Protokoll der Sitzung vom 02.09.2009

Wir verweigern uns sicherlich nicht den Bestrebungen, die darauf gerichtet sind, eine möglichst schlanke und effiziente Verwaltung zu schaffen. Auch im Rahmen des Strafvollzugs, aber vor allem überall dort, wo der Staat die Rechte unschuldiger Bürger einschränkt, kann die Effizienz der Verwaltung nicht das letzte Maß der Dinge sein.

Das Gleiche gilt für den Trennungsgrundsatz. In dem Gesetzentwurf wird nicht verhehlt, dass aufgrund teils zwingender Fakten in der Praxis die strikte Trennung zwischen Untersuchungshäftlingen und anderen Gefangenen, insbesondere Strafgefangenen, nicht aufrechterhalten werden kann. Allerdings dürfen die im Entwurf formulierten Ausnahmemöglichkeiten nicht dazu führen, dass die Anstaltsleitung ihre Entscheidungszuständigkeit nach § 3 dahin gehend ausübt, dass der Trennungsgrundsatz praktisch nicht mehr umgesetzt wird. Hier hätte ich mir doch eine verstärkte Kontrolle durch die unabhängige Justiz gewünscht.

In § 3 sind zwar gegenüber der Staatsanwaltschaft und dem Strafgericht ein Gebot zur engen Kooperation sowie die Pflicht enthalten, verfahrenssichernde Anordnungen des Gerichts oder der Staatsanwaltschaft zu befolgen, dies wird aber sicherlich in der Praxis nicht dazu führen,

dass eine Kontrolle der Entscheidungen über das im Entwurf festgeschriebene Maß hinaus durch den Haftrichter ausgeübt werden wird.

Alles in allem ist der vorliegende Entwurf für die FDP grundsätzlich zustimmungsfähig, wenngleich ich mir wünsche, dass die Landesregierung die aufgebrachten Kritikpunkte zum Anlass nimmt, das Gesetz im späteren Vollzug unter diesen Gesichtspunkten genau im Auge zu behalten. Wir werden dies sicherlich mit Aufmerksamkeit tun.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Auler.

Für die SPD-Fraktion hat Herr Kollege Hoch das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Heute ist ein guter Tag, und zwar nicht nur für die Eltern von Kindern im Kindergartenalter, sondern insbesondere für unseren Rechtsstaat. Es ist erstaunlich, dass wir 60 Jahre lang ohne ein Untersuchungshaftvollzugsgesetz gelebt haben und als unschuldig Geltende ohne gesetzliche Grundlage eingesperrt haben.

Ich gebe zu, der Bund hat jahrelang darum gerungen. Das Ausmerzen dieser Scharte wurde aber erst nach der Föderalismusreform möglich.

Das vorliegende Gesetz ist Ausdruck für Rechtsstaatlichkeit und Rechtssicherheit; denn es regelt gerade die Inhaftierung der als unschuldig Geltenden, und das ist das schärfste Schwert des Rechtsstaats.

Der Minister hat es zutreffend ausgeführt, dass sich das Gesetz im Aufbau und in der Struktur an das Jugendhaftvollzugsgesetz anlehnt. Damit wird es lesbar und erhält eine einheitliche Systematik und eine gute Verständlichkeit. Auch das war früher bei den Vollzugsanordnungen und den Verordnungen nicht immer möglich.

Rheinland-Pfalz ist in der Gesetzgebungskompetenz auch weitsichtig. Erstmals wird die Erziehung in der Untersuchungshaft möglich. Erstmalig werden die Rechtsbehelfe einheitlich und verlässlich ausgestaltet. Erstmalig trägt dies alles dazu bei, dass hier schon mit der Resozialisierung begonnen werden kann.

Wir müssen alle konstatieren, dass nur ein Täter, bei dem frühzeitig mit der Resozialisierung begonnen wird und der nicht mehr rückfällig wird, weil er vernünftige Erziehungshilfen und Hilfen zum Leben bekommt, auf Dauer Sicherheit für die Bürger schafft.

