Protokoll der Sitzung vom 29.04.2010

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren Abgeordnete! Ich möchte mich sehr herzlich für die überwiegend doch sehr abgewogenen Ausführungen bedanken. Ich meine, dass es um ein wichtiges Thema geht. Es ist schon gesagt worden, dass die UN-Behindertenrechtskonvention in diesem Haus nicht nur frühzeitig, sondern auch einstimmig unterstützt wurde. Allen musste klar sein, dass das für die Bildungsdebatte bundesweit und auch in Rheinland-Pfalz einen neuen starken Anstoß geben würde.

Zur Ausgangslage gilt es festzuhalten, dass wir bereits heute gute Bildungsmöglichkeiten auch für junge Menschen mit Behinderungen oder mit sonderpädagogischem Förderbedarf haben. Die ausgezeichnete Fachkompetenz unserer Lehrerinnen und Lehrer, aber auch die zunehmend intensivere Zusammenarbeit zwischen Lehrerinnen und Lehrern unterschiedlicher Lehrämter bietet hierfür gute Voraussetzungen.

Wir haben im Land 139 Förderschulen, und wir haben inzwischen 172 Schwerpunktschulen. Wir haben also beachtliche Fortschritte, gerade was den gemeinsamen Unterricht von Schülerinnen und Schülern mit und ohne Behinderung betrifft, zu verzeichnen.

Die Landesregierung hat sich dabei von einer klaren Leitlinie leiten lassen, die man übrigens im Schulgesetz nachlesen kann, Frau Abgeordnete Dickes, nämlich dass das schulische Bildungs- und Erziehungsangebot grundsätzlich selbstständig, barrierefrei und gemeinsam mit nicht behinderten Schülerinnen und Schülern genutzt werden können soll. Unsere Anstrengungen zielen also darauf ab, Schülerinnen und Schüler optimal zu fördern, Förderschulüberweisungen zu verhindern und den Eltern eine Wahlmöglichkeit zwischen integrativer Beschulung und Förderschule zu ermöglichen.

Diese Bemühungen sind nicht ohne Erfolg geblieben. In Rheinland-Pfalz lernen 3,8 % aller Schülerinnen und

Schüler der Primar- und Sekundarstufe I in besonderen Schulformen, also Förderschulen. Damit hat RheinlandPfalz die zweitniedrigste Förderschulquote bundesweit. Nur Schleswig-Holstein ist mit 3,3 % etwas besser.

Ich möchte Ihnen nur die Dimension deutlich machen. Das Land mit der höchsten Förderschulquote liegt bei 9 %. Man sieht daran, dass unsere Schulen schon heute eine erhebliche Integrationsleistung erbringen, indem sie Förderschulüberweisungen vermeiden. Dafür gilt ihnen mein ganz besonderer Dank, weil es eine herausgehobene Stellung ist, die sie sich an dieser Stelle erarbeitet haben.

Es sind aber nicht nur die Gott sei Dank und erfreulicherweise niedrigen Überweisungsquoten an die Förderschule. Es sind auch die 3.000 Schülerinnen und Schüler, die inzwischen in integrativen Maßnahmen in den Grundschulen und Schulen der Sekundarstufe I im Rahmen der Schwerpunktschulen unterrichtet werden. Das sind inzwischen immerhin gut 15 % des sonderpädagogischen Bedarfs, den wir auf diesem Weg abdecken. Auch das war für die Schulen mit Sicherheit eine große Aufgabe und eine große Herausforderung.

Auch wenn wir diesen guten Stand erreicht haben, sage ich gleichwohl, dass uns die Behindertenrechtskonvention auch neue und weitergehende Aufgaben gestellt hat, weil sie ganz eindeutig das Recht auf chancengleiche barrierefreie Bildung frei von Diskriminierung in den Vordergrund stellt. Sie lässt keinen Zweifel daran, dass dazu Entwicklungen – wie es auch Frau Morsblech ausgeführt hat – in Richtung auf ein inklusives Schulsystem erforderlich sind.

Ich bin der festen Überzeugung, dass sich eine Gesellschaft in ganz besonderer Art und Weise daran messen lassen muss, wie sie mit behinderten Menschen umgeht. Ich bin fest davon überzeugt, dass Eltern von behinderten Kindern, die verantwortungsvoll und mit viel Sorge für ihre Kinder die besten Fördermöglichkeiten suchen, unsere Unterstützung brauchen.

