden auch erleben, dass einzelne Gesundheitsämter und einzelne Jugendämter andere Wege gehen.

Meine Damen und Herren, dann brauchen wir in zwei Jahren eine vorurteilsfreie Bewertung; denn über all das, Frau Kollegin Thelen, was Sie jetzt an Sanktionen in den Raum stellen, um der Verbindlichkeit Nachdruck zu verleihen, müssen wir uns unterhalten. Ich überlege mir, wie diese Sanktionen aussehen. Wie wollen Sie in Familien, in denen kein Geld ist, Geldstrafen durchsetzen? Wollen Sie Kinder und Eltern beim Kinderarzt zwangsvorführen lassen? Welches Bild der Gesellschaft stoßen Sie damit an? Wo bleibt da die Niedrigschwelligkeit? Ich glaube nicht an ein positives Ergebnis bei einer solchen Vorgehensweise.

Meine Damen und Herren, eines erlaube ich mir, an das Ende der Rede zu stellen: Man darf nicht vergessen, dass vor allem gesetzlichen Handeln in diesem schwierigen Bereich Rechte und Pflichten der Eltern stehen und so, wie es auch schon ausgeführt wurde, wir nicht einen Generalverdacht allen Eltern gegenüber hegen dürfen, wenn wir Einzelne herausfinden müssen, die vielleicht im Moment vor allem wegen jugendamtlicher Defizite nicht abgearbeitet werden können, weil auch in diesem Bereich leider gilt: Wir haben wahrscheinlich mehr Vollzugsdefizite als Gesetzesdefizite. –

Danke schön.

(Beifall der FDP)

Vielen Dank.

Für die Landesregierung erteile ich Frau Staatsministerin Dreyer das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Herren und Damen! Ich freue mich heute sehr. Ich denke, es ist ein guter Tag. Ich glaube, wir waren alle getrieben davon – das gilt für mich, ich habe aber das Bestreben der Kolleginnen und Kollegen genauso empfunden –, dass wir möglichst alles tun, was in unserer Macht steht, um diejenigen zu unterstützen, die für das Kindeswohl verantwortlich sind, und um die Gesundheit der Kinder zu fördern.

Wenn wir heute dieses Gesetz verabschieden, können wir sehr selbstbewusst sagen, dass wir bundesweit Maßstäbe setzen. Ich nenne es bundesweit Maßstäbe setzen für eine neue Kultur des Hinschauens und des Kümmerns. Ich komme darauf zurück.

Zunächst bedanke ich mich sehr herzlich dafür, dass alle Fraktionen mit dabei sind. Ich glaube, es unterstreicht die Bedeutung des Gesetzes, dass wir gemeinsam gearbeitet haben.

Was ist das Besondere an unserem Gesetz? Es ist schon angedeutet worden. Die bisherigen Gesetze im Saarland oder in Hessen bilden eine Grundlage dafür, ein verbindliches Einladungswesen durchzuführen. Sie berücksichtigen nicht eine zentrale Forderung aller Fachleute, bestehende Hilfen und bestehende Unterstützungsangebote für Familien und für Kleinkinder miteinander zu verknüpfen. Das klingt lapidar. Wir wissen aber alle, wie schwierig das ist.

Wir dürfen heute bewusst sagen, nur unser Gesetz greift diese Erkenntnisse auf. Tatsächlich schafft nur unser Gesetz Strukturen, die den Kindern unseres Landes einen guten Start ins Kinderleben ermöglichen.

Bisher arbeiten Systeme des Gesundheitswesens und der Jugendhilfe noch unverbunden nebeneinander. Wir wissen alle, dass es nach wie vor große Vorurteile gibt. Die Jugendhilfe, die durch das Jugendamt repräsentiert wird, hat häufig gerade bei Ärzten und Ärztinnen und anderen Akteuren im Gesundheitswesen mit Vorurteilen zu kämpfen und wird argwöhnisch beäugt. Sie ist so etwas wie die letzte Instanz oder wird jedenfalls so gesehen. Das ist leider so. Ich bin mir sicher, das wird sich auf der Grundlage unseres Gesetzes ändern.

