Protokoll der Sitzung vom 24.06.2010

Die grundsätzliche Beibehaltung der Wehrpflicht ermöglicht es, weiterhin alle jungen Männer zu mustern und damit eine Erfassung zu haben und über die Kreiswehrersatzämter für den freiwilligen Wehrdienst dann auch entsprechend werben und die Vorteile in einer entsprechenden intensiven Beratung aufzeigen zu können.

Die Dauer soll mindestens neun Monate betragen und kann, wie dies derzeit beim verlängerten Wehrdienst auch möglich ist, auf zwei Jahre verlängert werden. Wir gehen davon aus, dass sowohl für den Wehr- als auch den Zivildienst für diesen Fall in erster Linie Freiwillige diese Aufgaben übernehmen. Das soll dann auch nicht im Sinne der Musterung, aber im Sinne der Werbung – also der freiwillige Wehrdienst und der Zivildienst – für Frauen geöffnet werden.

Bisher gilt die Wehrpflicht nicht für Frauen, weil man sagt, wenn Frauen sich für ein Kind entscheiden, dann kommen andere Brüche im Verlauf eines Berufslebens hinzu. So war die zentrale Argumentation, neben der früheren Frage, die heute mit länger dienenden Frauen bei der Bundeswehr auch an der Waffe anders beantwortet wird. Aber früher ging es auch um die Frage des Waffendienstes von Frauen.

Wir sind jetzt in einer anderen Phase. Also wir plädieren grundsätzlich für eine Öffnung und die Möglichkeit, dass Frauen geworben werden und diesen freiwilligen Wehr- oder Zivildienst nach ihrer eigenen Entscheidung machen können.

Das eine ist jetzt der Appell an alle jungen Menschen, auch einen Beitrag für die Gemeinschaft zu leisten. Es ist übrigens kein schlechter Appell, wie ich finde. Ich kann nur das bestätigen, was andere gesagt haben, aus eigener Erfahrung, aber auch aus der Erfahrung meines Sohnes, der noch 18 Monate gedient hat. Danach wurde es verkürzt. Es entstehen dort Erfahrungen und Freundschaften, die ein ganzes Leben halten und oft über spätere berufliche Bezüge weit hinausgehen. Das tut sehr gut.

Neben diesem Appell an die Verantwortung für das Gemeinwesen geht es natürlich auch darum, Anreizsysteme zu schaffen. Diese stellen wir uns wie folgt vor:

1. Wenn man sieht, wie die Ausfallkosten im Bereich Wehrdienst sind und wie die Kosten wären, wenn man die Wehrpflicht in vollem Umfang von Berufssoldaten, welcher Einstufung auch immer, wahrnehmen würde, dann ist es sicherlich verantwortbar und unter dem Strich sicherlich noch preislich günstiger, wenn man eine Verbesserung des Wehrsoldes und analog auch der Entschädigung für Zivildienstleistende einführt.

Darüber hinaus muss dann auch ein angemessener Anspruch für die Sozialversicherung entstehen. Gerade für die Zivildienstleistenden ist dies nicht zufriedenstel

lend gelöst. Man müsste es dann entsprechend analog dem Wehrdienst und in beiden Fällen mit einer entsprechenden Verbesserung lösen.

2. Wir hätten wieder die Möglichkeit, sowohl für den Wehrdienst als auch analog im Bereich des Zivildienstes neben der Grundausbildung das, was wir zu unserer Zeit jedenfalls Vollausbildung genannt haben – ich weiß gar nicht, wie es heute heißt –, also entsprechende Spezialisierungen durchzuführen. Unser Vorschlag geht dahin zu sagen, wir schaffen Module der Weiterbildung auf eine ganz vielfältige Art und Weise, die man als Fähigkeit erwerben kann.

Als Beispiel will ich den Automobilmechaniker nennen, der zur Bundeswehr geht und dort ein Zertifikat über Hydrauliktechnik erwerben kann. Als weiteres Beispiel nenne ich einen Koch, der bei der Bundeswehr ein Zertifikat bekommt, dass er Erfahrungen in einer Großküche gesammelt hat. Damit kann er eine zusätzliche Qualifikation neben der Lehre, die er mitgebracht hat, einbringen. Das kann man in dem weiten Feld der Elektronik und der Mechatronik noch deutlicher durchdeklinieren. Ich weiß ein bisschen, wovon ich rede, weil ich den Beruf bei der Bundeswehr erlernt habe. Da ist sehr viel vorstellbar.

