Protokoll der Sitzung vom 15.09.2011

Also muss gerade hier Rheinland-Pfalz als Arbeitgeber ein verlässlicher Partner sein. Deshalb fordern wir, schrittweise die Mittel für Vertretungsverträge zurückzufahren und aufkommensneutral zugunsten einer Ausweitung des Vertretungspools einzusetzen und dort den Vertretungslehrern sichere Arbeitsplätze zu geben, Perspektiven für die individuelle Zukunftsplanung zu bieten und gleichzeitig dem anfallenden Vertretungsbedarf gerecht zu werden.

(Beifall der CDU)

Die diesjährige Überprüfung der Vertretungsverträge seitens des Ministeriums hat die Situation der Vertretungslehrer und Vertretungslehrerinnen deutlich verschärft und zu einer großen Verunsicherung bei den Betroffenen geführt. Übrigens sind hauptsächlich Frauen betroffen. Da nehme ich nur einmal das Thema „Lebensverlaufsperspektive“. Die sieht ganz übel aus.

Existenzangst ist verständlich, wenn der erwartete neue Vertretungsvertrag plötzlich dann doch nicht kommt, wenn man drei Tage vor Beginn des Schuljahres nicht weiß, ob man tatsächlich einen neuen Vertrag hat, oder wenn man drei Wochen bei der Bundesagentur für Arbeit gesperrt ist, weil man sich natürlich nicht rechtzeitig arbeitslos gemeldet hat, weil man damit auch gar nicht rechnen konnte. Die Situation ist so nicht tragbar.

(Beifall der CDU)

Menschen in eine ungewisse Lebenslage zu bringen, ist kein vertrauensvoller Umgang zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer.

Man kann auch nicht von Verlässlichkeit sprechen, wenn im neuen Vertretungsvertrag das Unterrichtsdeputat reduziert ist. Welcher Arbeitnehmer kann so einfach auf vier Stunden Arbeitszeit und das zugehörige Gehalt verzichten? – Diese Einkommenseinbußen können je nach Familiensituation nur ganz schwer aufgefangen werden.

(Beifall der CDU)

In diesem Zusammenhang müssen generell auch die Perspektiven von Vertretungslehrerinnen und Vertretungslehrern angesprochen werden, die keine vollständige Lehramtsausbildung haben, wie zum Beispiel Sporttrainer, Muttersprachler und viele mehr. Diese sind aufgrund ihrer ursprünglich erworbenen Qualifikationen oftmals vom Referendariat ausgeschlossen, und auch an den Seiten- und Quereinsteigerprogrammen können sie nicht teilnehmen. Eine berufliche Weiterbildung ist demnach nur schwer möglich. Ganz konkret: Vertretungslehrer haben nach mehrjähriger Tätigkeit im Schuldienst oft keine weiteren Perspektiven mehr.

Auch ein Einstieg in das Berufsleben außerhalb des Schuldienstes ist aufgrund fehlender Weiterbildungsmöglichkeiten ausgeschlossen. Fehlende Möglichkeiten schüren bei den Betroffenen auch im Hinblick auf das fortschreitende Alter – sie werden auch älter – und im Hinblick auf eine Lebensplanung nach der Berufstätigkeit eine verständliche Sorge um die Existenz. Deshalb müssen berufsbegleitende Qualifikationsmodule ange

boten werden, um dauerhafte, auch außerschulische Berufsperspektiven zu schaffen.

Die Überprüfung der Vertretungsverträge hatte neben der Verunsicherung der Vertretungslehrer auch einen zweiten Effekt: Sie führte zu massiver Unruhe an den Schulen bezüglich der Planung der Stundenpläne und der Unterrichtsversorgung insgesamt. Es wird deutlich, dass es notwendig ist, jeder Schule einen Stundenpool zur Unterrichtsvertretung zuzuweisen, damit die Schule flexibel agieren kann und notwendigen fachspezifischen Vertretungsunterricht schnell einplanen kann.

Meine Damen und Herren, Rheinland-Pfalz muss seinen Lehrerarbeitsmarkt attraktiver gestalten, um den Betroffenen Planungssicherheit für ihr eigenes Leben zu geben, und nicht zuletzt um dafür zu sorgen, dass gut ausgebildete Junglehrer in unserem Land bleiben. Wir brauchen für die Zukunft unserer Schüler verlässliche Rahmenbedingungen für unsere Lehrer.

Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall der CDU)

Für die SPD-Fraktion hat Frau Kollegin Brück das Wort.

Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Der heutige Antrag der CDU zu den Vertretungslehrkräften ist zum Ersten an Populismus nicht mehr zu überbieten, er ist also unseriös, zeigt zum Zweiten, dass die CDU vollkommen ahnungslos über die tatsächlichen Strukturen im Land ist,

(Beifall bei der SPD – Fuhr, SPD: Sie sind doch alle völlig ahnungslos!)

und die CDU widerspricht sich zum Dritten in ihrem Antrag in ihren Forderungen selbst.

Seit vier Monaten nun versucht die CDU, das Thema „Vertretungslehrkräfte“ für sich am Kochen zu halten. Sehr durchsichtig ist Ihr Manöver, die Beschäftigten für sich entdeckt zu haben. An anderer Stelle, gerade eben beim Mindestlohn, würden sich die Menschen im Land über ein klares Bekenntnis freuen. Stattdessen stellen Sie populistische Forderungen, von denen Sie ganz genau wissen, dass sie abgelehnt werden. Für die CDU ist das auch einfach: Sie können fordern und fordern und fordern, was Sie wollen; denn Sie müssen es am Ende nicht verantworten.

Ich nenne ein Beispiel. Anfang August forderte Frau Klöckner noch 400 Stellen im Vertretungslehrerpool, der jetzt 200 Stellen umfasst, um das Instrumentarium zu testen. Jetzt werden 900 Stellen gefordert. Einmal ganz abgesehen davon, wie Sie auf die Zahl von 900 Stellen kommen,

(Pörksen, SPD: Das spielt doch keine Rolle!)

frage ich mich, wie viel Sie dann morgen fordern. – ich tippe einmal auf 1.500 oder 2.000 Stellen, weil die Summen so schön klingen. Finanzieren wollen Sie das über die Mittel für Vertretungsverträge.

Nun gut, dann muss ich es Ihnen eben noch einmal erklären. Niemand im Land schließt leichtfertig Vertretungsverträge ab. Es ist die Ausnahme und nicht die Regel, wenn Sie sich einmal die Gesamtzahl der Lehrkräfte in unserem Land betrachten. Jedem von uns ist es lieber, eine Planstelle zu besetzen. Aber dies ist an dem Punkt zunächst einmal noch gar nicht die Frage; denn Vertretungsverträge haben einen bestimmten Grund. Entweder ist eine Lehrkraft längerfristig erkrankt, beurlaubt, abgeordnet, oder es gibt sie, weil junge Lehrerinnen oder Lehrer in Elternzeit gehen. Diese Vertretungsgründe treten in den meisten Fällen mitten im Schuljahr auf und sind nur schwer vorhersehbar oder planbar.

Um den Ausfall der Lehrkräfte dann zu kompensieren, gibt es Vertretungsverträge, und dabei ist Flexibilität gefragt. Diese Verträge unterliegen selbstverständlich – Frau Ministerin Ahnen hat es in einem anderen Tagesordnungspunkt schon gesagt – dem TV-L. Den zu vertretenden Lehrkräften wird die Sicherheit geboten, auch nach einer langen Krankheit oder Elternzeit wieder an ihre Schule zurückzukommen; denn es wäre auch nicht vertretbar, wenn eine Lehrkraft zum Beispiel nach einer schweren überstandenen langen Krankheit wieder an ihre Schule zurückkäme, um dann erfahren zu müssen: Das tut uns jetzt aber leid, aber die Stelle haben wir wieder besetzt. Sie müssen jetzt leider an die Schule XY. – Oder wollen Sie einer jungen Lehrerin, die gerade ein Haus gebaut und Kinder bekommen hat, wenn sie aus der Elternzeit zurückkommt, mitteilen: Hier ist jetzt leider kein Platz mehr, Sie müssen nach Z-Stadt? – Wir haben nämlich nicht nur eine soziale Verantwortung für die Vertretungskräfte, sondern auch und gerade für die Beamtinnen und Beamten, für die Lehrkräfte, die sich in Dauerarbeitsverhältnissen befinden.

