Protokoll der Sitzung vom 28.04.2010

Ich denke, das sollten wir gemeinsam angehen. Auch aufgrund der Veröffentlichungen, die die Sache etwas verdreht haben, konnte ich im ersten Teil der Rede nicht darauf verzichten, das noch einmal darzustellen. Diesen Zusammenhang will ich für die SPD-Fraktion deutlich machen. Wir wollen Malu Dreyer und ihrem Team dafür danken, dass sie mit Hartnäckigkeit und immer wieder einem Hinweis dafür gesorgt haben, dass wir das nur lösen können, wenn wir die Verfassung ändern. In Berlin sind dadurch letztendlich Mehrheiten entstanden. Ich denke, das kann man ruhig sagen. Vielen Dank, Frau Ministerin.

(Beifall der SPD)

Frau Kollegin Thelen hat das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich denke, die Debatte zeigt, wie schwierig die Gemengelage zu Beginn des Gesetzes, im Vorfeld der jetzigen Änderung und im Zusammenhang mit der jetzigen Änderung ist.

Frau Ministerin, ich habe durchaus eingestanden, dass ich in der letzten Debatte die Position der damaligen Bundestagsfraktion ein Stück weit nachvollzogen und vorgetragen habe. Sie hat sich umorientiert. Ich sage, das ist dank einer sehr engagierten neuen Arbeits- und Sozialministerin Frau von der Leyen erfolgt, die das Heft des Handelns gut in die Hand genommen hat.

(Fuhr, SPD: Die hat auch mal etwas gesagt! – Weitere Zurufe von der SPD)

Sie hat es geschafft, zügig in diesen Beratungen voranzukommen.

(Beifall der CDU)

Das ist trotz der Schwierigkeit einer Koalitionsfestlegung gelungen, die diesen Lösungsweg nicht unbedingt befördert hat. Es ist manchmal nicht eine Schwäche von Politik, sondern durchaus Stärke von Politik, wenn man bereit ist, neue Erkenntnisse zur Kenntnis zu nehmen, daraus Schlüsse zu ziehen und von alten Vorhaben abzuweichen.

(Pörksen, SPD: Wenn man gezwungen wird!)

Ich sage, das halte ich für ein sehr positives Ergebnis.

Sie kennen meine Haltung aus langjährigen Debatten, die wir hier geführt haben. Es freut mich, dass der Einfluss der Bundesagentur für Arbeit auf die ARGEn in Zukunft deutlich geringer sein wird. Damit werden individuellere, regional besser verankerte und besser bezogene Hilfen vor Ort möglich sein. Ich bin überzeugt, dass viele Geschäftsführer froh sein werden, diesen Freiraum im Sinne der Betroffenen nutzen zu können.

Von daher kann ich heute der Hoffnung der CDU in diesem Landtag Ausdruck verleihen, dass wir diesen Weg zu einem Erfolg begleiten wollen. Wir müssen im Sinne der Betroffenen und der Beschäftigten versuchen, diese im Ansatz gut vorgegebene Lösung im Ergebnis gut umzusetzen.

Danke schön.

(Beifall der CDU)

Vielen Dank. Für die Landesregierung hat Ministerpräsident Kurt Beck das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe fast das gleiche Gefühl wie Herr Kollege Dr. Schmitz bei der letzten Debatte, die wir hier dazu geführt haben. Er hat die damalige Debatte fast irreal genannt. Ich habe jetzt den Eindruck, dass das eine fast irreale Debatte ist, die seitens der FDP-Fraktion und der CDU-Fraktion dieses Hauses geführt wird.

(Beifall der SPD)

Ich will doch noch einmal als jemand, der beiden Arbeitsgruppen angehört hat – sowohl derjenigen, die den ersten Kompromiss vorgelegt hat, als auch derjenigen, die den zweiten Kompromiss vorgelegt habt –, und in besonderer Anerkennung für Frau Kollegin Dreyer, die für beide Wege die ganz entscheidende Vorarbeit mit ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern geleistet hat, was auch von der CDU auf Bundesebene anerkannt wird, versuchen, unter Betonung dieser Dinge ein paar Dinge aus diesem Irrealen heraus in die Realität zu holen.

