Protokoll der Sitzung vom 23.06.2010

(Ministerpräsident Beck: Wir haben regiert und Vor- schläge gemacht und sind abgestraft worden!)

Das ist richtig. Da haben Sie recht. Ich weiß, wie bitter das für Sie war. Das war damals trotzdem eine richtige Entscheidung; denn es wird am Schluss nicht gefragt, wer macht am Wahltag was, sondern am Schluss wird gefragt, welcher Weg für dieses Land richtig ist, um die Geldwertstabilität zu halten. Das wird am Schluss die Frage sein. (Beifall der FDP)

Dazu braucht man auch den Mut zu Einsparungen.

(Beifall der FDP)

Das Wort hat Herr Kollege Dröscher von der SPDFraktion.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn man sich das Gerede von den sozial ausgewogenen Sparvorschlägen genau betrachtet, kommt man zu einem ganz anderen Ergebnis.

Ich will noch ein paar Sätze zu den konkreten Auswirkungen auf Familien und Rentner sagen, die nicht auf der Sonnenseite des Lebens leben. Es gibt aber natürlich auch junge Familien und Rentner, denen es gut geht.

Ich will versuchen, einige Dinge aufzugreifen und werde mich dabei aber weniger mit den Luftbuchungen beschäftigen, die auch in diesem Sparprogramm im sozialpolitischen Bereich enthalten sind, wie zum Beispiel die zu erwartenden Einsparungen bei der BA oder durch Effizienzverbesserungen bei der Arbeitsvermittlung, die steigen und dafür sorgen sollen, dass die Einsparungen im sozialpolitischen Bereich nicht nur 5 Milliarden Euro, sondern im nächsten Jahr fast 7 Milliarden Euro, im übernächsten Jahr 9 Milliarden Euro und dann 10,6 Milliarden Euro oder fast 11 Milliarden Euro betragen sollen, sondern ich will einige ganz kleine Dinge betrachten.

Die Abschaffung des befristeten Zuschlags beim Übergang vom Arbeitslosengeld I in die Grundsicherung für Arbeitsuchende, also in das Arbeitslosengeld II, wurde bereits vom Ministerpräsidenten angesprochen. Da ist eigentlich ein kleiner Betrag geplant, der sich auf 200 Millionen Euro beläuft. Für die betroffenen Menschen bedeutet das aber einen direkten Absturz in das, was wir durchaus nicht als ein tolles Leben betrachten, nämlich in das Arbeitslosengeld II. Ich meine, das ist ungerecht. Das ist der erste Begriff, den ich für diese Sparvorschläge einwerfe.

Der zweite Punkt, den ich ansprechen möchte, ist die Abschaffung des Elterngeldes für Arbeitslosengeld-IIEmpfänger. Da sind 0,4 Milliarden Euro, also 400 Millionen Euro geplant. Es ist nicht zu verstehen, ich meine, es ist eher beschämend, was da geplant ist. Die Ehefrau eines gut verdienenden Menschen, die zu Hause bleibt, soll den Mindestsatz bekommen und jemand, der Arbeitslosengeld II bezieht, nicht. Das ist für mich eine beschämende Geschichte.

(Vereinzelt Beifall bei der SPD)

Das Dritte ist die Abschaffung der Beiträge zur Rentenversicherung im Rahmen des Arbeitslosengeldes II. Diese Maßnahme erscheint mir sinnlos, weil nichts dabei herauskommt. Das führt zu einer Belastung der Rentenversicherung. Dabei kommt für manche mehr Geld heraus, weil sie die Ansprüche auf Erwerbsminderungsrente in höherem Umfang behalten, als wenn Rentenbeiträge bezahlt würden. Für andere kommt dabei gar nichts heraus. Das ist lediglich ein Verschiebebahnhof. Das wurde heute bereits erwähnt.

Ein weiterer Punkt ist die Umwandlung von Pflicht- in Ermessensleistungen. Da geht es um einen erheblichen Betrag. In diesem Fall sollen auf Dauer bis zu 5 Milliarden Euro gespart werden. Das sind etwa 50 % der

Summe, die für die sogenannten Pflichtleistungen ausgegeben wird. Sie werden für Berufsausbildungsbeihilfe, für berufsvorbereitende Maßnahmen, für RehaLeistungen, für Gründungszuschüsse, für den nachträglichen Erwerb des Hauptschulabschlusses, für die Entgeltsicherung von älteren Arbeitnehmern, für Vermittlungsgutscheine usw. ausgegeben. Ich meine, das ist ein eher zynischer Sparvorschlag.

