Aber darüber hinaus sind wir uns auch einig, dass wir in eine solche Steuer alle Finanzprodukte einbeziehen müssen und wir uns nicht darauf beschränken dürfen, nur die riskanten Produkte, die an der Börse gehandelt werden, nach Möglichkeit zu besteuern, sondern dass es darum geht, eben auch die im direkten Verhältnis zwischen Käufer und Verkäufer gehandelten Finanzprodukte zu regulieren, weil wir sonst zum Ersten einen ganz wichtigen Bestandteil dieses Marktes nicht besteuern, was wir als ungerecht erachten würden, und weil wir zum Zweiten damit auch die Fluktuation der Märkte nicht in den Griff bekommen. Das heißt, Finanzmarkttransaktionssteuer ist ein Baustein. Dazu gehört aber auch, dass wir neue Melde- und Kontrollpflichten beispielsweise bei den Banken diskutieren müssen.
Sie haben wahrscheinlich alle die aktuelle „WirtschaftsWoche“ gelesen. Bis dahin müssen wir zum Beispiel auch Bremsen einführen, die dafür sorgen, dass, wenn mit diesen ganzen hochtechnisierten Systemen bestimmte Kursschwankungen entstehen, weil die Computer alle gleich programmiert sind, dann einfach automatisch technisch der Handel unterbrochen wird, um diese Blasen und diese Crashs zu verhindern. Insofern sind wir uns einig. Ich werbe ausdrücklich für einen polemikfreien Antrag. Ich werbe für den Antrag der CDU.
Der Antrag ist nämlich absolut inhaltsidentisch in den Forderungen mit dem Antrag Ihrer Fraktion. Es ist komplett. Ich habe lediglich in den letzten fünf Absätzen die Worte „vor diesem Hintergrund“ weggestrichen,
um den sprachlichen Anschluss an die vorherigen Absätze hinzubekommen. Stimmen Sie dem zu. Dann sind wir uns einig. Keine Bundesregierung als die Bundesregierung Merkel war jemals so weit, eine vernünftige übernationale Finanzmarkttransaktionssteuer zu verhandeln.
(Ministerpräsident Beck: Das kann man doch kaum glauben! – Steinbach, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Was, dass ich das Wort habe? – Bracht, CDU: Das auch nicht! – Steinbach, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ich war verwirrt!)
Mein lieber Herr Schreiner, ich glaube, das Ganze ist ein Ablenkungsmanöver mit Ihrem liebevollen Änderungsantrag. Wir haben als antragstellende Fraktion überhaupt keinen Grund, die vollkommen richtigen Sachverhalte und Feststellungen, die vorne im Antrag stehen, durch Ihren Änderungsantrag herausstreichen zu lassen, meine Damen und Herren von der CDU.
Deswegen werden wir Ihrer Änderung nicht folgen und trotzdem dem Finanzmarkttransaktionssteuerantrag hoffentlich die Mehrheit geben.
(Bracht, CDU: Wenn Sie kein Interesse an der Verabschiedung gemeinsamer Dinge haben, dann muss man das so sehen!)
Ich habe eher den Eindruck, es soll verschleiern, dass Sie noch nicht so mit ganzem Herzen dabei sind, mein lieber Herr Schreiner. Ich muss Ihnen auch eines sagen, ich habe außerdem den Eindruck, dass Ihr Bundesfinanzminister da schon einiges weiter ist, als Sie es sind.
Es wäre aber ein so gutes Zeichen, diesen Antrag zu verabschieden. Warum? – Darauf hat der Fraktionsvorsitzende Hering schon in aller Deutlichkeit hingewiesen. Ich würde mir sehr wünschen, dass Sie von der CDU ideologischen Ballast abwerfen können und Sie nicht immer vor Ihrem Koalitionspartner in Berlin, der in diesem parlamentarischen Raum gar nicht anwesend ist, in die Knie gehen, meine Damen und Herren von der CDU.
Ich zitiere bei dieser Gelegenheit mit Erlaubnis des Präsidenten gern den Bundesfinanzminister: Unter den Aspekten Steuergerechtigkeit und -systematik spricht einiges dafür, auch Finanztransaktionen einer Umsatzsteuer zu unterwerfen. – Ich würde mich sehr freuen, Sie könnten sich diesem Entschluss anschließen, meine Damen und Herren.
Es ist den Bürgerinnen und Bürgern nicht zu vermitteln, warum die wesentlichen Verursacher der Krise – der Finanzmarktkrise, der Bankenkrise und dem folgend auch der Staatsschuldenkrise – nicht zur Bewältigung der finanziellen Folgen herangezogen werden.
