Protokoll der Sitzung vom 28.02.2008

Damit zeigt sich, dass Ihnen Mittelstandspolitik fremd ist. Sie, die Sozialdemokraten, können nicht mit dem eigenen und vor allem nicht mit dem Geld anderer Menschen umgehen.

(Pörksen, SPD: Sie können nur Quatsch reden!)

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU – Pörksen, SPD: Da schämen sich Ihre Leute doch, Beifall zu klatschen!)

Es spricht Herr Staatsminister Deubel.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Auch Oppositionspolitik sollte ein Stückchen in sich schlüssig sein, wenigstens ein Stückchen – man ist schließlich nicht voll in der Verantwortung –,

(Beifall der SPD)

aber es ist schwierig, wenn die Diskussion nur noch nach der Methode verläuft: Einnahmen brauchen wir nicht, weil wir die Bürger entlasten wollen. Die Ausgaben sind im Allgemeinen viel zu hoch, die konkreten Ausgaben dagegen sind jeweils viel zu niedrig – sie sind für Hochschulen zu niedrig, für Kindergärten, für Schulen, für die Infrastruktur, und da muss überall mehr getan werden –, aber die Ausgaben insgesamt sind natürlich viel zu hoch und auf Einnahmen können wir großzügig verzichten. Es tut mir leid, diese drei Ziele passen nicht zusammen. Insbesondere die ständige Forderung nach Steuersenkung oder der komplette Wegfall einzelner Steuern ist kaum nachvollziehbar.

Jede einzelne Steuer muss natürlich immer wieder auf ihr Aufkommen, auf ihre Gerechtigkeit, auf ihre Verfassungskonformität, auf ihre ökonomische Sinnhaftigkeit, aber auch auf ihre gesellschaftspolitische Sinnhaftigkeit hin analysiert werden. Die Erbschaftsteuer ist in der Tat eine komplizierte Steuer, weil völlig unterschiedliche Sichtweisen zusammentreffen. Ich habe schon einmal erklärt, dass diese Problematik nicht neu ist.

Hier gibt es einerseits die liberale Sichtweise, jeder ist seines Glückes Schmied. Da Erben leistungslos ist, solle jeder neu anfangen und sich sein Vermögen selbst erarbeiten. Das ist die liberale Sichtweise. Ich rede nicht von

der FDP, sondern von der liberalen Sichtweise. Sie können das bei den Klassikern, auf die Sie sich gerne berufen, nachlesen. Die sind sich in der Frage ziemlich einig, dass entscheidend die individuelle Leistung ist. Die soll sich lohnen, und es soll nicht entscheidend sein, dass man an der richtigen Stelle und im richtigen Haushalt geboren worden ist. Das ist die klassische liberale Sichtweise.

Dagegen steht die traditionelle Sichtweise, die sagt, Vermögen ist Familienvermögen, das erhalten bleiben muss, das vermehrt werden muss und das von Generation zu Generation weitergegeben werden muss.

Beide Sichtweisen haben etwas für sich. Wenn man ein bisschen differenzierter herangeht, kann man sie sogar auch miteinander vereinbaren. Die Sichtweise, Familienvermögen zu erhalten und fortzuführen, hat nämlich dann eine gesellschaftspolitische Rechtfertigung, wenn es sich um Vermögen in Unternehmen handelt, also um produktiv eingesetztes Vermögen.

(Creutzmann, FDP: Richtig!)

Wenn es um Vermögen geht, das dem persönlichen Lebenswandel und dem persönlichen Konsum dient, gibt es dagegen keine Rechtfertigung.

Sowohl die liberale Sichtweise, die heute noch, allerdings sehr, sehr abgeschwächt, in den USA hochgehalten wird, da dort die Erbschaftsteuer noch deutlich höher ist und es für Reiche selbstverständlich ist, ihr Vermögen in Stiftungen zu packen und nicht nur einfach den Kindern zu vererben, als auch die traditionelle Sichtweise haben ihre Rechtfertigung. Beide Sichtweisen sind in das Vorhaben Erbschaftsteuerreform eingegangen, nämlich wenn Vermögen betrieblich genutzt wird, und wenn der Betrieb, das Unternehmen, weitergeführt wird, soll dieses Vermögen erbschaftsteuerfrei sein, dagegen soll privat genutztes Vermögen besteuert werden.