(Beifall der SPD)

Das andere, das ich gerade geschildert habe, wäre die Konsequenz daraus, dass Sie keine Vertretungsverträge mehr haben, mit denen Sie flexibel arbeiten können. Alle Schulen sagen, dass es ohne Vertretungsverträge nicht geht; denn neben der personellen Verfügbarkeit spielt auch das zu vertretende Fach eine Rolle. Die CDU wird nämlich als Erstes auf der Matte stehen, wenn die Fächer Mathematik oder Latein zu vertreten sind, dies aber nur durch Deutsch und Geschichte gemacht werden könnte, weil keine anderen Lehrkräfte zur Verfügung stünden. Wie wollen Sie denn gewährleisten, dass in den 900 Vertretungspoolplanstellen genau die benötigte Fächerkombination für das richtige Lehramt an der richtigen Schule zur Verfügung steht?

Den jetzigen Vertretungslehrerpool in Höhe von 200 Planstellen begrüßen wir ausdrücklich – das haben wir auch in den vergangenen Monaten immer wieder gesagt – und halten dies für den richtigen Weg. Er gibt Planbarkeit und Verlässlichkeit für die Lehrkräfte. Dieser Pool muss aus unserer Sicht auch ausgebaut werden, das ist überhaupt keine Frage. Aber dafür muss das Instrumentarium zunächst einmal eingeführt und über

prüft werden. Wenn wir nämlich tatsächlich nur noch Vertretungspoolstellen hätten, entstünde irgendwann unweigerlich die Situation, dass vielleicht – man sehe mir nun nach, dass ich beliebige Orte nenne; dies ist keine Benachteiligung, sondern es sind Beispiele aus der Praxis – eine Lehrkraft von Mainz nach Bleialf oder von Landau nach Altenkirchen geschickt werden müsste, weil dort ein entsprechender Bedarf wäre.

Ich bin mir sicher, dass wir dann im Plenum eine ähnliche Diskussion über die Frage führen würden, weshalb Lehrkräfte im ganzen Land einsetzbar sein müssen. Ich weiß nicht, ob eine solche geforderte Flexibilität mit dem Beamtenrecht in Einklang zu bringen wäre, aber das ist noch einmal eine ganz andere Frage.

Die Frage nach dem Beamtenrecht müssen wir aber auch bei der möglichen Besetzung von Poolplanstellen diskutieren, und an diesem Punkt komme ich auf die Frage zu sprechen, weshalb manche jungen Lehrer gute Chancen auf eine Planstelle haben, andere aber die Zeit mit Vertretungsverträgen überbrücken müssen. Dies hat auch etwas mit Qualifikation und mit Noten zu tun.

Es ist richtig, dass wir in Rheinland-Pfalz mehr Lehramtsstudierende haben, als wir Planstellen besetzen können. Dies ist immer auch abhängig von der Art des Lehramts, der Fächerkombination und der Abschlussnote. Wir haben in den letzten Jahren viel getan. Es gibt heute rund 5.000 Lehrkräfte mehr als noch im Jahr 2001, und dies bei sinkenden Schülerzahlen. Fragen Sie doch nur einmal, was in dieser Zeit in anderen Bundesländern passiert ist. Andere Länder haben in den letzten Jahren massiv abgebaut. Wir können nach Hessen blicken, wo gestern gemeldet worden ist, dass dort 1.000 Referendare abgebaut werden – und dies nicht von einer Unterrichtsversorgung von 105 %, Frau Dickes. Die haben Sie nämlich gar nicht, und ich wage die Prognose, dass wir locker mithalten können; denn dort ist in der Lehrerwochenstundenzuweisung der Pflichtunterricht abgebildet. Wir wissen aber genau, dass in Rheinland-Pfalz darüber hinaus noch viel mehr in den Sollstunden enthalten ist.

Wir haben in den letzten Jahren die Seminarkapazitäten erheblich ausgebaut. Allein an den Gymnasien wurden sie in den letzten zehn Jahren verdoppelt.

In Rheinland-Pfalz wird im Gegensatz zu anderen Ländern kontinuierlich Lehrpersonal eingestellt. Das führt dazu, dass wir im Schnitt – das wissen Sie hier auch alle – die jüngsten Lehrkräfte haben.

Wenn immer wieder der Vorwurf geäußert wird, dass junge ausgebildete Lehrkräfte scharenweise das Land in benachbarte Bundesländer verlassen, dann frage ich mich, warum gerade in meiner Region so viele Lehrkräfte aus dem Saarland und aus Nordrhein-Westfalen arbeiten.