Erster Punkt: Es wird ein bisschen vergessen, dass die Tatsache, dass wir diese Probleme mit der Verfassungskonformität hatten, nicht zuletzt – wenn Sie die Protokolle des Bundestages und des Bundesrates nachlesen, werden Sie es nachvollziehen können – etwas damit zu tun hatte, dass die damalige, von Ihnen rotgrün genannte Bundesregierung mit ihren Vorstellungen nicht im Bundesrat durchgekommen ist, es Verhandlungen im Vermittlungsausschuss gegeben hat und diese Form der Mischverwaltung, wie sie letztendlich in Abgrenzung zwischen Optionskommunen und der Organisation der ARGEn dann herauskam, ein nächtlicher Kompromiss im damaligen Vermittlungsausschuss gewesen ist; nur, damit nicht alles hier einfach durcheinandergerührt wird und ein bisschen vergessend das, was wirklich war, dann politisch hier debattiert wird.

Zweite Bemerkung: Es hat dann die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts gegeben. Dort ist deutlich geworden, dass – ich muss sagen, ich begrüße dies aus grundsätzlicher föderalistischer Einstellung – ein direkter Bezug zwischen Bund oder Bundesbehörden und kommunaler Verantwortung so nicht möglich ist, sondern es dazu entweder einer verfassungsrechtlichen Ermächti

gung bedarf oder man einen solchen Weg nicht gehen kann.

Als diese Entscheidung da war und wir wussten, dass mit Ablauf des 31. Dezember des Jahres 2010 damit der im Vermittlungsausschuss gefundene Weg nicht mehr tragfähig wäre oder gangbar wäre, haben wir uns zu diesem Zeitpunkt zusammengesetzt – damals war Olaf Scholz der zuständige Bundesminister, die Regierung von Herrn Kollegen Rüttgers und die rheinlandpfälzische Landesregierung, Federführung in NordrheinWestfalen für die B-Länder, für die CDU-/CSU-geführten Länder, Herr Laumann, für die SPD-geführten Länder Frau Dreyer – und haben an einem Kompromiss gearbeitet.

Wir haben einen Gesetzentwurf vorgelegt, der mit allen – ich unterstreiche, was Frau Dreyer gesagt hat, ausdrücklich –, auch mit der Frau Bundeskanzlerin, abgestimmt war. Das unterstreiche ich ausdrücklich! Dieser Kompromiss sah so aus, als wäre er geeignet – er hat eine Verfassungsänderung beinhaltet –, eine Zweidrittelmehrheit, in jedem Fall auf der Basis der beiden großen Fraktionen im Deutschen Bundestag fußend, herbeizubringen.

Alle, die mitverhandelt haben, haben erstaunt zur Kenntnis genommen, dass es in einem nicht ganz einfachen Diskussionsprozess, wie man weiß, innerhalb der CDU/CSU-Bundestagsfraktion mit der Kanzlerin dann ein Zurückgehen der CDU/CSU-Fraktion – insbesondere auch angetrieben von Herrn Kollegen Kauder, dem Fraktionsvorsitzenden – gegeben hat. Es gab niemanden – auch bei den unionsgeführten Ländern –, die oder der nicht mehr als erstaunt von diesem Kurswechsel gewesen ist. Die Begründungen für dieses Zurückweisen lagen nach außen im Wesentlichen in dieser Behördenstrukturbegründung, aber wer die Diskussion mitverfolgt hat, weiß, dass es eben auch innere Spannungen um eine solche Frage in der Fraktion gegeben hatte.

Das war die Situation. Die Frage war, wie es weitergeht. Zu dem Zeitpunkt, als wir hier debattiert haben – ich habe das Protokoll vom 10. Dezember 2009, unsere Debatte hier dazu, vor mir liegen –, lief – meine Damen und Herren dieses Hohen Hauses, Frau Dreyer hat Ihnen dies auch gesagt – ein intensives weiteres Bemühen, ausgehend von Frau Dreyer, aber auch durchaus nicht ohne Gemeinsamkeit mit anderen Ländern. So ist auch das von Ihnen angesprochene Interview von Herrn Banzer (CDU), Minister in Hessen, und Frau Dreyer zustande gekommen.

Ich erinnere daran, dass wenige Tage nach dieser Debatte und nach vielen Bemühungen, die auch von uns und anderen auf der Länderebene ausgegangen sind, während man auf der Bundesebene handlungsunfähig war, weil die Koalition in ihrer Koalitionsvereinbarung die zitierte Nichtänderung der Verfassung vereinbart hatte, es dann dazu geführt hat, dass – ich will jetzt nicht über Hintergrundgespräche reden, aber auch öffentlich – der Kollege Koch als erster umgeschwenkt ist und sinngemäß gesagt hat: Jetzt reicht es. Jetzt wird eine Verfassungsänderung gemacht. Es reicht von der Sorte. –

Lesen Sie es nach. Sie können es in Presseorganen nachlesen. Frau Thelen und Herr Dr. Schmitz, da Sie sich mit der Materie befassen, wissen Sie das eigentlich auch.