Das heißt, dass wir in diesem System auch konsequent darauf hinarbeiten, dass diesem Elternwillen in vollem Umfang Rechnung getragen werden kann. Das ist ein großer Schritt.

Ich weiß, dass das nur schrittweise geht. Ich denke, gerade diesen Eltern müssen wir sehr verantwortungsvoll gegenübertreten und mit ihnen nach den besten Lösungen suchen. Es gibt keinen Zweifel, die UNKonvention ist an dieser Stelle eine echte Verpflichtung.

Frau Dickes, man kann sich nicht nur einen Artikel heraussuchen, diesen interpretieren und zum Maßstab der Dinge machen. Für mich ist es überhaupt keine Frage, dass das Wohl jedes einzelnen Kindes im Mittelpunkt steht. An dieser Stelle hört die Behindertenrechtskonvention nicht auf.

Die Behindertenrechtskonvention richtet sich nicht nur an Individuen. Sie richtet sich auch an die Politik und an die verantwortlich Handelnden, dass sie für Strukturen zu sorgen haben, die diesem Anliegen Rechnung tragen.

Deswegen werden wir wie jedes andere Land in der Bundesrepublik Deutschland gemeinsam mit den Betroffenen überlegen müssen, wo wir noch Schritte weitergehen. Die Grundlinien sind im Aktionsplan ganz klar dargelegt.

Es gibt aber gar keinen Grund, um das mit aller Deutlichkeit zu sagen, Ängste zu schüren, wir wollten jemand zu einem Weg zwingen. Das war noch nie die Linie der Landesregierung. Wir wollen Wahlmöglichkeiten eröffnen, aber diese möglichst umfänglich.

Es gibt schon gar keinen Grund, jetzt Schulen zu suggerieren, ihre Existenz sei gefährdet oder Ähnliches mehr. Wir gehen auf alle, die in diesem System Verantwortung tragen, so zu, wie wir es auch in der Vergangenheit gemacht haben. Wir werden die sonderpädagogische Förderkompetenz in diesem Land, die auf einem guten Stand ist, wie ich es eben dargestellt habe, mit ihnen gemeinsam weiterentwickeln, die Betroffenen, nämlich die Verbände, die Schulen und die Schulaufsicht, mit in den Dialog einbeziehen und zu weiteren Schritten kommen.

Der von Ihnen konkret genannte weitere Schritt eines weiteren Schulabschlusses unterhalb der Berufsreife ist allerdings nicht in unseren Überlegungen enthalten; denn – Frau Brück hat schon darauf hingewiesen – wir haben bereits den Abschluss der besonderen Berufsreife. Das, was wir uns als nächste Schritte überlegen, muss darauf zielen, dass es in noch stärkerem Umfang möglich ist, auch Schülerinnen und Schüler mit Behinderungen zum Abschluss der Berufsreife zu führen und ihnen vor allen Dingen einen guten Übergang in die Ausbildung und den Beruf zu ermöglichen.

Das sind konkrete Dinge, die wir uns gemeinsam mit dem Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Familie und Frauen vorgenommen haben und bei denen wir wissen, dass wir viele Unterstützerinnen und Unterstützer haben, weil es auch unser Verständnis von Chancengleichheit ist.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir wollen die Empfehlungen zur sonderpädagogischen Förderung im Land weiterentwickeln. Wir werden das übrigens im Gleichklang mit 15 anderen Ländern tun; denn wir erarbeiten im Moment auf der Ebene der Kultusministerkonferenz eine entsprechende Weiterentwicklung dieser Empfehlungen. An dieser Neufassung wollen auch wir uns im Land orientieren.

Uns ist ganz wichtig, dass wir das mit den Betroffenen gemeinsam tun; denn das Prinzip, das sich im Aktionsplan „Nichts über uns ohne uns“ wiederfindet, gilt selbstverständlich auch für den Schulbereich.

(Beifall der SPD)

Vielen Dank. Es wird vorgeschlagen, den Antrag der Fraktion der CDU – Drucksache 15/4363 – an den Ausschuss für Bildung und Jugend – federführend – und an

den Sozialpolitischen Ausschuss zu überweisen. – Es erhebt sich kein Widerspruch. Danke.

