Protokoll der Sitzung vom 24.09.2015

(Carsten Pörksen, SPD: Das gerade nicht!)

Ich muss Ihnen sagen, das fanden wir schon sehr, sehr erschreckend. Lesen Sie es einfach einmal nach.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich komme zum Schluss. Ich sage ganz klar: Es wäre schön, wenn nicht immer nur die leeren Worte stehen würden, sondern wenn wir tatkräftig gemeinsam etwas erreichen würden. Es gibt viele andere Länder, die diesem positiv gegenüberstehen. Es gäbe die Möglichkeit, hier ein Zeichen zu setzen. Beispielsweise unterstützt die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in Hessen den Gesetzentwurf der Hessischen Landesregierung. Auch die SPD-Fraktion im Saarland unterstützt einen entsprechenden Gesetzentwurf. Vielleicht gibt es die Möglichkeit, dass auch hier eine entsprechende Unterstützung möglich wäre.

Herzlichen Dank.

(Beifall der CDU)

Das Wort hat Herr Kollege Schwarz von der SPD-Fraktion.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Lammert, ich habe vorhin schon gesagt, wenn Sie zitieren, dann bitte richtig. Sie können es im Protokoll nachlesen. Mich und insbesondere die Experten im Innenausschuss haben Sie falsch zitiert, die das so nicht dargestellt haben, wie Sie das gerade getan haben.

(Vereinzelt Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Carsten Pörksen, SPD: Sehr wahr!)

Herr Lammert, als Ergebnis der bisherigen Diskussion kann man festhalten, alle Fraktionen sind sich in einem Punkt einig: Der Entwicklung der ansteigenden Gewalt gegen Polizei und Rettungskräfte muss energisch entgegengetreten werden. Auf dem Weg dorthin kann man sicherlich unterschiedliche Möglichkeiten nutzen. Sie wählen den Weg einer Strafgesetzverschärfung, während wir, die SPDFraktion, sagen, Repression allein ist zu kurz gedacht.

Vielmehr müssen die Entwicklungen erforscht werden, da dies ein gesamtgesellschaftliches Problem ist. Das ist das deutliche Ergebnis, das die Anhörung der Experten insgesamt gebracht hat. Die Ursachenforschung zog sich wie ein roter Faden durch die Anhörung.

Deutlich wurde dies, wenn man sich die einzelnen Fachbereiche der Experten anschaut.

Die Gewerkschaft war auch vertreten, und zwar zweimal, BDK (Bund Deutscher Kriminalbeamter) und DPolG (Deut- sche Polizeigewerkschaft), die voll diese Linie unterstützen. Dafür habe ich vollstes Verständnis. Man muss über den Tellerrand hinausschauen.

Wenn man die Kriminologin, Frau Steffes-enn vom Zentrum für Kriminologie und Polizeiforschung bewertet, dann

kann man sagen, sie hat eindeutig festgestellt, dass eine Strafverschärfung bei gewaltbereiten Menschen nicht funktioniert. Strafandrohung schreckt nicht ab. Das ist allgemeines Grundwissen der Kriminologie. Der Täter macht sich in der aktuellen Situation keine Gedanken darüber, ob er ein Jahr oder zwei Jahre Freiheitsstrafe bekommt. Das erreichen wir mit einem verschärften Straftatbestand nicht.

(Christian Baldauf, CDU: Natürlich!)

Die Psychologin der Hochschule der Polizei, Frau Telser, hat bestätigt, das Feindbild wird durch einen eigenen Straftatbestand sogar noch verstärkt.

Strafrechtlich hat Ihnen Herr Professor Zöller der Universität Trier in seinen schriftlichen und mündlichen Ausführungen eine klatschende Ohrfeige beim Anhörverfahren im Innenausschuss erteilt. Er äußerte sehr große verfassungsrechtliche Bedenken und beantwortete die Frage nach Strafverschärfung mit einem klaren Nein. Er machte deutlich, dass es wesentlich besser ist, die vorhandenen Gesetz im Strafrahmen anzuwenden.

