Protokoll der Sitzung vom 24.09.2015

Da es sich um eine umfassende Änderung handelt und uns bereits kritische Stellungnahmen vorliegen, werden wir natürlich im Ausschuss eine Anhörung beantragen, und ich gehe davon aus, dass das auch die Mehrheit mitträgt. Wir bitten auch aufgrund der Änderungen, die noch an dem Referentenentwurf vorgenommen worden sind, zu dem wir freundlicherweise eine Synopse bekommen haben, diese Synopse noch einmal mit den aktuellen Änderungen zu aktualisieren; das wäre sehr hilfreich.

Allein die reinen Gesetzesänderungen haben einen Umfang in der Drucksache von 18 Seiten. Dabei lasse ich die Begründung und die Erläuterungen außen vor. Bis auf wenige Paragrafen sollen alle geändert werden. Das Gesetz der damaligen Sozialministerin Dreyer war offensichtlich schlecht.

(Alexander Schweitzer, SPD: Das sagt Frau Thelen! Unzumutbar!)

Sehr geehrter Herr Schweitzer, Sie hatten eine Zeit lang Verantwortung, in der es darum gegangen wäre, schnell die notwendigen Änderungen auf den Weg zu bringen.

(Alexander Schweitzer, SPD: Ja, ja!)

Sie waren entweder nicht in der Lage, oder Sie wollten es nicht in der gebotenen Eile tun, und das ist schlecht für die vielen Anbieter von Einrichtungs- und Wohnformen,

(Glocke des Präsidenten)

denen damit Planungssicherheit und Perspektiven fehlen.

(Alexander Schweitzer, SPD: Sie sind völlig allein mit Ihrer Position! Wie immer, Frau Thelen!)

Zum Schluss müssen wir befürchten, dass die geplanten Regelungen den dringend notwendigen Ausbau alternativer Wohnformen wieder eher behindern als befördern, und das ist schlimm für alle Menschen in unserem Land, die in Zukunft hierauf angewiesen sein werden.

Vielen Dank.

(Beifall der CDU – Alexander Schweitzer, SPD: Sie stehen alleine, Frau Thelen!)

Das Wort hat Herr Kollege Feiniler von der SPD-Fraktion.

Sehr geehrter Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Neue Konzepte des Wohnens für Menschen mit Unterstützungs- und Pflegebedarf sind ein wichtiger Schwerpunkt der Politik der SPD-Landtagsfraktion. Das Land Rheinland-Pfalz setzt sich seit Langem für den Ausbau alternativer Wohnangebote mit Wohn- und Pflegegemeinschaften ein, die entweder als selbstorganisierte Wohngemeinschaften oder als ambulant betreute Wohngemeinschaften gestaltet sein können. Mit dem LWTG schaffen wir hierzu seit dem 1. Januar 2010 die Grundlage. Mit einer wissenschaftlichen Evaluation des LWTG wurde dieses Gesetz sprichwörtlich auf Herz und Nieren überprüft. Alle Institutionen und Verbände wurden in den Diskussionsprozess miteinbezogen. Liebe Frau Thelen, ob es nun eine Generalüberholung dieses Gesetzes ist, möchte ich einmal bezweifeln.

Das uns nun im Entwurf vorgelegte Landesgesetz zur Weiterentwicklung der Wohnformen und zur Stärkung der Teilhabe spiegelt die verschiedenen Wohnformen trennbar schärfer nach und wirkt bestehenden Zuordnungsschwierigkeiten entgegen. Die verschiedenen Aufgaben von Trägern, Anbietern von Dienstleistungen, Vermietern sowie die Mitwirkung der Bewohnerinnen und Bewohner in den verschiedenen Einrichtungen werden unseres Erachtens somit deutlicher als bisher beschrieben.

Lassen Sie mich nun für die SPD-Fraktion die für uns wichtigsten Punkte skizzieren. Wir begrüßen ausdrücklich den Wegfall der Qualitätsberichte sowie die veränderte Rolle der Beratungs- und Prüfbehörde, die die Einrichtungen zukünftig regelmäßig begleitet und berät, während eine gezielte Prüfung nur noch bei Hinweisen auf Mängel stattfinden soll. Dieses kann nach wie vor mit unangemeldeten Besuchen stattfinden, um gemeldete Defizite zu überprüfen, was allerdings unseres Erachtens auch eine Ausnahme bleiben sollte.

Verschärfte Sanktionen bei der Feststellung von Defiziten können dann mit ordnungsrechtlichen Maßnahmen belegt werden. Unter diesen Voraussetzungen und mit dieser Ver

fahrensweise ist ein gegenseitiges Vertrauen wesentlich besser gegeben als vorher.

