Protokoll der Sitzung vom 26.03.2009

Ansonsten ist der Weg vorgezeichnet, dass wir in eine getrennte Aufgabenwahrnehmung marschieren werden; denn es ist aus meiner Sicht nicht vorstellbar, in einer solch kurzen Zeit noch einmal etwas ganz anderes zu entwickeln, nämlich eine Lösung, über die in den letzten Jahren genauso diskutiert wurde und für die es auf Bundestags- und Bundesratsebene keine Mehrheiten gab.

Es ist die herrschende Meinung innerhalb der CDU. Es sind eigentlich nur die Mitglieder der Bundestagsfraktion, die das anders sehen. Ich glaube nicht, dass das irgendetwas mit dieser Sache zu tun hat. Man könnte vielleicht ein bisschen flapsig sagen, dass die Kanzlerin der Fraktion ein Stück Spielwiese an dieser Stelle gegönnt hat. Sie hat nämlich eingeschätzt, dass eine Neuorganisation der ARGEn letztendlich keinen politischen Skandal auslösen wird.

Wen interessiert das? Aber es sind die betroffenen Menschen vor Ort. Wir interessieren uns für die Menschen vor Ort. Wir sind traurig darüber, dass diese Neuorganisation in den Sand gesetzt worden ist.

Letztendlich ist es das politische Kalkül der Kanzlerin zu sagen, dass sie an dieser Stelle die Leine loslässt, um die CDU-Fraktion einfach ein Stück zu befrieden. Mich ärgert am allermeisten, dass die arbeitslosen Menschen und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den ARGEn überhaupt keine Rolle bei dieser Entscheidung gespielt haben.

(Beifall der SPD)

Im Grunde genommen habe ich alles gesagt. Es gibt zahllose Zitate und erste Äußerungen von betroffenen Ministerpräsidenten, die sich alle vorgeführt fühlen. Ich brauche das nicht alles wiederzugeben. Die Zitate haben Sie alle gelesen. Selbst der Kollege Koch kam am 17. März aus dem CDU-Präsidium und hat nur noch frustriert gesagt: Wieso verhandeln wir eigentlich, wenn uns am Ende die Fraktion sagt, es geht gar nichts? –

Das ist das Deprimierende an dem Vorgang. Ich kann den Leuten vor Ort nur sagen, dass die Verträge bis 2010 verlängert werden und sie die Bundestagswahl abwarten müssen. Nach der Wahl müssen wir sehr zügig überlegen, wie es weitergeht.

Der Kompromiss ist nicht mehr realisierbar. Das ist klar. Die Zeit ist abgelaufen, und es ist vorbei. Wir müssen nach der Wahl einen neuen Anlauf machen. Ich bin wenig optimistisch. Das will etwas heißen, weil ich eigentlich ein sehr optimistischer Mensch bin. Ich bin an dieser Stelle vollkommen frustriert.

Ich kann nur sagen, dass wir wirklich alles getan haben, um den Fortbestand der ARGEn sicherzustellen. Wir werden uns auch weiter dafür einsetzen, dass es nach

der Bundestagswahl eine Lösung gibt, und alles unternehmen, und zwar auch ich als Landesministerin, dass vor Ort eine so befriedete Situation bis zur Wahl stattfindet, damit die arbeitslosen Menschen die Unterstützung erhalten, die sie brauchen, und zwar erst recht in einer Zeit, in der wir schon einen ziemlich angestrengten Arbeitsmarkt haben.

Herzlichen Dank.

(Beifall der SPD)

Ich erteile Frau Abgeordneter Grosse das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Frau Thelen, ich habe mit der strikten Ablehnung vonseiten der CDUFraktion im Land in Bezug auf den Kompromiss nicht gerechnet. Bei der strikten Ablehnung würde ich doch gern einmal wissen, wie Sie Ihre CDU-Länder bewerten, die diesem Kompromiss vorbehaltlos zugestimmt haben.

(Beifall der SPD)

Frau Thelen, Sie haben den Riesenkonflikt in Bezug auf die Arbeitsmarktpolitik in der CDU noch einmal ganz klargemacht. Wir wissen alle, dass es Probleme bei der Umstrukturierung in den ARGEn gab. Das war eine große Arbeitsmarktreform, die aber – auch das wissen wir alle und haben es oft besprochen – in vielen ARGEn inzwischen sehr gut funktioniert.

Das, was bisher nicht so gut funktioniert hat, nämlich die Personalhoheit und der eigene Haushalt, ist jetzt in den „Zentren für Arbeit und Grundsicherung (ZAG)“ drin. Das ist in dem Kompromiss enthalten, der erarbeitet worden ist und mit dem eigentlich alle sehr gut hätten leben können. Alle standen am Start und wollten loslegen.

Nun will die CDU von diesem System weg. Jetzt müsste wieder ein völlig neues System aufgebaut werden, das wir bis 2010 einarbeiten müssten. Wie das funktionieren soll, hat mir bisher noch niemand verraten können. Im Übrigen ist auch die CDU-Bundestagsfraktion die Antwort auf diese Frage schuldig geblieben.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, vielleicht erlauben Sie mir, noch einmal Minister Laumann zu bemühen, der zum Abschluss seiner Rede letzte Woche gesagt hat: „Das Allgemeinwohl muss nicht das Aneinanderreihen parteipolitischer Interessen sein.“

(Harald Schweitzer, SPD: Sehr gut!)

Das ist genau der Punkt. Parteipolitischen Interessen sind die Interessen der arbeitslosen Menschen zum Opfer gefallen.