Entsprechendes sollte im Bereich des Zivildienstes möglich sein, um sich für soziale Berufe zu qualifizieren. Der nächste Schritt ist, dass das, was dort geleistet worden ist, als Wartezeiten, als Vorqualifikationen und gegebenenfalls als Praktikum für ein Studium an einer Fachhochschule, Hochschule oder Fachschule, beispielsweise für Erzieherinnen und Erzieher, anerkannt wird. Damit kann das Studium zeitlich verkürzt werden. Damit kann auch schon eine Qualifikation mit ins Studium gebracht werden.

Ich habe mit einer großen Zahl von Unternehmern gesprochen. Der entscheidende Punkt ist, dass wir anregen möchten, dass es in der Bundesrepublik Deutschland möglich wäre, zwischen den Unternehmerverbänden und den öffentlichen Arbeitgebern eine Vereinbarung zu schließen, dass diese freiwillig bei der Bundeswehr oder im zivilen Bereich Dienenden bei gleicher Grundqualifikation bevorzugt eingestellt werden können. Das ist nicht so neu.

Für die öffentlichen Arbeitgeber haben wir so etwas für die Zeitsoldaten. Ich denke, eine solche Lösung könnte man im Sinne einer gemeinschaftlichen Verantwortung für diesen Staat, für das Gemeinwesen und seine Sicherheit und, wenn man so will, für die soziale Sicherheit, wenn man an den Zivildienst denkt, sicher miteinander erreichen. Dazu benötigt man entsprechende Gespräche und Verhandlungen.

Das ist im Wesentlichen das, was wir uns vorstellen. Sicher muss eines hinzukommen. Wir müssen Analoglösungen für das freiwillige soziale und das freiwillige ökologische Jahr suchen. Das gilt auch beispielsweise für diejenigen, die für Spezialaufgaben bei den Feuerwehren freigestellt sind. Dort müssen wir analoge Regelungen finden. Das gilt auch für die jungen Leute, die freiwillig in den internationalen Entwicklungsdienst gehen und dort ihre Leistungen erbringen.

Das sind Analogien, die im Detail sicher nicht einfach aus dem Ärmel zu schütteln sind, die man ohne größere Schwierigkeiten miteinander hinbekommen kann.

Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, wir werben dafür, dass über eine solche Frage miteinander nachgedacht wird, dass wir längerfristige Perspektiven und eine entsprechende Lösung der anstehenden Herausforderungen miteinander verknüpfen können.

Die Landesregierung hat sich mit diesem Konzept befasst und sagt nicht, das muss genauso kommen, alles andere wäre völlig falsch. Das ist nicht der Punkt. Wir wollten einen Anstoß geben, der nicht nur abwartet und man dann schaut, wie man die Probleme lösen kann, die zweifelsfrei auf uns zukommen, sondern man versucht, aktiv gestaltend an der Diskussion mitzuwirken.

Ich habe dieses Konzept entwickelt zusammen mit vielen Verantwortlichen aus der Bundeswehr, zum Beispiel einem früheren Generalinspekteur, einer Reihe von Generälen der unterschiedlichsten Waffengattungen, mit Truppendienstoffizieren, die selbst Ausbildungserfahrung haben, mit Zivilverantwortlichen aus dem zivilen und aus dem politisch-zivilen Bereich um die Bundeswehr herum. Ich hoffe, dass wir eine sachbezogene Diskussion anstoßen können.

Ich habe Gelegenheit gehabt, in der nächsten Zeitschrift „DIE BUNDESWEHR“ zu veröffentlichen. Wie gesagt, es geht nicht darum, in allen Punkten recht zu bekommen, sondern darum, konzeptionell aus dieser Sackgasse, Wehrpflicht ja oder nein, herauszufinden und eine möglichst freiwillig basierte, aber doch fundierte Lösung anzuregen.

Ich wäre dankbar, wenn wir im Zuge der weiteren Diskussionen diese konzeptionellen Überlegungen weiter miteinander diskutieren könnten, um nicht am Ende nur einen Schlagabtausch „Funktioniert der Zivildienst noch, was bedeutet es für Menschen mit Behinderungen, was bedeutet es für die Rettungsdienste usw. ?“, zu führen. Also, es soll nicht eine Diskussion übrig bleiben, die man nicht befriedigend zu einer Lösung führen kann.

Vielen Dank.

