Wir brauchen eine sachliche Diskussion und eine Perspektive für die Landwirtschaft, vor allen Dingen in Rheinland-Pfalz in den Höhengebieten. Darüber sollten wir gleich reden.
Ich darf weitere Gäste im Landtag begrüßen, und zwar Mitglieder des SPD-Ortsvereins Königswald. Herzlich willkommen!
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich glaube, es ist richtig, was Herr Kollege Eymael ausgeführt hat, dass wir uns bewusst sein sollten, wie wichtig die Landwirtschaft und insbesondere die Milchviehwirtschaft für das Land Rheinland-Pfalz ist. Eine flächendeckende Landwirtschaft, wie wir sie für den Erhalt der Kulturlandschaft und für die Nutzung der Potenziale des ländlichen Raums benötigen, ist ohne Milchviehbetriebe in den Mittelgebirgslandschaften von Hunsrück, Eifel, Westerwald, Taunus und der Westpfalz undenkbar. Sie ist von zentraler Bedeutung für die wirtschaftliche Entwicklung ländlicher Räume.
Wir reden über 2.700 Milchviehbetriebe, die es in Rheinland-Pfalz gibt. Diese haben zum Teil eine unterschiedliche Struktur. In 35 % dieser Betriebe, das sind 950 Betriebe, stehen 63 % aller Kühe, etwa 74.000. Es
sind 660 Betriebe, also knapp ein Viertel, die gerade einmal 4 % der gesamten Milch produzieren. So weit die Spannbreite der Größe der Betriebe und deren Leistungsfähigkeit.
Es gehört zur Ehrlichkeit der Diskussion hinzu, dass man sagt, es wird in diesem Bereich weiterhin einen Strukturwandel geben.
Ich habe Wert darauf gelegt, dass wir bezüglich der Zukunft der Milchviehbetriebe eine klare Position beziehen, dass es im Jahr 2015 zum Ausstieg aus der Milchquote kommen wird. Die Europäische Union hat dies entschieden. Das ist auch die Auffassung fast aller Landwirtschaftspolitiker in Deutschland. Bedauerlicherweise hat Bayern keine klare Position. Das ist nicht hilfreich, um sich auf Zukunftsperspektiven zu verständigen. Dafür brauchen wir einen klaren Grundansatz.
Herr Billen, mit Blick auf Ihre interessanten Ausführungen kann man nach Motiven forschen, was dort geschehen ist. Das, was geschehen ist, ist dramatisch, wenn man betrachtet, dass Streit in den Dörfern und in den Familien herrscht. Es wird lange dauern, bis die Streitigkeiten, die bis zu persönlichen Feindschaften geführt haben, beseitigt sein werden. Deshalb ist es wichtig nachzuforschen, woran es gelegen hat.
Wir hatten Auszahlungspreise von 42 Cent. Es hat einen Preisverfall gegeben. Der Unterschied zwischen Sommermilch und der Herbstmilch lag sonst bei 6 % bis 8 %. Diesmal mussten wir einen dramatischen Preisverfall zur Kenntnis nehmen. Gleichzeitig mussten die Landwirte zur Kenntnis nehmen, dass aufgrund gestiegener Energie- und Futtermittelkosten die Produktionskosten um ca. 6 % gestiegen sind. Hier ist Verzweiflung entstanden. Die Verzweiflung ist auch deswegen entstanden, weil man berechtigterweise vielleicht den Eindruck gehabt hat, man ist den Marktmechanismen von manchen Akteuren ausgeliefert, und man ist ohnmächtig, dagegen vernünftig zu handeln.
Bei dieser Diskussion geht es um die Verantwortung von Marktbeteiligten. Wer in der Marktwirtschaft eine starke Marktstellung erreicht hat, der hat eine besondere Verantwortung wahrzunehmen. Ihm muss klar sein, welche Konsequenzen seine Entscheidungen auf Menschen und Betriebe in diesem Land haben werden.
Ich will eine Molkerei benennen, die mit Sicherheit dieser Verantwortung nicht gerecht geworden ist. Das ist Theo Müller. Wie wir wissen, zahlt er nicht in Deutschland seine Steuern. Deswegen hatte er eine gewisse Bekanntheit. Er hat ohne jede Not die Preisspirale nach unten angestoßen, weil es ihm aufgrund seines Produktportfolios ein Dorn im Auge war, welche guten Preise für H-Milch gezahlt werden. Deswegen hat er mit die Preisspirale von 10 Cent bis 15 Cent nach unten angestoßen.