(Beifall der SPD)

Meine Damen und Herren, ich bitte Sie sehr herzlich, nehmen Sie Einfluss auf Ihre Bundestagsabgeordneten, damit wir kein Chaos in der Arbeitsmarktpolitik haben.

Ich danke.

(Beifall der SPD)

Ich erteile Frau Abgeordneter Thelen das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Frau Ministerin, natürlich ist das Verfahren nicht glücklich gelaufen. Ich kann die Verärgerung verstehen, wenn man lange verhandelt und dann der erzielte Kompromiss nicht zum Zuge kommt. Ich denke, es ist das gute Recht einer großen Fraktion im Deutschen Bundestag, vor der Beschlussfassung die Reißleine zu ziehen, wenn sie es aus tiefer Überzeugung aus verfassungsrechtlichen Gründen für notwendig hält.

(Beifall bei der CDU)

Das habe ich vertreten, und das kann ich sehr gut vertreten.

Wenn hier so getan wird, als sei es das ganz große Einvernehmen gewesen, muss ich ein bisschen Wasser in den Wein gießen.

Es gab im September 2008 ein Eckpunktepapier, das vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales, also vom Ministerium des Herrn Scholz, veröffentlicht wurde und mit dem Bundeskanzleramt, Bundesfinanz-, Bundesinnen- und Bundesjustizministerium abgestimmt war. Darin heißt es zu dem vorgelegten Vorschlag, dieser Ansatz wird abgelehnt. Ich will Ihnen gar nicht die ganze Passage vorlesen, die ich zum Zitat zur Verfügung habe. Aber es wird beispielsweise darauf hingewiesen, wie schwierig die personelle Besetzung der ZAG wäre. Es wird auf die Verflechtung der Haushalte und die darin gesehenen kaum lösbaren Fragen verwiesen.

Dieses Darstellen, als sei dies alles so ganz locker, muss ich vehement bestreiten.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Wenn Sie sagen, es wäre ganz einfach, diese in die 370 eigenständigen Anstalten des öffentlichen Rechts zu überführen, das wäre es mitnichten. Die Mitarbeiter, die heute in den ARGEN sitzen, sind von der Bundesagentur oder von Kommunen abgeordnet, das heißt, sie wissen, wenn dieser Arbeitsplatz einmal wackelt, wohin sie zurückkönnen. Also die Unruhe dort hält sich so in Grenzen.

(Zuruf des Abg. Puchtler, SPD)

Das ist richtig. Das ist ein Problem, das wir generell haben.

Jetzt gehen wir doch einmal zu dem grundsätzlichen Problem. Was glauben Sie denn, was diese Menschen sich überlegen, wenn ihnen jetzt als Alternative angeboten wird, statt als abgeordnete Mitarbeiterin der Bundesagentur für Arbeit in einer ARGE in Zukunft bei einer völlig eigenständigen neuen Bundesinstitution zu arbeiten?

(Glocke des Präsidenten)

Quasi ihre Verbindungen zu ihrem bisherigen Arbeitgeber zu kappen, hätte viel mehr Unruhe gebracht, als wir sie jetzt haben. Wir haben die Zeit, eine Lösung zu finden, die allen Menschen, den Mitarbeitern wie den Betroffenen, gerecht wird.

Vielen Dank.

(Beifall der CDU)

Ich erteile Herrn Abgeordneten Dr. Schmitz das Wort.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Ministerin, ich kann Ihren Ärger verstehen, nach so langer Diskussion und der Freude darüber, einen Kompromiss gefunden zu haben. Aber ich verstehe auch Frau Kollegin Thelen, die sagt, wir können nicht hingehen und immer nur auf Exekutivebene Dinge „auskaspern“, und die Fraktionen sollen dann „abnicken“.

Es ist sehr einfach, alles nur unter Wahlkampf zu subsumieren. Man muss auf beiden Seiten akzeptieren, dass es durchaus gute Argumente gibt, warum diese Lösung nicht der Stein der Weisen war.

Für unsere Partei, die in dieser Kompromissfindung keine Rolle spielte, bleibe ich dabei, dass es nicht nur ein kurzfristiges Problem ist. Sie haben selbst Chaos bei dieser Arbeitsverwaltung eingeräumt. Die beiden großen Parteien hatten – noch einmal – seit dem 19. Dezember 2004 Zeit, einen verfassungskonformen Kompromiss zu finden.

Man muss auch verstehen, dass die CDU-Fraktion sagt, wenn sich die SPD dermaßen stur gibt in der Frage Kommunalisierung, Subsidiarität in diesem schwierigen Thema, dass wir dann in unserer Kompromissbereitschaft nicht so weit gehen, wie es die andere Seite wünscht.

Für uns ist die Geschichte von Anfang an vergleichsweise klar gewesen. Ich habe es eben schon erläutert, und ich möchte Ihnen nicht vorenthalten, wie wir uns eine Lösung vorstellen.

Die Lösung muss sehr viel stärker kommunal organisiert sein, als sie es derzeit ist.

(Beifall der FDP)

Die Entscheidungen müssen dort getroffen werden, wo man seine „Pappenheimer“ kennt; denn diese Zielgruppe, um die es geht, ist doch gespalten. Ein Teil sucht Arbeit, ein Teil konzentriert sich auf Sozialtransfers. Damit Sie mich richtig verstehen und keine Verunglimpfung aufkommt, der erste Teil ist die deutliche Mehrzahl.