Protokoll der Sitzung vom 25.06.2009

Herr Kollege Hartloff, Sie haben das Wort.

Herr Kollege Dr. Rosenbauer, ich glaube, die Geschichte vom Biedermann und den Brandstiftern haben Sie entweder verinnerlicht oder noch nicht gehört. Des Weiteren würde mich freuen, wenn wir miteinander diskutierten und nicht versuchen würden, den Kolleginnen und Kollegen die Worte, die sie gesagt haben, im Mund herumzudrehen.

(Beifall der SPD – Dr. Rosenbauer, CDU: Sehr gut!)

Ja, ich habe auf das reagiert, was Herr Kollege Lammert hier vollführt hat und worüber er gesprochen hat. Er hat auch etwas vollführt. Ich habe deutlich gesagt – da gibt es überhaupt kein Vertun –, dass alle Demonstranten die Hausrechte im Parlament und im Abgeordnetenhaus zu wahren haben. Das gilt für alle. Das ist kein ungleiches Recht. Etwas anderes ist aber, wie ich mit denen spreche. Wenn Sie mir die Worte „bei jedweden Regelverstößen“ in den Mund legen, muss ich entgegnen, dass ich das zu keinem Zeitpunkt gesagt habe, Herr Dr. Rosenbauer. Zu keinem Zeitpunkt!

(Beifall der SPD)

Ich habe gesagt, wir sprechen auch mit denen und nehmen die ernst, die gegen Regeln möglicherweise verstoßen.

(Frau Spurzem, SPD: Ernst nehmen!)

Das ist etwas ganz anderes.

In dem, wie Sie das eben dargelegt und relativiert haben, sehe ich nicht diese ernsthafte Auseinandersetzung um die Frage, sondern ein sehr vordergründiges Bestreben, so wie es der Innenminister beschrieben hat. Ich würde mich freuen, wenn wir da zu anderen Wegen finden und dieses Vordergründige verlassen können.

Vielen Dank.

(Beifall der SPD)

Es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor.

Ich rufe Punkt 12 der Tagesordnung mit dem ersten Thema auf:

AKTUELLE STUNDE

„Finanzielle Situation der Städte, Gemeinden und Landkreise vor dem Hintergrund reduzierter Steuereinnahmen“ auf Antrag der Fraktion der CDU – Drucksache 15/3502 –

Das Wort hat Frau Kollegin Beilstein.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Sie alle kennen den Spruch „Lächle und sei froh, es könnte schlimmer kommen, und ich lächelte und war froh, und es kam schlimmer“. So ungefähr könnte man die Situation der rheinland-pfälzischen Kommunen beschreiben, nachdem zwischenzeitlich die Ergebnisse des Arbeitskreises Steuerschätzung vom Mai vorliegen. Danach werden für 2009 und 2010 Mindereinnahmen sowohl bei den originären gemeindlichen Steuereinnahmen als auch in Folge der Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise auf den Finanzausgleich in Höhe von insgesamt 629 Millionen Euro erwartet.

Was bedeutet das in der Praxis? Rücklagen ist ein Wort, das in vielen Haushaltsplänen nur noch mit dem Satz „Rücklagen bestehen keine“ zu lesen ist. Fakt ist, dass die Zins-Steuer-Quote zwischenzeitlich bei 13 % liegt. Das heißt, dass jeder achte Euro an Steuereinnahmen für die Zinsaufwendungen benötigt wird.

In vielen Kommunen ist es bereits jetzt an der Tagesordnung, dass jedes Problem nur noch durch weitere Kreditaufnahmen gelöst werden kann.

Hat man nach dem vorübergehenden Aufschwung im vergangenen Jahr gehofft, dass sich ein Silberstreif am Horizont auftut, so muss man jetzt feststellen, dass der Schlag umso härter kommt.

Absehbar war ganz sicherlich nicht die Wirtschaftskrise. Absehbar war aber und fest steht, dass bereits ohne die Krise die Finanzsituation der rheinland-pfälzischen

Kommunen katastrophal war und ist. Deshalb soll auch bitte niemand auf die Idee kommen, das kommunale Finanzdesaster in Rheinland-Pfalz mit der Krise zu erklären. Diesbezüglich spricht der Kommunalbericht des Landesrechnungshofs eine deutliche Sprache und nennt auch die Fakten.

Die kommunalen Haushalte wiesen 2008 im 19. Jahr in Folge ein Finanzierungsdefizit aus, das sich insgesamt auf 245 Millionen Euro belief. Trotz des bisher höchsten Steueraufkommens stieg das Defizit gegenüber dem Vorjahr um 75 Millionen Euro.

