Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Als ich die elf Seiten lange Medienmitteilung zur Pressekonferenz der großen drei „Bs“ dieser Landesregierung aus dem Drucker zog, dachte ich, Donnerwetter, eine Sicherheitsoffensive Rheinland-Pfalz ist etwas Beeindruckendes. Aufgrund der elf Seiten muss eine Menge Gehalt zu erwarten sein. Wir starten jetzt richtig durch.
Wenn man dann aber genauer hingesehen hat, stellte sich doch vieles wieder als Altbekanntes im neuen Gewand heraus. Es ist uns vieles, was schon da gewesen ist, wieder als neu verkauft und präsentiert worden.
Wenn es mein Eindruck ist, wenig Neues, viel Altbekanntes, dann teile ich diesen Eindruck z. B. mit der Gewerkschaft der Polizei, die das in ihrer Reaktion so verdeutlicht hat. Auch in den Medien ist es entsprechend herübergekommen. Damit ist schon vieles von der Wirkung dieser Initiative verpufft.
Sie haben sie trotzdem heute Morgen zum Thema gemacht, also wollen auch wir unsere Sicht der Dinge darstellen.
Ich will gleich noch einen Aspekt zu dem medialen Echo, alles schon altbekannt, wenig Neues dabei, nachsetzen. Nicht einmal die drei Säulen, von denen das Konzept spricht, sind etwas Originelles; denn schon am 7. März 2008, also einen knappen Monat, bevor die rheinland-pfälzische Landesregierung an die Öffentlichkeit trat, gab es vom hessischen Justizminister Banzer eine Pressekonferenz, auf der er sein umfassendes Handlungskonzept zur Bekämpfung von Gewaltkriminalität vorstellte.
Ich darf zitieren: „Die Gewaltkriminalität soll durch ein umfassendes Handlungskonzept gesenkt werden, das aus drei Säulen besteht: Prävention, Strafverfolgung … Opferschutz.“ Sie kennen das alte Lied von den „Prinzen“: „Alles nur geklaut“. Mehr fällt mir dazu auch nicht ein.
Der Handlungsbedarf allerdings im Bereich der Gewaltkriminalität ist offensichtlich. Entgegen dem, was wir gerade wieder gehört haben, es sei alles schon so sicher in unserem Bundesland und es ginge nur darum, einen Tick mehr an Sicherheit in unserem Land zu schaffen, trügt dies. Wenn man die Polizeistatistik von 2007 ansieht, dann lässt sich erkennen, dass Rohheitsdelikte zugenommen haben, Raubtaten um 5 % und Straftaten gegen die Freiheit um 4 % zugenommen haben.
Handlungsbedarf gibt es. Wir haben am Dienstag im Rechtsausschuss in der Anhörung, die wir zum Thema „Jugendgewalt – Jugendkriminalität“ beantragt hatten, gehört, gerade in diesem Bereich ist hoher Handlungsbedarf gegeben; denn seit 2002 steigt die Zahl von Tatverdächtigen aus dem Bereich junger Heranwachsender.
Wenn man im Detail hinschaut, sieht man, es wurde eine ungeheure Fleißarbeit in den beteiligten Ministerien unter Federführung des Justizministers geleistet. Sie war natürlich ertragreich, weil für die SPD alles mit allem zusammenhängt. Dann findet man auch reichlich Dinge zum Zusammenführen und zum Präsentieren.
Wenn man dann aber genau hinschaut, hat man zunächst das Jugendstrafvollzugsgesetz noch einmal präsentiert bekommen. Wir wissen alle, das Bundesverfassungsgericht hat gesagt: Wir müssen ein solches Gesetz machen. – Das hat also mit einer Initiative zur Stärkung der Sicherheit in diesem Bundesland rein gar nichts zu tun. (Pörksen, SPD: Was?)
