Protokoll der Sitzung vom 21.09.2006

(Beifall der SPD – Eymael, FDP: Das ist aber ein „Weiter so“!)

Nein, das ist kein „Weiter so“. Es ist die Rede davon, dass der Schuldenberg der Krankenkassen auf 7 Milliarden Euro anwuchs. Das muss man sich einmal vor Augen führen.

(Dr. Schmitz, FDP: Wo ist den die Wirkung Ihrer bisherigen Gesetzesregelung?)

Lieber Herr Dr. Schmitz, die Ausgaben für Arzneimittel sind in den vergangenen Jahren um 16 % gestiegen. Auch das kann nicht so weitergehen. Hier müssen Instrumentarien eingesetzt werden.

Es darf auch nicht verschwiegen werden, dass in den vergangenen Jahren ca. 1 Million Versicherte aus der gesetzlichen Krankenversicherung zu den privaten Krankenkassen gewechselt sind. Das bedeutet, in den gesetzlichen Kassen fehlen leistungsstarke Beitragszahlerinnen und -zahler. Sie fehlen dem Solidarsystem.

Es wurden Eckpunkte beschlossen, über die sehr lange und sehr intensiv beraten wurde. Einige will ich nennen, weil sie gerade für die Menschen und nicht für wenige Lobbyisten gemacht worden sind. Sie sind unabdingbar und beweisen, dass sich die Menschen auf uns verlassen können. Diese Reform ist zur Sicherstellung einer guten Gesundheitsversorgung notwendig.

Wichtig ist, dass künftig alle krankenversichert sein sollen. Es wird ein Rückkehrrecht in die Kassen geben, der man vorher angehörte, egal ob es sich um eine gesetzliche oder um eine private Krankenkasse handelt. Es wird keine Einschränkungen im Leistungskatalog geben, auch wenn diese einige gerne vorgenommen hätten. An dieser Stelle bedanke ich mich ausdrücklich bei unserem Ministerpräsidenten, der sich sehr für das Beibehalten des Leistungskatalogs eingesetzt hat. Das zeigt, wie wichtig es ist, dass man eine starke Stimme in Berlin hat.

(Beifall der SPD)

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, es kann nicht sein, dass bestimmte Risiken, die bekannterweise im Alter verstärkt auftreten, aus dem Leistungskatalog ausgeschlossen werden. Im Leistungskatalog wird beispielsweise die Palliativmedizin, bei der wir uns in Rheinland-Pfalz auf einem sehr guten Weg befinden, besonders hervorgehoben. Dies gilt insbesondere für die Ausweitung im ambulanten Bereich. Die Hospizarbeit und die Geriatrie werden neu aufgenommen. Wir befinden uns in Rheinland-Pfalz gerade in diesen Bereichen auf einem guten Weg.

Nicht unerwähnt lassen möchte ich die Aufnahme der Mutter-Kind-Kuren. Es gibt keinen Ermessensspielraum der Kassen, sondern das wird eine Pflichtleistung sein. Das kommt unserem Anspruch in Rheinland-Pfalz auf ein kinderfreundliches Rheinland-Pfalz sehr zugute.

Herr Dr. Schmitz, wenn wir über Zahlungen sprechen, weise ich darauf hin, dass es keine Zuzahlungserhöhungen geben wird. Meine Damen und Herren von der FDP, es wird Sie freuen, wenn das Vertragsrecht mit den Ärzten liberalisiert wird, damit die Bezahlung transparenter wird, das Punktesystem abgeschafft wird und das Einkommen der Mediziner kalkulierbar ist. Es wird Veränderungen im Niederlassungsrecht geben, was unter anderem auch zu einer verbesserten Versorgung in der Fläche führen wird.

Nicht zu vergessen ist der Ausbau der Bonusregelung für Vorsorge und Prävention. In diesem Bereich ist noch sehr viel zu tun, weil insbesondere die Menschen ab 45 Jahre

(Glocke des Präsidenten)

dem nicht so nachkommen, wie wir uns das wünschen.

Ich wünsche mir, dass wir diese positiven Nachrichten ins Land transportieren und wir den Menschen helfen, Vertrauen in ein neues und besseres System zu setzen.

(Glocke des Präsidenten)

Mit Panikmache kommen wir keinen Schritt weiter.