Das ist so. Wir wollen keinen Druck aufbauen. Ich habe das Bild von dem Kollegen in Brokdorf genannt. Wenn da jemand wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung angeklagt wird, dann kann man sagen, das war eindeutig ein versuchtes Tötungsdelikt. Da muss der Ansatz hin.

Ihr Experte, der Polizeipräsident Bereswill aus Frankfurt, hat beeindruckend gesagt, wir haben in dem Brennpunktviertel in Frankfurt am Main die Streifen personell verstärkt. Was haben wir erreicht? Die Zahlen der Gewalt gegen die Polizei sind angestiegen. Erst die Bodycam hat dies positiv verändert. Das war eine wichtige Botschaft. Deswegen bin ich dankbar, dass wir die Bodycam nicht sofort eingeführt haben, wie Sie es gefordert haben, sondern dass wir ein Pilotprojekt dort machen, wo die höchsten Zahlen sind. Wir werden uns die Ergebnisse anschauen, wenn die bestätigt werden, dann sind wir auf dem richtigen Weg.

Fazit der Anhörung: Es ist ein sehr komplexes Thema, das nur mit einer Strafverschärfung nicht gelöst werden kann.

Vielleicht haben Sie es nicht gelesen, aber wenn Sie sich die schriftlichen Äußerungen von Herrn Professor Feltes von der Universität Bochum durchlesen, dann sehen Sie, dass dort unter Punkt 9 – er hat neun Thesen aufgestellt – Folgendes steht: „Generell sollte die Politik vor diesem Hintergrund mit Forderungen nach härteren und/oder schnelleren Strafen zurückhaltend sein. Sie erweckt sonst den Eindruck, sich nicht um die komplexen Ursachen eines sozialen Phänomens kümmern zu können oder zu wollen und stattdessen auf symbolische, medien- und öffentlichkeitswirksame Kampagnen zu setzen.“ Machen Sie sich darüber einmal Ihre Gedanken.

Wir setzen lieber an der Ursachenforschung an, dass man die Ursachen erforscht. Da können wir vielleicht etwas gemeinsam machen. Wir wollen es weiter mit guter Prävention ergänzen und dabei bestehende Gesetzesrahmen konsequent ausnutzen.

(Glocke des Präsidenten)

Ich komme gleich zum Schluss.

Meine Damen und Herren, jede Gewalttat allgemein, aber auch gegen Uniformträger, die nicht geschieht, ist besser als die, die man bestrafen muss, deswegen ist unser Ansatz ein anderer. Deswegen stimmen wir gegen Ihren Antrag.

Herzlichen Dank.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Frau Kollegin Schellhammer hat das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrten Damen und Herren! Wir sind uns alle einig, jede einzelne Gewalttat ist eine zu viel. Gewalt, egal gegen welche Person sie sich richtet, hat in unserer Gesellschaft keinen Platz. Das bringt unsere Rechtsordnung so deutlich zum Ausdruck.

Die Abschnitte 16 und 17 des Strafgesetzbuches verurteilen jeden Angriff gegen das Leben und die körperliche Unversehrtheit mit Strafen, die von Geldstrafe über die zeitlich begrenzte Freiheitsstrafe bis hin zur lebenslangen Freiheitsstrafe reichen. Das ist das Maß, in dem die Richterinnen und Richter urteilen können, wenn es um Gewalttaten geht. Es liegt in den Händen der Justiz, hier zu urteilen. Das ist richtig und gut so.

Die Strafbarkeit ist das letzte Mittel, das dem Rechtsstaat in die Hand gegeben ist, um Unrecht zu verfolgen. Es ist aber nicht geeignet, unrechtes Handeln zu verhindern, so wie Sie sich das mit Ihrem Antrag wünschen. Das zeigen uns die vielen Fälle von Gewalt und Übergriffen immer wieder. Sie sind jetzt schon strafbar und finden dennoch statt.

