Protokoll der Sitzung vom 12.11.2015

(Heiterkeit und Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Im Ausschuss haben wir ausführlich über diese Theorie der miteinander verbundenen Röhren diskutiert. Das ließ sich nicht festhalten. Wir haben ausführlich darüber diskutiert, ob gegen die Vergabeordnung verstoßen worden ist. Sie haben im Ausschuss gesagt – deswegen ist diese erste Große Anfrage parlamentarisch auch noch nicht abgeschlossen –, Sie haben weitere Fragen. Diese weiteren Fragen haben Sie in einer erneuten Großen Anfrage gestellt, aber Sie setzen sich dabei nicht mit den Antworten der Landesregierung auseinander, sondern Sie wiederholen die Fragen,

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

und dies in einer rhetorischen Weise, die uns gar nicht die Möglichkeit gibt, eine entsprechende Debatte zu führen.

Deswegen behalte ich mir auch jetzt die zwei Minuten Redezeit übrig, die Sie auch noch haben, damit ich auf das, was Sie jetzt sagen, gleich noch einmal eingehen kann.

Vielen Dank.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Für die Landesregierung hat nun Frau Staatsministerin Bätzing-Lichtenthäler das Wort.

Sabine Bätzing-Lichtenthäler, Ministerin für Soziales,

Arbeit, Gesundheit und Demografie:

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Anlässlich der Auftaktveranstaltung zur ESFFörderperiode 2014 bis 2020 im Dezember 2014 wurde dem Land Rheinland-Pfalz seitens des Kommissionsvertreters attestiert, dass die Bemühungen um eine fehlerfreie Umsetzung des ESF als erfolgreich zu bezeichnen sind. Die zuletzt festgestellte Fehlerquote lag bei 1,04 %. Das ist ein deutliches Zeichen, dass der ESF in Rheinland-Pfalz gut und richtig umgesetzt wird.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Diese Aussage wird auch durch die vorliegende Antwort der Landesregierung auf die zweite Große Anfrage der CDU bestätigt.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, diese Große Anfrage stellt auf die Förderperiode 2007 bis 2013 ab. Herr Baldauf, wenn Sie an dieser Stelle von Geschmacklosigkeit sprechen, dann finde ich es geschmacklos, dass Sie von der CDU unbedingt den Namen von Claus Jensen fürs Protokoll und für die Presse in diesem Hause nennen, obwohl Sie genau wissen, dass er 1999 aus dem Unternehmen ausgeschieden ist und es keinerlei Verbindung gibt. Das finde ich geschmacklos.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich möchte mich in meinen Ausführungen auf die Behauptung der CDU konzentrieren, wir hätten einen Vergabeverstoß begangen, weil keine öffentliche Ausschreibung für die Telefonhotline zum Förderansatz QualiScheck erfolgte. Der von der CDU in den letzten Tagen im Zusammenhang mit der Telefonhotline benannte EU-Schwellenwert für die Vergabe von Lieferund Dienstleistungsaufträgen ist uns, liebe Kolleginnen und Kollegen, selbstverständlich bekannt. Er war aber hier nicht einschlägig für die Beschaffung.

Tatsächlich ist es so, dass diese Dienstleistung über eine geringfügige Nachbestellung zum bestehenden Vertrag für die landesweite Beratungsstelle für Arbeitsmarktpolitik beschafft wurde. Ich stelle fest, das war rechtlich zulässig, es war sachgerecht, und es war effizient. Die Vorgaben des Vergaberechts wurden eingehalten, und eine gesonderte öffentliche Ausschreibung war nicht erforderlich.