(Creutzmann, FDP: Machen Sie das doch mal!)

Das ist der Grundsatz.

Jetzt besteht allerdings das Problem, dass man dem Vermögen, das in einer Betriebsbilanz steht, nicht unbedingt ansieht, ob es betrieblich notwendig ist oder ob es lediglich in der Unternehmensbilanz vorkommt, um Erbschaftsteuer zu sparen, indem man es nämlich als unternehmerisch deklariert. Dieses Abgrenzungsproblem hatten wir von Anfang an.

Es ist zunächst versucht worden, dies durch die Abgrenzung von produktivem zu nicht produktivem Vermögen und der völligen Freistellung des produktiven Vermögens zu lösen. Ergebnis: So ging es nicht.

Dann kam der pragmatische Ansatz, in dem das Vermögen, das in Unternehmen steckt, grundsätzlich als betriebsnotwendig akzeptiert wird und pauschaliert ein bestimmter Anteil als nicht betriebsnotwendig angesehen wird. Nur wenn offensichtlich ist, dass das Vermögen überwiegend aus privater Vermögensverwaltung besteht und nicht aus betrieblich notwendigem Vermö

gen, soll die Privilegierung nicht stattfinden. Das ist der Ansatz.

Hinzu kam das Urteil des Bundesverfassungsgerichts. Das hat alle noch einmal daran erinnert, dass vor dem Gesetz alle gleich sind und nicht eine Vermögensart grundlos privilegiert werden darf und die andere nicht, sondern eine Privilegierung nur unter ganz engen Voraussetzungen möglich ist und hohen verfassungsrechtlichen Ansprüchen genügen muss. Das ist immer zu beachten.

(Beifall der SPD)

Das kann nicht nach dem Prinzip Willkür gehen; denn sonst befinden wir uns wieder ganz schnell in dem Zustand, dass Karlsruhe die Willkür auch in einem entsprechenden Urteil feststellt.

Wie allseits bekannt ist, hat derzeit die Koalition sowohl im Bundestag als auch im Bundesrat die Mehrheit, sodass die zwei Parteien sowohl im Bundestag als auch im Bundesrat mehrheitlich Entscheidungen herbeiführen können.

(Ramsauer, SPD: Das weiß Herr Schreiner nicht!)

Deshalb ist es häufig so, dass die beiden Parteien sich auf Bundesebene, auf Regierungsebene und auf Länderebene zusammensetzen und ein gemeinsames Konzept entwerfen. Das ist in der sogenannten KochSteinbrück-Arbeitsgruppe mit Kompromissen von allen Seiten geschehen.

Der Einstieg war ein Modell mit 70 % Privilegierung, aber zehn Jahre Festlegung. Herausgekommen sind 85 % Privilegierung und 15 Jahre Festlegung. Das heißt, das eine hängt mit dem anderen zusammen. Dann ist das als Kompromiss festgeklopft worden.

Jetzt ist der CDU zumindest im Sinne der internen Koordinierung derjenige abhanden gekommen, der die Verhandlungen auf der Seite der CDU geführt hat. Seitdem ist das Chaos ausgebrochen, indem bei der CDU und CSU jeder sagt, das alles zählt für uns nicht mehr und wir stellen einfach alles wieder infrage.

(Pörksen, SPD: Das Chaos heißt Schreiner!)

Das ist im Bundesrat auch geschehen, wo bekannterweise die CDU-geführten Länder die Mehrheit haben. Also wurden mit Mehrheit Anträge durchgesetzt, die den Kompromiss insgesamt infrage stellen und die auch den Konsens, dass vier Milliarden Euro an Aufkommen realisiert werden sollen, nach unten infrage stellen. Die Prüfbitte von Rheinland-Pfalz dient lediglich dazu zu sagen, entweder es bleibt beim Kompromiss – dann stimmen wir ohne Wenn und Aber zu – oder der Kompromiss wird wieder aufgekündigt. Dann müssen die 4 Milliarden Euro allerdings auf andere Weise gesichert werden.