Wer nun aber fordert, eine bestimmte Berufsgruppe aus dem Kreis der von Gewalt Betroffenen herauszuheben und Übergriffe gegen diese härter zu bestrafen als gegen andere Bürgerinnen und Bürger, muss eine Reihe von Fragen beantworten. Ist eine Erweiterung der Strafbarkeit wirksam, um Übergriffe zu verhindern? Wird sie den Anliegen der Betroffenen gerecht? Ist sie vielleicht sogar kontraproduktiv, das heißt, würde sie den Anreiz zur Gewalttätigkeit eventuell noch verstärken? Wäre ein solches Vorhaben überhaupt verfassungsgemäß?

Genau diesen Fragen haben wir uns in der Anhörung intensiv gewidmet. Die Kriminologin vom Zentrum für Kriminologie und Polizeiforschung, die Dozentin der Hochschule der Polizei und der Professor der Juristischen Fakultät Trier sind zu einem gleichen Ergebnis gekommen, eine Ausweitung der Strafbarkeit ist nicht geeignet, unsere Polizeibeamtinnen und -beamten vor Übergriffen zu schützen.

Übergriffe geschehen ganz überwiegend im alltäglichen Einsatz bei Personenkontrollen, die eskalieren, beim Einsatz in Fällen häuslicher Gewalt. Diese affektiven Täter

werden durch eine erhöhte Strafbarkeitsandrohung nicht erreicht. Dieses Täterpotenzial – das hat die Anhörung klar gezeigt – wird sich nicht abschrecken lassen, indem die Strafbarkeit in dem Bereich höher wäre, im Gegenteil. Die Anhörung hat Anlass zu der ernsthaften Befürchtung gegeben, dass die Polizei durch eine solche Gesetzesänderung in bestimmten Situationen eher verstärkt Opfer werden könnte, weil eventuell die Priorisierung kritisiert werden könnte. Das wurde in dem Kontext in der Anhörung erläutert.

Ein weiterer Punkt wurde auch durch die Anhörung eindeutig bestätigt. Die vorgeschlagene Gesetzesänderung ist möglicherweise verfassungswidrig.

Aber es bleibt unser aller Verpflichtung, für den Schutz unserer Einsatzkräfte Sorge zu tragen. Das steht außer Zweifel. Dies tun wir durch umfangreiche Maßnahmen bereits in Rheinland-Pfalz durch Prävention, durch eine gute Schutzausrüstung und eine gute Ausbildung.

Wenn wir uns generell das Phänomen anschauen, dass in der Gesellschaft staatliche Institutionen und bestimmte Berufsgruppen immer mehr Opfer von Gewalt, Übergriffen und Beleidigungen werden, dann müssen wir uns auch die Metafrage stellen, warum die Akzeptanz solcher Institutionen erodiert. Was passiert sozusagen in der gesamtgesellschaftlichen Ebene, dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Jobcentern Übergriffen ausgesetzt werden? Was passiert innerhalb der Gesellschaft, dass die Akzeptanz solcher Institutionen verloren geht? Ich glaube, dieser Frage müssen wir uns viel intensiver widmen und nicht reflexartig fordern, die Strafbarkeit auszuweiten und zu sagen, das ist ein Allheilmittel, das verhindert, dass Polizistinnen und Polizisten Opfer von Gewalt werden.

Ganz klar ist, jede Form von Gewalt hat in unserer offenen Gesellschaft keinen Platz. Das ist unmissverständlich. Das gilt auch bei Gewalt gegen Polizistinnen und Polizisten. Die ächten wir hier im Haus gemeinsam. Polizistinnen und Polizisten machen einen hervorragenden Dienst hier in Rheinland-Pfalz. Sie sollen nicht Opfer von Gewalt werden.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Herr Staatsminister Professor Robbers, Sie haben das Wort.

Werter Herr Präsident, werte Damen und Herren Abgeordnete! Es ist zu diesem Thema nun viel gesagt und geschrieben worden. Das ist auch gut so, und das ist richtig; denn die Menschen, die sich für unsere Sicherheit einsetzen, brauchen und es gebührt ihnen der bestmögliche Schutz, der ihnen gegeben werden kann. Ich denke, darin sind wir uns alle einig. Die Frage ist nur, wie das am besten gewährleistet werden kann. Es gibt keine Patentlösung, und die kann es auch nicht geben, wenn man den

Umstand bedenkt, dass die Ursachen für tätliche Angriffe gegen Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte nun sehr vielschichtig sind. Es wäre verfehlt zu meinen, dass die reine Erhöhung, gerade eine drastische Erhöhung, der Strafe das Problem lösen könnte.

