Protokoll der Sitzung vom 03.09.2009

Ich glaube, dabei gibt es viel zu tun. Die neue Bundesregierung muss diese Aufgabe angehen. Es wäre schön gewesen, wenn das Land Rheinland-Pfalz über eine Bundesratsinitiative auch in diesem Bereich wieder eine Vorreiterrolle übernommen hätte. Ansonsten ist das

Land in der Übernahme von Vorreiterrollen schon fast phänomenal. Aber wenn es um den Mittelstand geht, hätten wir das erwartet.

(Beifall der FDP und bei der CDU)

Für die SPD-Fraktion hat Herr Kollege Wansch das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Titel des Antrags der FDP-Fraktion „Ermäßigte Mehrwertsteuersätze für Hotellerie und Gastronomie in Deutschland einführen“ zeigt auf den ersten Blick, dass es sich bei der Mehrwertsteuer um ein Thema handelt, das ausschließlich bei uns in Deutschland behandelt wird. Herr Eymael, aber auf den zweiten Blick wird deutlich, dass das Thema „Mehrwertsteuer“ im europäischen Kontext zu beurteilen ist. Auch wenn es so scheint, dass das Mehrwertsteuerrecht europaweit weitgehend harmonisiert ist, gibt es doch mittlerweile innerhalb der Europäischen Union einen regelrechten Flickenteppich an Ermäßigungstatbeständen.

Vom ursprünglichen Ansatz her ging es bei den ermäßigten Steuersätzen nur darum, den Endverbraucher bei Waren und Dienstleistungen für seinen Grundbedarf zu entlasten. Tatsächlich sieht das europaweit ganz anders aus. Die ermäßigten Sätze sind unterschiedlich und betreffen bei Weitem nicht nur den Grundbedarf.

Betrachten wir vor diesem Hintergrund die Hotellerie und Gastronomie, so möchte ich dazu ein paar Beispiele nennen. Die 5,5 % in Frankreich für die Hotellerie wurden vom Kollegen eben angesprochen. In Luxemburg sind es sogar 3 % für die Gastronomie. In Dänemark sind es 25 % Einheitssteuer für alle Güter und Dienstleistungen.

Wenn wir der Argumentation der FDP folgen würden, hätten wir ein echtes Problem mit dem Preisniveau – so wie es eben dargestellt wurde – bei uns in der Gastronomie und in der Entwicklung des Tourismus. Das würde einfach heißen: In Luxemburg bei 3 % ist das Essengehen besonders günstig, und in Dänemark bei 25 % Steuer laufen die Touristen weg. Meine Damen und Herren, beides ist nicht zutreffend. Auch wenn wir jetzt Näheres über den Urlaub des Kollegen Eymael erfahren haben und jeder das eine oder andere bei sich persönlich in Erinnerung rufen kann, meine persönlichen Erfahrungen, die ich gemacht habe, nachdem man als Pfälzer auch gerne einmal nach Frankreich zum Essen geht, sind, dass das bei Weitem so nicht zutrifft, wie Sie es ausgeführt haben.

Wirtschaftsförderung und Unterstützung des Tourismus funktionieren nicht über einen abgesenkten Mehrwertsteuersatz. Bei dem Vorschlag der FDP handelt es sich nur um einen nicht zielgerichteten Subventionierungsvorschlag. Zig Millionen Euro Steuerausfall kämen auf Bund und Länder zu, wenn so etwas ohne Blick auf

das Ganze entschieden werden würde. Fachleute sprechen da allein für Rheinland-Pfalz von über 100 Millionen Euro Steuerausfällen.

Angekurbelt wird die Wirtschaft über ein gesteigertes Konsumverhalten mit diesem Vorschlag auch nicht. Das belegen übrigens auch Studien der Europäischen Union zu vergleichbaren ermäßigten Mehrwertsteuersätzen. Dort wurde festgestellt, dass die Ermäßigung kaum Auswirkungen auf die Preise hatte. Positive Effekte für den Arbeitsmarkt und ein Rückgang der Schattenwirtschaft waren ebenfalls nicht erkennbar. Nach dieser Studie führte die Ermäßigung im Wesentlichen zu so genannten Mitnahmeeffekten auf Ebene der Unternehmer.

Herr Kollege, die von Ihnen genannte Pizza belegt das in der Regel oft. Oftmals wurde nämlich die mit der Ermäßigung verbundene Preissenkung nicht bzw. nicht vollständig an die Kunden weitergegeben. Sie wurden in einer anderen Weise umgesetzt. Sie sehen also, der Vorschlag der FDP ist nicht zielgerichtet.

Zusammenfassend stelle ich für meine Fraktion fest: Zuallererst ist es notwendig, die Thematik der Mehrwertsteuer und eventueller Ermäßigungen für sogenannte Grundbedarfe auf europäischer Ebene zu regeln. Zur Förderung des Tourismus in Rheinland-Pfalz setzen wir besser auf das von Wirtschaftsminister Hendrik Hering initiierte Konzept der Tourismusstrategie 2015. Die dort erfolgte Förderung und die damit verbundenen Erfolge zeigen, dass dies der richtige Weg ist und nicht der laut dem vorgelegten FDP-Vorschlag.