Das Gesetz zum Schutz des Kindeswohls – eine wichtige Sache, von uns einvernehmlich im Landtag getragen – hat mit der Initiative „Mehr Sicherheit in Rheinland-Pfalz“ ebenfalls gar nichts zu tun, sondern damit, dass es viele Fälle im Bundesgebiet gab, in denen Schreckliches passiert ist und Handlungsbedarf nicht nur in Rheinland-Pfalz gesehen wurde, sondern auch in anderen Bundesländern entsprechende Gesetze verabschiedet worden sind.
Auch die Häuser des Jugendrechts, die jetzt noch einmal aufkommen, sind altbekannt. Richtig ist, wir stehen genauso zu diesem Konzept wie die Landesregierung, die SPD-Fraktion und auch die FDP-Fraktion. Es ist eine segensreiche Einrichtung. Die Anhörung am Dienstag hat gezeigt, wir haben es mit etwas zu tun, was Aufklärungsquoten steigert. Sie haben unsere Unterstützung, aber bitte präsentieren Sie es nicht als etwas Neues, als eine geniale neue Idee.
Die neue JVA Wittlich, was ist daran neu? Sie befindet sich schon seit Jahren im Bau und hat mit einer Sicherheitsoffensive Rheinland-Pfalz nichts zu tun. Was ist mit dem Rest? Ich muss mich bei der fortschreitenden Zeit auf Weniges beschränken.
„VISIER“ ist überhaupt nichts Neues. Das hat die Beratung, die wir am Dienstag im Rechtsausschuss veranlasst hatten, gezeigt. Alles das, was sich von dem erfolgreichen Projekt „HEADS“ aus Bayern und anderen Ländern unterscheidet, ist nicht in irgendeiner Weise sachlich überzeugend. Hätten Sie das gemacht, was die anderen machen, wären wir wesentlich besser vorangekommen und schon früher gegen rückfallgefährdete Sexualstraftäter vorgegangen. Sie aber müssen wie immer alles anders machen.
Thema „Jugendarrestanstalt“: Dem Papier entnehme ich, die Landesregierung prüft. Aber schauen Sie einmal nach Hessen: Hessen prüft nicht, Hessen handelt.
Seit dem 1. April gibt es eine neue Jugendarrestanstalt in Friedberg mit 60 Plätzen. Hier wird noch geprüft.
Aus Zeitmangel will ich mich nur noch ganz kurz mit dem Thema „Stellenmehrung“ beschäftigen. Sie sagen, sechs neue Staatsanwaltsstellen soll es in diesem Jahr geben, das sei Teil Ihrer Offensive. Der Haushalt hat gesagt, Sie haben elf Stellen, die Sie schaffen könnten. Wo sind die anderen fünf Stellen, muss man fragen. Sie dienen wahrscheinlich als Reserve für die weiteren Stellen, die Sie künftig schaffen wollen.
Letzter Punkt: Thema „30 neue Stellen in der Strafjustiz“. Es ist nun einmal die Hoheit der Gerichte, die Stellen zuzuordnen. Das können Sie als Minister nicht machen. Wenn irgendwo 30 Stellen in der Justiz vorhanden sind, dann entscheiden die Gerichte vor Ort, wohin sie diese verteilen. Wenn es z. B. am Familiengericht brennt, dann werden sie dort besetzt.
Alles in allem, wir sind für die drei Säulen, die Sie präsentieren, aber bitte nicht mit so viel Schaumschlägerei.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Sicherheitskonzept „P.R.O.“, Prävention, Reaktion, Opferhilfe, ist aus unserer Sicht mit Sicherheit ein Schritt in die richtige Richtung. Vorrangig wird man dabei sehen müssen, dass bei diesem Konzept der Informationsfluss zwischen Polizei und Staatsanwaltschaften enorm erhöht wird. Das ist auch sehr wichtig, weil ich nur dann eine entsprechende schnelle Reaktion durch die Justiz, aber auch die schnelle Einbeziehung anderer Behörden, wie z. B. Jugendämter, erwarten kann.
