Protokoll der Sitzung vom 15.09.2011

Wenn Leute ein Kurzzeitgedächtnis haben, kann man das immer vor Augen führen.

(Frau Klöckner, CDU: Ich habe ein sehr langes Ge- dächtnis!)

Wie gesagt, das macht sich immer ganz gut.

Wir müssen überlegen, wie wir in Zukunft die Finanzen ordnen, wie wir versuchen, gemeinsame Wege zu finden. Ich finde es ganz gut, dass wir es geschafft haben, Frau Beilstein, einen gemeinsamen Text hinzubekommen. Man kann sagen, es war eine Nacht- und Nebelaktion. Wir haben wirklich in ganz kurzer Zeit zwei völlig, ich möchte nicht sagen, sich widerstrebende Texte, aber doch in verschiedene Richtungen laufende Texte zu einem zusammengefasst. Hierfür meinen Dank. Ich glaube, das ist der richtige Weg.

Wir haben auch einige Punkte zu beachten. Wir haben die Doppik eingeführt. Ich weiß, es gibt Befürworter der Doppik und welche, die nicht so sehr dafür sind. Aber die Doppik bringt es mit sich, dass jetzt beispielsweise bei den Umlagen, die zu zahlen sind, auch Abschreibungen mit aufgeführt werden, die früher gar kein Thema waren. Man kann darüber diskutieren, ob es verkehrt oder richtig ist. Aber Tatsache ist, es führt zu größeren Verlusten, zu größeren Defiziten bei den einzelnen Kommunen.

Was wir dringend brauchen, was wir auch festgeschrieben haben, ist eine Vergleichbarkeit, nämlich eine Vergleichbarkeit der verschiedenen Gemeinden, der Städte und der Kreise, wie sie sich aufstellen, damit sie von- einander lernen können.

So, wie es im Moment aussieht, ist es so, dass der Schlechte von dem weniger Schlechten lernt. Das führt uns auf Dauer gesehen nicht weiter. Wir müssen versuchen, gute Beispiele zu finden und diese Beispiele auch deutlich zu machen.

Wir müssen auch versuchen, um eine Vergleichbarkeit des Landes herzustellen, zu erreichen, dass wir Vergleichszahlen ganz neutral und ganz objektiv darstellen und damit auch entsprechend arbeiten können.

Wir haben ein weiteres großes Problem, nämlich die Stadt-Umland-Problematik, die dazu führt, dass die großen Städte alle Infrastrukturlasten tragen, die Einnahmen aus der Einkommensteuer dann aber meistens bei den umliegenden Gemeinden und Städten positiv zu Buche schlagen. Auch dort müssen wir uns überlegen, wie wir diese Problematik insgesamt lösen können.

Wir sollten bei der gesamten Situation letztendlich auch überlegen, inwieweit wir die Bürger bei der Definierung des Haushaltsplanes mit einbeziehen können und welche Möglichkeiten der Teilhabe wir den Bürgern schaffen.

Ich glaube, wir haben einen umfangreichen Arbeitskatalog, den wir uns selbst gestellt haben. Dort werden wir einiges zu tun haben. Wenn wir es schaffen, ein Teil von dem zu erreichen, was wir uns zum Ziel gesetzt haben, dann haben wir gut gearbeitet.

Danke schön.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erteile ich Herrn Abgeordneten Steinbach das Wort.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Schieflage der kommunalen Finanzen ist ein drängendes Thema im gesamten politischen Gefüge der Bundesrepublik Deutschland. Sie ist kein Thema, das isoliert auf Rheinland-Pfalz zu betrachten wäre. Aber sie ist in Rheinland-Pfalz für die landespolitische Ebene eine besondere Herausforderung. Das erklärt, warum wir uns mit der Enquete-Kommission „Kommunale Finanzen“ sehr frühzeitig in der Legislaturperiode beschäftigen und uns mit dieser Thematik auseinandersetzen wollen. Wir haben uns darum bemüht, dass wir das in Gemeinsamkeit und in Einigkeit hinbekommen. Die gestellten Fragen wollen wir gemeinschaftlich klären.

Es ist uns GRÜNEN dabei wichtig, dass wir nicht nur über die Fragestellung der Finanzierung der Kommunen reden, sondern auch über die Fragen der Aufgabenzuschreibung, der Aufgabenabwicklung und der Aufgabenerfüllung sprechen.