(Beifall der SPD)

Daraufhin hat es das Einsetzen dieser erneuten Arbeitsgruppe gegeben, diesmal zusammengesetzt aus dem Bundesministerium mit Frau von der Leyen jetzt an der Spitze und zusammengesetzt mit dem Land Sachsen, mit Herrn Tillich und seinem zuständigen Minister und mir und Frau Kollegin Dreyer und – nach einem ersten politischen Abklärungsgespräch – mit den zuständigen Sprechern aus der FDP-Fraktion und dem Vorsitzenden der CDU/CSU-Fraktion und der SPD-Bundestagsfraktion. Das war die politische Arbeitsgruppe.

Wir haben dort lange darüber geredet, wie wir denn mit dieser Herausforderung umgehen, um einerseits niemandem das Gesicht zu nehmen, das heißt, auch der CDU/CSU-Bundestagsfraktion und Herrn Kollegen Kauder einen Weg zu bieten, dass er von seiner NeinPosition herunterkommt. Darüber ist hier offen geredet worden, auch in seinem Beisein. Wenn ich hier manche Töne höre, könnte ich meinen – – – Na ja, ich nehme mich jetzt sofort zurück. Aber verstehen Sie, wenn man selbst am Tisch gesessen hat und dann hier hört, was da hineininterpretiert wird, dann könnte man schon Tränen in die Augen bekommen.

(Zurufe von der CDU)

Ja, das ist so. Es ist unglaublich, was hier entgegen der Wirklichkeit herumschwadroniert wird.

(Beifall der SPD)

Wir haben da einen Weg gesucht. In der ersten Vereinbarung, in der der Auftrag an die zuständigen Ministerinnen und Minister und die Fachleute gegeben worden ist – an diesen Fachgesprächen übrigens, die den wirklichen Durchbruch gebracht haben, dass wir am Ende eine politische Lösung hinbekommen haben, hat weder Frau von der Leyen je teilgenommen noch ich, damit das auch klar ist –, waren die gleichen Leute beteiligt, die auch mit Olaf Scholz früher verhandelt haben, an dessen Seite im Übrigen auch. Mein Gott!

Wir wollten eine Lösung, weil wir wussten, was dabei herauskommt, wenn wir keine finden. In dem Gesetzentwurf, wie er jetzt vorliegt, sind mindestens 80 %, wahrscheinlich 90 %, dessen, was im Sommer des vorigen Jahres in der vorherigen Arbeitsgruppe schon erarbeitet worden ist: die Verfassungsänderung und die ganzen Eckpunkte mit Ausnahme einer Variante zu dieser – ja, ich sage einmal – eleganten Umschiffung dessen, was man Behördenstruktur nennt.

Das war die Basis dafür, sich zu verständigen, und die Basis dafür, dass wir dann gemeinsam auch der Öffentlichkeit diesen Vorschlag präsentiert haben. Ich freue mich darüber, dass es so ist, weil das Ergebnis, wenn wir nicht handlungsfähig gewesen wären, wirklich schlimm geworden wäre für die betroffenen arbeitslosen Menschen, aber auch für andere.

Ich habe beispielsweise mit dem Oberbürgermeister von Karlsruhe darüber gesprochen, der mich angesprochen hatte, wissend, dass wir in die Verhandlungen einbezogen sind, der mir gesagt hat: Macht eine Lösung. Wir wissen nicht mehr weiter. – Es sind also nicht nur rheinland-pfälzische Oberbürgermeister und Landräte gewesen, sondern auch andere aus anderen Ländern: Wir wissen nicht mehr weiter. Wir haben Verträge zu verlängern für die Mietbedingungen, wo die ARGEn jetzt untergebracht sind. Meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sagen mir: Wie soll denn das weitergehen? Warum soll ich in einer Behörde tätig sein, die im Dezember 2010 auseinanderfliegt? – Insoweit war der Druck von allen Seiten vorhanden. Deshalb wollten wir eine Lösung. Wir haben sie.

Noch ein weiterer Punkt, damit die Dinge nicht durcheinandergeraten. Die entscheidende Formulierung für die Verfassungsänderung stammt auch von Frau Dreyer. Es war gar nicht einfach, das verfassungsrechtlich hinzubekommen; denn Sie können nicht in die Verfassung schreiben, es gelten 110 Optionsgemeinden. Deshalb ist der Weg gewählt worden, die ARGEn als Regelfall und die Optionsgemeinden als begründete Ausnahmen zu nehmen. Auf der Basis haben wir uns verständigt und sind zu den 110 Optionsgemeinden gekommen.

