Protokoll der Sitzung vom 05.03.2009

Herr Präsident, meine Damen und Herren Abgeordneten! Die Mündliche Anfrage beantworte ich namens der Landesregierung wie folgt:

Gestatten Sie mir zunächst eine Vorbemerkung. Die Landesregierung hat zu dem Themenkomplex in den letzten Tagen bereits zweimal parlamentarische Anfragen bzw. Anträge beantwortet. In ihrer Antwort vom 2. März 2009 auf die Kleine Anfrage Nummer 1981 der Abgeordneten Jeannette Wopperer mit dem Titel „Wirbel um Lehrerin mit Kopftuch“ hat die Landesregierung ihre grundsätzliche Haltung in der so genannten Kopftuchfrage deutlich gemacht. Sie hält derzeit eine gesetzliche Regelung für ein Kopftuchverbot weder für erforderlich noch für sachgerecht.

Herr Staatssekretär Ebling hat darüber hinaus in der 20. Sitzung des Ausschusses für Gleichstellung und Frauenförderung am 26. Februar 2009 bei der Erörterung des Tagesordnungspunktes mit dem Titel „Kopftuchstreit in Worms und Speyer“ ausführlich Rede und Antwort gestanden.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich die einzelnen Fragen wie folgt:

Zu Frage 1: Diese Frage lässt sich nicht mit letzter Bestimmtheit beantworten, da weder die Religionszugehörigkeit von Lehrkräften noch das Tragen eines Kopftuchs statistisch erfasst werden. Nach Auskunft der Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion wissen wir im Moment nur von zwei muslimischen Lehrerinnen, die ihr Kopftuch im Unterricht tragen. Neben dem aktuellen Fall unterrichtet noch eine weitere Lehrerin mit Kopftuch an einer Hauptschule.

Auch wenn nicht unmittelbar danach gefragt ist, möchte ich noch berichten, dass eine weitere muslimische Lehrerin, die an einer berufsbildenden Schule unterrichtet, ihr Kopftuch in den Klassenräumen und im Unterricht ablegt. Darüber hinaus gibt es noch einzelne wenige Fälle von Praktikantinnen, die mit Kopftuch im Rahmen ihres Praktikums erscheinen.

Zu Frage 2: Die Lehrkraft hatte sich um eine Stelle in Rheinland-Pfalz beworben und am 17. Dezember 2008 ein Stellenangebot am Eleonoren-Gymnasium in Worms angenommen. In der zweiten Januarhälfte stellte sich die Lehrkraft in Worms vor. Die Schule sprach sich daraufhin gegen eine Zuweisung aus.

In dieser Situation galt es, seitens der Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion abzuwägen, wie mit der Ablehnung durch die Schule und dem Anspruch der Lehrkraft auf Beschäftigung umzugehen ist.

Eine rasch umzusetzende Lösung wurde in einer Zuweisung an das Speyer-Kolleg gefunden, da einerseits ein räumlicher Zusammenhang mit dem ursprünglichen Stellenangebot besteht und andererseits an einer Einrichtung, die nur von Erwachsenen besucht wird, ein reflektierterer Umgang zwischen den Kollegiatinnen und Kollegiaten einerseits und den Lehrkräften andererseits besteht.

Zu Frage 3: Die Kollegleitung und das Kollegium bemühen sich derzeit zusammen mit der zuständigen Schulaufsicht um eine Versachlichung der Diskussion vor Ort. Den Kollegiatinnen und Kollegiaten wird in der Zwischenzeit im Fach Sozialkunde ein gleichwertiges Unterrichtsangebot durch eine andere Fachlehrkraft unterbreitet.

Zu Frage 4: Die Zuweisung einer Lehrkraft, die im Unterricht ein Kopftuch tragen möchte, hat bisher im Land Rheinland-Pfalz nur in diesem Fall zu einer Diskussion geführt. Die Landesregierung hat immer deutlich gemacht, dass beim Auftreten von Konfliktfällen vor Ort ein Interessenausgleich unter Würdigung der jeweils konkreten Konfliktsituation herbeigeführt werden soll, um die Situation nicht zu einer die Schulgemeinschaft belastenden werden zu lassen.

So weit die Antwort der Landesregierung.