Die Problemlage mit den kommunalen Finanzen ist keine allzu neue. Das zeigt sich allein daran, dass es nicht die erste Enquete-Kommission ist, die sich in diesem Landtag mit der Frage der Kommunen und kommunalen Finanzen auseinandersetzt. Man darf damit gleichzeitig die Erwartungen an diese EnqueteKommission nicht zu hoch schrauben; denn Fehlentwicklungen, die sich über 20, 30 und teilweise 40 Jahre eingespielt haben, lassen sich nicht mit einem Federstrich oder mit einer einzelnen Kommission, auch wenn sie sehr lange tagen und sich sehr intensiv mit den Fragestellungen beschäftigen sollte, aus der Welt bringen.

Diese Enquete-Kommission soll uns den Raum geben, dass wir uns über zentrale Fragestellungen perspektivisch unterhalten können.

Meine Damen und Herren, ich will in diesem Haus ausdrücklich das Verbindende unterstreichen, das uns in den Verhandlungen über diese Anträge, aus denen dann nur einer geworden ist, begleitet hat. Ich will ausdrücklich begrüßen, dass alle Fraktionen ein großes Interesse daran bekundet haben, es gemeinschaftlich zu machen. Wir haben ein gemeinschaftliches Erörterungsinteresse. Ich will das ausdrücklich loben. Ich wünsche mir besonders für diese Kommission einen konstruktiven und offenen Umgang mit den Themen.

Meine Damen und Herren, für uns GRÜNE gelten bei der Überprüfung der kommunalen Finanzsituation klare Maßstäbe im Hinblick auf zukunftsfähige, tragfähige und gerechte Regelungen.

Als Erstes nenne ich das Leitbild der Nachhaltigkeit. Nachhaltig in diesem Zusammenhang heißt nichts anderes, als dass wir keine Finanzierungslasten auf kommende Generationen weitergeben dürfen. Wir dürfen sie dort nicht abladen. Das heißt aber auch, dass wir Finan

zierungslasten nicht auf eine andere politische Ebene verlagern. Hier müssen wir uns mit aller gebotenen Selbstkritik prüfen, in welcher Weise wir als Land möglicherweise der kommunalen Ebene Aufgaben zugeschrieben haben, bei denen wir nicht für eine auskömmliche Finanzierung gesorgt haben. Zur ganzen Wahrheit gehört auch, dass wir fragen müssen, welche Aufgaben Berlin in seiner Eigenschaft als Bundeshauptstadt weitergereicht und diese nicht auskömmlich finanziert hat.

Wir müssen ebenfalls auf die Verteilungsebene zwischen den Kommunen schauen. Wir müssen im Prinzip der fiskalischen Äquivalenz mehr Geltung verschaffen. Das heißt nichts anders, als dass wir den Kreis der Nutzenden und den Kreis der Zahlenden stärker miteinander in Deckung bringen müssen. Das klingt sehr theoretisch. Zwei konkrete Dinge will ich benennen. Das eine ist, dass wir uns kritisch mit der Frage der Stadt-UmlandFinanzbeziehungen auseinandersetzen müssen. Das ist ein ausdrücklicher Punkt. Ich glaube, das ist ein wichtiger Punkt. Es steht ausdrücklich drin, dass wir uns mit der Fragestellung des kommunalen Finanzausgleichs beschäftigen werden. Da wird die Regierung bereits tätig. Das ist so im Koalitionsvertrag vereinbart. Das ist ausdrücklich zu begrüßen. Das gilt für die Begleitung der Diskussion in der Enquete-Kommission ebenfalls.

(Vizepräsident Schnabel übernimmt den Vorsitz)

Zum Zweiten müssen wir als zentrales Leitbild, als zentrale Leitentwicklung die Auswirkungen des demografischen Wandels stärker mit berücksichtigen. Ich möchte ein weit verbreitetes Missverständnis aus der Welt schaffen. Das ist kein Phänomen rein der ländlichen Räume oder nur der ländlichen Räume. Es geht dabei nicht nur um Regionen mit einer schrumpfenden Bevölkerung; denn der strukturelle Wandel der Bevölkerungsstruktur umfasst alle Teile des Landes nur mit unterschiedlichen Ausprägungen, Geschwindigkeiten und daraus zu ziehenden Konsequenzen. Das wollen wir ebenfalls in der Enquete-Kommission erörtern und ausdrücklich zum Thema machen. Das finde ich sehr gelungen.

