Nicht Herrgott noch einmal. Das sind Menschen, die morgens aufstehen, ihre Arbeit erledigen und das Recht haben, anständig bezahlt zu werden.
Herr Eymael, ich will Ihnen den Fall, der neulich durch die Presse gegangen ist, eines Entsorgungsunternehmens in Hamburg, benennen, das einen öffentlichen Auftrag im Bereich „Entsorgungswirtschaft“ verloren hat, weil der Auftrag öffentlich ausgeschrieben wurde. Es hat sich ein Unternehmen dafür beworben, das keinen Tariflohn, sondern seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern 20 % geringere Löhne zahlt.
Das Traditionsunternehmen hat den Auftrag nicht erhalten. 60 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben zum 31. Dezember 2007 ihre Kündigung erhalten, weil andere mit Dumpinglöhnen den Auftrag bekommen haben. Das ist in Deutschland Wirklichkeit. Das wollen wir verhindern, und das ist die Zielsetzung, die wir damit verbinden.
Diese Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Konkurrenzunternehmens erhalten einen Bruttolohn von 1.600 Euro. Diesem Unternehmen musste der Auftrag aufgrund der Regelung, wie sie in Deutschland derzeit gang und gäbe ist, erteilt werden.
Herr Eymael, was bedeutet das? Sie haben die Aussage getroffen, es könnten günstigere Straßen und günstigere Schulen gebaut werden. Das haben Sie hier gesagt.
In Hamburg ist die Entsorgungswirtschaft auch etwas günstiger. Aber mit welcher Konsequenz? – Ein Großteil der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Konkurrenzunternehmens erhält Arbeitslosengeld II, d. h., die öffentliche Hand gleicht dies mit Steuergeldern aus. Das Tradi
tionsunternehmen, das den Auftrag verloren hat, dessen Steuergelder müssen genommen werden, um Löhne von Dumpingunternehmen zu subventionieren.
Eines muss klar sein: Dort, wo mit Steuergeldern Aufträge vergeben werden, muss es zur Verpflichtung gehören, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Unternehmen, die solche Aufträge erhalten, anständige Löhne erhalten. Sie müssen in der Lage sein, wenn sie vollschichtig arbeiten, damit ihre Familien zu ernähren. Alles andere ist nicht akzeptabel. Das ist auch nicht für eine Volkswirtschaft akzeptabel.
Wir werden das Urteil auch mithilfe des Wissenschaftlichen Dienstes analysieren. Eines ist aber klar: Wir werden diese politische Zielsetzung weiterverfolgen. Wir werden über eine Bundesratsinitiative die Bundesregierung auffordern, europarechtlich die Voraussetzungen zu schaffen, damit Tariftreuegesetze in Deutschland und in anderen Ländern weiter möglich sind.
Herr Eymael, ich bin der festen Überzeugung, auch in Deutschland wird der Diskussionsprozess weitergehen, sodass wir in absehbarer Zeit als Erfolg kommunizieren können, dass es in der Europäischen Union künftig keine zwei Länder geben wird, die bisher keinen Mindestlohn oder eine flächendeckende Verbindlichkeit von Tarifverträgen haben. Wir fühlen uns nicht geehrt, das einzige Land außer Zypern zu sein, das nicht in der Lage war, soziale Standards klar zu regeln und für eine klare Wettbewerbsgleichheit unter fairen Bedingungen zu sorgen. Das wird es in Deutschland geben.
Dann haben wir klare Rahmenbedingungen. Ich bin der festen Überzeugung, dass wir uns mit der Mehrheit der Menschen, auch mit der Mehrheit der Betriebe in diesem Land darin einig sind
wenn auch nicht immer mit den Verbänden –, dass es fair im Wettbewerb und fair in den Sozialpartnerschaften zwischen der Wirtschaft zugehen muss. Das ist eine Grundvoraussetzung für den wirtschaftlichen Erfolg. Diese Zielsetzung werden wir weiterverfolgen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich darf weitere Gäste im Landtag begrüßen, und zwar die Landfrauen des Ortsvereins Georg-Weierbach aus Idar-Oberstein, Schülerinnen und Schüler der Klingbachschule BilligheimIngenheim sowie Soldaten und Fachhandwerker des Elektronikzentrums der Bundeswehr in Bad Bergzabern. Herzlich willkommen in Mainz im Landtag!