(Beifall bei der SPD)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich begrüße ausdrücklich den Hinweis des Ministers, dass man darüber nachdenken und prüfen muss, inwieweit man die allgemeinen Vollzugsregelungen auch als Landesgesetz kodifiziert und es vielleicht schafft, daraus ein einheitliches Gesetzbuch zu machen.

Dass Rheinland-Pfalz bei einem sozialen Vollzug führend ist, zeigt sich, wenn nächste Woche der Erweiterungsbau in der JVA Wittlich eingeweiht wird. Auch hier ist ein Meilenstein geschaffen worden. Ich bitte Sie um Zustimmung für dieses Gesetz.

Ich danke Ihnen.

(Beifall der SPD)

Für die CDU-Fraktion hat Herr Kollege Dr. Wilke das Wort.

Frau Präsidentin, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Dass dieses Gesetz, das wir in zweiter und dritter Lesung beraten, notwendig ist, haben die Vorredner schon entsprechend bestätigt. Darüber waren wir uns im Hause auch schon bei der ersten Lesung einig.

U-Haft – das wurde auch schon von den Vorrednern betont – ist ein Mittel der Strafverfolgung. Hier greifen – auch das ist nichts Neues – Bundes- und Landeszuständigkeiten ineinander. Der Bundesgesetzgeber – das ist gegenüber der ersten Lesung neu – hat seine Hausaufgaben inzwischen erledigt. Er hat Ende Juli eine Reform der entsprechenden Bestimmungen der Strafprozessordnung verabschiedet und dies auch schon im Gesetzblatt veröffentlicht. Jetzt sind die Länder am Zug, dazu das flankierende Gesetz zur Vollzugsgestaltung der Untersuchungshaft nachzuschieben.

Dafür haben auch wir unsere Hausaufgaben gemacht. Wir haben eine erste Lesung und eine Ausschussberatung durchgeführt. Hier hat sich insgesamt gezeigt – ich glaube, es wurde von den Vorrednern und auch von Ihnen, Herr Minister, schon angesprochen –, dass wir weitgehend im Konsensverfahren sind.

Wir wissen, dass sich der Untersuchungshaftvollzug im Spannungsfeld zwischen einerseits bestmöglicher Sicherung der Strafverfolgung und andererseits den Rechten des einzelnen Betroffenen bewegt. In diesem Zusammenhang ist von den Vorrednern auch schon die Unschuldsvermutung als ein sogar verfassungskräftiges Grundrecht angesprochen worden.

Leider kennt der U-Haft-Vollzug, wie er sich jetzt gestalten wird, für die elektronische Fußfessel keinen Raum. Ich hatte das in der ersten Lesung schon angesprochen. Ein elektronisch überwachter Hausarrest wäre aus unserer Sicht ein vernünftiger Ansatz, U-Haft dort, wo es geeignete Fälle wären, in einer angemesseneren und letztlich vor allen Dingen auch kostengünstigeren Form

zu vollziehen. Dazu wäre aber erst einmal eine Bringschuld auf der Bundesebene gegeben, die bisher nicht eingelöst wurde.

Wir werden auch diese Rechtsentwicklung aufmerksam zu beobachten haben. Es gibt in anderen Ländern schon Ansätze dafür. Für uns ist das aber im Moment noch Zukunftsmusik.

Was den Vollzug der U-Haft in staatlichen Anstalten angeht, so haben wir – Sie haben das auch schon erwähnt – verschiedene Anregungen in das Verfahren in der ersten Lesung und auch im Ausschuss eingebracht. Sie haben die Stichworte wie die Besuchszeiten, die Besucherüberwachung, die Feststellung von Drogenmissbrauch und auch die Verhinderung von Mobilfunk- und Handymissbrauch genannt.

Sie selbst haben im Ausschuss und auch teilweise heute noch einmal gesagt, dass Sie samt und sonders unseren Vorschlägen und Anregungen nicht folgen wollen.

Herr Minister, Ihre Argumente überzeugen uns nach wie vor nicht, umso mehr, als wir zu diesen Anregungen in der Praxis sehr viel Zuspruch erfahren haben. Allerdings – Sie hatten das schon erwähnt – werden uns viele dieser Punkte dann wieder begegnen, wenn wir ein Strafvollzugsgesetz im Hohen Haus verabschieden, das insgesamt den Vollzug von Strafhaft regeln wird. Insofern heben wir uns die Diskussion darüber noch ein Stück weit auf.