Meine Damen und Herren, angesichts dieser beiden Entwicklungen und Leitlinien ist ein einfaches „Weiter so wie bisher“ keine angemessene Antwort darauf, was wir an Herausforderungen in der Zukunft zu meistern haben. Das gilt insbesondere für die Finanzierung der kommunalen Gebietskörperschaften. Hier werden wir mit einem „Weiter so wie bisher“ und einem Fortentwickeln nicht weiterkommen.

Die Enquete-Kommission kann nicht alleine in einem luftleeren Raum agieren. Sie kann sich nicht allein akademisch mit Fragstellungen auseinandersetzen, sondern sie soll sich sehr konkret mit Problemstellungen, die vor Ort bestehen, auseinandersetzen. Bei der EnqueteKommission müssen wir konstatieren, welche Veränderungen sich im Regelungsumfeld bereits ereignet haben.

Herr Kollege Noss hat dankenswerterweise auf die Fragstellung der kommunalen Doppik hingewiesen. Wir sind klug beraten, uns die Auswirkungen, die mit der Änderung dieses Rechnungssystems einhergehen, sehr genau anzuschauen und mit zu überprüfen.

Die vorangegangene Landesregierung hat zu einem etwas späteren Zeitpunkt Schritte unternommen, die den Kommunen deutliche Unterstützungen und Entlastungen geben. Wir haben in dem Koalitionsvertrag vereinbart, dass wir den kommunalen Entschuldungsfonds fortsetzen wollen. Wir sehen, dass er mit großen Schritten vorangetrieben und angenommen wird. Da gilt ebenfalls, dass das vollkommen zutreffend ist, was Herr Noss gesagt hat.

Frau Beilstein, bei aller Kritik, die Sie hier äußern, erinnern Sie sich bitte daran, dass wirklich alle Spitzenverbände der kommunalen Familie mit beteiligt waren, und zwar auch Bürgermeister und Kämmerer, die Ihr Parteibuch haben. Diese haben sich wesentlich daran beteiligt und öffentlich deutlich gelobt, dass wir diese Schritte unternehmen. Ich glaube, wir sollten in aller Sachlichkeit darüber reden, dass das eine Maßnahme ist, die mit ihren Schritten ganz konkret in eine richtige Richtung weist.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Natürlich müssen wir uns in der Enquete-Kommission damit auseinandersetzen, wie der Entschuldungsfonds funktioniert, wie er angenommen und vor Ort ausgeführt wird. Ich glaube, das müssen wir uns sehr konkret anschauen.

Ich hätte es als sehr unangemessen empfunden, wenn sich der Vorredner und die Vorrednerin von der CDU und der SPD mit deutlichen Bewertungen zu Wort gemeldet hätten. Ich will grundsätzlich sehr stark loben, dass wir die Ergebnisoffenheit in der Prüfung angesetzt haben und wir sachlich diskutieren wollen. Ich glaube, die politischen Bewertungen, für die wir da sind, werden wir nachher liefern. Bis dahin wünsche ich mir eine sehr offene Diskussion in dieser Enquete-Kommission. Ich glaube, das kann uns gelingen. Ich glaube, das ist ein sehr guter und sehr wichtiger Schritt, der dem wichtigen Thema angemessen ist.

Herzlichen Dank.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Gibt es weitere Wortmeldungen? – Frau Klöckner hat das Wort.

Herr Präsident, verehrte Mitglieder der Landesregierung, liebe Kolleginnen und Kollegen und sehr geehrte Gäste! Die Vielfalt und die Kraft unseres Landes kommen aus den Dörfern und Städten von vor Ort. Das weiß jeder von uns. Jeder, der Abgeordneter ist und der es ernst mit seinem Wahlkreis meint – das tun alle hier –, weiß, was es heißt, sich vor Ort zu engagieren. Das Problematische, was mich immer wieder zum Nachdenken bringt, ist, dass es Ortschaften gibt, wo es nicht um den Wettkampf der Parteien, wer den Bürgermeister stellt, geht,

sondern dass man dort kaum noch Personen findet, die überhaupt noch bereit sind, ein Bürgermeisteramt zu übernehmen. Warum ist das so? Sie sagen klar, sie möchten noch entscheiden und gestalten können in dem Ort, was und wie sie es machen. Das ist der Grund, warum es für uns als CDU so wichtig war, gemeinsam auf die Fraktionen zuzugehen und gemeinsam einen Antrag auf Einsetzung einer Enquete-Kommission einzubringen. Wir müssen uns Gedanken darüber machen, wie in Zukunft vitale Städte und Gemeinden in Rheinland-Pfalz möglich sein werden. Das gilt auch dann, wenn wir einen demografischen Wandel vor uns haben.