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Lassen Sie mich noch einige wenige Anmerkungen dazu machen. Herr Eymael, ich fand das schlicht und ergreifend schade. Sie haben gesagt, Sie hätten sich über die Entscheidung des EuGH gefreut, und ansonsten haben Sie relativ platt die Stereotypen verbreitet mit Bürokratie, linker Wirtschaftspolitik und in diese Richtung geschlagen.
Mit der Frage, die ich angerissen habe, nämlich wie unsere sozialen Standards in einer EU tatsächlich weiterentwickelt werden können, damit nicht die Arbeitnehmerschutzinteressen ganz unter die Räder kommen, haben Sie sich überhaupt nicht auseinandergesetzt, sondern schlicht und ergreifend muss ich den Eindruck gewinnen, dass für Sie Arbeitnehmerschutzrechte Bürokratie sind, die man am besten abschaffen würde. Das scheint Ihre Meinung zu sein.
Herr Billen, es lohnt sich, auf der Bundesebene den Anlauf zu nehmen, einen Mindestlohn zu installieren, weil wir ihn im europäischen Konzert brauchen. Ich meine, dass wir in der Abgrenzung zwischen der Rechtsprechung unseres Verfassungsgerichts, das unsere Grundrechte schützt, und der marktliberalen, teilweise einzigen Maxime der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs eine bessere Austarierung benötigen. Das sehen auch Herr Barroso als Chef der Kommission und Herr Spidla für den zuständigen Bereich so. Sie haben sich zumindest in Äußerungen dazu bekannt, dass es vielleicht zu sehr in die eine Richtung läuft.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, diese Sorge muss uns für die Weiterentwicklung der Errungenschaften, die wir in Deutschland haben, umtreiben. Jedenfalls treibt das die Menschen um, weil sie Angst haben, unter die Räder zu kommen, wenn keine Schutzmechanismen mehr wirken.
Frau Präsidentin! Herr Kollege Hartloff, ich hätte mir gewünscht, die SPD hätte sich besser abgesprochen, ob man jetzt Polemik betreiben oder in der Sache diskutieren will. Ich nehme zur Kenntnis, dass es Ihnen mit einigen wenigen Ausnahmen am Anfang gelungen ist, ohne Polemik in der Sache zu diskutieren.
Herr Minister, Sie müssen langsam aufpassen, wenn Sie die Statistiken den Menschen vorziehen. Sonst frage ich einmal, wie Sie in der Statistik der Bewertung der Wirtschaftsminister stehen.
Ich sage noch einmal in aller Ruhe: Es kann doch wohl nicht sein, dass dann, wenn ein Urteil bedeuten würde, dass ein Tariftreuegesetz abgelehnt wird, das wir politisch aus bestimmten Gründen ablehnen und das in anderen Ländern abgeschafft worden ist, Sie sagen, die EU verhindere den Arbeitnehmerschutz. Das ist wohl weit hergeholt. Das ist wohl ganz weit hergeholt.
Das Tariftreuegesetz, so wie es auf dem Tisch liegt, schützt weder einen Arbeitnehmer noch sonst etwas. Man muss auch wissen, dass es nur um öffentliche Aufträge geht. Sie stellen doch selbst fest, dass nach der Argumentation, die Sie zum Tariftreuegesetz vorgelegt haben, 80 % aller Aufträge überhaupt nicht betroffen wären, weil Sie eine Mindestgrenze eingeführt haben. Lassen Sie uns doch bei der Sache bleiben.
Leider kann ich jetzt nur noch eine gute Minute über den Arbeitnehmerschutz reden. Herr Minister, man kann natürlich sagen, außer in Zypern gibt es nur in Deutschland keinen Mindestlohn. Dann sollte man aber auch die Zahlen zum Mindestlohn in den anderen Ländern offenlegen. Man muss dann dazusagen, dass man dort Mindestlöhne von 80 Cent, 1 Euro oder 1,50 Euro hat. Von so einem Mindestlohn reden wir doch wohl nicht.