Protokoll der Sitzung vom 05.03.2009

Ich sage noch einmal, wir haben für uns diesen Abwägungsprozess sorgfältig vorgenommen. Wir halten derzeit ein Gesetz nicht für sinnvoll.

Eine Zusatzfrage der Frau Kollegin Thelen.

Sehr geehrte Frau Ministerin, Sie haben eben in der Antwort auf die Fragen zwei Gründe für die rasche mögliche Lösung der Versetzung zum Speyer-Kolleg genannt, zum einen die räumliche Nähe, zum anderen die Tatsache, dass dort in erster Linie Erwachsene unterrichtet würden, denen eine bessere Reflektierung der Situation möglich wäre.

Kann ich daraus schließen, dass Sie diesen reflektierten Umgang bei jüngeren Schülern nicht für gegeben halten?

Ich glaube, ohne den kleinen Kindern und den Jugendlichen zu nahe zu treten, bedeutet doch das Erwachsenwerden, dass wir reflektierter mit den Dingen umgehen.

(Pörksen, SPD: Das gilt nicht bei denen!)

Insofern war das kein Zurücksetzen von Kindern und von Jugendlichen, sondern es war einfach eine Beschreibung des Bildungsanspruchs, den wir auch vertreten müssen.

Insofern möchte ich sagen, ja, aufgrund der kurzfristig entstandenen Situation nach den Problemen, die es in Worms gegeben hat, musste kurzfristig entschieden werden. Kurzfristig war das Speyer-Kolleg wegen der räumlichen Nähe, aber auch wegen der Situation, dass dort Erwachsene unterrichtet werden, aus unserer Sicht die am besten zu realisierende Möglichkeit.

Eine Zusatzfrage der Frau Kollegin Steinruck.

Frau Ahnen, welche besonderen Gründe gab es seitens der Lehrerinnen und Lehrer und der Schülerinnen und Schüler in Speyer, diese Lehrerin abzulehnen?

Man kann nicht von einer generellen Ablehnung sprechen. Es hat am Speyer-Kolleg Diskussionen gegeben. Dies wird auch sehr unterschiedlich eingeschätzt. Bei einem geringeren Teil der Schülerinnen und Schüler, die von der Lehrerin unterrichtet wurden, hat es Vorbehalte wegen des Kopftuchtragens im Unterricht gegeben.

Eine Zusatzfrage der Frau Kollegin SchleicherRothmund.

Frau Ministerin, wie beurteilen Sie die Forderung, dass wir zur gelingenden Integration mehr Lehrkräfte mit Migrationshintergrund für die Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund brauchen?

Sehr geehrte Frau Abgeordnete Schleicher-Rothmund, das ist genau einer dieser Abwägungsprozesse. Eigentlich – so verfolge ich auch Ihre Diskussion in der Enquete Kommission „Integration und Migration“ – müssen wir alles daran setzen, dass wir mehr Menschen mit Migrationshintergrund in höhere und höchste Positionen in unserer Gesellschaft bekommen, wir sie sehr viel stärker im Bildungssystem repräsentiert haben und wir – – –

(Bracht, CDU: Die aber keinen Beitrag zur Integration leisten!)

Ich habe Sie leider akustisch nicht verstanden.

(Bracht, CDU: Die sollten aber einen Beitrag zur Integration leisten!)

Wer soll was leisten?

(Bracht, CDU: Die, die Sie einstellen! – Zurufe von der SPD)

Herr Abgeordneter Bracht weist mich darauf hin, dass diese Personen einmal einen Beitrag zur Integration leisten sollten. Ich weise darauf hin, dass es keinerlei Hinweise darauf gibt, dass die betroffenen Lehrerinnen, über die wir gerade reden, das nicht tun. Ich finde das an dieser Stelle eine Unterstellung.

(Beifall der SPD)

Insofern finde ich es sehr richtig, dass Frau SchleicherRothmund an dieser Stelle auch auf diesen Spagat hinweist, dass wir einerseits gerade in dem Bereich Ermutigung brauchen, wir mehr Erzieherinnen, mehr Lehrkräfte in unseren Schulen brauchen, die einen Migrationshintergrund haben, andererseits zur Diskussion steht, zur Bedingung zu machen, dass sie ein religiös motiviertes Kopftuch nicht tragen dürfen.

Das ist einer der Punkte, bei denen ich sage, das ist ein Spagat. Das ist auch ein Zwiespalt. Deswegen muss man an dieser Stelle abwägen.

Ich möchte noch einmal sagen, wir haben momentan zwei Lehrkräfte, die im Unterricht ein Kopftuch tragen. Ich persönlich stelle den Wert der Integration und des Ermutigens und des Verständigens auch unterschiedlicher Religionen und Kulturen in den Mittelpunkt meiner Überlegungen und halte das im Moment für gut vertretbar. Die Landesregierung steht damit doch auch nicht alleine da.

