Vielen Dank! Wir sind am Ende der Aussprache zur Mündlichen Anfrage. Bevor wir die Aktuelle Stunde aufrufen, begrüße ich weitere Gäste im Landtag, und zwar die Büroleiterinnen und Büroleiter der Kreisverwaltungen in Rheinland-Pfalz Süd und Mitglieder des FDPKreisverbandes Ahrweiler. Herzlich willkommen in Mainz!
„Aktuelle Entwicklungen bei Opel und GM – Konsequenzen für die Standorte Kaiserslautern und Rüsselsheim“ auf Antrag der Fraktionen der SPD, CDU und FDP – Drucksache 15/3968 –
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Alle drei Fraktionen haben diese Aktuelle Stunde gemeinsam beantragt. Dies ist ein gutes Zeichen, weil uns die gemeinsame Sorge um die weitere Entwicklung von Opel in Deutschland, aber auch in Europa umtreibt und weil uns – bei aller Vorsicht, was Gemeinsamkeiten anbelangt – nach einem Entscheidungsprozess von über einem Jahr und der Art und Weise, wie GM sich dazu entschlossen hat, den ins Auge gefassten Verkauf an Magna nicht zu vollziehen und die Konzeption, die dahinterstand, nicht mitzutragen, nun die Sorge eint, wie General Motors mit Opel in Europa umgeht und wie die zukünftigen Perspektiven sein werden.
Es ist ein Jahr, das natürlich ein Stück weit verloren gegangen ist. Das, was in mühseligen Verhandlungen, die die Bundesländer, die Bundesregierung, der Betriebsrat und viele andere geführt haben, um eine Zukunftsfähigkeit für die Opelstandorte in Europa zu finden, erreicht wurde, ist mit einem Federstrich beseitigt worden. Möglicherweise kann manches aus den Konzepten aufgenommen werden.
Wenn ich mir jetzt anschaue, was an Diskussionen wiederkommt, so sind einige da, wie bei Ihnen von der CDU Herr Fuchs oder Sachverständige aller Art, die sagen: Der Markt wird es schon richten. Die Politik soll ganz draußen bleiben und soll auch nicht stützen, das wird Marktverzerrungen mit sich bringen. – Das kommt nun von den verschiedensten Personen wieder, wie es auch am Anfang geäußert worden ist. Ich glaube, sie verkennen, dass GM mit über 50 Milliarden vom amerikanischen Staat gestützt worden ist, indem sie nach dem
Verfahren „Chapter 11“, also einer amerikanischen Insolvenz, eingestiegen sind. Wir haben es quasi mit einem Staatsunternehmen zu tun. Amerika verfolgt dort seine industriepolitischen Interessen. Deshalb muss es legitim sein, dass Europa das macht, dass Deutschland das macht und dass Rheinland-Pfalz das macht. Das muss Maßstab für unser Handeln sein.
Wenn ich diesen Maßstab anlege und auch einrechne, dass uns wieder allerorten gesagt wird, es gibt auf dem Pkw-Markt, auf dem Herstellermarkt Überkapazitäten, so meine ich, ja, die gibt es, ohne Zweifel, aber so sind Gelder immer nur gerechtfertigt, wenn sie in eine zukunftsfähiges, tragfähiges Konzept einmünden. Aber dazu stehen wir als SPD. Das war das Magna-Konzept auch, bei allen Risiken, wenn man sich wirtschaftlich betätigt, die immer auch damit verbunden sind.
Aber durch Innovation eine Chance zu wahren, ist wichtig. Es gibt natürlich auch die Stimmen, die sagen, wo soll es denn herkommen, nachdem GM diese Mittel bekommen hat. Der Standort Rüsselsheim ist mit seiner Innovationskraft so bedeutend für GM, dass sie auf jeden Fall alles machen werden, um eine zukünftige Entwicklung von Opel in Europa alleine auf die Beine zu stellen.
Nun, das ist dem Konzern in der Vergangenheit nicht gelungen. Es hat sehr stark daran gekrankt, dass keine oder unzureichende Konzepte für Europa da waren, die dazu geführt haben, dass im letzten Jahr neben dem Mutterstandort auch die europäischen Standorte vor der Insolvenz standen.
Auch die Insolvenz wird wieder als eine Möglichkeit diskutiert. Dr. Braun hat gestern beim LVU-Abend im Übrigen einfließen lassen, was eine Insolvenz auch den Fonds beim Ausfall der Pensionslasten kosten würde, über 2 Milliarden
4,3 Milliarden Euro, Entschuldigung –, wenn es denn hier zerschlagen würde. Sie wissen alle – ich möchte bei der nächsten Runde noch einmal darauf eingehen –, eine Insolvenz in Deutschland, sogenannt geordnet, wie sie einmal in der Bundesregierung von Herrn zu Guttenberg diskutiert wurde, ist nahezu unmöglich, weil es keine Selbstständigkeiten gibt, weil Patentrechte woanders sind, weil Innovationsrechte woanders liegen. Diese Mäntel, die da übrig geblieben wären, diese Hüllen, hätten mit einiger Sicherheit eine Zerschlagung der Firma Opel bedeutet und eine Zerschlagung der Standorte, wie wir sie im Moment haben. Das muss man wissen und sehen.
