Protokoll der Sitzung vom 19.10.2011

Frau Klöckner, vielleicht kommen Sie irgendwann auch noch mit Briefen, die Sie damals an Herrn Ministerpräsidenten a. D. Koch geschrieben haben. Dessen Antworten wären für uns in diesem Haus mindestens genauso wichtig.

(Frau Klöckner, CDU: Sie können den Brief gerne haben!)

Mir ist schon klar, mit wem Sie die Dinge gemeinsam umsetzen wollen.

(Frau Klöckner, CDU: Ich kann ihn vorlesen!)

Das ist auch in Ordnung.

Meine Damen und Herren, ich will noch einmal betonen: Wir als Landesregierung – ich würde mich freuen, wenn das für das gesamte Parlament gelten würde – wollen an der Seite der Betroffenen stehen und deshalb auch Kommunen im Klageverfahren unterstützen.

Ich will auch noch einmal den Appell von Herrn Fraktionsvorsitzenden Hering betonen. Die Position der Landesregierung wäre natürlich noch besser, wenn wir ein einstimmiges Votum des Landtages mit auf den Weg bekommen würden, also eine Zustimmung aller drei Fraktionen zu dem Antrag.

Vielen Dank.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Es kann keine weitere Redezeit gewährt werden. Damit ist dieser Punkt der Aktuellen Stunde abgeschlossen. Sie wissen aber, dass wir noch den Antrag auf der heutigen Tagesordnung stehen haben. Sie können sich daher Ihre Argumente bis zur Behandlung dieses Tagesordnungspunktes merken.

Ich begrüße eine weitere Besuchergruppe im Landtag, nämlich den Männergesangverein „Liederkranz“ Kördorf. Seien Sie uns herzlich im Landtag willkommen!

(Beifall im Hause)

Wir kommen dann zum zweiten Teil der Aktuellen Stunde. Es handelt sich um einen Antrag der Fraktion der CDU mit der Bezeichnung „Aktueller Streit in der Bundesregierung zur Einführung eines Betreuungsgeldes – Auswirkungen für Rheinland-Pfalz“.

(Zurufe von der CDU: Das ist kein Antrag der CDU! – Heiterkeit bei der CDU)

Entschuldigung, es handelt sich um einen Antrag der Fraktion der SPD.

Ich rufe daher den zweiten Teil wie folgt auf:

AKTUELLE STUNDE

„Aktueller Streit in der Bundesregierung zur Einführung eines Betreuungsgeldes – Auswirkungen für Rheinland-Pfalz“ auf Antrag der Fraktion der SPD – Drucksache 16/451 –

Frau Sahler-Fesel spricht für die SPD.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Sie haben schon versucht, die Einigkeit vorwegzunehmen. Nichts ist so beständig wie der Wandel. Dieses Zitat von Heraklit von Ephesus, der schon von 520 bis 460 vor Christus gelebt hat, könnten sich die Koalitionspartner auf der Bundesebene als Leitmotiv gegeben haben. Es ist zwar schon ein bisschen alt, aber es passt. Jetzt ist Bundesfamilienministerin Kristina Schröder mit dem Betreuungsgeld an der Reihe, sich in die Streitpartner einzureihen.

Ich erinnere daran, im Koalitionsvertrag von CDU/CSU und FDP steht – ich zitiere –: „(…) soll ab dem Jahr 2013 ein Betreuungsgeld in Höhe von 150 Euro, gegebenenfalls als Gutschein, für Kinder unter drei Jahren als Bundesleistung eingeführt werden.“ In einem Interview mit der „BILD am Sonntag“ vom 9. Oktober äußert Bundesfamilienministerin Schröder eine gewisse Bescheidenheit, die darin zum Ausdruck kommt, dass sie jetzt das Betreuungsgeld halbieren will.

Ich meine, wenn man familienpolitischen Unsinn macht und den dann halbiert, ist es vielleicht nur noch der halbe Unsinn, aber über die Brücke können wir nun wirklich nicht gehen.

Hinzu kommt, dass sie ins Spiel bringt, es gehe nicht darum, nur die zu belohnen, die ihre Kinder nicht in die Kindertagesstätte geben, sondern auch Mütter und Väter in Teilzeit, die für ihre Kinder die Kindertagesstätte in Anspruch nehmen, das Betreuungsgeld bekommen müssten.

Fünf Tage später fordert der Koalitionspartner FDP einen höheren Unterhaltsvorschuss und verabschiedet sich komplett vom Betreuungsgeld. Das könnte einem glatt sympathisch werden.

Wiederum drei Tage vorher beharrt die CSU auf der Erfüllung des Koalitionsvertrags in vollem Umfang, also auf die zweijährige Zahlung des Betreuungsgelds.