(Beifall der SPD)

Zuletzt noch ein Begriff, der wirklich vom Wort her zu dem Sparvorschlag passt, nämlich die Kürzung des Heizkostenzuschusses beim Wohngeld. Hier passt der Begriff „eiskalt“ meiner Meinung nach ganz gut; denn das wird das für viele bedeuten.

Man muss sich das genau betrachten. Das sind eigentlich keine riesigen Beträge, weil die Summen, die genannt werden, nicht die Zuschüsse beinhalten, sondern die Erhöhung der Bemessungsgrundlage. Durch diese Wohngeldzahlungen kommen aber viele Menschen aus dem Hartz-IV-Bezug heraus.

Das ist meiner Meinung nach der entscheidende Punkt. Es ist nicht nur das Geld – 6 Euro oder meinetwegen 22 oder 24 Euro bei einer Familie mit Kindern –, sondern es geht auch um die Situation, in die diese Menschen wieder kommen.

Ich erlebe es in meinem Wahlkreisbüro mindestens wöchentlich, dass Menschen kommen und sagen, die ARGE hat mich beauftragt, Wohngeld zu beantragen. Dann komme ich als Aufstocker vielleicht aus dem Hartz-IV-Bezug heraus. Es ist eine ganz bedeutende Sache, nicht mehr dauernd von Kürzungen bedroht zu sein oder sich unter dieser Kontrolle zu befinden. Ich meine, die einzusparende Summe, die nicht riesig ist, wird für die Menschen am Ende des Jahres allerdings doch etwas ausmachen, egal ob es 200 oder 300 Euro sind.

(Glocke des Präsidenten)

Das ist eine ganz schwierige Geschichte.

Das kann man als sozialpolitisch denkender Mensch nur ablehnen. Ich kann auch nicht verstehen, dass man auf diesen Gedanken kommt.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall der SPD)

Das Wort hat der Kollege Baldauf von der CDU-Fraktion.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn man sich vor Augen führt, in welchem Haus wir uns hier befinden, ist es schon bemerkenswert, welche Rede der Herr Ministerpräsident gerade abgeliefert

hat. Ich kam mir zum Teil wirklich vor, als befänden wir uns hier gar nicht im Landtag, sondern im Bundestag und als wäre der Herr Ministerpräsident gar nicht Ministerpräsident unseres Landes, sondern sei der Meinung, er könne alles das, was er hier kritisiert hat, selbst lösen.

(Frau Raab, SPD: Was ist das für ein Föderalismusverständnis?)

Als ich vorhin hier saß und gelacht habe, haben Sie gesagt, man möge darüber nicht lachen, Herr Ministerpräsident. Gehen Sie einmal davon aus, dass ich diese Woche wirklich nur einmal habe richtig lachen können, nämlich, als ich gehört habe, dass auf einem Konto in den USA lediglich 50 Dollar sind. Darüber habe ich lachen können.

(Ministerpräsident Beck: Sagen Sie doch einmal etwas zur Sache!)

Ich will Ihnen noch sagen, worüber ich nicht habe lachen können. Nehmen Sie einmal den heutigen Pressespiegel. Wir sollten uns nämlich auch mit dem beschäftigen, für das Sie zuständig sind.

(Beifall der CDU)

Heute heißt es im Pressespiegel: Die Länderhaushalte leiden unter den Folgen der Krise; Rheinland-Pfalz steht vor Bremen am Schluss.

