Protokoll der Sitzung vom 08.10.2009

Es antwortet der Herr Finanzminister.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Bekanntlich haben die Gremien der LBBW Mitte Juli 2009 ein Sparpaket beschlossen. Parallel dazu musste sich die LBBW mit Anforderungen der Europäischen Union befassen, die sich aus der beschlossenen Kapitalerhöhung in Höhe von 5 Milliarden Euro und einer Risikoimmunisierung des LBBW-Konzerns in Höhe von 12,7 Milliarden Euro ergaben. Das war die Garantie, die das Land Baden-Württemberg in Höhe von 12,7 Milliarden Euro für die LBBW gegeben hat.

Wie zu erwarten war, führten die Anforderungen der Europäischen Union zu Maßnahmen, die deutlich über das ursprüngliche Kostensenkungsprogramm der LBBW hinausgehen. Die Gremien der LBBW haben daher am 1. Oktober 2009 auf Vorschlag des Vorstandes einen Umstrukturierungsplan und eine Neuausrichtung der Bank beschlossen.

Die LBBW wird sich künftig auf ihre Kernaktivitäten konzentrieren. Zu ihnen gehören unter anderem das mittelständische Firmenkundengeschäft, das gehobene Privatkundengeschäft sowie die Geschäfte mit den Sparkassen und die Immobilienfinanzierung. Andere Geschäftsbereiche, zum Beispiel das Kreditersatzgeschäft und etliche Beteiligungen, will die LBBW abbauen.

Der beschlossene Umstrukturierungsplan muss noch konkretisiert werden. Daher kann derzeit nicht gesagt werden, welche Auswirkungen – auch personeller Art – er auf die Standorte der LBBW haben wird. Die Maßnahmen sollen spätestens Ende März 2010 im Detail feststehen. Die Realisierung der Umsetzungspläne ist bis 2013 vorgesehen.

Meine Damen und Herren, bis dahin sollen 2.500 Arbeitsplätze in der sogenannten Kernbank, das heißt ohne Beteiligungen und Tochtergesellschaften, abgebaut werden. Das bedeutet den Verlust jedes vierten Arbeitsplatzes.

Die rheinland-pfälzische Landesregierung hat sich dafür eingesetzt, dass der Beschäftigungsabbau sozialverträglich, möglichst weitgehend im Rahmen der Fluktuation

ohne betriebsbedingte Kündigungen und unter frühzeitiger Einbindung der Beschäftigten und ihrer Vertretungen erfolgt.

Vor diesem Hintergrund beantworte ich die Fragen wie folgt:

Zu Frage 1: Da der Umstrukturierungsplan der LBBW nur die Eckpunkte der Neuausrichtung enthält, müssen Pläne für seine Umsetzung erst ausgearbeitet werden. Daher kann die Landesregierung derzeit noch keine Kenntnis über einen geplanten Arbeitsplatzabbau in Mainz haben.

Zu Frage 2: Es ist zutreffend, dass dem Land in den Verträgen mit der baden-württembergischen Seite im Jahr 2008 Zusagen unter anderem über eine Mindestpersonalausstattung am Standort Mainz gegeben wurden. Für den Fall, dass die erheblichen Einsparungen im gesamten Konzern zu einer neuen Situation führen werden, die auch den Standort Mainz betreffen, geht die Landesregierung davon aus, dass ihre Vertragspartner mit ihr rechtzeitig in einen Dialog eintreten werden.

Eine zusätzliche Belastung des Standortes Mainz ist angesichts der vorgesehenen Umstrukturierungsmaßnahmen nicht auszuschließen. Andererseits möchte ich zu bedenken geben, dass gerade das künftige Kerngeschäft der LBBW, also mittelständisches Firmenkundengeschäft, das gehobene Privatkundengeschäft und die Geschäftsbeziehungen mit den örtlichen Sparkassen, eine starke regionale Verankerung haben, die nicht allein durch eine Konzernzentrale in Stuttgart bedient werden kann.

Zu Frage 3: Die LBBW will am Status der Standorte nicht rütteln. Daher ist der Standort Mainz nach Auffassung der Landesregierung auch über das Jahr 2011 hinaus gesichert.