Diese beispiellose Einigkeit in einer Koalition bezeichnet dann die Koalition in Berlin als Familienpolitik und nennt dann auch noch, zumindest Familienministerin Schröder, die Fernhalteprämie als ihr wichtigstes Projekt in der Familienpolitik,

(Frau Elsner, SPD: Hört, hört!)

ein Almosen von 150 Euro, das falsche Anreize schafft und die Kinder aus den Kindertagesstätten heraushält.

Meine Damen und Herren, worauf sich die Familien und Kommunen bei dieser Bundesregierung verlassen können, ist ganz sicher der Streit zwischen CDU/CSU und FDP. (Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Worauf sich die Familien in Rheinland-Pfalz verlassen können, ist eine verlässliche Politik, die Familien tatsächlich ins Zentrum der Gesellschaft stellt und gleiche Teilhabechancen für Kinder tatsächlich verwirklichen will, sodass Kinder gleichberechtigt aufwachsen können. Deshalb investieren wir in frühkindliche Bildung. Deshalb investieren wir in den Rechtsanspruch auf einen Kitaplatz ab zwei Jahren. Deshalb investieren wir in die gebührenfreie Bildung, damit genau diese gleichen Teilhabechancen verwirklicht werden und die Kinder noch eine Chance haben, sich selbst später materiell abzusichern. Deshalb fördern wir die Vereinbarkeit von Familie und Beruf.

Deshalb fordern wir – damit das finanziell funktioniert – flächendeckende Mindestlöhne und gleichen Lohn für gleiche Arbeit, um ein paar Beispiele in dieser kurzen Zeit zu nennen.

Frau Klöckner, deshalb bieten wir der CDU in diesem Hause an: Kommen Sie mit an Bord. Lassen Sie uns in Rheinland-Pfalz für Familien einen gemeinsamen Kurs fahren.

Beantworten Sie uns endlich einmal die Frage, wofür Sie in der Familienpolitik stehen. Stehen Sie dafür, dass Kinder aus Bildungseinrichtungen ferngehalten werden, zu Hause bleiben und dafür, dass Lebensentwürfe von Familien, von Frauen allgemein nicht so ablaufen können, wie sie es wünschen, und dort, wo Kinder sind, die Armut in einem höheren Maße vorprogrammiert ist?

All das können wir gemeinsam ändern, wenn wir gemeinsam an einem Strang ziehen. Dafür stehen wir in Rheinland-Pfalz. Dafür haben wir die Weichen gestellt und stellen sie weiter.

Wir würden uns freuen, wenn wir sie nicht nur mit zwei, sondern mit drei Fraktionen, mit dem gesamten Hohen Hause hier gemeinsam stellen können. Frau Klöckner, deshalb fordere ich Sie noch einmal auf: Kommen Sie mit an Bord.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Für die CDU-Fraktion spricht Frau Abgeordnete HuthHaage.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Familien sind die

Keimzellen unserer Gesellschaft. Eltern leisten oft unter schwierigen Rahmenbedingungen tagtäglich Großes, indem sie versuchen, ihre Kinder bestmöglich zu begleiten, zu fördern und zu erziehen. Meine Damen und Herren, das ist eine großartige Leistung.

(Beifall der CDU)

Politik muss die Leistung und das Engagement von Eltern fördern, würdigen und wertschätzen. Es ist Aufgabe von Politik, geeignete Rahmenbedingungen zu setzen, damit sich Eltern tatsächlich frei entscheiden und ihren Alltag so organisieren können, wie sie es für richtig halten.

(Beifall der CDU)

Vor diesem Hintergrund war es vorhin schon sehr aufschlussreich zu hören, was die Kollegin formuliert hat. Sie sprachen – diffamierend, wie ich finde – von Fernhalteprämien. Sie trauen den rheinland-pfälzischen Familien offensichtlich nicht zu, eigenständig richtige Entscheidungen für sich treffen zu können. Sie trauen es den Familien nicht zu. Sie hegen einen Generalverdacht gegen die Familien.

(Zuruf des Abg. Pörksen, SPD)

Ja, Sie glauben, dass Kinder unter drei Jahren – wir reden hier nicht von Kindern im Kindergartenalter von drei bis sechs Jahren, sondern von Kindern nach dem ersten Lebensjahr, von Kindern von zwei und drei Jahren – in einer außerhäuslichen Betreuung am besten aufgehoben sind.

(Dr. Konrad, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das sagt doch keiner!)

Das entspricht aus unserer Sicht nicht der Realität. Das ist letztendlich diskriminierend.

(Beifall der CDU – Pörksen, SPD: Das kann jeder machen, wie er will!)

Ich möchte Ihnen einmal vorlesen, worum es wirklich geht. Ich zitiere aus einer Sitzung des Ausschusses für Gleichstellung und Frauenförderung. Frau Kollegin Grosse, damals noch Abgeordnete, heute Dezernentin in Mainz,

(Pörksen, SPD: Die werden wenigstens etwas!)