Protokoll der Sitzung vom 06.10.2015

(Beifall der CDU – Zuruf des Abg. Alexander Schweitzer, SPD)

Die Ankunft, Gewaltfreiheit, Männer und Frauen sind gleich, all diese Dinge sind das eine, aber lassen Sie mich bitte auch die andere Seite der Geschichte betrachten. Wir haben in dieser Frage auch nach dem Bildungsstand der Frauen und der Möglichkeit von Spracherwerb und Integration gefragt.

Warum ist uns das so wichtig? Es ist nicht nur per se eine wichtige Errungenschaft, dass man in seiner neuen Heimat die Sprache spricht, sondern gerade Frauen, Frauen, die schwanger sind und kleine Kinder mit sich führen, sind eigentlich der Pfad in die Zukunft. Sie sind ansprechbar, weil sie besonders verwundbar sind, und sie müssen im Grunde genommen die Chance bekommen, sich hier in dieser Gesellschaft sehr schnell zu integrieren, damit sie – darin sind wir uns einig mit dem Deutschen Frauenrat – ihre Kinder in der Kita und in der Schule gut begleiten können.

(Beifall bei der CDU)

Jetzt ist das eine besondere Herausforderung, weil nicht alle Frauen mit einem Bildungsniveau nach Deutschland kommen, das dem unseren auch nur annäherungsweise entspricht, meine Damen und Herren. Wir wissen aus der Vergangenheit, dass viele Frauen hierherkommen, aus der Türkei und anderen Ländern, die zu Hause kaum oder gar nicht alphabetisiert sind.

Das heißt, das muss genau betrachtet werden. Es müssen Projekte aufgelegt werden, damit diese Frauen Deutsch lernen können, obwohl das natürlich sehr schwierig ist, wenn man in seiner eigenen Sprache nicht lesen und schreiben kann.

Die Herausforderung ist klar, das wissen wir, aber sie muss auch beim Namen genannt und Wege müssen aufgezeigt werden.

(Beifall bei der CDU)

Da kann ich sicher bei vielen von Ihnen Erinnerungen wecken, dass wir in der Vergangenheit den einen oder anderen Fehler gemacht und nicht genug darauf geschaut haben, dass wir, wenn solche Frauen hierhergekommen sind, ihnen diese Chance wirklich eröffnet haben. Vielen Menschen aus bestimmten Ländern ist es deshalb nicht gut gelungen, sich zu integrieren und Arbeitslosigkeit zu vermeiden.

(Zuruf des Abg. Alexander Schweitzer, SPD)

Das hat sich oft bis in die dritte Generation durchgesetzt.

Das waren nicht nur Türken,

(Ministerpräsidentin Malu Dreyer: Italiener!)

genau, es waren auch Italiener, das weiß man aus der Forschung und aus der Anschauung –, es waren auch Italiener, die aus dem Süden Italiens kamen, einen agrarischen Hintergrund hatten und keine große Ausbildung besaßen.

Deswegen ist die Herausforderung, dass wir jetzt, wenn wir das gut organisieren und hinbekommen wollen, sehr frühzeitig schauen, dass die Menschen nicht erst irgendwo ihren Wohnsitz finden, sondern möglichst zusammen mit den Kindern und über die Frauen integriert werden.

(Beifall der CDU)

Ich sage Ihnen, ich sage es auch in Richtung SPD, ich habe heute Morgen Frau Schwesig im Radio gehört. Sie hat sich genau zu diesem Punkt geäußert. Wir müssen auch damit rechnen, dass die vielen jungen Männer, die jetzt gekommen sind, ihre Familien nachholen, und dann werden noch mehr Frauen und kleine Kinder kommen. Dann muss es noch wichtiger sein, dass wir gewappnet sind und das gut organisieren.

Ich will das jetzt gar nicht als Kritik an irgendjemanden oder irgendetwas gesehen haben, eine Große Anfrage bildet eigentlich immer Material, um Erkenntnisse zu gewinnen.

Ich will es einfach noch einmal auf den Punkt bringen, damit es sich abrundet.

Meine Damen und Herren, die Herausforderungen sind sehr groß, aber wir wollen, dass diejenigen, die auf eine gewisse Zeit oder auch auf Dauer bei uns bleiben, tatsächlich im Arbeitsmarkt und in der Erziehung ihrer Kinder eine Bereicherung für unsere Gesellschaft darstellen. Daher müssen wir auch die Voraussetzungen schaffen, dass dies möglich ist. Allein werden sie das nicht schaffen.

(Beifall der CDU)

Vor allem wenn man mit einem etwas geringeren Bildungshintergrund kommt, ist das nicht möglich.