Das hat dazu geführt, dass andere Lebensmittelkonzerne mitgegangen sind, die auch eine große Verantwortung haben. Wenn wenige Konzerne – es sind wenige Lebensmittelkonzerne – eine so starke Marktmacht haben, dass sie in den Verhandlungen in der Lage sind, Preise weitgehend vorzuschreiben, dann bedeutet dies,
sich auch Gedanken darüber zu machen, was das für die Erzeuger bedeutet. Sind die Erzeuger in der Lage, mit den Preisen, die ich aushandeln will, zu existieren, oder hat das die Konsequenz, dass diejenigen, von denen ich langfristig lebe, überhaupt nicht mehr existieren können? Sie haben ihre Marktmacht dazu genutzt, Preise durchzudrücken, deren Ergebnis war, dass ein Großteil der Betriebe nicht mehr in der Lage war, davon zu existieren und Zukunftsperspektiven aufzubauen.
Das hat Menschen, die darunter litten und nicht mehr wussten, wie es weitergeht, zu Verzweiflungstaten getrieben, weil sie erkannt haben, gegen diese Mechanismen haben wir praktisch keine Chance mehr, weiter zu existieren. Wegen Ausnutzung der Marktmacht wird deren Zukunft zerstört.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Politik hat die Aufgabe, dieses unverantwortliche Verhalten von manchen Marktbeteiligten anzuklagen, zu verurteilen und deutlich zu machen, das hat nichts mehr mit einer Marktwirtschaft, einer sozialen Marktwirtschaft zu tun, wie wir sie uns vorstellen.
Das hat nichts damit zu tun, dass wir nicht zur Marktwirtschaft stehen; denn in anderen Regionen der Welt hat die Milch nach wie vor einen höheren Preis.
Es gibt folgende Situation: Natürlich hat die erhöhte Preissituation zu höheren Angeboten geführt. Die höheren Preise haben zu weniger Nachfrage geführt. Das hat marktmäßig funktioniert. Die Lebensmittelkonzerne wären in der Lage gewesen, andere Preise auszuhandeln, ohne dass ihr Betriebsergebnis nennenswert beeinträchtigt worden wäre.
Ganz klar ist, Molkereien zu blockieren und die Bauern, die ihre Milch abliefern wollen, daran zu hindern, ist rechtswidrig und nicht akzeptabel. Das kann nicht hingenommen werden.
Ich bin Herrn Kollegen Englert dankbar, dass er neben mir mit allen Beteiligten Gespräche geführt hat. Wir, die für die Landwirtschaft Verantwortung haben, haben es als unsere Verantwortung gesehen, mit allen zu reden und dazu beizutragen, dass die Situation nicht eskaliert, da es bei der Räumung von Molkereien eventuell zur Eskalation hätte kommen können. Wir sind froh, dass wir das in Rheinland-Pfalz verhindern konnten. Die Blockierer konnten bewegt werden, sowohl am letzten Wochenende als auch Anfang dieser Woche freiwillig abzuziehen.
Ich bin froh, dass durch LIDL und REWE Signale gesetzt werden, dass vernünftige Preise vereinbart werden. Ich bin überzeugt, dass die anderen nachziehen werden. Ich bin froh, dass insoweit die Protestaktionen Erfolg hatten.
Ich will mir die Situation nicht vorstellen, die sich ergeben hätte, wenn sich die Marktbeteiligten nicht bewegt hätten und die Situation gegen Wochenende eskaliert wäre. Ich glaube, wir hätten dann eine problematische Situation gehabt.
Wir müssen dazu beitragen, dass die Gräben wieder zugeschüttet werden und der gesäte Streit beseitigt wird. Wir werden das konsequent weiter umsetzen, was ich mehrfach verkündet habe. Klar ist, wir werden die Betriebe, die zukunftsfähig sind, die investieren wollen und sich verstärkt auf den Wettbewerb nach der Quote vorbereiten, verstärkt finanziell unterstützen.
Deswegen habe ich auch die Entscheidung schon vor zwei Jahren getroffen, dass die Mittel für einzelbetriebliche Förderung gestärkt werden. Das Land RheinlandPfalz hat aufgrund der klugen Entscheidung meiner Vorgänger die Ausgleichszulage erhalten. Andere Länder haben sie abgeschafft. Es war eine richtige Entscheidung, an der Ausgleichszulage festzuhalten. Wir brauchen auch zukünftig ein Instrument, wie wir den von der Natur benachteiligten Gebieten Zuwendungen zukommen lassen können, damit dort wettbewerbsfähig produziert werden kann. Solche Instrumente muss es auch weiterhin geben.