Da die CDU – wir haben es bereits gehört – zu dieser Frage jedoch eigens einen als solchen bezeichneten Vergaberechtsexperten hinzugezogen hat, will ich an dieser Stelle auch kurz auf die Begründung der rechtlichen Zulässigkeit eingehen. Wir gehen dafür zurück ins Jahr 2008. Im Jahr 2008 erfolgte die Beschaffung für die Dienstleistung der landesweiten Beratungsstelle für die Arbeitsmarktpolitik im Rahmen einer öffentlichen Ausschreibung. Die zum damaligen Zeitpunkt, also im Jahr 2008, geltende Rechtslage ergab eine Zuordnung von Beratungsdiensten im Sozialwesen auch bei Überschreiten des EU-Schwellenwertes in diese Art des Beschaffungswesens, also in eine nationale Ausschreibung. Diese Rechtslage und damit die nationale Ausschreibung gilt demnach auch für die landesweite Beratungsstelle für die Jahre 2007 und 2008. Zur

näheren Erläuterung dieser damaligen Rechtslage möchte ich auf die Antwort zu Frage Nummer 55 der vorliegenden Großen Anfrage verweisen.

Zum Zeitpunkt der Umsetzung des im Jahr 2012 neu geschaffenen ESF-Förderansatzes QualiScheck konnte wegen fehlender Personalstellen im Landesamt für Soziales, Jugend und Versorgung zunächst die Beratung von an der beruflichen Weiterbildung interessierten Bürgerinnen und Bürgern nicht durch die zwischengeschaltete Stelle des ESF übernommen werden. Das heißt, diese Dienstleistung war daher zu beschaffen, und dies erfolgte über eine geringfügige Nachbestellung ohne Ausschreibung.

Natürlich ist uns bekannt, dass das Land verpflichtet ist, Aufträge grundsätzlich durch öffentliche Ausschreibung zu vergeben. Aber von dieser Pflicht kann nach den gesetzlich vorgesehenen Ausnahmen abgewichen werden. Diese gesetzlich vorgesehenen Ausnahmen sind die beschränkte Ausschreibung und die freihändige Vergabe.

Die Landesregierung hat die Möglichkeit der geringfügigen Nachbestellung im Anschluss an einen bestehenden Vertrag als Spezialfall der freihändigen Vergabe genutzt. Rechtsgrundlage dafür ist § 3 Abs. 5 Buchstabe d der VOL/A 1. Danach ist eine geringfügige Nachbestellung möglich, wenn

1. kein höherer Preis als für die ursprüngliche Leistung erwartet wird,

2. die Nachbestellung 20 % des Werts der ursprünglichen Leistung nicht überschreitet und

3. die Leistungen den ursprünglichen Leistungen inhaltlich weitgehend entsprechen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, „inhaltlich weitgehend entsprechen“ bedeutet aber nicht, dass sie gleich sein müssen.

Die Leistung für die Hotline entsprechen den bereits durch die landesweite Beratungsstelle erbrachten Leistungen der allgemeinen Beratung von Projektträgern im Kontext der ESF-Förderung in Rheinland-Pfalz weitgehend.

Der neue Aspekt war lediglich die Beratung von natürlichen Personen zu einem individualisierten ESF-Förderansatz.

Von daher mache ich abschließend die Klarstellung, der einzige relevante Schwellenwert bei der Nachbestellung ist die gesetzlich vorgegebene Höchstquote. Diese liegt bei 20 % des ursprünglichen Auftragswertes.

Der für die telefonische Beratung geschätzte Auftragswert in Höhe von rund 212.000 Euro liegt gemessen am Auftragswert des laufenden Vertrages in Höhe von 1,6 Millionen Euro, genau 1.686.032,46 Euro, deutlich unter 20 %.

Der von der CDU angeführte EU-Schwellenwert des Vergaberechts ist hier somit nicht einschlägig und kann keinesfalls für einen Vorwurf eines rechtswidrigen Handelns der Landesregierung herangezogen werden.

Sehr geehrte Damen und Herren, ich hoffe, dass mit der

Beantwortung der sechs Kleinen und zwei Großen Anfragen sowie den Diskussionen über diese Anfragen jetzt alle Punkte geklärt sind und wir die Beratungen zum ESF in den letzten 20 Jahren nun zu einem guten Abschluss bringen können.