Des Weiteren begrüßen wir ausdrücklich die Nachjustierung der §§ 3 bis 6 des LWTG, was die Einrichtung mit besonders konzeptioneller Ausrichtung betrifft. Grund hierzu ist der zunehmende Pflegebedarf bei älteren und behinderten Menschen. Eine Abgrenzung zwischen vollstationär, teilstationär und selbstständigen Wohngruppen ist hier unabdingbar.

Aber auch bei den Aufgaben des Trägers von Wohngruppen – geregelt in § 5 Abs. 1 und 2 – wurden einige Formulierungen überarbeitet, womit der Träger nicht mehr für alle Leistungen einer Wohngruppe verantwortlich ist. Hier wurde unter anderen dem Wunsch von verschiedenen Institutionen Rechnung getragen. Dadurch ist der jeweilige Dienstleister in seiner eigenen Verantwortung.

Es wird aber auch deutlich klargestellt, dass die Verantwortung für die Qualität der Einrichtung in erster Linie bei dem jeweiligen Träger liegt und dieser die entsprechenden notwendigen Maßnahmen entwickeln, umsetzen und sichern muss. Die Qualitätssicherung liegt hier bei der zuständigen Behörde, dem Landesamt für Soziales, Jugend und Versorgung.

Begrüßenswert ist zudem die Bereitstellung von Haushaltsmitteln für die Informationen über die Möglichkeit der gemeinschaftlichen Lebens- und Haushaltsführung und die Erfordernisse einer fachgerechten Versorgung. Dieses Beratungsangebot richtet sich insbesondere an kommunale Gebietskörperschaften und an Bauträger, die die Entwicklung dieser Wohnformen fördern und unterstützen wollen.

Zu begrüßen ist aber auch die Stärkung der Kommunen. Einrichtungen, die Neubauten, Erweiterungen usw. planen, müssen ihre Pflegestrukturplanung mit der dafür zuständigen Kommune eng abstimmen.

Der Aufnahmestopp in § 26 ist ebenfalls neu geregelt. Wer dauerhaft in der Fachkräftequote unterbesetzt ist, kann nur noch so viele Bewohner aufnehmen, wie auch tatsächlich Personal vorhanden ist. Der Träger hat einen ausreichenden Personaleinsatz sicherzustellen, wie dies eben auch Frau Ministerin Bätzing-Lichtenthäler erwähnt hat. Dadurch soll erreicht werden, dass nur qualifiziertes Personal eingestellt und somit die Fachkräftequote ebenfalls eingehalten wird. Die Pflege soll damit unseres Erachtens qualitativ und qualifiziert gestärkt werden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, Ziel des LWTG Rheinland-Pfalz sollte weiterhin sein, volljährigen pflegebedürftigen und behinderten Menschen eine ihren individuellen Wünschen entsprechende Wohnform mit einem Höchstmaß an Privatsphäre zu ermöglichen. Menschen mit Unterstützungs- und Pflegebedarf sollten ihrem Wunsch entsprechend so lange wie möglich selbstbestimmt leben und am Leben in der Gesellschaft teilhaben können.

(Beifall der SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, dies bedeutet die ge

sellschaftliche Teilhabe in einer möglichst selbstbestimmten Form des Wohnens, der Betreuung und der notwendigen Pflege. Wohnpflegegemeinschaften sind ein wichtiger Teil der angestrebten neuen Wohnprojekte und sollen dazu beitragen, dass Menschen mit Behinderung oder Pflegebedarf selbstbestimmt zusammenleben können.

(Glocke des Präsidenten)

Meine Damen und Herren, deshalb sind neue Wohnformen die Entgegenwirkung von Heimen. Ich denke, wir sollten dies auch weiterentwickeln. Liebe Frau Thelen, ich sage einmal, dieses Horrorszenario, das hier zum Teil aufgemalt wurde,

(Hedi Thelen, CDU: Ich habe das nicht gemacht!)

wird vielleicht von Ihnen so gesehen. Aber ich denke auch, dass die Betroffenen es anders sehen. Ansonsten hätte Malu Dreyer den Pflegepreis nicht bekommen.

Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich erteile Herrn Kollegen Dr. Konrad für BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN das Wort.

Vielen Dank, Herr Präsident. – Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Menschen mit Unterstützungsbedarf sollen in unserer Gesellschaft so leben können, wie sie es selbst wünschen, selbstbestimmt und mittendrin. Das bedeutet Teilhabe. Teilhabe heißt, Mittun, Mitmachen, mittendrin. Das erfordert die richtigen Bedingungen.

Die Entwicklung vom Heimgesetz zum Landesgesetz über Wohnformen und Teilhabe hat Frau Thelen bereits geschildert. Sie hat auch geschildert, dass es der Föderalismusreform zu verdanken ist, dass wir hier ein Landesgesetz bestimmen. Was aber in der Form nicht zum Tragen kam, war die Frage, welche Aufgabe dieses Gesetz hat.

