Protokoll der Sitzung vom 04.02.2010

(Beifall der FDP)

In den letzten Jahren wurde immer wieder darüber diskutiert, welche Strategie bezüglich eines NPD-Verbots am besten angewendet werden soll. In den Diskussionen ist immer wieder das Wort „Verbot“ aufgetaucht.

Für mich ist die Frage weitaus bedeutender, welches Problem durch ein Verbot gelöst werden soll; denn das, was in den Köpfen der Menschen vorgeht, die leider die NPD oder auch alle anderen rechtsextremistischen Parteien wählen und unterstützen, bekommen wir mit einem Verbot nicht heraus.

(Beifall der FDP)

Welches Problem soll also dadurch gelöst werden?

Herr Kollege Hüttner, es ist richtig: Ein Verbot trifft die Parteistruktur, aber es trifft eben nur die Parteistruktur, nur in geringem Maße die Mitglieder und erst recht nicht die Anhänger. In einer pluralistischen Gesellschaft wird es immer wieder Menschen mit einer solch widerlichen Denke geben, ich drücke es einmal so aus. Dies werden wir in einer pluralistischen Gesellschaft niemals verbieten oder verhindern können.

(Beifall der FDP)

Wenn wir die NPD verbieten würden, wenn dies rechtlich möglich wäre, was würde dann passieren? – Die meisten Mitglieder der Partei würden sich anderen rechtsextremistischen Kreisen, Organisationen und Kameradschaften zuwenden und würden ihre miese Politik weiterführen.

Es muss deutlich gemacht werden, es ist vielleicht zu einfach, und die Politik darf es sich nicht so einfach machen und einfach eine Partei verbieten. Stattdessen müssen wir uns auch mit den Argumenten und Positionen der NPD auseinandersetzen. Wir müssen konstruktiv, aber teilweise auch aggressiv und offensiv auf diese Menschen zugehen und müssen sie von unseren Argumenten für die Demokratie überzeugen. Nur dann werden wir das Problem der NPD und der extremistischen Parteien überhaupt lösen können.

(Beifall der FDP)

Im Übrigen bin ich der festen Überzeugung, dass das Gros der rechtsextremistischen Gewalttaten bei einem Verbot der NPD nicht zurückgehen würde. Wir müssten sogar befürchten, dass sich bei einem NPD-Verbot viele Anhänger und Parteimitglieder „enttäuscht“ – Sie wissen, wie ich das meine – zurückziehen und sich anderen Organisationen zuwenden würden. Sie würden ihre Wut durch Gewalttaten an anderen Menschen in unserem Land auslassen. Ich denke, das müssen wir unbedingt verhindern.

In diesem Land werden bereits viele Maßnahmen zu diesem Zweck getroffen, und daher gilt mein Dank auch der Landesregierung. Ich möchte mich aber in diesem Zusammenhang auch bei allen Fraktionen, bei allen Menschen und bei allen Behörden bedanken, die sich für den Kampf gegen Rechts einsetzen. Darin müssen wir alle mit einbeziehen, nicht nur die Landesregierung. Herr Minister Bruch, Sie leisten wirklich eine gute Arbeit. Wir müssen alle in diesen Dank mit einbeziehen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, die FDPFraktion wird sich aus den vorgenannten Gründen nicht für einen Verbotsantrag aussprechen.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall der FDP)

Für die Landesregierung hat nun Herr Innenminister Bruch das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Die NPD ist zweifelsfrei eine verfassungsfeindliche Partei. Dies haben nicht nur diese Reden im Landtag belegt, sondern der Beleg befindet sich im Verfassungsschutzbericht des Bundes und der 16 Bundesländer. Des Weiteren gibt es Belege in dem erwähnten Bericht, der Erkenntnissammlung „Verfassungsfeind NPD“, den ich gemeinsam mit meinen Kollegen aus Berlin, Bremen, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein erarbeitet und im letzten Jahr der Öffentlichkeit übergeben habe.

Es ist festzustellen, die Weltanschauung der NPD ist durch und durch rassistisch, antisemitisch und antidemokratisch. Die NPD geht systematisch gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung vor. Sie hat ein ungebrochenes Verhältnis zur Gewalt- und Willkürherrschaft des Nationalsozialismus.