Jetzt zur Frage der Zahl der Optionsgemeinden. Ja, es ist wahr, die SPD-Bundestagsfraktion hatte mit einer sehr hohen Zahl an Optionsgemeinden durchaus auch politische Probleme wegen der Einheitlichkeit der Verwaltung.

(Zuruf des Abg. Dr. Schmitz, FDP)

Ich sage, sie hatte damit politische Probleme. Was ist daran falsch?

(Hartloff, SPD: Das haben wir nie anders gesagt! – Zuruf des Abg. Dr. Schmitz, FDP)

Das ist so. Lassen Sie mich einmal zu Ende reden.

Das hatte auch Gründe, die eine Menge mit dem zu tun hatte, was aus der Bundesagentur für Arbeit noch heute an Sorge geäußert wird. Reden Sie einmal mit der Leitung und den Personalvertretungen.

Ich sage dazu: Rheinland-Pfalz hatte mit dieser Zahl nie ein Problem. Sie werden von mir schon im Dezember vergangenen Jahres Interviews finden, in denen ich deutlich gemacht habe, dass ich mir eine Größenordnung von 100 Optionsgemeinden vorstellen kann, weil damit immer noch das Regel-Ausnahme-Verhältnis begründbar ist; dies auch deshalb, weil ich an diesem Pult und darüber hinaus bundesweit immer vertreten habe, dass wir in Rheinland-Pfalz Erfahrungen gesammelt haben, nach denen sich durchaus beide Wege als verantwortbar und vertretbar einordnen lassen. Das, was im Landkreis Daun läuft, ist für die dortigen Bedingungen ein akzeptabler Weg. In der Mehrheit sind ohnehin die ARGEn der Regelweg. Das sehen wir gemeinsam so.

Aus rheinland-pfälzischer Sicht mussten wir uns da also nicht überwinden, aber es gab an dieser Stelle, wie an anderer Stelle bei der Unionsfraktion, Hürden zu über

springen. Es war unser Job, gemeinsam mit Herrn Steinmeier und Herrn Heil, der der zuständige Sprecher ist, das hinzubekommen. Wir haben das hinbekommen. Es gibt eine einstimmige Zustimmung der SPDBundestagsfraktion zu dem, was wir als Kompromiss ausgehandelt haben.

Meine Damen und Herren, erlauben Sie mir eine weitere Bemerkung, weil es mir wirklich weh tut, wenn man ein paar Dinge völlig durcheinanderbringt. In den Schlussverhandlungen, an denen die politischen Spitzen des Hauses – Frau von der Leyen, Herr Tillich, die Ministerin und der Minister auf der Landesebene und ich – teilgenommen haben, drohten die Verhandlungen an der Frage zu scheitern, wie wir es hinbekommen, dass der Bund – da ist meiner Meinung nach sein Anspruch berechtigt – dafür, dass er hohe Summen in die Aufgaben hineingibt, ein gewisses Kontrollrecht über diese Mittel erhält, um zumindest gegenüber dem Bundestag Rechnung legen zu können. Das war eine berechtigte Sorge. Diese Sorge hatten sowohl Scholz als auch von der Leyen.

Mir ist dann – ich sage das nicht, weil wir uns loben wollen, sondern weil das die geschichtliche Wahrheit ist –, angelehnt an eine Entwicklung in Rheinland-Pfalz, die bei der Haushaltsführung vorangetrieben worden ist, das Mittel der Zielvereinbarung eingefallen, das ich dann in die Diskussion eingebracht habe. Das war die Grundlage dafür, dass man den Weg gehen konnte, dass der Bund nicht unmittelbar Kontrollrechte hat, aber dem Bund über die Zielvereinbarung die Mitwirkung und die Überwachung ermöglicht wurden. Das war ein ganz entscheidender Punkt, über den wir hinweggekommen sind.

Ich will auch noch einmal unterstreichen, dass die Entsperrung der 3.200 Stellen kein Selbstläufer war. Das war am Ende ein ganz harter Verhandlungspunkt. Als die Journalistinnen und Journalisten schon unten warteten, haben wir diesen Punkt noch einmal ganz unmissverständlich klargemacht. Herr Kollege Kauder hat am Ende gesagt, jetzt haben wir das vereinbart, und ich als Person stehe dafür, dass das durchgeführt wird, weil wenige Tage vorher die Beratungen des Haushaltsausschusses des Bundestages zu dieser Frage stattfanden, die eine Festlegung gebracht hatten. Das musste dann mit Mehrheit verändert werden. Der Vertreter der FDPFraktion saß mit am Tisch. Das war dann ein Ergebnis, das auch innerhalb der Berliner Koalition getragen wurde.