Zu Frage 4: Die Landesregierung wird die weitere Entwicklung sehr genau beobachten. Sie hat jedoch keinen Grund, an der Vertragstreue der baden-württembergischen Seite zu zweifeln.

So weit die Antworten.

Herr Kollege Puchtler hat sich für eine Zusatzfrage gemeldet. Danach folgt Herr Kollege Dr. Schmitz.

Herr Minister, wie ist die rheinland-pfälzische Landesregierung vonseiten Baden-Württembergs bzw. vonseiten der LBBW eingebunden im Hinblick auf Informationen und die aktuell laufende Entwicklung, um das zeitnah und eng begleiten zu können?

Wir sind von der baden-württembergischen Seite her – das muss man sagen – zu jeder Zeit frühzeitig einge

bunden worden. Wir haben den Vorteil, dass wir Status in den Gremien haben. Wir sind Mitglied der Trägerversammlung und Mitglied des Verwaltungsrates. Wir haben von daher gesehen einen formellen Ansatz, um informiert zu werden. Es gibt aber darüber hinaus einen kontinuierlichen informellen Austausch sowohl mit dem baden-württembergischen Finanzministerium als auch mit dem baden-württembergischen Sparkassen- und Giroverband. Von dieser Seite her haben wir keine Klage zu führen.

Eine weitere Zusatzfrage des Herrn Kollegen Dr. Schmitz.

Herr Minister, Sie weisen in der Beantwortung meiner Kleinen Anfrage und auch jetzt noch einmal darauf hin, dass Sie derzeit keinen Anlass haben, an der Vertragstreue der baden-württembergischen Seite zu zweifeln, und sagen, dass die Konkretisierung absehbar erst im März nächsten Jahres erfolgt. Meine Frage hat deshalb ein wenig hypothetischen Charakter: Sähe sich das Land Rheinland-Pfalz für den Fall, dass die jetzt auch von Ihnen nicht ausgeschlossenen Nachteile für den Standort Mainz einträten, unter Bezugnahme auf das Eckpunktepapier in einer Situation, in der man auch mit der Androhung der Kündigung des Vertrages arbeiten müsste?

Das Eckpunktepapier, das seinerzeit vorgestellt wurde, ist ja in ganz wesentlichen Punkten nicht mehr erfüllt. Sie haben schon die Anzahl des Personals genannt, und Sie haben in Ihrem Vortrag auch eingeräumt, dass betriebsbedingte Kündigungen nicht mehr auszuschließen sind. Das Papier sprach damals vom Angebot von Arbeitsplätzen im Konzern LBBW. Sie sprechen jetzt ganz klar von einem Arbeitsplatzabbau.

Herr Kollege Dr. Schmitz, es heißt „nachfragen“ und nicht „nachreden“!

Es ist in Ordnung. – Ich frage den Minister, ob er für den Fall, dass die jetzt in der Presse transportierten Probleme auftreten, an eine Kündigung des Vertrages denkt.

Nein, ich gehe nicht davon aus, dass der Vertrag gekündigt wird. Ein paar Dinge sind hier durcheinandergeraten. Bei der Kernbank – so nenne ich sie – gibt es ungefähr 10.000 Arbeitsplätze. Alle Arbeitnehmer am Standort Mainz gehören zum Bereich der Kernbank. Das, was nicht mehr dazugehört, die LTH, ist schon lange abgetrennt worden und mittlerweile eine eigene Anstalt, die ihre Arbeitsplätze komplett behalten hat. Bis 2013 wer

den wohl aus dem Bereich der 10.000 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer der Kernbank 2.500 Arbeitsplätze abgebaut. Davon ist, weil Bestandteil der Kernbank, der Standort Mainz grundsätzlich betroffen.

Das Eckpunktepapier hat vorgesehen, dass bis Anfang 2011 855 Arbeitsplätze am Standort Mainz garantiert sind. Diese Garantie gilt auch heute noch. Wir liegen noch über diesen 855 Arbeitsplätzen.