Meine Damen und Herren des Hohen Hauses, darin liegt die erste Erinnerung. Wir alle haben am 27. Januar im Plenum die Worte des Redners Monsignore Mayer gehört: „Damit sich nicht wiederholt …“. – Welche Chancen haben wir, damit es sich nicht wiederholt? – Die NPD versucht ganz gezielt, ein rechtsextremes Netzwerk aufzubauen. Die NPD und weite Teile der gewaltbereiten neonazistischen Kameradschaften sind inzwischen eng verwoben und verflochten. Die NPD unterstützt die Veranstaltungen der rechtsextremistischen Kameradschafts- und Musikszene. Sie stellt sich als Veranstalterin zur Verfügung. Sie betreibt Nachwuchswerbung in diesem Bereich. Sie geht in einzelne Regionen und versucht, ihre Arbeit zu verstärken.

Wie gehen wir damit um? – Herr Lammert, Herr Auler und Herr Hüttner, Sie haben davon gesprochen, wir müssen die NPD politisch bekämpfen. – Ja, natürlich, das tun wir auch.

Ich möchte daran erinnern, im Mai 2008 hat der Landtag eine gemeinsame Erklärung gegen Rechtsextremismus beschlossen, die Herr Ministerpräsident Beck initiiert hat. Der Landtag und alle Fraktionen dieses Hauses haben unterschrieben: Keine Toleranz gegenüber Intoleranz. – Wir schöpfen alle rechtlichen Möglichkeiten aus – auch das ist wahr –, um zu verhindern, dass sich die Rechtsextremisten ungestört entfalten und auf lange Sicht bei uns verankern können. Wir setzen auf Aufklärung und Prävention. Wir bieten jungen Menschen, die sich allein nicht mehr aus der Verstrickung der rechtsextremistischen Szene lösen können, Hilfe beim Ausstieg an.

Wir haben im Juni 2008 kabinettsübergreifend mit dem Innenministerium, dem Sozialministerium und dem Kultusministerium eine Präventionsagentur gegen Rechtsextremismus geschaffen.

Wir haben unsere Strategie gegen Rechtsextremismus gebündelt und koordiniert. In Rheinland-Pfalz gilt: Null Toleranz gegenüber Rechtsextremisten.

(Beifall der SPD und bei der FDP)

Aber – da gibt es ein großes Aber – solange die NPD nicht verboten ist, steht sie unter dem besonderen Schutz des Grundgesetzes, gegen das sie in vielen Fällen offen polemisiert und sagt, sie will es abschaffen. Sie spricht vom Diktat der Siegermächte, wenn sie über das Grundgesetz spricht, so nachweislich der Vorsitzende der Fraktionen in Sachsen und in MecklenburgVorpommern.

Solange die NPD nicht verboten ist, kann sie öffentlichkeitswirksame Aufzüge und Aufmärsche durchführen. Das können wir in den meisten Fällen nicht verhindern und auch nicht verbieten.

(Pörksen, SPD: Im Gegenteil! Wir müssen sie sogar schützen!)

Wir müssen sie sogar stellenweise schützen.

Solange die NPD nicht verboten ist, kann sie ihren Status als legale Partei nutzen. Sie tritt bei Wahlen an. Immerhin haben bei der Bundestagswahl 2009 768.000 Menschen ihre Stimme der NPD gegeben, 35.000 Rheinland-Pfälzerinnen und Rheinland-Pfälzer. Auch in rheinland-pfälzischen Kreistagen und Stadträten ist die NPD vertreten. Sie nutzt auch diese kommunale Bühne und ihre errungenen Mandate als Propagandaplattform.

Herr Hüttner, natürlich haben Sie vollkommen recht, unerträglich ist, dass wir sie auch noch finanzieren. Ich bin mit dem Kollegen Schünemann in Niedersachsen sehr einig gewesen, als er gesagt hat, lass uns einmal prüfen, ob es möglich ist, auch über das Parteiengesetz durchzusetzen, dass die NPD nicht finanziert wird. Das Ergebnis war, es wird nicht gehen.

Verschiedene Wege sind also verbaut. Was bleibt? Ich meine schon, wir dürfen es nicht länger hinnehmen, dass die NPD ihr dumpfes und menschenverachtendes

Gedankengut und Menschenbild und ihre Hetze gegen Menschen weiter verbreiten kann. Das kann nicht sein.

(Beifall der SPD)

Ich bin öfter in Veranstaltungen, bei denen ich gefragt werde, wie denn nicht die Landesregierung, sondern wie Rheinland-Pfalz zu der Frage steht, dass über 100 Menschen seit 1992 durch rechtsextreme Straftaten zu Tode gekommen sind und was wir zu tun gedenken.