Ich fasse noch einmal zusammen. Auf der einen Seite stellt sich die Frage: Wie können wir unser Grundgesetz ändern und insbesondere auch die Gleichberechtigung von Mann und Frau durchsetzen? Wie können wir dafür sorgen, dass die Menschen dies erkennen und es auch wissen, dass die Männer um ihre Rechte und Pflichten wissen, dass aber auch die Frauen ihre Rechte kennen? – Das kann man in den Integrations- und Sprachkursen vermitteln, wenn man es geschickt anfängt.

Wir wollen aber natürlich auch, dass diejenigen, die für eine gewisse Zeit oder für immer hier bleiben, sich auch in unsere Gesellschaft einbringen, und dies wird nur über einen klugen Weg gelingen.

(Beifall der CDU – Julia Klöckner, CDU: Sehr gut!)

Für die SPD-Fraktion hat Frau Abgeordnete Scharfenberger das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Anzahl der Flüchtlinge ist in den letzten Wochen und Monaten drastisch angestiegen; wir haben heute schon vielfach darüber gesprochen. Allein die adäquate Unterbringung und Betreuung der geflüchteten Menschen stellt für alle beteiligten Institutionen eine besondere Herausforderung dar.

Unter den geflüchteten Menschen gibt es eine hohe Anzahl von Menschen, die besonders schutz- und hilfsbedürftig sind und somit unserer besonderen Aufmerksamkeit bedürfen. Die EU-Aufnahmerichtlinie definiert in Artikel 21 den Kreis der schutzbedürftigen Personen. Dazu gehören auch Minderjährige, unbegleitete Minderjährige, behinderte und ältere Menschen, Schwangere, Alleinerziehende mit minderjährigen Kindern, Opfer von Menschenhandel, Personen mit schweren körperlichen Erkrankungen, Personen mit psychischen Störungen und Personen, die Folter, Vergewaltigung oder sonstige schwere Formen psychischer, physischer oder sexueller Gewalt erlitten haben.

Es werden Mindestnormen festgelegt, die einzuhalten sind. Übrigens ist diese EU-Richtlinie durch den Bund nach wie

vor nicht in nationales Recht umgesetzt worden, obwohl dies bis zum 20. Juli geschehen sollte.

Eine dieser besonders betroffenen Gruppen sind sicherlich die Frauen. Eine Aussage über die aktuelle Anzahl der Frauen unter den Asylbewerbern ist schwierig zu treffen, zumal sich die Statistik täglich verändert. Doch schon allein der Anstieg von 2013 bis zum Stichtag 21. März 2015 von 2.108 Frauen auf 4.899 Frauen zeigt eine deutliche Zunahme.

Frauen, die allein oder mit Kindern reisen, waren auf ihrer Flucht oft Gefahren und Gewalt ausgesetzt, die sich in Traumata niederschlagen. Viele sind Opfer einer Form des Missbrauchs, der Ausbeutung, der Folter oder von grausamer, unmenschlicher und erniedrigender Behandlung geworden. Daher sind gerade Frauen auch besonders schutzbedürftig und müssen Rehabilitationsmaßnahmen in Anspruch nehmen können. Im Bedarfsfall sollte eine geeignete psychologische Betreuung und eine qualifizierte Beratung angeboten werden.

Aber anders als bei physischen Erkrankungen oder Schwangerschaften ist gerade die psychische Erkrankung nur schwierig zu erkennen; diese Frauen leiden oft im Verborgenen. Deshalb ist es auch richtig, dass gerade in den Erstaufnahmeeinrichtungen diesen Frauen eine besondere Aufmerksamkeit gewidmet wird. Sie erhalten besonderen Schutz und eigene Angebote.

Ziel ist es, bereits in dieser Phase die besonderen Bedarfe festzustellen, um diese Frauen dann auch in den Kommunen entsprechend in der Nähe von besonderen Institutionen wie zum Beispiel den Psychosozialen Zentren unterzubringen. Es gibt in der Zwischenzeit fünf Zentren in Rheinland-Pfalz, die eine besondere Förderung durch das Land erhalten.

Ein zentrales Element zur Identifizierung schutzwürdiger Personen stellt dabei das MEDEUS-Programm dar, das im Rahmen der Erstuntersuchung durchgeführt wird. Wird eine Schwangerschaft festgestellt, erfolgt die unmittelbare Überweisung an einen Gynäkologen. In Trier gibt es zusätzlich noch die dolmetschergestützte Betreuung durch Hebammen.