Die Studie des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen 2010 hat dem entschieden widersprochen. Diese Studie ist auch von Rheinland-Pfalz mit initiiert. Der Evaluationsbericht in der Innenministerkonferenz hat die Erfahrungen der im Innenausschuss angehörten Experten bestätigt, dass ein erheblicher Teil der identifizierten Tätergruppen gerade wegen ihrer Persönlichkeitsstruktur der situativen Gegebenheiten rationalen Erwägungen schlechthin nicht zugänglich ist. Deswegen konnte bei der im Jahr 2011 erfolgten Anhebung des Strafrahmens des Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte kein Abschreckungseffekt, der irgendwie höher war als der vorherige, festgestellt werden.

Sowohl der von Hessen als auch der vom Saarland vorgelegte Gesetzentwurf erscheint – das muss hier gesagt werden – verfassungsrechtlich jedenfalls zweifelhaft unter mehreren Gesichtspunkten. Das gilt besonders für die vom hessischen Vorschlag vorgesehene Anhebung des Mindeststrafrahmens auf sechs Monate, die – darauf kommt es an – ausnahmslos gelten sollen. Es gibt eine solche Vielfalt denkbarer Fallgestaltungen, dass eine solche ausnahmslose Anhebung des Mindeststrafrahmens, wenn man bedenkt, was an Bandbreite individueller Schuld und der verschiedenen Möglichkeiten des Angriffs auf Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte möglich ist, wahrscheinlich unverhältnismäßig ist. Man würde möglicherweise – auch das sei zu bedenken – die nicht ganz so schwerwiegenden Straftaten dann gar nicht mehr richtig erfassen können, und man will auch denen doch entgegentreten. Professor Zöller hat im Rahmen des Verfahrens bei uns ebenso wie die beteiligten Staatsanwaltschaften und Gerichte diese Bewertung ausdrücklich geteilt.

Dann stellen sich auch Schwierigkeiten bei der Festlegung des Anwendungsbereichs, gerade unter dem Gesichtspunkt des Gleichheitsgrundsatzes ein. Sie wollen nur Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte, Einsatzkräfte, schützen, aber es gibt nicht nur diese, sondern auch Tarifbeschäftigte bei der Polizei. Es gibt andere Berufsgruppen,

(Zuruf des Abg. Christian Baldauf, CDU)

Mitarbeiter von Arbeits- und Sozialämtern, Angehörige von Nichtregierungsorganisationen, kommunale Amtsträger, die ebenfalls solchen Angriffen ausgesetzt sind. Ich spreche auch für die Beamtinnen und Beamten in den Strafvollzugsanstalten, die keine Einsatzkräfte in dem Sinne wahrscheinlich sein werden. Auch denen gebührt Schutz, und man müsste sie einbeziehen können.

Das sind nur zwei von vielen kritischen Punkten, die ich skizziert habe, aber sie zeigen, dass es ein komplexes Phänomen ist, das mit gesetzgeberischen Schnellschüssen nicht erfolgreich behoben werden kann. Es würde, wenn man solche Schnellschüsse tut, den Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten im Land und darüber hinaus letztlich mehr Schaden zugefügt als Nutzen gebracht.

Es kommt auf eine wirksame Prävention an, es kommt auf konsequente Strafverfolgung an. Dafür sorgen wir. Es kommt auf einen breiten gesellschaftlichen Diskurs zur Sicherstellung einer allgemeinen Akzeptanz für diejenigen an, die unsere Demokratie verteidigen. Das sind die besten Garanten für einen wirksamen Schutz. Wir führen diesen Diskurs offen und mit der Zielrichtung, die Beamtinnen und Beamten, alle, die in diesem Feld tätig sind, gut und besser zu schützen.

Ich danke Ihnen.