Auch das Argument, eine Finanztransaktionssteuer wäre volkswirtschaftlich schädlich, kann man so nicht gelten lassen. Herr Schreiner, da stimmen Ihre Zahlen und Ihre Behauptungen, die Sie genannt haben, nicht so ganz. An einem durchschnittlichen Börsentag werden an der Frankfurter Börse rund 800 Milliarden Euro umgesetzt. Davon haben 200 Milliarden Euro einen realwirtschaftlichen Hintergrund oder realwirtschaftlichen Bezug. 600 Milliarden Euro dieses Umsatzes – drei Viertel dieses Umsatzes – sind davon völlig entkoppelt. Der volkswirtschaftliche Nutzen dieser 75 % geht gegen null, weil genau die allokationseffiziente Wirkung dieser Marktmechanismen nicht mehr gegeben ist. Es ist ein hoch spekulatives Verhalten, das für ein hohes Maß an Instabilität an den Finanzmärkten und in den Volkswirtschaften sorgt. Meine Damen und Herren, es ist an der Zeit, der Unersättlichkeit in diesem Punkt Grenzen zu setzen.
Es gibt auch keinen Grund, sich bei einer Durchsetzung der Finanzmarkttransaktionssteuer hinter Europa, dem Vereinigten Königreich oder der Eurozone zu verstecken. Um das zu verdeutlichen, zitiere ich mit freundlicher Genehmigung des Präsidenten noch einmal den Bundesfinanzminister:
„Natürlich führt man das alles am besten weltweit ein. Das darf aber keine Ausrede sein. Deswegen fangen wir eben notfalls in Europa und wenn es in Europa nicht geht, auch in der Eurozone, und wenn es nötig ist, auch national an.“
Meine Damen und Herren, selten war ich mit dem Bundesfinanzminister so einer Meinung wie in diesem Punkt. Nun stellt sich nur eine Frage, Herr Schreiner: Wie stehen Sie, wie steht die CDU in Rheinland-Pfalz zu Ihrem Finanzminister im Bund? Das können Sie durch Ihr Abstimmungsverhalten ganz einfach belegen.
Lieber Herr Schreiner, eine Bemerkung vorweg. Wenn Sie die Ursachen der Krise analysieren, lassen Sie sich nicht auf die Argumentation der Tea Party ein. In dem Staatsdefizit, in dem Deficit Spending, in der Krisensituation in den USA eine der Ursachen zu sehen, das lieber Herr Schreiner, ist abenteuerlich. Wenn Sie es mir nicht glauben, versuchen Sie, es Helmut Schmidt zu glauben. Auf die genauso gestellte Frage hat er vor rund einer Woche in der „ZEIT“ geantwortet:
„Die Staatsverschuldung ist ein Problem unter mehreren, aber ein viel dickeres Problem ist die uferlose Handlungsfreiheit auf den globalen Finanzmärkten.“
Weil dies so ist, ist es vernünftig, eine Finanzmarkttransaktionssteuer einzuführen. Schade ist, dass wir in der deutschen Politik bereits seit Ende 2008, als wir die ersten heftigen Wirkungen dieser Krise erfahren haben, über dieses Instrument diskutieren und nachdenken. Die Sozialdemokratie und auch die GRÜNEN waren in dieser Frage sehr rasch und sehr klar positioniert und haben die Einführung einer solchen Steuer gefordert. Ich kann mich noch an Debatten im Jahr 2009 erinnern, als ich selbst im Bundesrat geredet habe und als ich vonseiten der Regierung Gegenreden bekommen habe, als wir eine Finanztransaktionssteuer eingefordert haben.
Mittlerweile ist die Bundesregierung eingeschwenkt. Das ist erfreulich, wenngleich es zu spät ist. Dieses Zu-spätSein ist gerade in diesen Zeiten der Eurokrise, in den Zeiten der Finanzmarktkrise ein immens großes Problem. Wenn wir heute in den Agenturmeldungen lesen müssen, dass der Gipfel am Sonntag offensichtlich aufgrund der mangelnden Fähigkeit der Bundesregierung, sich über den weiteren Kurs in Europa zu verständigen, scheitern wird, dann, meine Damen und Herren, ist das ein ernsthaftes nationales und europäisches Problem, das durch diese Bundesregierung verursacht ist.
(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Ministerpräsident Beck: Unglaublich! Unvor- stellbar, was da in Deutschland abgeht!)