Für den Moment ist aus Sicht der CDU-Fraktion festzuhalten, dass die Bedenken, die wir in einzelnen Punkten erheben, nicht so schwer wiegen, dass wir das Gesetz ablehnen müssten. Trotz dieser gewissen Bedenken werden wir diesem Gesetz zustimmen.

Jeder Zustimmung folgt aus oppositioneller Sicht auch immer ein Aber. Der Gesetzeswortlaut ist das eine. Die praktische Umsetzung das andere. In unserem Bundesland gibt es unbestritten auch im U-Haftvollzug einige Defizite. Auf diese haben wir immer wieder im Rechtsausschuss und auch an anderer Stelle hingewiesen. In diesem Zusammenhang nenne ich das Stichwort „JVA Koblenz“.

Herr Minister, verehrte Kolleginnen und Kollegen, wir werden, wie auch beim Jugendstrafvollzug, sehr genau verfolgen müssen, wie sich die Umsetzung dieser neuen gesetzgeberischen Regelung vollziehen wird. Sie haben schon einen neuen Vollzugsplan vorgelegt. Diesen werden wir sorgfältig darauf prüfen, ob er diesen Anforderungen genügen wird.

Wir meinen aber auch, dass genauso aufmerksam betrachtet werden muss, wie weit unsere Anstalten baulich und personell auf die Anforderungen dieses neuen Gesetzes vorbereitet sind; denn wir wollen als CDUFraktion, wie es, glaube ich, die Kollegen auch wollen, einen U-Haftvollzug, der sicher ist. Das erwartet die Öffentlichkeit von uns.

Wir wollen einen U-Haftvollzug, der die Häftlinge nicht mehr belastet, als es unbedingt notwendig ist. Wir wollen – das muss an dieser Stelle auch noch einmal betont

werden – einen U-Haftvollzug, der auch für die Bediensteten in den Anstalten vernünftige und faire Arbeitsbedingungen bietet.

(Beifall der CDU – Frau Kohnle-Gros, CDU: Sehr gut!)

Herr Minister, das erwarten wir von Ihnen. Wir begleiten Sie. Das ist für uns aber kein Hinderungsgrund, dem Gesetz die Zustimmung zu verweigern. Wir stimmen zu.

Vielen Dank.

(Beifall der CDU)

Vielen Dank. Es liegen keine Wortmeldungen mehr vor.

Wir kommen zur unmittelbaren Abstimmung über den Gesetzentwurf – Drucksache 15/3292 – in zweiter Beratung, da die Beschlussempfehlung die unveränderte Annahme empfiehlt. Wer dem Gesetzentwurf zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen! – Vielen Dank. Der Gesetzentwurf ist einstimmig angenommen.

Wir kommen zur Schlussabstimmung. Wer dem Gesetzentwurf zustimmen möchte, den bitte ich, sich vom Platz zu erheben! – Damit ist der Gesetzentwurf einstimmig angenommen.

Ich rufe Punkt 4 der Tagesordnung auf:

Landesgesetz zur Einbeziehung der Lebenspartnerschaften in Rechtsvorschriften des Landes Gesetzentwurf der Landesregierung – Drucksache 15/3470 – Zweite Beratung

dazu: Beschlussempfehlung des Sozialpolitischen Ausschusses – Drucksache 15/3707 –

Herausragende Bedeutung von Ehe und Familie Antrag der Fraktion der CDU – Entschließung – – Drucksache 15/3733 –

Es wurde eine Grundredezeit von fünf Minuten vereinbart. Ich darf zunächst dem Berichterstatter, Herrn Kollegen Dincher, das Wort erteilen.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich darf Ihnen die Beschlussempfehlung des Sozialpolitischen Ausschusses in der genannten Sache vortragen.

Der Gesetzentwurf wurde per Beschluss des Landtags vom 25. Juni dieses Jahres an den Sozialpolitischen Ausschuss – federführend – sowie an den Rechtsausschuss überwiesen.