(Beifall der SPD)

Aufgrund der Redezeit der Landesregierung hat jede Fraktion noch drei Minuten Redezeit. Das Wort hat Herr Abgeordneter Noss von der SPD-Fraktion.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich glaube, ich kann feststellen, dass alle Fraktionen mit mir übereinstimmen, dass sich der Auftrag der Bundeswehr in den Jahren ihres Bestehens grundsätzlich geändert hat. Wir haben völlig neue Herausforderungen, auf die wir entsprechend reagieren können.

Ich wohne in Birkenfeld, wo die Bundeswehr ein ganz wichtiger Faktor auch im gesamten Kreis ist. Von daher weiß ich, dass es seit Bestehen der Bundeswehr irgendwelche Strukturreformgremien oder ähnlich Genanntes gibt, die sich damit beschäftigen, wie die Bundeswehr für die Herausforderungen der kommenden Jahre fit gemacht und umgestaltet werden kann.

Herr Innenminister, bei der jetzigen Umgestaltung bin ich nicht Ihrer Meinung. Sie haben es vorhin gesagt, ich habe es versucht aufzuschreiben. Sie sagten, der Grundwehrdienst ist wichtig, da stimme ich Ihnen zu, egal wie lange er dauert, da stimme ich Ihnen nicht zu.

Der Grundwehrdienst bzw. die Zeit der Ausbildung muss so geartet bzw. von ihrer Länge gestaltet sein, dass die Möglichkeit besteht, den Soldaten das beizubringen, was sie brauchen, um ihnen die Möglichkeit zu geben, ihren Dienst vernünftig zu versehen. Vorgesehen ist, die bisherige Grundausbildung von drei auf zwei Monate zu verkürzen. Je nach Fachrichtung, wo der Soldat eingesetzt werden soll, soll es eine etwa einmonatige Ergänzungsausbildung geben.

Darüber hinaus ist ein dreimonatiger Verbleib in der jeweiligen Funktion vorgesehen. Man muss sich vorstellen, man kommt auf einen Arbeitsplatz für sechs Monate. Man versucht das abzureißen, und danach geht man wieder zurück. Ich kann mir nicht vorstellen, dass der Soldat dort großes Engagement zeigt, sondern er versucht, diese drei Monate, die verbleiben, gut hinter sich zubringen. Von daher gesehen glaube ich, dass der Entschluss, die Wehrdienstzeit von neun auf sechs Monate zu verkürzen, falsch war.

(Beifall bei der SPD)

Eines sollte ganz klar sein, die Bundeswehr ist ein so komplexes Gebilde und in der Bevölkerung verankert, dass es notwendig ist, Veränderungen, die die Struktur betreffen, auch unter den Aspekten der Sicherheits- und Gesellschaftspolitik zu diskutieren und nicht so sehr die finanzielle Dimension in den Vordergrund zu rücken, wie es offensichtlich hier der Fall war. Das hat für uns in Rheinland-Pfalz eine doppelte Brisanz. Es liegt ein neues Standortkonzept der Bundeswehr vor, das besagt, dass Standorte, die weniger als 900 Dienstposten haben, entsprechend verkleinert werden sollen.

Wir haben in Rheinland-Pfalz mittlerweile noch 36 Dienststellen, von denen lediglich zehn über dieser Zahl liegen. Das heißt für uns, dass dort auf uns Probleme und Verhandlungsbedarfe zukommen, denen wir uns stellen müssen. Man weiß, dass die Bundeswehrstandorte in der Regel dort sind, wo eine Strukturschwachheit herrscht. Das gilt für die Westpfalz, den Hunsrück und gegebenenfalls für die Eifel. Eine weitere Ausdünnung dort ist fatal.

Hinzu kommt, wir sind immer noch damit beschäftigt, die Probleme der ersten Konversionswelle Ende der 80erJahre abzuarbeiten. Bei uns in Birkenfeld ist das beispielsweise hervorragend mit der Fachhochschule Umwelt-Campus gelungen. Dort studieren mittlerweile rund zweieinhalbtausend Studierende. Es ist in Zweibrücken gelungen, in anderen Standorten ebenfalls. Wir haben

genug Fachhochschulen im Land. Birkenfeld hat beispielsweise die 2. Luftwaffendivision. Die Heinrich-HertzKaserne war ursprünglich eine mit fast 2.000 Soldaten. Jetzt sind dort noch 480 Soldaten, Kommandostab 2. Luftwaffe und einige Unterstützungsverbände.