Darüber hinaus werden in den Erstaufnahmeeinrichtungen im Rahmen des Sozialkonzepts soziale Beratungen und Kriseninterventionen angeboten. Das Erkennen von psychischen Erkrankungen, Traumata, Belastungen durch Gewalterfahrung oder durch sexuelle Gewalt erfordert vom Personal in den AfA besonderes Einfühlungsvermögen und Erfahrung. Dies wird auch durch gesonderte Schulungen im Bereich der interkulturellen Sensibilisierung erreicht. Dabei leistet zum Beispiel die Koordinierungsstelle in Trägerschaft des Caritas-Verbandes Rhein-Mosel-Ahr wertvolle Arbeit.

Außerdem wird bei der Unterbringung in getrennten Bereichen oder eigenen Fluren sichergestellt, dass Frauen vor weiterer sexueller Ausbeutung und Gewalt geschützt werden, und das ist ganz wichtig. In den Kommunen wiederum gibt es eine Vielzahl von Anlaufstellen. Viele Initiativen mit hohem ehrenamtlichem Engagement arbeiten gerade in diesem besonders sensiblen Bereich, wobei festzuhalten

ist, dass den Flüchtlingsfrauen grundsätzlich auch alle Beratungsangebote des Regelsystems offenstehen. Ich möchte als Beispiele nur die Frauenhäuser nennen, die Frauennotrufe, die Interventionsstellen oder auch den auf psychosoziale Betreuung und Beratung spezialisierten Verein SOLWODI. Ich möchte einen großen Dank an alle richten, die sich in diesem Bereich engagieren.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sprach- und Integrationskurse sind – wir haben gerade eben darüber gesprochen – ebenfalls ganz wichtig und können bei Bedarf auch als reine Frauenkurse eingerichtet werden. Ich denke, dies ist gerade für unterdrückte Frauen eine ganz wichtige Möglichkeit, sich zu äußern. Allerdings ist es dabei auch dringend notwendig, dass diese Integrationskurse allen offenstehen. Wir haben heute schon des Öfteren diese Forderung gehört.

Wir begrüßen ausdrücklich die Aktualisierung der Datenbank „Finanzielle Hilfen für Frauen“ im Hinblick auf die Situation von Flüchtlingsfrauen. Hier werden die Sprachförderprogramme, Weiterbildungsprogramme und die vielen vorhandenen Angebote aufgenommen und geben einen guten Überblick zur Orientierung.

Meine Damen und Herren, zusammenfassend möchte ich festhalten, dass Asyl suchende Frauen im besonderen Fokus in Bezug auf die Betreuung stehen und auch stehen müssen, wie im Übrigen auch alle weiteren Personenkreise innerhalb der Gruppe der Flüchtlinge und Asylbewerber, die als schutzbedürftig eingestuft werden. Meine Damen und Herren, es wird für alle diese Personen schwer sein, die schrecklichen Erlebnisse in ihrem Heimatland und auf der Flucht zu verarbeiten.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat Frau Abgeordnete Spiegel das Wort.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist genug Heimat für alle da. Heimat ist nicht endlich, und Heimat braucht sich auch nicht auf.

Ich bin der festen Überzeugung, dass auch in RheinlandPfalz genug Heimat da ist für die Frauen, die als Flüchtlinge zu uns kommen, sei es mit Kindern, sei es als alleinreisende Frauen, auch wenn – Frau Kohnle-Gros hat darauf hingewiesen – die Zahl der alleinreisenden Flüchtlingsfrauen, die zu uns kommen, sehr gering ist, oder seien es sogar minderjährige und unbegleitete Flüchtlingsmädchen, die zu uns kommen, auch wenn deren Zahl ebenfalls sehr gering ist.

Aber ich denke, da ihre Situation eine sehr spezifische ist,

ist es auch gerechtfertigt, einen speziellen Blick darauf zu werfen, wie die Situation derjenigen weiblichen Flüchtlinge aussieht, die zu uns kommen.

Es wurde schon gesagt, ich möchte es aber noch einmal betonen: Diese Frauen haben in ihren Heimatländern und auf der Flucht, aber gegebenenfalls auch in Deutschland Schlimmes durchgemacht. Viele von ihnen haben Übergriffe erfahren, sie haben auf der Flucht Vergewaltigung erfahren, sie haben Unvorstellbares erlebt. Es gibt Frauen, die von Zwangsverheiratung und Genitalverstümmelung betroffen waren oder immer noch akut betroffen sind. Wir sind es diesen Frauen schuldig – dafür bin ich dem Frauenministerium und dem Integrationsministerium im doppelten Sinne außerordentlich dankbar –, dass wir sensibel und mit einem besonders fürsorglichen und sozialen Blick auf diese Frauen schauen und uns fragen: Wo besteht noch Handlungsbedarf, und wo sind wir gut aufgestellt?