Meine Fraktion wird daher diesem Antrag nicht zustimmen, genauso wenig wie dem Änderungsantrag der CDU.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank. Für die CDU-Fraktion hat Herr Kollege Dötsch das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Durch die Finanzkrise und die sich hieraus entwickelnde Wirtschaftskrise, in der wir uns derzeit befinden, und die dabei beschlossenen richtigen Maßnahmen, über die wir uns in diesem Hause mehrfach unterhalten haben, um diese Krise für die Menschen erträglich zu machen, wurden die finanziellen Spielräume in den Haushalten unserer Parlamente und der öffentlichen Hand stark eingeengt. Diese nicht ganz einfache finanzielle Situation der Haushalte darf dann nicht zu Handlungsunfähigkeiten oder zu einer Handlungsstarre führen.

Wir sind noch mehr als in der Vergangenheit gefordert, die gegebenen Spielräume sehr zielgerichtet, ergebnis

orientiert und auch teilweise für die längst notwendig gewordenen strukturellen Korrekturen zu nutzen. Steuern und Abgaben sind und bleiben Instrumente, um Impulse für die wirtschaftliche Entwicklung zu geben und ein Stück weit für mehr Gerechtigkeit zu sorgen.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Wenn ich von Gerechtigkeit spreche, meine ich damit nicht Gleichmacherei. Ich bin durchaus der Meinung, dass es Sinn macht, Gelder, die in der Wirtschaft und in der Gastronomie erwirtschaftet worden sind, dort zu belassen, bevor man sie abzweigt, Herr Wansch, um sie dann wieder über einen Verwaltungsapparat den Betrieben über irgendwelche Konjunkturprogramme zuzuführen. Das andere ist zielführender und motivierender für die Menschen.

(Beifall bei der CDU)

Bei der Mehrwertsteuer, einer Verbrauchssteuer, bei der zwei Steuersätze unterschieden werden, sind die Zuteilungen zu den einzelnen Bereichen schon seit einiger Zeit in der Diskussion. Beispiele wurden eben genannt. Ich darf weitere nennen.

Es muss die Frage erlaubt sein, ob es richtig ist, für Reitpferde und Maultiere reduzierte Steuersätze zu haben, oder auch für den Postkonzern eine Subventionierung dadurch zu haben, dass er allein beim Porto den geringeren Steuersatz hat und private Anbieter dabei unberücksichtigt bleiben.

Man kann zu Recht auch die Frage stellen, inwieweit die Schwarzarbeit in bestimmten Bereichen durch eine Reduzierung des Mehrwertsteuersatzes verringert werden kann. Meine Damen und Herren, deswegen spricht sich die CDU dafür aus, das Mehrwertsteuersystem insgesamt auf seine Plausibilität hin zu überprüfen, auch im Hinblick auf die Wettbewerbsnachteile für bestimmte Bereiche der Wirtschaft im europäischen Binnenmarkt.

Wenn eben über die Speisegaststätten gesprochen wurde, dann ist das nur eine Seite der Medaille. Wir sprechen über die Gastronomie, wir sprechen über die Hotellerie. Hier kann man durchaus feststellen, dass die Menschen auch unter Kostengesichtspunkten ihren Urlaub und ihre Reise planen. Insoweit müssen wir uns dem europäischen Binnenmarkt stellen.

Uns ist sehr bewusst, dass dies wegen der schwierigen Finanzlage nur in einem verantwortbaren finanzwirtschaftlichen Rahmen bleiben kann. Deshalb hat die CDU ihren Änderungsantrag zum Antrag der FDP eingebracht. Insgesamt aber muss die Initiative unter dem Strich zu einer Abgabenentlastung für die Menschen führen.

(Beifall des Abg. Licht, CDU)

Die Wettbewerbsverzerrung muss aufgelöst werden, und es darf nicht zu einer Mehrbelastung führen,

(Beifall bei der CDU)

weil durch das Setzen von richtigen Impulsen eine positive Wirtschaftsentwicklung generiert wird und dies zu Steuermehreinnahmen führt. Die CDU bittet um Zustimmung zum Änderungsantrag und wird auch dann dem so modifizierten FDP-Antrag ihrerseits zustimmen.

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank. Für die Landesregierung hat Herr Dr. Kühl das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Die Anträge der FDP-Fraktion und der CDU-Fraktion zielen darauf ab, die Hotellerie und den Gaststättenbereich durch den ermäßigten Mehrwertsteuersatz zu stärken. Also fragen wir uns: Geht das? –

(Eymael, FDP: Gehen tut es!)

Die Mehrwertsteuer hat die Intention, den Endverbraucher zu belasten. Infolgedessen hat ein ermäßigter Mehrwertsteuersatz die Intention, den Endverbraucher geringer zu belasten.

In Deutschland ist es seit jeher Tradition, das üblicherweise dann anzuwenden, wenn es um lebensnotwendige Güter und Dienstleistungen des täglichen Bedarfs geht. Diese Rechtfertigung ist eindeutig sozialpolitisch motiviert. Dass das heute nicht in Perfektion gelöst ist und vieles durcheinander geht, ist durchaus richtig. Wir müssen uns nur fragen, ob wir es deswegen noch weiter durcheinanderbringen oder ob wir es sortieren wollen. Dazu sage ich später mehr; denn dazu haben Sie in Ihren Anträgen etwas gesagt.