Man kann nicht sagen, 85 % Privilegierung bleibt, und wir reden nur noch über die zeitliche Bindung. Bei 85 % Privilegierung und nur zehn Jahren Bindung muss man nicht besonders gut in Finanzmathematik sein, um zu wissen, dass es dann absolut lohnenswert ist, sein ge

samtes Privatvermögen blitzschnell ins Unternehmen einzulegen, um die Erbschaftsteuer zu sparen, in den zehn Jahren etwas höhere Unternehmensteuern zu zahlen und im elften Jahr die thesaurierten Erträge wieder herauszuziehen und Abgeltungsteuer zu bezahlen. Bei 85 % Privilegierung lohnt sich das immer.

Weil diese Möglichkeit eben zu stark ausgeprägt ist, wurde statt der Kombination 70 % Privilegierung und zehn Jahre Festlegung die Kombination 85 % Privilegierung und 15 Jahre Festlegung vereinbart.

Dieser Kompromiss soll aufgekündigt werden, und deswegen haben wir dem Bundestag und der Bundesregierung einige Vorschläge zur Sicherstellung der Gegenfinanzierung gemacht, die man möglicherweise verwenden könnte, wenn die CDU im Bundestag und nachher im Bundesrat tatsächlich auf ihren Forderungen bestehen sollte. Eine solche Veränderung ist eindeutig nur die zweitbeste Lösung. Die beste Lösung ist, den Kompromiss bis auf ein paar technische Details, über die man reden kann, so zu beschließen. Es gibt da noch einige notwendige Änderungen, jedoch nicht im Grundsätzlichen.

So ist der schlichte Sachstand. Der Ball liegt im Moment beim Bundestag. Ich bin ziemlich sicher, dass die Koalitionäre am Ende in der Lage sein werden – wenn sie sich nicht am Beispiel der Erbschaftsteuer endgültig entzweien wollen –, ein Paket zusammenzuschnüren, in dem die 4 Milliarden Euro wieder enthalten sind, die Privilegierung verfassungsfest und nicht willkürlich ist, was nämlich das Hauptproblem darstellt, und die bekannten technischen Probleme gelöst sind. Mir wäre es am liebsten, wenn von unseren Vorschlägen nichts zum Zuge kommen müsste. Aber es ist nicht zu akzeptieren, dass die eine Seite sagt: „Wir verteilen die Wohltaten“, während die andere Seite dafür zuständig ist, dass die Einnahmen erzielt werden. So kann man nicht Politik machen.

(Hartloff, SPD: Das Modell „Schreiner“!)

Das habe ich am Anfang erwähnt. – Deswegen bin ich optimistisch, dass wir am Ende ein vernünftiges Ergebnis hinbekommen und der Mittelstand der ganz große Profiteur der Reform ist.

(Beifall der SPD)

Vizepräsident Schnabel

Bevor ich das Wort weitergebe, darf ich den Bundesschützenkönig Frank Nowak aus Neuwied von der St. Sebastianus Bruderschaft Leutesdorf mit Gefolge ganz besonders begrüßen. Herzlich willkommen!

(Beifall im Hause – Zuruf des Abg. Ramsauer, SPD)

Herr Kollege Ramsauer legt auf die Feststellung Wert, dass die Schützen ohne Waffen einmarschiert sind.

(Heiterkeit im Hause)

Ich erteile Herrn Abgeordneten Creutzmann das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Lieber Herr Staatsminister, es ist immer ein Vergnügen, Ihnen zuzuhören. Die Krönung war, dass Sie zum Ausdruck gebracht haben, Sie hätten einen Antrag gestellt, den Sie gar nicht realisieren wollten. Das sei nur ein Züchtigungsantrag dem Koalitionspartner gegenüber gewesen.

Herr Staatsminister Deubel, die CDU hat erkannt, was sie angerichtet hat. Herr Kollege Ramsauer, Sie befinden sich im Tal der Ahnungslosen. Sie müssen sich mit solchen Papieren beschäftigen.

(Zuruf des Abg. Ramsauer, SPD)

Sie haben es nie gelesen. Was Sie uns hier erzählen, kann nur bedeuten, dass Sie null Ahnung haben. Anders können Sie das nicht rechtfertigen. Das kann gar nicht sein.

(Beifall der FDP – Ramsauer, SPD: Der Oberguru!)