Jetzt kommt das Einsparungskonzept, das besagt: Bis zum Jahr 2013 sollen im gesamten Kernbankenbereich 2.500 Arbeitsplätze wegfallen. Dazu sagt das Eckpunktepapier in weiser Voraussicht auch etwas. Ich lese Ihnen den Passus gern vor: „Danach“ – „danach“ bezieht sich auf das Jahr 2011 mit seiner konkreten Garantie – „werde der Standort Mainz bei eventuellen künftigen Veränderungen von Zahl und Qualität der Arbeitsplätze im gesamten Konzern nicht anders gestellt als die übrigen Standorte des Konzerns.“ Die Entwicklung des Standorts Mainz folge im Gleichschritt zu den Standorten des Konzerns. –

Das ist für uns die entscheidende Passage. Alle bisherigen Gespräche mit den Trägern, mit der politischen Seite in Baden-Württemberg signalisieren uns, dass auch die baden-württembergische Seite ein Interesse – im Übrigen ein betriebswirtschaftliches Interesse – daran hat, den Standort Mainz in diesem Sinne zu erhalten.

Eine Zusatzfrage des Herrn Kollegen Schreiner.

Herr Minister, ich habe auch noch eine Nachfrage zu diesem Eckpunktepapier, in dem, wie Sie schon erwähnten, auch steht, dass in Mainz das Immobiliengeschäft ebenfalls ein wichtiges Standbein sein solle.

Ist es im Fall des Falles das Ziel der Landesregierung, bei Verhandlungen darauf hinzuwirken, dass man bei einem vielleicht nicht zu umgehenden Arbeitsplatzabbau hier am Standort vorzugsweise auf Stellen zurückgreift, die ursprünglich im Bereich Immobilien versprochen waren und auf dem Papier vielleicht auch schon in Mainz angekommen sind, bei denen die Mitarbeiter aber de facto noch anderswo im Konzern, in Mannheim oder Stuttgart, arbeiten?

Herr Schreiner, Sie sagen: „die ursprünglich versprochen waren“. Die baden-württembergische Seite hat bislang keines ihrer Versprechen, sprich nichts, was vereinbart wurde, nicht eingehalten.

Nun zum Immobiliengeschäft. – Man muss genauer von der Immobilienfinanzierung sprechen; denn es gibt im Konzern LBBW noch ein zweites Immobiliengeschäft in der Beteiligung, bei der es um Immobilienentwicklung geht. Das hat – ich sage: zum Glück, weil das nach

meiner Einschätzung als Beteiligung hochgradig gefährdet ist – nichts mit den Arbeitsplätzen am Standort Mainz zu tun.

Ich habe Ihnen in der Beantwortung Ihrer Mündlichen Anfrage gesagt, dass es Kernbereiche gibt, die in Zukunft bei der LBBW eine wichtige Rolle spielen sollen und in denen sich natürlich auch die Arbeitsplätze widerspiegeln werden. Neben dem klassischen Geschäft – Firmenkunden, Privatkunden, Sparkassen – ist einer von zwei Bereichen die Immobilienfinanzierung. Sie haben recht: Im Eckpunktepapier wurde seinerzeit festgehalten: Im Immobiliengeschäft wird der Standort Mainz zum Kompetenzzentrum des LBBW-Konzerns ausgebaut. Diese Ausrichtung steht nach wie vor.

Dass sie in den letzten eineinhalb Jahren noch nicht sehr weit fortgeschritten ist, hat meines Erachtens zwei Gründe. Schauen Sie sich die Veränderungen bei dieser Bank an sich an. Sie ist in die Finanzkrise geraten, musste ihre betriebswirtschaftlichen Ziele ständig revidieren, sie hat im Juni ihren Vorstandsvorsitzenden ausgewechselt. Aber was noch viel wichtiger ist: Die Immobilienfinanzierung ist in erster Linie auf eine gewerbliche Immobilienfinanzierung ausgerichtet. In Zeiten dieser Wirtschafts- und Finanzkrise sind die Unternehmen verständlicherweise nur in einem geringeren Ausmaß bereit, so langfristige Zukunftsinvestitionen zu tätigen, wie sie eine Investition in eine Immobilie darstellt, die in der Regel eine Erweiterung des Betriebs bedeutet.

Insofern gehe ich davon aus, dass die Immobilienfinanzierung mit Anspringen der Konjunktur wieder eine wichtigere Rolle spielen wird und dann auch dieser Schwerpunkt am Standort Mainz entwickelt werden kann.