Liebe Freunde und sehr geehrte Damen und Herren, es gibt konjunkturelle Einbrüche. Das ist keine Frage. Da ist es vergleichbar in den unterschiedlichen Ländern, dass es den Kommunen schlechter geht. Eines gehört zur Wahrheit dazu und ist für die Analyse sehr wichtig, damit man aufgrund einer ehrlichen Analyse Konsequenzen für die Zukunft ziehen kann. Was besagt die Analyse? Den rheinland-pfälzischen Kommunen geht es im Vergleich zu anderen Kommunen, die die gleiche Bundesgesetzgebung haben und manchmal schultern müssen, schlechter als anderen Kommunen in anderen westdeutschen Flächenländern. Das ist Fakt. Das ist unbestritten.

Klar ist, seit 1991 sind den Kommunen über den kommunalen Finanzausgleich über 3 Milliarden Euro entzogen worden. Das sind Schulbaumittel und zum Beispiel Personalmittel. Das gilt beispielsweise für Kindertagestätten und Kindergärten. Das wissen Sie. Wir sollten offen darüber reden, warum wir heute an der Stelle stehen, an der wir stehen. Es gibt einmal den konjunkturellen Bereich, wofür das Land nichts kann. Es gibt aber auch die andere Seite, bei der sich wie beispielsweise bei der Grunderwerbsteuer zeigt, dass ein Anteil den Kommunen weggenommen worden ist.

Das ist in den anderen Bundesländern nicht der Fall. Auch das müssen wir ansprechen. Wenn jetzt Herr Lewentz oder Herr Kühl – ich weiß nicht, wer es war – sagt „ach Gott“,

(Staatsminister Lewentz: Im Gegensatz zu Ihnen war ich Bürgermeister! Ich weiß wovon ich rede!)

das ist keine Frage des Glaubens. Das ist eine Frage des Machens. Sie haben es gemacht, wie man es eigentlich nicht machen solle. Auch das ist ein Grund dafür, warum es den Kommunen so geht, wie es ihnen heute geht.

(Beifall bei der CDU)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, schauen wir nach vorn. Auch mit dem Blick auf den Entschuldungsfonds möchte ich eines festhalten. Sehr geehrter Herr Kollege Noss, das gehört auch zur Geschichte dazu. Die Idee des Entschuldungsfonds kam von der CDU in Absprache auch mit den Verbänden.

(Heiterkeit bei Staatsminister Lewentz – Baldauf, CDU. Das war auch so! – Staatsminister Lewentz: Märchenstunde!)

Das war auch gut und richtig. Es gab die Aufteilung ein Drittel zu zwei Dritteln. – Dass diese Aufteilung von einem Drittel zu zwei Dritteln von Ihnen umgedreht worden ist, dass jetzt ein Drittel das Land bringt und zwei Drittel die Kommunen bringen, bewirkt, jetzt haben die Kommunen natürlich zeitweise Luft, aber strukturell ist nichts geändert worden. Deshalb – damit möchte ich enden – freue ich mich darauf, und ich finde es auch richtig und wichtig, dass wir jetzt eine solche EnqueteKommission einrichten werden und wir uns die Zahlen anschauen. Zahlen und Fakten lügen nicht.

Ich glaube aber, wir haben hier alle das gleiche Ziel, dass wir für die kommenden Generationen, die nach uns kommen und auch irgendwann einmal hier sitzen werden, etwas mitgeben, nämlich die Verantwortung für die Zukunft, dass wir sie mit angepackt haben, weil wir wollen, dass es weiterhin vitale Städte und auch Dörfer hier in Rheinland-Pfalz gibt. Dazu braucht man Geld, keine goldenen Hähne, aber Geld, um auch gestalten zu können, damit wir uns in Rheinland-Pfalz wohlfühlen.

Herzlichen Dank.

(Beifall der CDU)

Das Wort hat Herr Kollege Hartenfels von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.