(Beifall der SPD)

Eine Zusatzfrage des Herrn Kollegen Dr. Wilke.

Frau Ministerin, anknüpfend an Ihre Ausführungen zu der Situation am Speyer-Kolleg darf ich Folgendes nachfragen:

Mussten Lehrern des Kollegs, die ebenfalls Deutsch bzw. Sozialkunde unterrichten und ihre Unterrichtsverpflichtung bislang am Kolleg erfüllt haben, Stunden von ihrem bisherigen Deputat weggenommen werden, damit die neue Lehrerin überhaupt ihr Stundenpensum erfüllen kann?

Wie immer, wenn eine neue Lehrkraft an eine Schule kommt, hat es selbstverständlich auch in diesem Fall eine Umverteilung von Unterricht geben müssen. Ich gehe davon aus, dass dies auch im Speyer-Kolleg gelöst worden ist und ein entsprechender Unterrichtseinsatz für alle Lehrkräfte nun gewährleistet ist.

Wenn Sie sich auf den Punkt beziehen, dass unterstellt wird, man hätte sozusagen nun dort einen Überhang, muss ich Ihnen sagen, ich bin das allererste Mal in meiner ganzen Laufbahn als Ministerin mit dem Argument konfrontiert worden, dass man in einer Schule zu viele Stunden habe.

(Frau Spurzem, SPD: Da muss man Frau Dickes einmal fragen!)

Eine Zusatzfrage der Frau Kollegin Wopperer.

Wie möchte die Landesregierung die Integration von Muslimen und insbesondere die Entwicklung eines unserer Verfassung entsprechenden Menschenbildes der Gleichstellung der Geschlechter trotz des Tragens eines Kopftuchs von Lehrerinnen fördern?

Sehr geehrte Frau Abgeordnete Wopperer, sowohl Ihrer soeben vorgetragenen Fragestellung als auch den Verlautbarungen der letzten Tage darf ich entnehmen, dass Sie dem Kopftuch und einer Kopftuch tragenden musli

mischen Lehrerin eine ganz bestimmte Deutung beimessen. Ich muss Ihnen sagen, da die betroffene Lehrkraft geltend macht, dass sie das Kopftuch aus religiösen Gründen trägt, steht es der Landesregierung nicht an, die Deutungshoheit über das Kopftuch für sich in Anspruch zu nehmen, um das an dieser Stelle einmal sehr deutlich zu machen.

(Beifall der SPD)

Wenn Sie mich persönlich fragen, wissen Sie ganz genau, dass für mich die Gleichstellung von Frauen und Männern ein unabrückbarer Wert ist und dies selbstverständlich auch zum Auftrag der Schule gehört.

Ich füge aber sehr deutlich hinzu, ich sehe diesen Auftrag in keiner Art und Weise gefährdet. Sie wissen auch, dass wir an dieser Stelle immer sehr deutlich gemacht haben, dass wir auf weltanschaulich religiöse Neutralität Wert legen und dass wir sie in jedem Einzelfall in unseren Schulen gewährleisten werden und wir präventiv mit Lehrkräften Gespräche darüber führen, dass diese zu gewährleisten ist.

Wir unterscheiden uns aber deutlich an dem Punkt, dass Sie allein das Tragen eines Kopftuchs als einen Grund dafür ansehen, dass man in den rheinland-pfälzischen Schuldienst nicht eingestellt wird. Diese Position nimmt die Landesregierung derzeit nicht ein.

(Beifall der SPD)

Ich möchte Ihnen auch gern erklären warum. Sie haben sicherlich für sich den klareren und einfacheren Weg gewählt. Sie fordern ein Gesetz, damit ist eine gesetzliche Regelung herbeigeführt, und damit sind auch alle Probleme gelöst. – Ich sage Ihnen, ich glaube, die Probleme sind damit nicht gelöst, sondern sie sind damit nur verlagert. Sie haben lediglich in einem kleinen Bereich eine eindeutige Regelung getroffen, nämlich was die Frage des Einsatzes im Unterricht angeht. Integrationspolitisch, im Hinblick auf die Wirkung auf die Schülerinnen und Schüler und Ähnliches mehr haben Sie überhaupt keine Antwort gegeben.