Ich rufe Punkt 20 der Tagesordnung auf:

Ausbildung in Rheinland-Pfalz Besprechung der Großen Anfrage der Fraktion der CDU und der Antwort der Landesregierung auf Antrag der Fraktion der CDU – Drucksachen 15/4076/4184/4340 –

Es wurde eine Grundredezeit von fünf Minuten vereinbart. Das Wort hat Herr Kollege Licht von der CDUFraktion.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Die Situation auf dem Ausbildungsmarkt muss permanent im Fokus der Politik stehen. Das will ich noch einmal ganz deutlich feststellen. Dazu gehört eine Analyse und auch eine solche Große Anfrage. Sie muss der Weiterentwicklung dienen. Die Zukunft des Wirtschaftsstandortes Rheinland-Pfalz ist ein wesentlicher Aspekt, dem man solche Analysen zugrunde legt. Wie wird sich der künftige Arbeitsmarkt entwickeln? Was kann man aus solchen Zahlen herausnehmen?

Meine Damen und Herren, wir wollen alle, dass in der Zukunft eine gute Bildung und eine gute Ausbildung zu keiner Verschärfung auf dem Arbeitsmarkt vielleicht noch zusätzlich beitragen.

Die Antworten, Meldungen und auch die Diskussionen in den letzten Wochen sind in Teilen alarmierend. Ich meine, das gilt es an dieser Stelle noch einmal deutlich festzuhalten.

Die Ausbildungsbefähigung ist beispielsweise ein alarmierender Punkt, der in der Abfrage noch einmal deutlich wurde. Wenn Zeit genug ist, will ich auch darauf noch einmal speziell eingehen. In fünf Minuten kann man aber die Große Anfrage nicht in allen Facetten beleuchten.

Meine Damen und Herren, es hat auch eine gewisse Logik, dass alles aus diesen Diskussionen heraus auch zu Schlussfolgerungen führen sollte und muss. Wenn über solche alarmierenden Zahlen diskutiert wird und solche Punkte alarmieren sollen, muss auch eine solche Anfrage dazu führen, die Entwicklung des Ausbildungskräftemangels intensiver zur Kenntnis zu nehmen. Dass es einen solchen Mangel gibt, wissen viele im Speziellen. Man muss darüber auch breit debattieren, damit man auch so etwas zur Kenntnis nimmt und es eine breite Initiative gibt, darauf abzustellen.

Es muss alles vermieden werden, dass sich die Situation noch verschärft. Es muss alles getan werden, um einen Mangel so weit wie möglich zu vermeiden.

Wir sollten – auch das ist nicht unwesentlich – den Ausbildungspakt, den es gibt und der mit den Verbänden zu guten Lösungen geführt hat, auch angesichts der Zahlen und Fakten zum Weiterbildungspakt entwickeln.

Meine Damen und Herren, ich möchte Ihnen einige ganz wenige Punkte aus dem Bericht vortragen. Die Folgen des demografischen Wandels führen zu einer sinkenden Zahl der Schulabgänger. Zwischen 2010 und 2020 sinkt ihre Zahl um gut 7.000. Das ist eine große Zahl, auf die man sich einstellen muss, weil morgen und übermorgen der Arbeitsmarkt davon betroffen ist. Diese Entwicklung trifft zuallererst die bei den Lehrstellenbewerbern ohnehin nicht besonders gefragten Berufe.

(Vizepräsident Bauckhage übernimmt den Vorsitz)

Was machen diese Betriebe, die solche Berufsausbildungen anbieten? Trotz unbesetzter Stellen – auch das zeigt die Anfrage – in einigen Berufen gibt es in den gleichen Berufen unversorgte Jugendliche. Aus der Anfrage geht hervor, dass natürlich regionale Diskrepanzen im Land Rheinland-Pfalz mit Ursache für die Konzentration der Jugendlichen bei der Berufswahl auf wenige Berufsfelder sind und – da bin ich wieder bei dem Punkt Ausbildungsbefähigung – die Ursache seitens der Arbeitgeber ein Mangel an fachlichen, sozialen und persönlichen Kompetenzen bei den Auszubildenden ist.