Herr Eymael, Sie haben zu Recht darauf hingewiesen, dass der Bundesfinanzminister im Ministerrat der EU zugestimmt hat, dass das Gaststättengewerbe zukünftig auch in den Ausnahmebereich aufgenommen werden kann, wenn ein Mitgliedstaat davon Gebrauch macht. Falsch ist, dass er für den Hotelleriebereich zugestimmt hat. Dies ist schon seit vielen Jahren möglich.

(Eymael, FDP: Es haben schon 22 Länder umgesetzt im Hotelbereich, nur fünf Länder nicht!)

Es ist so.

Er hat außerdem gleichzeitig mit seiner Zustimmung im Ministerrat zu Protokoll gegeben, dass er es in Deutschland nicht umsetzen will. Er hat dem zugestimmt, weil er gesagt hat, er muss einzelnen Mitgliedstaaten, die das für ihre Politik wichtig halten, die Möglichkeit geben, weil es das Einstimmigkeitsprinzip gibt. Es ist eine optionale Möglichkeit für die Mitgliedstaaten. Damit verpflichtet er sich nicht in dem Moment, das im eigenen Land umzusetzen. Es war Frankreich, das ein besonderes Interesse daran hatte.

Wie ist die unmittelbare Preiswirkung von einer gesenkten Mehrwertsteuer? Wenn die gesunkene Mehrwertsteuer in die Preise überwälzt wird, dann könnte ein Gastronomiebetrieb dann einen Vorteil bekommen, wenn der Kunde infolge der gesenkten Preise – Voraussetzung ist, es wird überwälzt – mehr zu ihm als zu einem anderen Gastronomiebetrieb geht.

Wir nehmen als Beispiel Luxemburg, das Herr Kollege Wansch schon angeführt hat. Luxemburg hat nicht erst seit dem Beschluss des EU-Ministerrates, sondern seit jeher auf die Güter der Gastronomie einen Mehrwertsteuersatz von 3 %. Der Grund dafür ist darin zu sehen, dass Luxemburg zu dem Zeitpunkt, als die Steuern harmonisiert wurden, schon diesen Steuersatz von 3 % hatte und es als Ausnahmeregelung beibehalten durfte. Ich glaube, niemand von uns hat den Eindruck, dass Leistungen der Gastronomie in Luxemburg günstiger als in Deutschland sind.

Daran mögen Sie erkennen, dass dadurch kein unmittelbarer Wettbewerbsvorteil entsteht. Im Übrigen gilt die Argumentation mit den Preisen ausschließlich für den grenznahen Bereich. Wenn die Überwälzung funktioniert, bedeutet das, dass sie in Deutschland oder Rheinland-Pfalz auch in den Regionen, die nicht grenznah sind, die Preise senken, ohne dass damit eine unmittelbare Konkurrenzsituation aufgehoben wird.

Nehmen wir den Bereich der Hotellerie. Hier ist es seit vielen Jahren bereits möglich, einen niedrigeren Steuersatz zu etablieren, wenn man das national möchte. Ich lese Ihnen dazu das vor, was das Bundesfinanzministerium auf eine parlamentarische Anfrage geäußert hat. Ich zitiere mit Erlaubnis: Einerseits erscheint der grenzübergreifende Wettbewerb im Hotelgewerbe nicht so gravierend, dass eine Steuerermäßigung notwendig wäre, andererseits erlauben es die derzeitige Finanzlage und der angestrebte Subventionsabbau nicht, für weitere Leistungen einen ermäßigten Steuersatz einzuführen. –

Herr Eymael, dieses Zitat aus dem Bundesfinanzministerium stammt von 1992, also aus einer Zeit, als es dort eine christlich-liberale Verantwortung gab. An der prekären Finanzsituation und auch an dem Wettbewerbsargument hat sich nichts geändert.

(Eymael, FDP: 22 von 27 Ländern haben es umgesetzt!)

Wer der Auffassung ist, dass der Hotel- und Gaststättenbereich begünstigt werden sollte, sollte Maßnahmen wählen, die systematisch schlüssig bzw. zielgerichtet sind. Aus vielerlei Gründen ist der Mehrwertsteuersatz dazu nicht geeignet, weil er auf den Konsumenten zielt und nicht notwendigerweise auf die Ertragssituation.

Darüber hinaus bekommen wir ein Steuerminderaufkommen nur durch die Senkung des Mehrwertsteuersatzes von 4,6 Milliarden Euro. Die CDU schreibt in ihrem Ergänzungsantrag, dass die Folgen einer solchen Reform des Mehrwertsteuersystems im Rahmen gehalten werden müssen. Wenn Sie der Auffassung sind, dass Mindereinnahmen bei der Mehrwertsteuer von 4,6 Milli

arden Euro in dieser prekären fiskalischen Situation im Rahmen sind, dann müssen Sie das näher erklären.