Wir werden intensiv auch die Betriebe beraten und begleiten, die für sich aufgrund ihres Alters oder aufgrund der Struktur entschieden haben, dass sie perspektivisch aussteigen wollen, damit dies ein sozialer Ausstieg wird, sie für sich auch eine Lebensperspektive haben. In dem Sinne betreiben wir hier verantwortungsvoll Landwirtschaftspolitik. Wir werden auch, sobald die Entscheidungen im Health Check gefallen sind, mit Ihnen gemeinsam diskutieren, wie auch Zukunftsprogramme für die Milchviehwirtschaft aussehen. Dazu müssen wir die entsprechenden Entscheidungen auf europäischer Ebene abwarten.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich wollte zur Preisbildung doch noch etwas sagen. Wir haben erlebt, dass die Preise für Milch und Butter für den Endverbraucher bis zu 20 % teurer geworden sind, aber nicht nur für den Endverbraucher – denn der hat noch Verständnis dafür, wenn das Geld wieder bei den Landwirten ankommt –, sondern insbesondere natürlich auch in der verarbeitenden Industrie. Da gibt es natürlich auch Konkurrenz, nämlich die pflanzlichen Fette. Je nachdem, was günstiger ist, greift die Industrie zu den günstigeren Fetten. Wenn die pflanzlichen Fette günstiger sind, haben wir ein Problem, dass wir ein Überangebot haben. Deswegen muss eine Preisbildung meines Erachtens sukzessive und vorsichtig erfolgen.
Ein angemessener Preis muss sich entwickeln. Diese sprunghaften Preissteigerungen kann der Markt nicht verarbeiten. Deswegen hoffe ich bei den jetzt anstehen
den Verhandlungen, dass man angemessen erhöht, dass damit die Milchbauern in der Tat eine Zukunftschance haben und sie sich für den Wettbewerb in der Zukunft noch besser aufstellen, als das bisher der Fall ist – denn ab 2015 werden wir den Wegfall der Quote erleben –, und das Land alles dazu beitragen muss, dass die Rahmenbedingungen, die Sie Herr Minister – da sind wir uns völlig einig – eben genannt haben, auch weiterhin genutzt werden.
Meine Damen und Herren, das Problem liegt jetzt bei den Bauern selbst. Wir haben es mit wenig Solidarität zu tun. Auf der einen Seite steht der BDM, kämpferisch und manchmal über das Ziel hinausschießend. Die Blockaden entstanden aufgrund des BDM, nicht des Bauernverbandes. Auf der anderen Seite haben wir den Bauernverband, der sich alles in allem eigentlich relativ vernünftig in dieser ganzen Demonstrationsangelegenheit der Landwirtschaft verhalten hat. Letztlich war es auch Herr Sonnleitner, der besonnen letztlich auch diese Ergebnisse mit LIDL bei den Preisverhandlungen selbst erzielt hat.
Aber alles in allem, wenn die Landwirte nicht auf ihre Probleme aufmerksam gemacht hätten, wären diese Ergebnisse nicht erzielt worden. Insofern stehen wir jetzt dazu und hoffen, dass die Molkereien gute Abschlüsse mit dem Lebensmitteleinzelhandel tätigen.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Billen, Sie haben sehr ablehnend über die Boykottmaßnahmen gesprochen. Bei aller kritischen Distanz zu den Maßnahmen kann man sagen, was man will, aber eines kann man nicht abstreiten, sie haben zum Erfolg geführt. Ich meine, insofern war es auch einfach einmal notwendig, dass ein Zeichen gesetzt wird.
Unabhängig von den jetzigen Verhandlungen ist für das laufende Jahr zunächst wieder mit steigenden Milchpreisen zu rechnen. Ich denke, diese optimistische Aussicht darf man haben. Allerdings besteht nicht die Aussicht auf stabile Preise. Die Preisschwankungen auf dem gemeinsamen Milchmarkt – insbesondere in Europa – werden demnächst stärker vom Weltmarkt bestimmt werden. Der Herr Minister hat ausgeführt, dass im Zuge des Health Check noch weitere Reformen anstehen. Wie man in einer Fachzeitschrift lesen konnte, ist der Milchmarkt ein volatiler Markt. Das bedeutet wohl, dass man für die Landwirte auch ein vernünftiges Risikomanagement initiieren muss.
Die Landwirte, aber auch die Molkereien müssen sich neu aufstellen – da schließe ich ausdrücklich auch die Verbände mit ein – und sich an diese veränderten Rahmenbedingungen anpassen. Sie haben auch davon gesprochen, dass es scheinbar eine schlechte Kommunikationskultur gibt. Das ist in der Tat so. Auch ich habe mit vielen Landwirten gesprochen. Der Unmut der Landwirte kommt scheinbar oft nicht in den Molkereien an. Ich denke, da müsste man einfach einmal mehr miteinander reden. Da bin ich bei Ihnen. Vielleicht muss man aber auch die eine oder andere Struktur einmal ändern.
Von unserer Seite kann ich nur noch sagen, wir wollen Partner für die Landwirte sein und den Prozess weiter begleiten. Ich hoffe, dass wir da auch im Sinne der Landwirtschaft zu einem positiven Ergebnis kommen.