(Beifall der SPD – Frau Wopperer, CDU: Augen zu und durch!)

Nein, nein, nein! – Mir vorzuwerfen, Augen zu und durch! – Ich habe die Augen an dieser Stelle ganz weit offen.

(Beifall der SPD)

Aber da mein politisches Verständnis davon zutiefst geprägt ist, nehme ich für mich in Anspruch, dass bei allen Maßnahmen, die der Staat ergreift, insbesondere bei gesetzlichen, wir immer in der Verpflichtung sind, einen Abwägungsprozess zu führen, der über den Tag hinausreicht.

(Beifall der SPD)

Ich glaube, gerade bei diesem Gesetzentwurf ist das dringend notwendig. Ich sage Ihnen ganz ehrlich, ich bin sehr stark von der Sorge geprägt, dass Dinge, die der

Staat veranlasst oder in Gesetzesform gießt, am Ende stigmatisierend, diskriminierend oder auch ausgrenzend wirken können,

(Billen, CDU: Nein! Nein! Nein!)

auch wenn es nicht beabsichtigt ist. Ich sage ausdrücklich dazu, auch wenn es nicht beabsichtigt ist. Insofern muss man gerade an dieser Stelle die Dinge wirklich zu Ende denken. In einem schwierigen Abwägungsprozess sage ich Ihnen: Derzeit halte ich eine gesetzliche Regelung nicht für sinnvoll. Ich bin froh, dass die Landesregierung das insgesamt so trägt.

(Beifall der SPD)

Ich darf Ihnen kurz die Liste der Wortmeldungen vorlesen. Als Nächster folgt Herr Baldauf, dann Frau Thelen, Frau Steinruck, Frau Schleicher-Rothmund, Frau Grosse, Frau Beilstein, Frau Lejeune, Herr Creutzmann.

(Abg. Frau Wopperer und Dr. Wilke, CDU, melden sich zu Wort)

Ja. Zum zweiten Mal haben sich Herr Wilke und Frau Wopperer gemeldet. Selbstverständlich, Sie haben drei Zusatzfragen. Die Reihenfolge ist jetzt aber klar.

Herr Baldauf, Sie haben das Wort.

Frau Ministerin, ich habe zwei Fragen. Erste Frage: Ist für Sie das Tragen eines Kopftuchs ein rein religiöses Symbol oder auch ein politisches Symbol?

Zweite Frage: Ist Ihnen bekannt, dass diese jetzt in Speyer beschäftigte Lehrerin einen Rechtsstreit in Nordrhein-Westfalen geführt hat, weil sie dort bereits verbeamtet war und aus dem Schuldienst genau wegen des Kopftuchtragens mit den entsprechenden Gründen entfernt wurde? Sind Sie Ihnen bekannt? Wenn ja, welche Gründe sind das gewesen?

Ich habe erstens bereits darauf hingewiesen, dass die betroffene Lehrerin geltend macht, das Kopftuch aus religiösen Gründen zu tragen,

(Baldauf, CDU: Ich habe Sie nach Ihrer Meinung gefragt!)

und wir das so zu akzeptieren haben. Mir ist zweitens bekannt, dass es bereits eine Auseinandersetzung in Nordrhein-Westfalen gegeben hat, wobei das auf der Hand liegt. Nordrhein-Westfalen hat ein Verbot, Kopftücher in der Schule zu tragen. Insofern war dort an dieser Stelle eine Konfliktsituation vorprogrammiert.

Sie wissen, acht Länder haben sich dafür entschieden, eine entsprechende gesetzliche Regelung zu treffen. Acht Länder haben sich bisher dagegen entschieden, eine solche Regelung zu treffen.

Dann sehen Sie an dieser Stelle schon – das ist übrigens auch ganz gemischt in den politischen Konstellationen –, dass es offensichtlich nicht nur in RheinlandPfalz eines sorgfältigen Abwägungsprozesses bedarf, welche Linie man an dieser Stelle fährt, und man da zu sehr unterschiedlichen Ergebnissen kommen kann.

Ich sage noch einmal, wir haben für uns diesen Abwägungsprozess sorgfältig vorgenommen. Wir halten derzeit ein Gesetz nicht für sinnvoll.