Ich brauche es nicht lange zu wiederholen: Eine Finanzmarkttransaktionssteuer ist sinnvoll, weil die Krise – nicht erst jetzt, sondern bereits seit 2008 – hohe Kosten verursacht und weil es zum subjektiven Gerechtigkeitsgefühl in dieser Gesellschaft gehört, dass diejenigen, die Mitverursacher waren, auch mit haften. Auch dazu trägt diese Steuer bei, und sie hat pretiale Lenkungswirkungen, die zwar nicht alles heilen, aber etwas ein Stück weit verhindern können – Sie haben es selbst angesprochen, Herr Schreiner: beispielsweise im Hochfrequenzhandel und da, wo es ganz kleine Margen gibt. Aber wir müssen uns darüber bewusst sein: Die Finanzmarkttransaktionssteuer ist kein Allheilmittel. Sie ist ein wichtiges Element, aber sie darf kein Alibi sein.
Wir dürfen nicht hingehen und sagen: Jetzt haben wir eine Finanzmarkttransaktionssteuer; jetzt haben wir etwas geschafft; jetzt ist es gut. Wir müssen uns der viel schwierigeren Frage der Regulierung stellen. Diese ist deswegen schwierig, weil wir die Finanzmärkte mit der Regulierung wiederum auch nicht zerstören dürfen. Wir brauchen funktionierende Finanzmärkte; denn ohne funktionierende Finanzmärkte kann es keine funktionierende Realwirtschaft geben. Aber der gegenwärtige Befund ist ein anderer: Wir haben nicht funktionierende Finanzmärkte und laufen deswegen Gefahr, die soziale Marktwirtschaft zu zerstören.
Wenn Spekulationen auf den Finanzmärkten beispielsweise Preise auf den Rohstoffmärkten völlig verzerren, so ist das ein ernsthaftes Problem für die Industrie, für die Wirtschaft in unserem Lande. Wenn aber durch Spekulation auf den globalen Agrar- und Lebensmittelmärkten Preise verzerrt werden, dann ist das nicht nur ein wirtschaftliches, sondern ein hochgradig ethisches Problem. Das ist ein klares Zeichen dafür, dass wir nicht zögern dürfen und handeln müssen.
Meine Damen und Herren, ich gebe gerne zu, dass ich selbst häufig verunsichert bin, weil es so sehr schwierig ist, diese Märkte zu verstehen. Die Crux ist, dass die Finanzmärkte wahrscheinlich nur von denen verstanden werden, die tagtäglich auf ihnen agieren und sie ein Stück weit auch zu ihren Gunsten manipulieren; aber das sind dieselben, die überhaupt kein Interesse daran haben, uns eine Transparenz über diese Märkte zu verschaffen.
Und manchmal muss man sich fragen, ob man vielleicht dem Zeitgeist hinterherläuft, wenn man immer sagt, die Finanzmärkte seien schuld, und sie müssten hart reguliert werden. Hat das Substanz, oder ist das Zeitgeist? Dann ist es beruhigend, wenn man bei einem nachlesen kann, der, glaube ich, ziemlich unverdächtig ist, dem Zeitgeist hinterherzulaufen. Er sagt:
„Auf den sogenannten Finanzmärkten tummeln sich intelligente, aber einäugige Idioten. Sie sind blind auf dem Auge, welches das Allgemeinwohl im Blick haben sollte, und mit dem anderen Auge schielen sie auf ihre eigene Bonifikation. Sie haben kein Verantwortungsbewusstsein und gehören deshalb unter viel straffere Aufsicht.“
Dieser Meinung, sagt Helmut Schmidt, sei er seit zweieinhalb Jahrzehnten. Ich bin dieser Ansicht noch nicht so lange, sondern erst seit ungefähr zweieinhalb Jahren. Ich finde, der Mann hat recht, und er macht Mut, dass wir handeln.
Ich möchte darauf hinweisen, dass noch Redezeit zur Verfügung steht: zwei Minuten für die CDU, 1 Minute 20 Sekunden für die Grünen. – Da keine Wortmeldungen mehr vorliegen, kommen wir zur Abstimmung.
Es wird keine Ausschussüberweisung beantragt. Somit kommen wir direkt zur Abstimmung über die Anträge.
Wer stimmt für den Änderungsantrag der CDU? – Wer stimmt dagegen? – Der Antrag ist mit den Stimmen von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN abgelehnt.
Wer stimmt für den Antrag von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN? – Wer stimmt dagegen? – Dieser Antrag ist mit den Stimmen von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN angenommen.