Meine Damen und Herren, das ist alarmierend. Die Zahl vorzeitig gelöster Ausbildungsverhältnisse steigt. Die Nachfrage nach besser qualifizierten Nachwuchskräften wird langfristig sogar auch bei uns zunehmen. Der künftige Arbeitsmarkt kann sich keine Verluste an Nachwuchskräften durch Erfolglosigkeit der Schulbildung leisten. Auch darüber muss man reden. Man muss darüber sprechen: Was ist an den berufsbildenden Schulen los? Wie viele Ausfälle sind dort zu verkraften? Was gibt es dort an Ausfällen? Wie weit sind dort die schulischen Leistungen zu betrachten und zu verbessern? –

Der Wettbewerb zwischen den Regionen in Deutschland um die besten Nachwuchskräfte wird kontinuierlich zunehmen, nicht nur innerhalb Deutschlands, sondern auch innerhalb von Rheinland-Pfalz. Wie stellen wir uns darauf ein? Die Berufsorientierung in der Schule muss verstärkt werden, ist eine der Forderungen, die ich eben schon angesprochen habe. Insgesamt muss die Beratung zum Thema „Ausbildung“ zur Optimierung des Berufswahlverhaltens intensiviert werden.

Dieser fünfte Punkt, den ich ansprechen will, die Arbeitgeberkritik an der unzureichenden Ausbildungsreife, muss aufgegriffen werden

(Glocke des Präsidenten)

und zu Konsequenzen führen.

Diesen Punkt – das will ich zum Schlussappell sagen, weil man es in diesen fünf Minuten nicht ausführlich betrachten kann – will ich in den Fokus der künftigen Gespräche gestellt wissen. Wir müssen die Ausbildungsbefähigung im Fokus behalten.

(Glocke des Präsidenten)

Das sind wir den Betrieben, aber auch den jungen Menschen schuldig.

(Beifall der CDU)

Das Wort hat Frau Abgeordnete Sahler-Fesel von der SPD-Fraktion.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrte Damen und Herren! Bildung und Ausbildung, das ist fürwahr der Schlüssel für selbstbestimmte Teilhabe am gesellschaftlichen Leben und genau die Grundlage, die wir hier verwirklichen wollen. Ich hatte mich beim Einbringen der Anfrage gefragt, wieso Sie die Fragen, die nach verschiedenen Aufteilungen doch sehr differenziert waren, nach den benachteiligten Jugendlichen auf dem Ausbildungsmarkt so ganz ausgeblendet haben. Ich muss sagen, nach der Einlassung von Frau Dickes verstehe ich das etwas besser.

Ich möchte zur Großen Anfrage generell sagen, dass Rheinland-Pfalz gut aufgestellt ist; denn die Unternehmen in Rheinland-Pfalz stehen im Bereich Ausbildung nicht allein in der Verantwortung, sie werden von der Landesregierung intensiv unterstützt. Der ovale Tisch des Ministerpräsidenten bündelt die Akteure, und in der Vereinbarung „Ausbildung für Rheinland-Pfalz 2007 bis 2010“ stellen sich die Landesregierung, die Kammern, die IHK und Handwerkskammer, die freien Berufe und die Regionaldirektionen der Bundesanstalt für Arbeit der gemeinsamen Verantwortung.

Ein Punkt dieser Vereinbarung ist die Akquise von neuen Ausbildungsstellen, ein ganz zentraler Punkt, der im Laufe dieser Jahre umgesetzt wurde. Es wurden tatsächlich mit vielen Anstrengungen mehr Ausbildungsplätze akquiriert. Es hat sich gezeigt, dass auch in der Krise die Ausbildung auf hohem Niveau Bestand hatte. Die Zahl der Ausbildungsverträge ist zwar rückläufig, allerdings ist – die demografische Entwicklung wurde von Herrn Licht schon angesprochen – auch die Zahl der Bewerber und Bewerberinnen rückläufig.

Deutlich zurückgegangen ist – das kann man als positiv ansehen – der Anteil der unversorgten Jugendlichen in den letzten fünf Jahren. Was ebenfalls positiv zu sehen ist, sogar sehr positiv, ist, dass die Zahl der offenen Stellen in den letzten zwei Jahren höher war als die Zahl der unversorgten Jugendlichen. Herr Licht hat schon darauf hingewiesen, das ist natürlich regional verschieden, sodass das man das nicht einfach übereinanderlegen und sagen kann: Prima, jetzt sind alle versorgt. – Das heißt, die Anstrengung zur Versorgung der unversorgten Jugendlichen muss weiterhin bestehen bleiben. Auch da ist ein Erfolg des ovalen Tisches des Ministerpräsidenten, diese Nachvermittlungsbörse, dem Tag der Chancengleichheit bei den Regionalagenturen, wo jedem Jugendlichen ein Angebot gemacht wird für eine Maßnahme, für einen Ausbildungsplatz, sodass die Zahl