Protokoll der Sitzung vom 23.07.2015

AKTUELLEN STUNDE

Großes Engagement und Solidarität für Flüchtlinge in Rheinland-Pfalz auf Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 16/5327 –

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erteile ich Frau Kollegin Spiegel das Wort.

Vielen Dank. – Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Weltweit sind über 60 Millionen Menschen auf der Flucht, so Schätzungen des UNHCR. Man glaubt aber, dass die tatsächliche Zahl durchaus noch höher liegen könnte.

Wir rechnen in Rheinland-Pfalz für 2015 mit mindestens 20.000 Flüchtlingen. Aber, wie es nun einmal beim Thema Flüchtlingspolitik ist, die Zahlen sind sehr volatil, und es gibt natürlich auch keine Faustformel, wodurch sich berechnen ließe, wie viele Flüchtlinge sich auf den Weg

nach Europa machen und wie viele Flüchtlinge in die einzelnen europäischen Länder und nach Deutschland und Rheinland-Pfalz kommen werden.

Aber natürlich werden wir hier auch mit den Erstaufnahmeeinrichtungen und dem Ausbau der Kapazitäten darauf reagieren. Ingelheim ist seit ein paar Wochen eine eigenständige Erstaufnahmeeinrichtung mit Personal des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge. Es sind weitere Erstaufnahmeeinrichtungen in der Planung und werden hoffentlich im Herbst fertiggestellt, und zwar in Kusel und auch in Hermeskeil.

In Meisenheim hat man eine weitere Erstaufnahmeeinrichtung als Interimslösung angedacht. In Meisenheim hoffe ich sehr – da bin ich in guten Gesprächen auch mit den Bürgerinnen und Bürgern vor Ort und mit den entsprechenden politischen Verantwortlichen, auch mit Herrn Denis Alt, und würde auch gerne mit Ihnen, Frau Dickes, darüber reden –, dass wir uns dort auf einen guten Weg machen und hoffentlich auch bald eine Interimslösung in Meisenheim auf die Schiene setzen können.

Der Ausbau der Kapazitäten dieser Erstaufnahmeeinrichtungen wird die Kommunen entlasten. Er wird dazu führen, dass wir die Asylbewerberinnen und Asylbewerber bis zu zwölf Wochen in den Erstaufnahmeeinrichtungen haben können und die Kommunen an dieser Stelle mehr Planungssicherheit haben, meine Damen und Herren.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Nun kann man sich fragen – das ist jetzt alles an dieser Stelle nichts Neues –, warum wir die Aktuelle Stunde beantragt haben. Ich sage Ihnen, das hat mit den Entwicklungen, die wir in den letzten Tagen noch einmal bekommen haben, zu tun. Das, was am Wochenende passiert ist, vor allen Dingen in Ingelheim, war ein herausragendes außerordentliches Engagement der Menschen vor Ort, was dazu geführt hat, dass wir innerhalb von 72 Stunden – ich betone das, es war vom Anruf bis zur Abnahme durch die Behörden vor Ort – etwas auf die Beine gestellt haben. Das verdient an dieser Stelle auch vom Parlament Beachtung. Das verdient Anerkennung, Dank und Respekt der Menschen, die dort wirklich Unglaubliches geleistet haben, angefangen vom Deutschen Roten Kreuz, vom THW, von der Stadt Ingelheim, vom Landkreis Mainz-Bingen, aber auch von vielen Ehrenamtlichen vor Ort, die trotz der Hitze an einem Wochenende sozusagen eine Einrichtung für 150 Flüchtlinge aus dem Boden gestampft haben. Sie haben Zelte aufgebaut und haben viel Zeit investiert. Ich finde, das verdient an dieser Stelle auf jeden Fall Respekt, Anerkennung und Dank.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und bei der CDU)

Meine Damen und Herren, ich möchte an dieser Stelle auch sagen, uns wäre es natürlich am liebsten, wenn wir keine Zelte aufbauen müssten. Das ist vollkommen klar. Aber ich sage Ihnen ganz klar, dass es an dieser Stelle auch keine Alternative dazu gab; denn die Alternativen wären nicht besser.

Ich habe mir die Zelte persönlich am Montag angeschaut, bevor die Flüchtlinge eingetroffen sind. Es ist mir wichtig, dass die Menschen an dieser Stelle auch die Wahrung der Privatsphäre haben. Es ist sehr professionell aufgebaut worden.

Es wurde an alles gedacht, Wasser, Strom, Brandschutz, Duschen, eine Versorgungsinfrastruktur. Das war, wohlgemerkt, am gleichen Wochenende, an dem in einem anderen Bundesland eine Helferin des DRK, die gerade den Flüchtlingen geholfen hat, mit Steinen beworfen wurde.

Ich muss schon sagen, ich bin sehr froh – ich hatte mit dem DRK auch darüber gesprochen –, dass bei uns in Rheinland-Pfalz an diesem Wochenende zwar Bürgerinnen und Bürger aus Ingelheim geschaut haben, was dort passiert, dass es aber einfach einmal nur ein neugieriges Vorbeischauen war. Es gab keine negative Reaktion. Ich finde, das ist wirklich sehr gut.