Dieses Gesetz versucht, die Voraussetzungen zu schaffen, dass Menschen selbst bestimmen können, wie und wo sie leben wollen. Das ist immer dann mit Einschränkungen verbunden, wenn ich eine Vollversorgungseinrichtung habe, wenn ich eine Einrichtung habe, die sowohl das Wohnen ermöglicht, aber auch alle Leistungen zur Verfügung stellt, über Essen, Hauswirtschaft, Pflege und die entsprechende Unterstützung.

Es ist aber nicht Aufgabe des früheren Heimgesetzes, des jetzigen Gesetzes über die Wohnformen und die Teilhabe, als Ordnungsrecht dafür zu sorgen, dass die Ergebnisse stimmen. Dafür haben wir andere Vorschriften. Dafür gibt es das Pflegegesetz auf der Bundesebene. Dafür gibt es aber auch die Gesetze zu den Voraussetzungen, die die Kommunen zu schaffen haben, wie das Pflegeangebots

und -strukturgesetz.

Das heißt, wir dürfen hier auch nicht Ansprüche an ein Gesetz anmelden, die ein solches Gesetz nicht zu erfüllen hat. Es handelt sich hier um Ordnungsrecht. Es gefällt mir nicht, solche Gesetze zu lesen, weil es hier um Struktur geht und die einzelnen Menschen, um die es hier geht, in dieser Struktur gar nicht auftauchen. Vielmehr geht es darum, klare Kriterien festzulegen, dass die Bedingungen erfüllt sind, die diese Menschen brauchen, um die Struktur zu nutzen.

Sie beklagen einen sehr langen Evaluations- und Gesetzgebungsprozess. Ich glaube, umgekehrt hätten Sie genauso beklagt, wenn es dazu gekommen wäre, dass wir plötzlich einen Gesetzentwurf vorliegen gehabt hätten und wir uns daran abgearbeitet hätten.

(Hedi Thelen, CDU: Der Evaluationsbericht ist über zwei Jahre alt!)

Ich war sehr froh darüber, dass ich sowohl die Evaluation als auch den Gesetzentwurf intensiv durcharbeiten konnte. Auch wenn Sie jetzt drei von 180 Seiten finden, an denen das frühere Gesetz entsprechend kritisiert worden ist, müssen wir auch einmal darüber reden, dass es das erste Landesgesetz war und dort durchaus sehr neue Dinge hineingeschrieben wurden, die im alten Heimgesetz so gar nicht vorgesehen waren.

(Alexander Schweitzer: So ist das!)

Wo wollen wir hin mit diesem Gesetz? – Wir wollen die Flexibilität ermöglichen, die in frei gewählten Wohngruppen, die die Träger anbieten, gewährleistet sein muss. Andererseits wollen wir auch den Schutz für die Menschen in diesen Einrichtungen gewährleisten. Das bedeutet, dass wir auf der einen Seite ein klares Abgrenzungskriterium haben müssen. Dieses Abgrenzungskriterium ist die freie Wählbarkeit der entsprechenden Leistungen in der Wohnform. Andererseits braucht der Schutz dieser Menschen aber auch einen Verantwortungsträger, nämlich den entsprechenden Träger dieser Einrichtung.

Da gab es natürlich auch widerstreitende Stellungnahmen, die Sie auch kennen, einerseits die Institutionen, die den Verbraucherschutz und den Schutz der Menschen vor Fremdbestimmung ins Zentrum gerückt haben, auf der anderen Seite die Trägervertreter, die gesagt haben, wenn wir ermöglichen sollen, dass die Menschen frei bestimmen sollen, dann brauchen wir auch die entsprechende Flexibilität. Ich denke, der vorliegende Gesetzentwurf beinhaltet einen entsprechenden Kompromiss zwischen diesen beiden Ansprüchen, die wir an ein solches Gesetz stellen müssen.

In der Diskussion im Ausschuss, in der wir auch die Träger und andere Interessenvertreter anhören werden – so, wie Sie es jetzt vorgeschlagen haben, ist es auch unser Ziel –, werden wir noch einmal darüber zu reden haben, ob hier der entsprechende Mittelweg gefunden worden ist. Wir sind davon jedenfalls überzeugt, wenngleich wir sagen, dass die eine oder andere Bestimmung beispielsweise zur Erhöhung der Zahl der entsprechenden Bewohnerinnen und Bewohner noch einmal mit den Trägern und auch mit

den Betroffenen diskutiert werden muss.

Unser Ziel und, ich denke, auch das Ziel des ganzen Hauses auch vor dem Hintergrund der UN-Behindertenrechtskonvention ist Selbstbestimmung, Teilhabe und Schutz. Wir werden gemeinsam auf der Grundlage dieses guten Gesetzentwurfs mit Sicherheit auch die Grundlage entwickeln und hier auch gemeinsam beschließen können, wenn Sie mit uns den Weg mitgehen, dass die Menschen in Rheinland-Pfalz die entsprechenden Voraussetzungen nutzen können.