(Beifall der SPD)

Lesen Sie doch einmal die differenzierten Stellungnahmen aus dem kirchlichen Bereich. Lesen Sie einmal die Stellungnahmen auch der Ausländerbeiräte.

Natürlich werde ich vor Ort auch wieder von Vertretern aus Ausländerbeiräten angesprochen. Ich sage ihnen, ich möchte alles vermeiden, was polarisiert, was zerstreitet, und dem entgegensetzen, zu versuchen, mit dieser Situation so umzugehen, dass am Ende in dieser Gesellschaft mehr Toleranz und mehr Verständigung herrscht. Das ist der Ansatz, den wir verfolgen. Ich weiß, dass das eine mühevolle Aufgabe ist. Aber es ist auch eine Aufgabe, die aller Mühe wert ist.

(Beifall der SPD)

Eine Zusatzfrage der Frau Kollegin Grosse.

Frau Ministerin, können Sie uns etwas über die beruflichen Qualifikationen der Lehrerin sagen, über die wir sprechen, auch über das, was ihr vorhergehender Arbeitgeber ihr an beruflichen Fähigkeiten attestiert hat?

(Frau Kohnle-Gros, CDU: Das sollten wir jetzt aber nicht machen! – Weitere Zurufe von der CDU – Hartloff, SPD: Alles dies zur Sache! – Weitere Zurufe von der CDU) –

Es handelt sich um eine Lehrkraft, die Sozialkunde und Deutsch unterrichtet, die selbstverständlich eine entsprechend hoch qualifizierte Ausbildung hat und von der

ich keinerlei Hinweise habe, dass es fachlich oder pädagogisch irgendwelche Bedenken oder Probleme mit ihrer Arbeit gäbe.

Eine Zusatzfrage der Frau Kollegin Beilstein.

Frau Ministerin, Sie haben mehrmals ausgeführt, dass Sie derzeit keine gesetzliche Regelung für notwendig halten. Wann bzw. unter welchen Bedingungen oder zu welchen Gegebenheiten würden Sie eine gesetzliche Regelung in die Wege leiten und für notwendig erachten?

Sehr geehrte Frau Abgeordnete Beilstein, ich nehme noch einmal Bezug auf die Diskussion und die Fragen, die vorausgegangen sind. Wenn ich es mir wirklich leicht machen wollte, würde ich versuchen, die Landesregierung sofort davon zu überzeugen, dass wir ein Gesetz machen müssen. Ich wüsste nämlich genau, ich müsste hier nicht mehr stehen. Mir geht es nicht darum, es leicht zu machen. Mir geht es darum, dass wir in der Gesellschaft mit einer Situation verantwortungsvoll umgehen.

(Beifall der SPD – Zuruf des Abg. Baldauf, CDU – Weitere Zurufe von der CDU)

Herr Abgeordneter Baldauf, das, was ich hier vortrage, nehme ich für mich in Anspruch. Das ist verantwortungsvoll.

(Baldauf, CDU: Na gut, Ihre Meinung!)

Frau Beilstein, Sie sagen, wir haben zur Kenntnis nehmen müssen, dass es nur zwei Fälle sind, weil die Dritte im Unterricht kein Kopftuch trägt.

Sie fragen jetzt, wenn ganz viele kommen, was dann wird, und sie fragen auch, wann das sein wird. Ich sage Ihnen, ich mache die Arbeit mit dem Anspruch, möglichst ein Gesetz zu verhindern. Das bedeutet, sich um jeden Fall zu kümmern.

(Beifall der SPD)

Ich sage dazu, ich hoffe, dass wir das hinbekommen. Wir setzen alle Bemühungen daran.

Man muss Situationen immer wieder neu bewerten. Wir haben hier vor vier Jahren gestanden. Ihre Fraktion hat gesagt, innerhalb kürzester Zeit werde ich mit vielen Fällen konfrontiert sein. Ich sage noch einmal, wir reden heute über insgesamt drei Fälle.

(Billen, CDU: Nein, nein!)

In einem einzigen Fall hat es jetzt einen Konflikt gegeben. Wir werden alles daransetzen, diesen Konflikt zu lösen.

(Beifall der SPD – Zuruf des Abg. Billen, CDU)

Eine Zusatzfrage der Frau Kollegin Dr. Lejeune.

Frau Ministerin, wenn die Landesregierung, die Dienstherrin ist und auf die Neutralitätspflicht achten muss, es ablehnt, die Deutungshoheit für weltanschauliche oder religiöse Symbole zu übernehmen, die von Bediensteten getragen werden, dann frage ich Sie Folgendes: Wer hat dann aus Ihrer Sicht die Deutungshoheit?

Wenn Sie sich das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes ansehen, dann sehen Sie, dass dieses Gericht dazu eine sehr klare Position bezogen hat.

(Ministerpräsident Beck: Das steht in der Verfassung!)