(Zuruf des Abg. Bauckhage, FDP)

Der Kollege Bauckhage führt gerade aus: Wo sind denn Ihre Einsparvorschläge? Sie stellen sich hier ans Rednerpult – und die Finanztransaktionssteuer erkläre ich Ihnen nicht noch einmal mit Shanghai; das haben wir das letzte Mal durchdekliniert –, beschweren sich und schimpfen auf die Bundesregierung, während Sie in diesem Land einen Haushalt an die Wand fahren, nachdem Ihnen der Rechnungshof gerade wieder gesagt hat, dass Sie die Kommunen ausbluten lassen, meine sehr verehrten Damen und Herren. Damit haben wir es hier zu tun. (Beifall der CDU)

Herr Ministerpräsident, man kann wirklich über alles reden. Im Übrigen fand ich es gut, dass Sie selbst festgestellt haben, dass auf Bundesebene an der einen oder anderen Stelle, gerade bei der Bundesagentur für Arbeit, durchaus Einsparpotenziale bestehen. Ich sage Ihnen aber auch Folgendes: Weil Sie hier Verantwortung für unser Land tragen, kann ich von Ihnen auch erwarten, dass Sie uns ein Zukunftskonzept vorlegen, das dazu führt, dass wir nicht weiter so in die Verschuldung fahren, wie wir das jetzt tun. Im Zeitraum von 2004 bis 2009 gab es einen Schuldenzuwachs von 19 %, obwohl wir 2007 und 2008 so gute Steuereinnahmen gehabt haben, wie wir niemals vorher hatten.

(Beifall der CDU)

Herr Ministerpräsident, man kann in der Tat über alles reden. Herr Kollege Dröscher, natürlich ist immer die Frage: Was ist gerecht, und was ist nicht gerecht? – Wenn man über Einsparvorschläge diskutiert und wenn

es Einsparungen gibt, sind sie zunächst immer schmerzhaft.

(Ministerpräsident Beck: Die Frage ist doch, für wen!)

Sie müssen auch verkauft werden. Natürlich müssen sie unter dem Strich auch gerecht sein. Das ist selbstverständlich richtig. Ich sage Ihnen aber auch Folgendes: Sie müssen an einer Stelle auch ehrlich sein und anfangen. Meine Meinung und die Meinung vieler dazu kennen Sie. Dass das nicht das Ende gewesen sein kann, wissen wir alle. Lassen Sie uns aber auch gemeinsam darüber diskutieren, wie wir den nächsten Schritt gehen.

Herr Ministerpräsident, ich habe allerdings noch Ihre Worte im Ohr, als es vor zwei Jahren um die Abflachung der kalten Progression ging, also um die Frage, wie man denjenigen helfen kann, die kleine und mittlere Einkommen haben und vielleicht mal ein bisschen mehr Geld zum Ausgeben haben wollen.

Damals haben Sie vehement gesagt: Das machen wir aber auf keinen Fall. – Als gerade den Fleißigen, den Leistungsträgern hätte geholfen werden können, haben Sie also Nein gesagt. Jetzt, wo der Kollege Lauk mit einem wirklich durchaus diskutablen Vorschlag kommt – übrigens finde ich meinen Vorschlag ebenfalls diskutabel; Sie haben es ja auch nicht ausgeschlossen –,

(Ministerpräsident Beck: Diskutabel ist er schon! Er ist nur falsch!)

sollte man nicht auf dieses Pferd springen und sagen: Wir sehen es in dieser Form, und die ganze CDU sieht es anders. – Herr Ministerpräsident, vor zwei Jahren haben Sie genau das Gegenteil dessen erzählt, was Sie heute erzählen. Bleiben Sie doch endlich einmal bei Ihren Vorschlägen.

(Beifall bei der CDU)

Jetzt sage ich Ihnen noch eines: Wir sind sogar bereit – stellen Sie sich das vor –, Ihnen hier im Lande dabei zu helfen, dass die Verschuldung nicht weiter so vehement nach oben geht.

(Frau Raab, SPD: Durch Ihre Anträge!)

Lassen Sie uns aber endlich einmal darüber diskutieren, was in diesem Land in dieser Form notwendig ist und wie wir es finanzieren wollen.

Sehr geehrter, lieber Herr Ministerpräsident, wenn man einen Nürburgring in dieser Form finanziert und es bis heute nicht hinbekommen hat, uns glaubwürdig zu erklären, dass das Ganze in Zukunft privat ist – wir alle wissen, dass weiterhin in ganz erheblicher Höhe Steuergelder benötigt werden, um dieses Ding weiterzuführen –, dann frage ich Sie im Ernst: Was ist daran nachhaltig?

An dieser Stelle sage ich Ihnen auch: Reden ist manchmal Silber; Schweigen ist Gold.