Das Gesetz zum Schutz des Kindeswohls und der Kindergesundheit will diese unverbundenen Arbeiten miteinander verbinden und ganz klar zusammenführen. Dadurch soll verstärkt eine Grundlage des Zusammenwirkens geschaffen werden. Ich nenne ein Beispiel. Die Geburtshilfeabteilung des örtlichen Krankenhauses wird genauso zu diesem Netz gehören wie die niedergelassenen Kinderärzte und -ärztinnen, die Kindertagesstätten, die sozialen Betreuungs- und Beratungsstellen, die Hebammen, die Kinderkrankenpflege, die Polizei, das Familiengericht, die Grundschulen oder der Kinderschutzbund. Selbstverständlich ist es so, dass jedes Netzwerk vor Ort unterschiedlich aussehen wird. Es wird diejenigen Akteure enthalten, die vor Ort notwendigerweise aktiv sind.

Entscheidend ist, dass verlässliche Arbeits- und Kommunikationsstrukturen geschaffen werden. Dazu gehört auch die Abschaffung der bestehenden Vorurteile. Frau Grosse hat schon darauf hingewiesen. In Ludwigshafen und Trier sind wir bereits auf dem besten Weg, dass so etwas tatsächlich gelingt, nämlich – das sage ich jetzt etwas provokant – dass Ärzte mit Sozialarbeitern aus dem Jugendamt produktiv und konstruktiv zusammenarbeiten.

(Beifall bei der SPD)

Meine sehr geehrten Herren und Damen, das oberste Ziel dieses Gesetzes ist selbstverständlich der Schutz des Kindeswohls und die bessere Förderung der Kindergesundheit. Der Weg geht für mich dahin, eine Kultur des Hinschauens und des Kümmerns zu schaffen. Warum betone ich das? Ich betone das, weil es in all diesen schrecklichen Fällen, die wir auch in den Medien in den letzten Jahren immer wieder sehen mussten, auch immer darum ging, dass man nicht genau hingeschaut hat, man sich nicht richtig gekümmert hat, man manchmal hingeschaut, sich aber dann nicht gekümmert hat. Ich glaube, die Aussage in unserem Gesetz, dass wir dafür sorgen wollen, dass alle Instanzen hinschauen und sich danach kümmern, ist der zentrale Weg, den wir in unserem Gesetz festschreiben.

Von den Abgeordneten ist auch angesprochen worden, grundsätzlich gilt, junge Mütter, junge Väter und Eltern überhaupt wollen fast immer das Beste für ihre Kinder. Es gelingt leider nicht immer. Der Alltag mit kleinen Kindern bringt erhebliche Herausforderungen mit sich, die nicht jeder oder jede bewältigen kann. Es beginnt beim ganz normalen familiären Alltag, es beginnt bei Partnerschaftsproblemen, wenn plötzlich ein Kind da ist und alles anders wird. Es wird noch viel schwieriger, wenn zusätzliche Risiken hinzukommen, beispielsweise psychische Labilität eines Elternteils, Arbeitslosigkeit, schlechter Job, Suchtprobleme, mangelnde Inanspruchnahme der Vorsorgeuntersuchungen durch die Mutter in der Schwangerschaft. All dies und vieles andere mehr sind Risiken, die deutliche Hinweise für die Fachleute in den Arztpraxen, in den Geburtskliniken bzw. in der Nachbetreuung sind, dass man bei diesen Familien genau hinschauen muss und Unterstützung anbieten sollte. Das gilt für alle Akteure, die an dieser Stelle involviert sind. Nicht alle sehen gleichzeitig diese Mütter oder Väter. Es wird darauf ankommen, dass an der Stelle, an der es festgestellt wird, ein vernetztes Zusammenarbeiten entsteht.

Dazu gehört auch das bürgerschaftliche Engagement. Ich nenne die Still- und Krabbelgruppen, die über Familienbildungsstätten, Beratungsstellen und Kindertagesstätten gegründet werden. Dort treffen sich Mütter und Väter und sind mit ihren Kindern aktiv. Es gilt, das weiter auszubauen und diese Stellen mit einzubeziehen.

Eine gelebte Nachbarschaft und die Solidarität mit den anderen sind Grundvoraussetzungen dafür, dass Familien im Alltag unterstützt werden können und dass sie ihre Aufgabe bewältigen können. All das verstehen wir unter den Bündnissen vor Ort. Sie müssen all die Instanzen im Blick haben und sie miteinander gut vernetzen.