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Geschichte von Opel – Herr Kollege Hartloff, als Sie anriefen und fragten, ob man das nicht gemeinsam machen könne, war ich damit auch gleich einverstanden – könnte heute hier natürlich auch anders diskutiert werden, wenn alles so gekommen wäre, wie wir es erwartet hätten.
Tatsache ist, es gab eine entsprechende Auffangkonstruktion, die zumindest dazu geführt hat, dass Opel über einen gewissen Zeitraum nicht in die Insolvenz gegangen ist. Davon werden jetzt schon wieder 200 Millionen Euro zurückgezahlt. 600 fehlen noch. Danach – so muss man konstatieren – gehört Opel wieder zu GM, mit allen Anteilen, wie es vorher war. Dann muss es unsere Aufgabe als Politik sein, dafür Rahmenbedingungen zu setzen, aber auch nicht mehr als Rahmenbedingungen, die dazu führen, dass die Standorte in Deutschland eine wettbewerbsfähige Chance haben.
Diese wettbewerbsfähige Chance setzt natürlich vorher eine gewisse Aufgabenkritik voraus. Sie haben es bei der Frage der Überkapazität angesprochen. Es gibt sicherlich auch noch Fragen zu beantworten. Wir hatten am Freitagabend beim ADAC-Treffen einen interessanten Vortrag, im Übrigen zu einem Fahrzeug von Opel, zur Frage der Elektroantriebe für die Zukunft, Hybrid und solche Dinge, die sich durchaus auch in Zukunft entwickeln müssen, wo sich der Markt verändern muss, wo der Markt sich entwickelt. Das heißt, all das muss natürlich jetzt auch vom Unternehmen bzw. vom Konzern mit in die Waagschale geworfen werden.
Ich bin der festen Überzeugung, wir können es uns in unserem Staat, in Europa anders, als es die Amerikaner gemacht haben – Herr Dr. Braun hat GM auch gestern anders definiert, weil es in Amerika auch anders genannt wird, da heißt es nämlich nicht General Motors, sondern Government Motors –, nicht erlauben, dass wir Staatshilfen zur Verfügung stellen, wenn es keine wettbewerbsfähigen, zukunftsfähigen, arbeitsplatzsichernden und standortsichernden Konzepte gibt.
Wir haben jetzt die Situation, dass wir heute hier stehen und offen sagen müssen: Diese Konzepte kennen wir nicht.
Diese Konzepte gibt es vielleicht noch nicht, das weiß ich nicht. Aber GM ist jetzt natürlich aufgefordert, in kurzer Zeit – da begrüße ich auch, dass es den engen Schulterschluss der vier Bundesländer, die es betrifft, gibt, zusammen mit dem Bundeswirtschaftsminister, der Bundesregierung und der Bundeskanzlerin – ein tragfähiges und zukunftsfähiges Konzept vorzulegen, dies nach einer Aufgabenkritik und nach einer Beantwortung der Fragen, ob es weitere Überkapazitäten geben wird, ob die Produkte am Markt wettbewerbsfähig sind und ob sie am Markt überhaupt auch angenommen werden, wovon ich überzeugt bin, wenn das Konzept stimmt.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, es gibt damit eine Bringschuld, die GM zu leisten hat. Für den Staat muss es dabei beim Grundsatz bleiben – davon bin ich fest überzeugt –, erst die Ware, dann der Preis.
Ich möchte aber nicht verhehlen, unabhängig davon, wie das alles gelaufen ist, dass der vormalige Bundeswirtschaftsminister mit seinen Ansichten zumindest in der Frage, wie sich alles entwickeln wird, nicht ganz falsch gelegen hat.
Deshalb möchte ich auch konstatieren, dass der damalige Bundeswirtschaftsminister, Karl-Theodor zu Guttenberg, durchaus sehr realitätsnah festgestellt hat, dass die Lösung mit Magna noch lange nicht über dem Berg ist.
Herr Kollege Hartloff, wenn man sich betrachtet, welche Zusagen vonseiten der Bundesregierung an verschiedenen Stellen gemacht wurden, auch in Richtung Europa, um keine Wettbewerbsverzerrung zu erhalten, könnte man auch die Frage stellen, ob GM nicht das Gleiche jetzt von uns wieder einfordert, ohne dass es ein zukunftsfähiges Konzept gibt.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, deshalb muss es unser aller Anliegen sein, gerade auch im Hinblick auf Rheinland-Pfalz, wo es nicht nur um den Standort in Kaiserslautern geht, der sehr wichtig ist, sondern eben auch um den Standort in Rüsselsheim, bei dem viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gerade aus dem Rheinhessischen arbeiten, dass der Technologiestandort erhalten bleibt, dass Rüsselsheim stark bleibt.