Vielen Dank.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Den Fraktionen steht eine zusätzliche Redezeit von zwei Minuten zur Verfügung.

Frau Thelen hat das Wort. Ihnen stehen drei Minuten und 50 Sekunden zur Verfügung.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Frau Ministerin Bätzing-Lichtenthäler, Sie haben ausgeführt, weshalb der Schwellenwert hier nicht zum Tragen kommt und Sie sich bei Ihrer Vergabe an der Möglichkeit einer geringfügigen Nachbestellung orientiert haben.

Die Bedingungen dieser Nachbestellung haben Sie eben aufgeführt. Bei dieser Subsumtion, wie Sie sie betreiben, haben wir große Bedenken. Wir sehen da große Unterschiede. Das begann mit dem Projekt 2009. Damals hat er den Vertrag bekommen. Er hatte die Aufgabe, potenzielle Projektträger in Rheinland-Pfalz zu beraten, die sich überlegen, z. B. als Initiativen, Verbände aus dem Wohlfahrtsbereich, Projekte im Rahmen der Europäischen Sozialfondsförderung im Zusammenhang mit Arbeitsmarktpolitik durchzuführen. Solche Projektträger sollte er beraten und klären, ob das passt, ob das möglich ist usw. Beim QualiScheck geht es um etwas grundsätzlich völlig anderes. Es geht um eine Weiterbildungsprämie, also eigentlich um ein sehr kleines und simples Projekt. Das gilt gerade für die Hotline. Es geht darum, ob jemand erwerbstätig ist, ob die Weiterbildung, die er vorhat zu machen, unter diesen QualiScheck fällt und ob er dafür 500 Euro bekommen kann. Das ist wirklich eine Beratung von Einzelpersonen, die meines Erachtens nicht nur eine geringfügige inhaltliche Veränderung ist.

Deshalb haben wir grundsätzliche Bedenken, dass diese Argumentation tatsächlich stichhaltig ist.

(Beifall der CDU – Zuruf des Abg. Carsten Pörksen, SPD)

Ich denke, diese Bedenken können wir hier sagen, auch wenn ich CDU-Frau bin, lieber Herr Pörksen. Ich bin sogar CDU-Aktivistin. Ich denke, das werden Sie an dieser Stelle ertragen.

(Beifall der CDU – Zuruf des Abg. Carsten Pörksen, SPD)

Deshalb wollen wir wissen, was hier stimmt.

Sie haben sich Beistand geholt. Da hieß es z. B. bei den

Medienvertretern, dass man über das Vergaberecht diskutieren muss. Gegebenenfalls liegt auch ein Verstoß gegen das Haushaltsrecht vor. Wir finden, das ist ebenfalls ein ganz interessanter Aspekt.

Das Haushaltsrecht verlangt grundsätzlich, wenn es um größere Mittelvergaben geht, wirtschaftlich mit den Steuermitteln unserer Bürgerinnen und Bürger umzugehen. Das weiß jeder, der in der Kommunalpolitik aktiv ist. Das weiß jeder Bürgermeister. Selbst der kleine Ortsbürgermeister weiß es, dass er, wenn er Leistungen vergibt, zumindest Vergleichsangebote einholt, wenn noch die freihändige Vergabe möglich ist.

(Beifall der CDU – Martin Haller, SPD: Es klingt verzweifelt, was Sie da sagen!)

Natürlich kann er auch in ein Ausschreibungsverfahren gehen.

Zu sagen, das Projekt war so komplex – diese Aussage hat der Vorgänger im Amt gemacht –, dass es dafür keine anderen potenziellen Anbieter im Land Rheinland-Pfalz gibt, war ein schlimmes Urteil über die Kompetenz vieler Träger bei uns im Land, die das selbstverständlich hätten machen können, Herr Schweitzer.

(Beifall bei der CDU)