Während die Pro-Kopf-Verschuldung in den westlichen Flächenländern bei rund 1.500 Euro liegt, beläuft sie sich bei den rheinland-pfälzischen Kommunen im Jahr 2007 auf über 2.000 Euro und liegt damit um 30 % höher.

Ganz besonders besorgniserregend ist die Entwicklung der Kassenkredite, die eigentlich nur für eine kurzfristige Überbrückung zur Liquidität genutzt werden sollten. Sie stiegen gegenüber dem Vorjahr um 411 Millionen Euro auf fast 3,7 Milliarden Euro.

(Dr. Rosenbauer, CDU: Hört, hört!)

Meine Damen und Herren, in die gleiche Kerbe schlägt auch der Bertelsmann-Bericht mit seinem Ländervergleich. Während in anderen Bundesländern die Verschuldung stagniert oder sinkt, gehört Rheinland-Pfalz ganz eindeutig zu den Spitzenreitern bei der Negativentwicklung der Kassenverstärkungskredite. Das sind bitte schön Kredite, denen keine Werte gegenüberstehen. Das ist eine Entwicklung, deren Ursachen vor der Finanzkrise und ihren Auswirkungen auf die Steuerentwicklung liegen.

Wahrer Grund ist, dass die SPD-geführten Landesregierungen seit 1991 immer und immer wieder in den kommunalen Finanzausgleich eingegriffen haben, und zwar zulasten der Kommunen, und das Geld auf der Landesebene verbraten wurde.

(Beifall der CDU)

Ich sage ganz deutlich: Wenn an der Basis keine Mittel mehr vorhanden sind, wenn die Grundlage für die kommunale Selbstverwaltung entzogen wird, wird das schon bald Auswirkungen auf das gesamte demokratische System haben. Wer bitte schön soll denn noch Interesse an einer ehrenamtlichen Mitarbeit in den Räten haben, wenn es nur noch darum geht, Schulden zu verwalten anstatt Zukunft zu gestalten?

(Beifall der CDU)

Mit dem Konjunkturpaket II soll jetzt auch kurzfristig finanzschwächeren Gemeinden ermöglicht werden, Investitionen durchzuführen, die anders nicht möglich gewesen wären. Aus der kommunalen Praxis habe ich allerdings erfahren, dass es Fälle gibt, bei denen der unterlassene Sanierungsbedarf bei den Gesamtkosten angerechnet wird. Wenn also eine arme Ortsgemeinde ein 2-Millionen-Projekt umsetzen möchte, wird das zunächst von der ADD begutachtet. Diese kommt dann

vielleicht zu dem Ergebnis, dass 800.000 Euro als unterlassener Sanierungsbedarf anzurechnen sind. Auf einmal sind dann nicht 2 Millionen Euro förderfähig, sondern nur noch 1,2 Millionen Euro. Die Folge ist, dass nicht nur der Fördersatz effektiv geringer ist, sondern es bleibt auch das große Problem der Restfinanzierung bestehen. Die 800.000 Euro, die ursprünglich übrig bleiben würden, können nämlich nicht aus dem Fonds zinslos finanziert werden. Die ADD fordert darüber hinaus den Nachweis, wie finanziert werden soll. Dies wird eben finanzschwachen Ortsgemeinden nicht möglich sein. Da frage ich mich schon, wie es mit dem Zusätzlichkeitsmerkmal aussieht, das doch eigentlich mit dem Konjunkturpaket II beabsichtigt ist.

(Glocke der Präsidentin)

Hier ist dringend Handlungsbedarf geboten. Die Landesregierung sollte auf jeden Fall entsprechende Handlungsanweisungen nach unten weitergeben, damit der Sinn des Konjunkturpakets II erhalten bleibt.

Danke schön.

(Beifall der CDU – Ramsauer, SPD: Was ist Ihr Vorschlag?)

Das Wort hat Herr Kollege Noss.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Unabhängig von der jetzigen weltweiten Wirtschaftskrise ist die finanzielle Situation der Kommunen nicht nur in Rheinland-Pfalz, sondern in ganz Deutschland besorgniserregend. Durch den starken Konjunktureinbruch, den wir derzeit haben, wird sich diese Tendenz mit Sicherheit noch verstärken. Ich sage einmal, Steuereinnahmen werden wegbrechen, Arbeitsplätze werden wegbrechen, und wir werden mehr Soziallasten zu tragen haben. Dies alles im Zusammenhang mit der jüngsten Steuerschätzung für die kommunalen Steuereinnahmen, die von erheblichen Mindereinnahmen in den beiden Jahren 2009 und 2010 ausgeht – erst ab 2011 soll es wieder einen leichten Anstieg geben –, zeichnet ein ernüchterndes Bild unserer Kommunalfinanzen.