Unser Ziel muss es sein – das sage ich auch ganz bewusst an Ihre Adresse, Herr Ministerpräsident, weil ich es gestern auch richtig fand, wie Sie es ausgedrückt haben –, dafür einzutreten, unter den Prämissen, die ich genannt habe, dass betriebsbedingte Kündigungen weitestmöglich vermieden werden.
Nur ist es unsere Aufgabe, es so abzufedern, dass die Produktivität und die Arbeitsplätze in der Mehrzahl erhalten bleiben.
Frau Präsidentin, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Wenn man sich die Geschichte von Opel und GM in den letzten 20 oder 25 Jahren anschaut, dann wird man feststellen, dass sie nicht wegen der jetzigen Finanz- und Wirtschaftskrise ins Schleudern geraten sind. Wer
sich fragt, wieso die Beschäftigten von Opel, nachdem diese Krise ausbrach, so sehr darauf gedrängt haben, von dieser Mutter, ich sage einmal, von der ungeliebten Mutter in den USA loszukommen, der muss sich mit den Beschäftigten in den letzten Jahren unterhalten haben. Er wird hören, wieso sie da weg wollten. Der hört von Managern, die für zwei bis drei Jahre nach Deutschland oder Europa kamen, die den Markt nicht kannten, nicht kannten, was die Menschen hier an Produkten haben wollten und die mit der Mentalität hier nicht klarkamen. Sie haben dort nicht nachhaltig gewirtschaftet. Sie haben mit irgendwelchen Konstruktionen ihre Zahlen gemacht und sind dann wieder nach Hause gegangen.
Von einer nachhaltigen Entwicklung dieser Marke Opel durch die Mutter GM in Deutschland kann in den letzten 20 Jahren mit Fug und Recht nicht gesprochen werden. Deshalb verstehe ich die Mitarbeiter, die, als die Insolvenz ausbrach, gesagt haben, dass die Chance da ist, diese Mutter loszuwerden. Das verstehe ich. Ich kann auch nachvollziehen, dass man in diese Richtung verhandelt hat. Ich habe große Zweifel, ob das jetzige GMManagement aus diesen Fehlern der Vergangenheit gelernt hat.
Wenn dieser Konzern – der in den USA fast staatseigen ist – die Entscheidung just zu dem Moment verkündet, an dem die Bundeskanzlerin der Bundesrepublik Deutschland in den USA weilt, um dort einen Besuch zu machen, der hat noch nicht verstanden, wie hier die Mentalitäten eigentlich funktionieren. Deshalb habe ich große Zweifel, ob die Herrschaften überhaupt wissen, was sie eigentlich tun.
Wir können uns natürlich ärgern. Das habe ich auch getan. Wir können vor lauter Ärger die Türen zuschlagen, auf die Bäume klettern oder was auch immer. Es gibt ein Problem. Eigentümer ist GM. Nachdem der Staat dort Eigentümer ist, werden sie wahrscheinlich nicht pleitegehen. Also müssen wir auch in Sorge um die Arbeitnehmer bei Opel und um die Standorte bei uns die Tür irgendwie offenhalten und mit diesen Leuten reden. Nachdem sie selbst gesagt haben, was wir bisher miteinander verabredet haben, soll nicht mehr gelten, erwarten wir von ihnen mit Fug und Recht, dass sie den Menschen deutlich machen, wie es weitergehen soll, welche Konzepte sie haben und ob sie aus den Managementfehlern gelernt haben. Wenn sie hierhinkommen und sagen, wir wollen es fortsetzen, weil wir dieses Schmuckstück für unseren Konzern behalten wollen, dann sage ich, ist in Ordnung, aber dann sagt uns, wie.
Ich wäre froh, wenn sie alles auf eigene Kosten sanieren würden. Ich glaube, sie sind nicht so stark aus der Insolvenz herausgegangen, wie sie jetzt tun. Ich vermute, dass sie, wie es auch Magna wollte, beim Staat anklopfen werden und sagen, wir hätten gerne Hilfe. Ich werde mich nicht hier hinstellen und sagen, wir geben euch keine.
Bei uns gelten aber klare Regeln. Es müssen klare Regeln erfüllt werden. Es müssen Konzeptionen her, die nach diesen Regeln abgeklopft werden und eine vernünftige und positive Entwicklung für Opel erwarten lassen. Ich muss über diese Regeln hinaus an der Art und Weise, wie dieses Management aus den USA vorgeht, vieles ändern.