(Beifall der SPD)

Ich erteile Herrn Abgeordneten Dr. Rosenbauer das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Herr Kollege Dr. Schmitz, Ihren Aufruf, an die Verantwortung zu appellieren, kann ich voll und ganz unterstreichen.

(Beifall bei CDU und FDP)

Frau Ebli, allerdings darf man nicht immer ganz die Geschichte vergessen. Sie haben eben auf die Defizite bei den Krankenkassen hingewiesen. Jeder, der sich ein bisschen auskennt, weiß, wann die Defizite entstanden sind. Das war 1998, als damals von der CDU/FDPBundesregierung wichtige Maßnahmen noch beschlossen worden sind, die dann aber 1998 alle zurückgeführt worden sind.

Was haben wir hier für Diskussionen über die Zuzahlungen gehabt. Es ging – damals gab es noch die D-Mark – um 1 Mark, 2 Mark, 3 Mark, 4 Mark usw. Sie sind zurückgeführt worden, und die Kassen haben in diesem Zeitraum hohe Defizite erwirtschaftet, die sie bis heute vortragen. Sie sind durch mehrere Maßnahmen natürlich noch immer weiter ausgebaut worden.

(Zuruf des Abg. Pörksen, SPD)

Herr Pörksen, sind Sie bitte still. Da haben Sie wirklich – – – Lassen Sie mich das nicht aussprechen, sondern lassen Sie uns wirklich in Ruhe darüber reden. Diese Dinge sind damals so vorangetrieben worden.

Herr Kollege Schmitz, ich hätte mir in den vergangenen Jahren gewünscht, dass Sie einmal Ihr Herz in die Hand genommen hätten, sich an dieses Pult gestellt hätten und das genauso vorgetragen hätten, als Sie mit in der Verantwortung standen. Sie haben alles durchgehen lassen.

(Widerspruch bei der FDP)

Die Ursprungsideen von Herrn Gerster, die damals hier entstanden sind, sind bis zum heutigen Tage auf der Bundesebene vorhanden.

Jetzt aber zurück zu Rheinland-Pfalz, da es um die Auswirkungen auf Rheinland-Pfalz geht. Dazu kann ich nur eines sagen: Die Auswirkungen werden insbesondere für die rheinland-pfälzischen Krankenhäuser eklatant sein. Da sind wir uns völlig einig. Wir müssen höllisch aufpassen, dass uns da nicht ganze Strukturen wegbrechen.

(Beifall des Abg. Billen, CDU)

Ich bin froh, dass Sie das gesagt haben, aber ich will klar und deutlich sagen: Die Schere zwischen den BATSteigerungen und den Gehaltssteigerungen allgemein sowie die Budgetsteigerungen hatten wir bereits in den vergangenen Jahren zu verkraften. Ich kann nicht mehr hören, wenn gegenüber den Krankenhäusern argumentiert wird, sie müssten innovative Lösungen vortragen. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn sie von der Landesregierung vorgetragen werden, die die Universitätsklinik mit 20 Millionen Euro Defizit betreibt. Das muss man einmal sehr deutlich sagen. Deshalb bin ich froh, dass Sie das jetzt einmal aufgegriffen haben. Wir haben hier seit Jahr und Tag darüber diskutiert.

Es sind einige Einschnitte vorgenommen worden. Es ist der Sanierungsbeitrag im Umfang von einem Prozent des Budgets eingeführt worden, und es ist die Anschubfinanzierung für hoch spezialisierte Leistungen hinzugekommen, die eigentlich nur an Großkliniken erbracht werden können, sodass unsere gesamten mittleren und kleinen Krankenhäuser da nicht mitreden können und nur bezahlen dürfen. Hinzu kommt die Mehrwertsteuererhöhung. Ferner sind die tarifbedingten Erhöhungen zu nennen. Darüber hinaus ist die Beibehaltung der Anschubfinanzierung für die integrierte Versorgung zu nennen.

Für das Haus, für das ich Verantwortung trage, macht das 2,3 Millionen Euro aus. Ich weiß, wovon ich rede. Diesen Betrag müssen wir einsparen. Ich weiß nicht, wie das gehen soll.

Herr Dr. Schmitz, zu einem Punkt möchte ich Ihnen widersprechen. Das Eckpunktepapier enthält auch gute Ansätze. Es enthält Teile, die uns nicht passen, aber es enthält auch gute Teile, die umgesetzt werden müssen.