Eine Zusatzfrage des Herrn Kollegen Eymael.

Herr Staatsminister, mich würde interessieren, wie sich die Arbeitsplatzsituation am Standort seit 2008, seitdem der Vertrag abgewickelt worden ist, entwickelt hat und ob es jetzt schon freiwillige Angebote für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gibt, entweder zu wechseln oder beispielsweise in die Frühverrentung zu gehen.

Im Jahr 2008, als der Vertrag abgeschlossen wurde, betrug die Anzahl der Arbeitsplätze 1.140. Heute sind es rund 900. Die exakte tagesgenaue Zahl kann ich Ihnen nicht nennen.

Ich gehe fest davon aus, dass es die von Ihnen erwähnten Bemühungen gibt. Natürlich werden der Vorstand und die Personalabteilung der LBBW nach dem 1. Oktober, nach dem Beschluss, damit begonnen haben, die allerschwersten Maßnahmen, die zu erfolgen haben, nämlich die personalpolitischen Maßnahmen, umzusetzen. Ich habe gehört, dass schon bis Ende November,

spätestens bis Ende des Jahres, Sozialpläne erstellt sein sollen. Es wird damit gerechnet, dass bis 2013 ca. 1.000 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer die Bank im Rahmen sogenannter natürlicher Fluktuation verlassen. Das ist ein ganz erhebliches Potenzial, um diesen Prozess sozialverträglich auszugestalten.

Selbstverständlich mag es den einen oder anderen Spezialisten geben, den man ersetzen will. Wir haben in der Trägerversammlung auch Wert darauf gelegt, dass die LBBW noch ausbildet und auch in diesen schwierigen Zeiten für ein paar Auszubildende noch die Möglichkeit bestehen muss, übernommen zu werden. Auch das ist ein erhebliches Potenzial. Das darüber Hinausgehende soll immer unter dem Prinzip stehen: Freiwilligkeit geht vor Zwang. Das heißt: Vermeidung von betriebsbedingten Kündigungen. –

Nachdem alle Beteiligten, sowohl der Vorstand als auch die Arbeitnehmervertreter als auch die Arbeitgebervertreter, im Verwaltungsrat betont haben, wie wichtig ihnen eine sozialverträgliche Abwicklung dieses schwierigen Personalabbaus ist, gehe ich davon aus, dass das auch entsprechend geschieht.

Eine Zusatzfrage des Herrn Kollegen Dr. Schmitz.

Herr Minister, können Sie nach heutigem Stand den Mitarbeitern am Standort Mainz zusichern, dass der Arbeitsplatzabbau in Mainz im Verhältnis zum Gesamtkonzern nicht überproportional erfolgen wird? Sie haben den Punkt 6 des Eckpunktepapiers eben vorgetragen. Können Sie den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zusichern, dass Punkt 7 des Eckpunktepapiers eingehalten wird, in dem klipp und klar gesagt wird: Jedem bisher am Standort Mainz beschäftigten Mitarbeiter wird ein Arbeitsplatz im LBBW-Konzern angeboten?

Ich sage einmal so: Eine strenge Proportionalität, die bedeutet, dass man einen Beschäftigtenabbau auf die zweite Stelle hinter dem Komma exakt definiert, entspricht nicht der Realität von marktwirtschaftlichen und betriebswirtschaftlichen Notwendigkeiten. Viel wichtiger als die Frage, ob wir zehn Arbeitsplätze überproportional oder zehn Arbeitsplätze unterproportional haben, ist es, dass die Arbeitsplätze, die hier am Standort Mainz etabliert werden, nachhaltige Arbeitsplätze sind, Arbeitsplätze, mit denen ein vernünftiges Bankengeschäft betrieben wird, Arbeitsplätze, die nichts mit dem verheerenden Kreditersatzgeschäft zu tun haben und die eine langfristige Zukunft haben, bei denen wir nicht in wenigen Jahren wieder über Arbeitsplatzabbau reden müssen.

Ich glaube, das ist das viel Entscheidendere, als dass wir jetzt eine Kommastelle ausrechnen und in diesem Sinne feilschen. Das ist auch ein gemeinsames Ver

ständnis, das wir mit der baden-württembergischen Seite haben.

(Beifall der SPD)