Ich hoffe, dass es sich auch in den nächsten Wochen und Monaten so weiter hält, dass sich die Menschen engagieren, sie zusammenstehen, sie an einem Strang ziehen und den Menschen, die zu uns kommen, auch die Hand reichen und ihnen zeigen, dass sie hier willkommen sind.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Glocke des Präsidenten)

Flüchtlingspolitik kann nur gelingen, wenn alle Menschen und alle Bürgerinnen und Bürger hier an dieser Stelle auch an einem Strang ziehen.

Vielen Dank.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Für die CDU-Fraktion hat Herr Kollege Kessel das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch ich möchte meine Rede mit dem Dank an die Ehrenamtlichen, die hier Außerordentliches leisten, beginnen. Auch von unserer Seite ein herzlicher Dank an alle Ehrenamtlichen!

(Beifall im Hause)

Wir müssen aber auch die Dinge beim Namen nennen und die Probleme offen ansprechen, damit wir sie auch tatsächlich lösen können.

Ob uns das gefällt oder nicht, wir müssen eine Unterscheidung treffen zwischen den Asylbegehrenden, die eine Bleibeperspektive haben, und denen, die keine Bleibeperspektive haben. Da geht es nicht um Flüchtlinge erster oder zweiter Klasse.

(Daniel Köbler, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Doch!)

Aber wir müssen unterscheiden, es gibt politisch Verfolgte und Kriegsflüchtlinge. Unbestritten ist, diese haben ein Recht auf Asyl und unsere humanitäre Hilfe.

Es gibt auch Menschen, die aus wirtschaftlicher Not zu uns kommen und denen dieses verfassungsmäßige Recht nicht zusteht. Ungeachtet davon redet sich die Landesregierung die Situation in Rheinland-Pfalz weiter schön,

(Beifall bei der CDU)

wohl wissend, dass die Lage in den Städten und Kommunen anders aussieht. Besonders im Bereich der Unterbringung und Integration gibt es noch viele Probleme.

(Beifall bei der CDU)

Von Willkommenskultur zu reden, ist das eine, dafür die notwendigen Rahmenbedingungen zu schaffen, ist das andere.

(Beifall bei der CDU – Zuruf des Abg. Alexander Schweitzer, SPD)

Gerade daran mangelt es in Rheinland-Pfalz.

(Alexander Schweitzer, SPD: Was macht die Entwicklung von Meisenheim?)

Auf dem ersten Flüchtlingsgipfel in Rheinland-Pfalz der CDU-Landtagsfraktion Anfang des Jahres wurde das Thema Asylpolitik in den Fokus genommen. Gemeinsam mit den Kommunen, Sozialverbänden, Flüchtlingsinitiativen und Kirchen hat die CDU in einem 41 Punkte umfassenden Katalog Lösungen zur Bewältigung des Flüchtlingsstroms aufgezeigt und sich auf ihrem zweiten Flüchtlingsgipfel Rheinland-Pfalz Mitte Juni mit den Themen Spracherwerb, soziale Integration und Eingliederung der Flüchtlinge in den Arbeitsmarkt befasst.

Die Flüchtlingskonferenz der Landesregierung am vergangenen Freitag kam ein halbes Jahr zu spät.

(Beifall der CDU)

Bei der Abstimmung über das Gesetz zur Erklärung von Bosnien-Herzegowina, Serbien und Mazedonien als sichere Herkunftsstaaten hat sich das Land Rheinland-Pfalz, vertreten durch die Ministerpräsidentin, enthalten. Auch die Deklarierung von Albanien, Montenegro und dem Kosovo als sichere Herkunftsstaaten wird von der Landesregierung nach wie vor abgelehnt.

(Beifall des Abg. Daniel Köbler, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Spärlicher Beifall vonseiten der GRÜNEN.

(Daniel Köbler, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ja, weil es das Richtige ist!)

Die Landesregierung hinkt immer zwei Schritte der Entwicklung hinterher und zeigt sich dann überrascht von den tatsächlichen Gegebenheiten.

Wie bereits im Winter mussten jetzt erneut Zelte zur Unterbringung der Flüchtlinge aufgebaut werden. Die Kommu

nen wissen nicht mehr, wohin mit den ihnen zugewiesenen Flüchtlingen. Die pauschalierte Erstattung der kommunalen Aufwendungen in Höhe von 513 Euro je Flüchtling und Monat reicht bei Weitem nicht aus.

(Beifall bei der CDU)

Von der Landesregierung erwarten wir, dass sie endlich Position bezieht.

(Zuruf der Abg. Anne Spiegel, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sonst leidet die Willkommenskultur.

Nur wenn wir klare Position beziehen – dazu gehört auch das offene Ansprechen des Asylmissbrauchs –, wird es uns gelingen, das große bürgerschaftliche Engagement zu erhalten und rechtsradikalen Stimmungsmachern den Wind aus den Segeln zu nehmen.