Protokoll der Sitzung vom 05.02.2009

Der Richtlinienentwurf sieht genügend Flexibilität vor, um auch kleineren und mittleren Unternehmen die Umsetzung zu erleichtern und ihnen auch entgegenzukommen.

Im Übrigen hat die Kommission im Vorfeld eine Testgruppe von europäischen Unternehmen befragt. Nach Ansicht der Geschäftswelt ist ein EU-weit einheitliches Maß zum Schutz von Diskriminierung ausgesprochen hilfreich.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, selbstredend lehnen wir den Antrag der CDU ab und legen einen eigenen vor.

Zu einem sozialen Europa gehört, dass niemand aufgrund von Religion, Behinderung, Alter und sexueller Orientierung diskriminiert werden darf. Dafür steht die SPD.

Vielen Dank. (Beifall der SPD )

Auf der Zuschauertribüne begrüße ich Schülerinnen und Schüler der Berufsfachschulklasse der Nikolaus-AugustOtto-Schule Diez. Herzlich willkommen im Landtag!

(Beifall im Hause)

Ich erteile Herrn Kollegen Creutzmann das Wort.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Nach dem Redebeitrag von Frau Steinruck hat man schon Angst, etwas zu kritisieren, um nicht in die falsche Ecke gestellt zu werden.

(Frau Pepper, SPD: Ach, Herr Creutzmann! – Pörksen, SPD. Da brauchen Sie keine Angst zu haben, da stehen Sie schon!)

Deswegen sage ich vorweg, wir wollen keine Diskriminierung von Menschen. Wir müssen alle gemeinsam Vorurteile und Ressentiments bekämpfen.

Frau Kollegin, ich habe aber den Eindruck, dass Sie die Richtlinie des Rates zur Anwendung des Grundsatzes der Gleichbehandlung ungeachtet der Religion oder der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder sexuellen Ausrichtung überhaupt nicht gelesen haben.

(Baldauf, CDU: So ist das!)

Das ist zwar mühselig, aber anders kann man Ihren Redebeitrag nicht verstehen.

Meine Damen und Herren, die Eurokraten sind in Brüssel wieder am Werk gewesen. Am 2.7.2008 – ich habe den Wortlaut eben zitiert – wurde die sogenannte Antidiskriminierungsrichtlinie verabschiedet. Obwohl die Kommission erkennt, Frau Streinruck – deswegen muss man es auch einmal lesen –, dass bei dieser Richtlinie das Subsidiaritätsprinzip Anwendung findet, da der Vorschlag nicht in den ausschließlichen Zuständigkeitsbereich der Gemeinschaft fällt, löst sie mit der 5. Antidiskriminierungsrichtlinie eine neue Regulierungsflut über Europa aus. Die Richtlinie ist überflüssig, bürokratisch und lebensfern.

Der Vorschlag der Kommission greift massiv in die Vertragsfreiheit ein und schafft in der Praxis unnötige Rechtsunsicherheit.

Meine Damen und Herren, nachdem nur neun Monate vergangen sind, seit die Umsetzungsfrist der Vorgängerrichtlinie 2004/113/EG abgelaufen ist, meinte die Kommission, mit einer weiteren Richtlinie nachbessern zu müssen.

Die FDP-Fraktion vertritt die Auffassung, dass das bislang von der Europäischen Union geschaffene und im deutschen Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz – in der Tat, Frau Steinruck, AGG – umgesetzte Regelwerk völlig ausreichend ist, zumal der deutsche Gesetzgeber die damalige Richtlinie noch verschärft hat.

Die FDP-Fraktion vertritt die Auffassung, dass die Wertevermittlung per Gesetz, wie sie die Eurokraten in der 5. Antidiskriminierungsrichtlinie vorschreiben wollen, verfehlt ist. Das AGG hat der Wirtschaft geschätzte Kosten von jährlich rund 1,7 Milliarden Euro aufgebürdet. Das sind die Kosten in Deutschland jährlich.

(Zuruf aus dem Hause)

Herr Staatsekretär, diese Zahl ist nicht von mir, diese hat Herr Glos in einer Presseerklärung bekannt gegeben. Ich gehe einmal davon aus, dass der Bundeswirtschaftsminister richtige Zahlen in die Welt setzt. Das muss man einmal unterstellen.

Ich zweifle die Zahl jetzt nicht an. Selbst wenn es bloß 1,5 Milliarden Euro wären, dann wäre das immer noch zu viel.

Die geplante 5. Antidiskriminierungsrichtlinie würde den ohnehin hohen Kostendruck auf die Wirtschaft nochmals nahezu unkalkulierbar erhöhen und damit weit über das Ziel hinausschießen.

Schutz vor Diskriminierung ist wichtig. Jedoch hat die deutsche Wirtschaft auf diesem Feld bereits Erhebliches geleistet, was Anerkennung verdient. Neue Maßnahmenpakete aus Brüssel, die mehr schaden als nützen, sind deshalb völlig überflüssig.