(Frau Mohr, SPD: Richtig! In meiner auch!)

Auch in anderen Berufen gibt es keine Einstellungsgarantie. Nach Beamtenrecht zählt das Prinzip der Bestenauslese. Das sind Eignung, Befähigung und fachliche Leistung. Das ist den jungen Bewerberinnen und

Bewerbern durchaus bekannt. Wir können bei der Studienauswahl auch nur an die jungen Leute appellieren, besonders gesuchte Fächer zu studieren. Wir können das nicht verordnen.

In diesem Sinne sagen wir zu einem moderaten Ausbau des Vertretungslehrerpools nach Überprüfung des jetzt eingeführten Instrumentariums Ja. Aber wir lassen uns nicht auf die von der CDU geforderte Größenordnung von 900 Stellen festnageln.

Wir brauchen nach wie vor flexible Vertretungsverträge. Auch die Höhe der Stundenverpflichtung in den Verträgen ist als flexibles Instrument nötig, um den tatsächlichen Bedarf zu decken.

Noch eines: Vertretungsverträge unterliegen dem Tarifvertrag der Länder. Das habe ich schon einmal gesagt. Auch wenn sie befristet sind, sind die Bedingungen ganz klar. Die Lehrkräfte wissen, was das bedeutet.

Der von der CDU unter Punkt 2 geforderte selbstbewirtschaftete Stundenpool zeigt, dass Sie von der Wirklichkeit in den Schulen meilenweit entfernt sind. Das haben wir doch längst über PES, wie das Wort schon sagt, „Projekt eigenverantwortliche Schule“.

Wenn ich da in die Vergangenheit zurückdenke, hat die CDU das doch bisher immer kritisiert. Es ist schön, dass Sie an dieser Stelle einsichtig sind, aber das gibt es schon.

Wenn Sie meinen, dass man den Lehrkräften einen Vertretungspool an sich zur Verfügung stellen sollte, dann möchte ich einmal wissen, wie das über das ganze Land mit 40.000 Lehrkräften gestemmt werden soll, um den Bedarf auch zielgerichtet an den Stellen zu decken, wo er auftritt.

Bei Nummer 3 des Antrags versucht die CDU jetzt, sich vollends als personalfreundlich zu profilieren und widerspricht sich dabei in ihren Forderungen selbst. Wollen sie doch in Nummer 1 nur noch Planstellen statt Vertretungsverträgen, und geißeln Sie nicht in anderen Debatten immer wieder die nicht vollständig ausgebildeten Lehrkräfte, so wollen Sie diese jetzt qualifizieren. Das ist okay. Das wollen wir auch.

Wir wollen auch Weiterbildungsmodule für bestimmte Personengruppen, die keine vollständige Lehramtsausbildung haben oder eine andere Berufsausbildung haben, damit sie guten Unterricht in der Schule machen können.

Aber wir wollen diesen Personenkreis bitte nicht für den Arbeitsmarkt außerhalb qualifizieren. Oder wollen Sie tatsächlich potenzielle Quer- und Seiteneinsteiger statt für die Schule für Boehringer oder für die BASF qualifizieren?

Auch hier befinden wir uns wieder einmal im Beamtenrecht. Wir können jemandem zum Beispiel mit Anfang 50, der, aus welchen Gründen auch immer, nur das erste Staatsexamen hat, nicht mehr in den Vorbereitungsdienst aufnehmen. Wenn eine Person das Glück hat, über einen Vertrag in der Schule zu arbeiten, weil er

oder sie eine andere Ausbildung hat und in dem eigentlichen Beruf vielleicht keine Arbeit finden würde, dann ist das ein guter Umstand. Jeder weiß, dass eine Lehranstellung aufgrund der Zugangsvoraussetzungen leider nicht dauerhaft in jedem Fall möglich ist, sofern die Bedingungen für Quer- und Seiteneinsteiger in den Fällen nicht greifen können. Aber auch da, so muss ich sagen, haben wir in den letzten zehn Jahren 1.000 Quer- und Seiteneinsteiger mehr eingestellt.

(Glocke der Präsidentin)

Wie gesagt, wir wollen diesen Personenkreis für die Schule qualifizieren, aber nicht darüber hinaus.