Allerdings können wir in diesem Zusammenhang nicht von der Situation der Kommunen generell sprechen, sondern man muss das wesentlich differenzierter sehen, nämlich dahin gehend – das ist auch eine interessante Zahl –, dass 31 % aller Kommunen in Rheinland-Pfalz – in erster Linie sind das Ortsgemeinden – schuldenfrei sind. Das ist der zweitgrößte Wert in Deutschland. Wesentlich anders sieht die Situation natürlich bei den Landkreisen und kreisfreien Städten aus. Das alles, obwohl die Steuereinnahmen in Rheinland-Pfalz im Jahr 2008 so hoch waren wie nie zuvor.

Es gibt insbesondere bei den Landkreisen und kreisfreien Städten große Probleme. So haben wir beispielswei

se im vergangenen Jahr bei den kreisfreien Städten ein Finanzierungssaldo von 185 Millionen Euro negativ, bei den Landkreisen von 105 Millionen Euro negativ und bei den Verbandsgemeinden und kreisangehörigen Gemeinden von 45 Millionen Euro plus gehabt.

Innerhalb dieser einzelnen Gruppen gibt es aber auch erhebliche Unterschiede. Vier Landkreise haben überhaupt keine Kassenkredite aufgenommen, während sie bei anderen Landkreisen, wie Kaiserslautern oder Neuwied, exorbitant hoch sind.

Bei den kreisfreien Städten zeichnet sich ein ähnliches Bild ab. Rheinland-Pfalz hat versucht, frühzeitig dieser Entwicklung entgegenzuwirken. Ich erinnere an den Beistandspakt, den Stabilisierungsfonds, die Einführung des Konnexitätsprinzips sowie die gestern beschlossenen Änderungen des kommunalen Finanzausgleichs.

Mit diesen Schritten ist dieses Problem generell nicht lösbar. Wir müssen uns auch vor Augen führen, dass die Finanzkraft in Rheinland-Pfalz lediglich 97 % des Bundesdurchschnitts beträgt. Wir liegen damit gemeinsam mit Niedersachsen auf dem letzten Platz.

Darüber hinaus sind die kommunalen Pro-KopfEinnahmen in Rheinland-Pfalz mit rund 1.850 Euro etwa 400 Euro geringer als im Bundesdurchschnitt. Demgegenüber stehen zwar 250 Euro pro Person weniger Ausgaben, trotzdem fehlen 150 Euro.

Viele von uns kommen aus kreisfreien Städten und Landkreisen und haben dort in vielen Jahren die Entwicklung des Haushalts nachvollzogen. Es ist so, dass wir seit Anfang bis Mitte der 90er-Jahre speziell im damaligen Einzelplan 4 erhebliche Verwerfungen aufzuweisen hatten, was durch ein exorbitantes Anwachsen der Kommunallasten begründet ist.

Das wird besonders verdeutlicht und ist für jeden nachvollziehbar, wenn wir uns den Südwestpfalzkreis anschauen, der mit Sicherheit kein finanzstarker Kreis ist. Dort sind keinerlei Schulden vorhanden. Dagegen sind die beiden in diesem Kreis liegenden Städte Zweibrücken und Pirmasens, in denen sich die Soziallasten ballen, finanziell sehr stark in Mitleidenschaft gezogen und gehören mit zu unseren schwächsten Städten.

Das heißt, dass die Soziallasten in erster Linie unsere Gemeinden erdrosseln. So führen allein die in diesem Jahr vollzogenen Absenkungen der Bundesmittel für die Erstattung der Kosten der Unterkunft (KdU) dazu, dass nur die Landkreise in diesen beiden Jahren 51 Millionen Euro Mindereinnahmen haben werden.

Der Kommunalbericht 2009 fordert eine starke Ausgabendisziplin und die Ausschöpfung aller Einnahmemöglichkeiten. Insgesamt halte ich fest, dass die finanziellen Möglichkeiten der Gemeinden verbessert werden müssen. Das Land hat an den Stellschrauben des kommunalen Finanzausgleichs gedreht. Hier werden mit Sicherheit weitere Schritte erforderlich sein. Aber auch das wird nicht ausreichend sein. Wir haben eine Verbesserung der derzeitigen Situation durch das Konjunkturprogramm II erreicht.

Ich möchte in dem Zusammenhang auf das Urteil des Verwaltungsgerichts bezüglich der Klage des Kreises Neuwied hinweisen, in dem deutlich gesagt wird, dass bei der Betrachtung der kommunalen Finanzsituation auch die des Landes mit berücksichtigt werden muss.