Interessant dabei ist, dass der Vorschlag der Kommission in Brüssel auch von den Sozialdemokraten und den Kommunisten unterstützt wird. Ich wollte eine rhetorische Frage stellen. Ich frage die Landesregierung, wie sie im Bundesrat am 19. September 2008, als diese Richtlinie unter Vorsitz von Karl Peter Bruch beraten

wurde, abgestimmt hat, weil das aus dem mir vorliegenden Protokoll nicht ersichtlich ist. Ich gehe davon aus, dass das alles von der Landesregierung gutgeheißen wird, weil es die Frau Kollegin Steinruck vorgetragen hat.

Die von der EU-Kommission vorgelegte Richtlinie würde unser Rechtssystem in Deutschland verändern, was für die FDP nicht akzeptabel ist, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP)

Wenn die jetzt vorgelegte Antidiskriminierungsrichtlinie so weitgehende Regelungen enthält, wie die Verschiebung der Beweislast, das Verbot, Schadensersatzansprüche der Höhe nach zu begrenzen, oder die Hilfe bei der Durchsetzung gerichtlicher Ansprüche durch Antidiskriminierungsverbände, dann kann davon keine Rede mehr sein, dass die Richtlinie nur ein Mindestmaß an Schutz bietet.

(Beifall der FDP)

Diese Richtlinie würde einen enormen Dokumentationsaufwand verursachen, weil das Unternehmen rein vorsorglich alles für den Fall vorsorglich dokumentieren muss, dass es mit einem Diskriminierungsvorwurf konfrontiert wird. Leidtragender dieser Dokumentation wäre vor allem die mittelständische Wirtschaft, die bereits heute schon genug mit Bürokratiekosten belastet ist.

(Glocke des Präsidenten)

Schon fertig?

(Zuruf von der SPD: Schon lange!)

Ich sage das bewusst. Ich habe versucht, es kurz zu machen. Sie sehen, eine solche komplexe Materie schafft man nicht in kurzer Zeit.

(Glocke des Präsidenten)

Sie sehen, die Haltung der FDP ist klar. Das Ding muss weg.

Vielen herzlichen Dank.

(Beifall der FDP)

Ich erteile Frau Staatsministerin Malu Dreyer das Wort.

Ich möchte zwei bis drei Vorbemerkungen machen. Als Erstes treffe ich eine allgemeine Feststellung. Wir verabschiedeten im Landtag die UN-Konvention zur Gleichstellung behinderter Menschen. Dazu haben nur Sozialpolitiker gesprochen. Ich frage mich, wo heute die Sozialpolitiker und Sozialpolitikerinnen in den Fraktionen sind. Heute sprechen die Leute, die für die Wirtschaft

zuständig sind, und vertreten eine andere Meinung. Das geht nicht. Man kann nicht einerseits sagen, man ist für Gleichstellung und Antidiskriminierung, andererseits an einem Punkt, an dem es einem bei der Umsetzung nicht passt, andere Kollegen eine andere Meinung vertreten lassen.

(Beifall der SPD)

Die Antidiskriminierungsrichtlinie baut auch auf der verabschiedeten UN-Konvention auf.

(Bracht, CDU: Die schießt weit über das Ziel hinaus!)

Ich komme zum zweiten Punkt. Die Kosten des AGG (Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz) , die Herr Abgeordneter Creutzmann im Sinne von Herrn Glos zitiert hat, sind reine Schätzungen, und sonst nichts. Sie sind in keiner Weise belegt. Die Wirtschaft hat es vor der Verabschiedung und nach der Verabschiedung des AGG gesagt.

Wir wissen aus der alltäglichen Praxis, dass es nicht so ist, dass Unternehmen täglich mit unnötiger Bürokratie oder Ähnlichem konfrontiert werden. Wir wissen um den Effekt, dass das Thema „Antidiskriminierung“ in Deutschland erfolgreich behandelt wird. Das ist Sinn und Zweck des Ganzen. Man kann sagen, wir können froh sein, dass wir das erreicht haben.

(Beifall bei der SPD)

Ich komme zum dritten Punkt als Vorbemerkung. Das geht auch an Herrn Dötsch. Ich bin nicht sicher, ob diejenigen, die heute den Entwurf pauschal ablehnen, verkennen, dass die Verhandlungen von allen zuständigen EU-Ministern positiv begleitet wurden. Deutschland wurde von der Ministerin Ursula von der Leyen vertreten. Bereits am 11. Juni 2008 ist das freigegeben worden. Bedenken sind vorgetragen worden. Diese werden im Verfahren erörtert. Ministerin Ursula von der Leyen hat für Deutschland klar gesagt, dass Deutschland dieser Richtlinie nicht im Weg stehen wird.

(Pörksen, SPD: Nur der Herr Dötsch!)

Ich bin mir nicht ganz sicher, ob Sie wissen, wovon Sie sprechen. In Brüssel ist man ziemlich ratlos über die deutsche Haltung, die man mitgeteilt bekommt. Sie haben vorhin gesagt, das AGG ist weitergehend, als es die EU ursprünglich gefordert hat. Im Prinzip ist das AGG das Vorbild für die neue Richtlinie. Aus Brüsseler Sicht ist es total unlogisch, dass von allen EU-Staaten nur Deutschland diese vehementen Bedenken vorbringt und es auf unterschiedlichen Ebenen ablehnt. Das ist inhaltlich in keiner Weise nachvollziehbar.