Wenn diese Kaserne geschlossen werden würde, hätten wir ein riesiges Problem. Wer sich dort halbwegs auskennt, der weiß, dass dies ein Areal ist, das von der Kommune nicht zu bewältigen sein wird.

(Beifall bei der SPD)

Das ist eben auch ein Problem, das uns sehr treffen würde. Darüber hinaus ist natürlich einhergehend mit dem Wehrdienst die Frage des Zivildienstes zu sehen, der ebenfalls angesprochen wurde. Wir brauchen im Moment den Zivildienst einfach deshalb, um unsere Systeme im Bereich der Pflege, des Rettungsdienstes und der sonstigen sozialen Dienste überhaupt finanzierbar zu halten. Ich bin selbst Mitglied eines Kuratoriums einer Stiftung, die sich für Leukämiekranke einsetzt. Ohne Zivildienstleistende wären wir nicht in der Lage, unseren Auftrag zu erfüllen. Das sage ich ganz klar.

(Beifall des Abg. Schweitzer, SPD)

Deshalb ist es der falsche Weg, dass wir jetzt den Weg so beschreiten, wie ihn die Bundesregierung will. Die Zivildienstleistenden haben die Möglichkeit, ihre Dienstzeit von sechs Monaten auf längstens ein Jahr zu verlängern. Dabei erhalten sie den normalen Sold. Geld, das darüber hinaus gezahlt werden soll, das die Wehrpflichtigen, die den Wehrdienst leisten, vom Bund bekommen, müssten hier die jeweiligen Träger ohne Erstattungsanspruch leisten.

Das heißt also, dass dort der jeweilige Träger einspringen müsste. Wer weiß beispielsweise, wie die Kostenrechnungen im Bereich von Pflegeheimen aussehen und dass wir dort mit viel Mühe jetzt endlich einen Mindestlohn haben, der dringend erforderlich ist, denn die Leute in den Pflegeheimen leisten eine hervorragende Arbeit, die bis an die Grenze des Zumutbaren geht? Wir haben jetzt also endlich dort einen Mindestlohn von 8,50 Euro bei uns hier im Westen.

(Beifall bei der SPD)

Wenn jetzt durch die Hintertür quasi ein Niedriglohnsektor geschaffen werden würde, den – das unterstelle ich einfach – im Bewusstsein niemand tatsächlich will,

(Schweitzer, SPD: So ist es! Ganz richtig!)

hätten wir uns alle einen Bärendienst erwiesen. Hinzu kommt, dass sich zum heutigen Zeitpunkt etwa 25 % derjenigen, die den Zivildienst in einem Pflegeheim leisten, später auch für einen Pflegeberuf oder einen Beruf im Rettungswesen entscheiden, sodass wir auch dort viel Substanz verlieren würden. Ich glaube, deshalb ist der Weg, der jetzt beschritten ist, von neun auf sechs Monate zu verkürzen, der falsche Weg.

(Vereinzelt Beifall bei der SPD – Schweitzer, SPD: Ja!)

Was wir aufgreifen sollten, ist das, was der Herr Ministerpräsident aufgezeigt hat. Hier ist wirklich der Appell an alle Fraktionen hier im Haus, gemeinsam zu versuchen, Wege und Möglichkeiten zu suchen sowie Konzepte zu definieren, die es uns ermöglichen, dass wir die Situation, die wir jetzt vorfinden, so ausgestalten können, dass wir daraus für die Menschen in RheinlandPfalz und für die Einrichtungen, die sie dringend benötigen, den besten Ertrag erzielen können. Wenn wir uns dort irgendwo verständigen – ich glaube, wir sind nicht allzu weit auseinander –, sollte man das dann auch als Faustpfand benutzen. Mein Appell geht an alle hier im Haus, dort entsprechend mitzuwirken.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD – Schweitzer, SPD: Ja!)

Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Peter Enders für die CDU-Fraktion.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich begrüße es außerordentlich, dass die Diskussion sehr sachlich geführt wird. Bevor ich auf den Zivildienst zurückkomme, gestatten Sie mir noch einige Bemerkungen zur Bundeswehr. Herr Ministerpräsident, wir hatten eben die inhaltliche Auseinandersetzung bezüglich der freiwilligen Wehrpflicht. Ich darf mit Genehmigung des Präsidenten aus der „Mainzer Zeitung“ vom 17. Juni zitieren. Da wird gesagt:

(Zuruf des Ministerpräsidenten Beck)