Nur, wo fange ich an? Wenn ich bei der Justiz anfange, dort etwas weiterleite, dann ist das Kind schon in den Brunnen gefallen. Das wollen wir nicht. Wir wollen gerade die Prävention. Wir wollen verhindern.
Prävention ist eigentlich die vornehmste Aufgabe des Staates, insbesondere der Polizei. Die Polizei kann aber heutzutage oftmals nicht mehr verhindern. Ich will hier nicht verhehlen, wir haben eine tolle Aufklärungsquote, dieser Bereich ist klasse in Rheinland-Pfalz.
Wenn ich aber die Polizei mehr und mehr ausdünne, dann wird es auch mit der Prävention schlechter. Wir haben momentan etwa 9.200 Polizeibeamtinnen und -beamte in Rheinland-Pfalz, davon sind aber nur ca. 3.700 im Wechseldienst, weniger als 1.000 Kriminalbeamte, die den eigentlichen Kriminaldienst verrichten. Das kann keine Polizei auf Dauer durchhalten.
Wir haben deshalb die großen Erfolge in RheinlandPfalz, bei der rheinland-pfälzischen Polizei, weil wir hoch motivierte Polizeibeamtinnen und -beamte in RheinlandPfalz haben. Diese versuchen, noch das Beste aus dieser Situation zu machen.
Wo stehen wir heute bei der Polizei im Personalstand und im sachbearbeitenden Polizeidienst? Wir stehen eigentlich mittlerweile ganz unten. Wenn ich die Zahlen nannte, heißt das nichts anderes, als dass wir viele Dienststellen in Rheinland-Pfalz haben, in denen kaum noch eine Streifenwagenbesatzung auf die Beine gestellt werden kann.
Das ist so, Herr Ministerpräsident. Ich war bis vor Kurzem im Polizeidienst, 30 Jahre. Es hat sich in den letzten Jahren enorm verschlechtert. Wir haben mittlerweile Dienststellen, die sind froh, wenn sie eine Streifenwagenbesatzung auf die Beine gestellt bekommen. Das ist schlimm, Herr Ministerpräsident.
Wir hätten sehr gerne, dass mehr Personal zusätzlich eingestellt wird. Ich glaube – auch die FDP-Fraktion –, dass diese 50 zusätzlich versprochenen Stellen, die 2009 und 2010 noch einmal zusätzlich angedacht sind, zu wenig sind.
Wir müssen einfach sehen, dass die Polizeiausbildung und das Studium drei Jahre dauern. Anschließend erfolgt eine zweijährige Verwendungszeit bei der Bereitschaftspolizei. Wir haben also fünf Jahre, bis der Polizeibeamte seine Arbeit vor Ort für die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger verrichten kann, fünf Jahre bei ansteigenden Pensionierungszahlen, die in wenigen Jahren auf über 400 pro Jahr hochschnellen werden.
Dann sage ich mir, dass dieses gute Sicherheitskonzept „P.R.O.“ in der Theorie gut aussieht und auch in der Praxis gut funktionieren kann, aber nur dann, wenn ich ausreichend Personal nach unten bringe. Wir haben im Moment eine Situation bei der Polizei, die ich immer mit einem Fußballspiel vergleiche. Wir haben leider nur sieben Feldspieler, aber vier Trainer. Das ist eine Situation, die so nicht bleiben kann.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe es geahnt, welche Rede Herr Dr. Wilke hier halten wird. Es ist genauso gekommen: Nichts Neues im Inhalt und auch nichts Neues in der Form.
Ich sage Ihnen eines, Herr Kollege Wilke: Sie sind noch relativ jung im Parlament. Das gilt für mich nicht ganz. Aber wenn Sie eine solch wichtige Auseinandersetzung betreiben, werden Sie in Bälde nicht mehr ernst genommen. Das kann ich Ihnen garantieren.