Wir haben unsere Verantwortung als CDU-Landtagsfraktion schon wahrgenommen. Bereits am 28. Juni hat die CDU-Landtagsfraktion ein Positionspapier verabschiedet, das nicht ganz konform geht mit dem, was im Bund läuft. Wir haben uns zum Beispiel sehr differenziert zu dem Fonds geäußert. Zu dieser Äußerung stehen wir nach wie vor. Wir haben aber auch Punkte gesehen, die positiv sind.

Wir kommen in dieser Diskussion keinen Millimeter weiter, und wir belügen die Menschen, wenn wir es nicht schaffen, mehr sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze zu schaffen; denn dann wird unser ganzes Sozialsystem auseinanderbrechen. Wir können an den Ausgabe- und Einnahmeschrauben noch so viel drehen, aber wenn nicht mehr Menschen in diese Systeme einzahlen, wird das nicht gehen. Eigentlich ist der Gesundheitsmarkt ein Wachstumsmarkt, den wir so verstehen müssen.

Herr Ministerpräsident, Sie haben eine hohe Verantwortung als Vorsitzender. Sie tragen in Ihrer Partei auch die Verantwortung für das Ministerium, das die Eckpunkte umsetzen muss. Ich muss Ihnen sagen, wir waren sehr erschrocken, was dort in den vergangenen Wochen und Monaten vonstatten gegangen ist. Wir sind nämlich keinen Millimeter weitergekommen.

(Widerspruch bei der SPD)

Wir haben den Eindruck, dass in dem Ministerium von Frau Ministerin Schmidt immer noch die alten grünroten Gedanken weiter herumschwirren und man sich nicht an dem Eckpunktepapier orientiert.

(Unruhe bei der SPD)

Meiner Meinung nach müssen wir endlich zu einer vernünftigen Umsetzung dieses Eckpunktepapiers kommen.

(Glocke des Präsidenten)

Vielen Dank. (Beifall der CDU)

Das Wort hat der Herr Ministerpräsident.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich will vorweg sagen, dass die Frau Gesundheitsministerin deshalb heute nicht im Plenum ist, weil sie an einer der Verhandlungsrunden zu der zur Diskussion stehenden Gesundheitsreform in Berlin teilnimmt. Ich nehme an, Sie haben Verständnis dafür, dass man in einer solchen Situation, in der Endphase der Verhandlungen, auch präsent sein muss.

Erlauben Sie mir, dass ich zunächst ein paar Worte zu dem Problem sage, um das es geht. Es hat niemand aus Jux und Tollerei in die Koalitionsvereinbarung geschrieben, dass wir in Deutschland eine Gesundheitsreform durchführen. Alle wissen, wenn es ein komplexes System gibt, ist es das Gesundheitssystem. In diesem System werden etwa 250 Milliarden Euro per anno bewegt, etwa 130 Milliarden Euro davon aus dem Bereich der gesetzlichen Krankenkassen.

Das ist eine gigantische Aufgabe. Dabei ist immer zu beachten, dass es um eines der höchsten Güter für die Menschen geht, nämlich die Gesundheit. Insoweit muss mit einer solchen Frage mit hoher Ernsthaftigkeit umgegangen werden. Darauf muss auch eine Antwort gefunden werden, die nicht nur heute, sondern über den Tag hinaus Gültigkeit behält.

Herausforderung ist, das hohe Niveau unserer Gesundheitsversorgung zu erhalten. Sie ist in Deutschland im internationalen Vergleich spitze. Es gibt nur wenige Länder in der Welt, die ein vergleichbar gutes Gesundheitssystem für die Breite der Menschen haben.

Wir müssen darauf achten, dass es spannend und interessant bleibt, in Deutschland weiterhin sowohl in der Medizin als auch in der Pharmazie zu forschen und damit Vorreiter in vielen Bereichen zu sein. Das ist in den letzten Jahren im Bereich der Pharmazie nicht unbedingt gut gelungen; denn wir haben unsere Vorreiterrolle in der Welt verloren.

Ich bin froh darüber, dass wir mit Boehringer Ingelheim das größte in Deutschland forschende Pharmazieunter

nehmen in den Grenzen des Landes Rheinland-Pfalz haben. Es ist für uns ganz selbstverständlich, dass wir diesen Sachverstand, den es dort gibt – wir kennen die Interessen, die in einer freien pluralen Gesellschaft legitim sind –, in unsere Überlegungen mit einbeziehen.