Ich bin mir schon bewusst, meine sehr geehrten Damen und Herren, dass die Hürden für ein Parteiverbot sehr hoch sind. Da ist richtig so. Das ist auch gut so. Unsere Demokratie setzt das Funktionieren politischer Parteien, demokratischer Parteien voraus. Sonst würde die Demokratie nicht funktionieren. Deswegen bleibt ein Parteiverbot immer auch die absolute Ausnahme. Viele haben sich mit der Frage eines Parteiverbots beschäftigt. Das hat das Kabinett getan, das hat der Ministerpräsident getan, und, Herr Lammert, das hat der Ministerpräsident auch in einem Gespräch mit Herrn Seehofer getan. Es ist durchaus nicht so, das Herr Seehofer gesagt hat, wir wollen einmal ein bisschen schauen, sondern er hat sich klar dafür ausgesprochen, wir wollen ein Parteiverbot der NPD anstreben. Herr Kollege Herrmann hat mir das in der letzten Innenministerkonferenz auch bestätigt.

Natürlich ist bei allen Innenministern ein Unwohlsein da, nicht darüber, dass man ein Parteiverbot anstrebt, sondern dass wir die Partei haben und sie politisch bekämpfen müssen und es uns nicht gelingt, sie so aus den Parlamenten herauszuhalten, wie wir das alle gerne hätten.

Deswegen stellt sich die Frage, ob wir die Organisation treffen könnten. Ich weiß auch, dass das Gedankengut tiefer geht. Aber die Organisation zu treffen, sie zu zerschlagen und damit den Boden wegzunehmen, um auf einer legitimen Grundlage zu arbeiten – so artikuliert sich die NPD –, war der Hintergrund, dass wir gesagt haben, wir brauchen ein Verbot dieser NPD. Das ist so, meine Damen und Herren.

(Beifall der SPD)

Zum zweiten Mal sage ich: Meine sehr geehrten Damen und Herren, es darf sich nicht wiederholen. Da war der 27. Januar für uns alle sicherlich ein wichtiger Tag und eine wichtige Stunde.

Ich bin davon überzeugt, dass die offenen Erkenntnisse, die alle Verfassungsschutzbehörden haben, ausreichen, um ein Parteiverbot auch in Karlsruhe durchzusetzen.

Herzlichen Dank.

(Beifall der SPD)

Vielen Dank.

Es liegen keine weiteren Wortmeldungen mehr vor. Somit kommen wir zur unmittelbaren Abstimmung über

den Antrag der Fraktion der SPD – Drucksache 15/3613 –, da die Beschlussempfehlung die unveränderte Annahme empfiehlt. Wer diesem Antrag zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen! – Wer stimmt dagegen? – Somit ist der Antrag mit den Stimmen der SPD gegen die Stimmen der CDU und der FDP angenommen.

Wir kommen nun zur Abstimmung über den Alternativantrag der Fraktion der CDU – Drucksache 15/4237 –. Wer diesem Antrag zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen! – Wer stimmt dagegen? – Somit ist der Antrag mit den Stimmen der SPD gegen die Stimmen der CDU und der FDP abgelehnt.

Ich rufe Punkt 14 der Tagesordnung auf.

Fortschreibung der Vereinbarung zwischen Landtag und Landesregierung gemäß Artikel 89 b der Landesverfassung über die Unterrichtung des Landtags durch die Landesregierung (Beschluss des Landtags vom 13. Dezember 2007 zu Drucksache 15/1725, Nummer IV)

dazu: Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Europafragen – Drucksache 15/4185 –

Ich erteile dem Berichterstatter, Herrn Abgeordneten Kuhn, der auch Ausschussvorsitzender des Ausschusses für Europafragen ist, das Wort für die FDP-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Bitte gestatten Sie mir als Berichterstatter ausnahmsweise einen längeren Beitrag auch in Abstimmung mit meinen Kollegen Klöckner und Dr. Enders. Ich verspreche Ihnen auch, dass mein eigener Redebeitrag am Schluss entsprechend kurz wird. Es ist also kein Akt der Selbstdarstellung, sondern wir sind im Ausschuss für Europafragen der festen Überzeugung, dass diese Beschlussempfehlung von großer Bedeutung für unser Parlament und für die Länderparlamente ist. Dann sollten wir uns auch etwas Zeit nehmen, den Gesamtzusammenhang noch einmal zu erläutern.