Protokoll der Sitzung vom 10.11.2011

Vielen Dank. Gibt es Wortmeldungen? – Diese sehe ich bisher noch nicht.

(Abg. Dr. Wilke, CDU, meldet sich zu Wort)

Herr Kollege Dr. Wilke, bleiben Sie doch gleich hier.

Ich bin davon ausgegangen, der Herr Minister würde noch reden.

Es ist die zweite Beratung.

Frau Präsidentin, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Herr Minister, in Justizangelegenheiten sind wir in der letzten Zeit nicht mehr so oft einer Meinung gewesen. Aber das ist doch ein Punkt, bei dem wir wirklich sagen können, dass das Gesetz Hand und Fuß hat. Das ist ein vernünftiger Weg, dem auch die CDU-Fraktion zustimmen wird.

Dieses Gesetz ist letztlich durch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte ausgelöst worden. Auch das Bundesverfassungsgericht hat hinsichtlich der Zukunft der Sicherungsverwahrung entschieden, dass es Fälle gibt, in denen Täter, die sich bisher in Sicherungsverwahrung befinden, überprüft werden müssen, ob sie noch in den Justizvollzugsanstalten verbleiben können oder entlassen werden müssen, weil rechtsstaatliche Bedenken des EGMR bestanden, was die zehnjährige Frist und deren Verlängerung ohne unbestimmtes Enddatum anbelangt.

Das Gesetz schafft dafür die Voraussetzungen, dass wir für die Täter, die nach dem Therapie- und Unterbringungsgesetz nicht in Sicherungsverwahrung gehalten werden können, eine Möglichkeit haben, diese entsprechend zu überwachen. Was wäre die Alternative? Die Alternative wäre, dass ein Täter, wenn er freigelassen werden müsste, dauerhaft durch Polizeikräfte überwacht

werden müsste, was sehr aufwendig wäre und unter menschenwürdigen Gesichtspunkten unter Umständen schwierig werden könnte. Es sind vor allem aber auch die Kosten, die uns schrecken.

Deswegen war es richtig, dass der Bundesgesetzgeber im Rahmen der Führungsaufsicht die Möglichkeit geschaffen hat, dass elektronische Aufenthaltsüberwachungsmaßnahmen angeordnet werden können. Diesen Weg tragen wir mit. Es ist Sache der Länder, das entsprechend umzusetzen. Es ist sinnvoll, dass sich die Länder dafür zusammentun.

Das Land Hessen hat in den vergangenen Jahren schon einige Pionierleistungen beim Thema „Elektronische Fußfessel“ erbracht und diese schon früher als andere Länder genutzt. Hessen hat einen Erfahrungsvorsprung, den wir jetzt nutzen und von dem wir profitieren können. Statt es selbst zu machen, was wieder massive Kosten verursachen würde, sollen die Länder kooperieren. Vier Länder sind mit dem Staatsvertrag vorangegangen. Wir sollten ihm beitreten.

Was ich an dem Gesetzentwurf und auch dem Staatsvertrag sehr interessant finde, ist die Möglichkeit, über die Sicherungsverwahrten hinaus, um die es ganz konkret geht, die Möglichkeit der elektronischen Aufenthaltsüberwachung auch für andere Fälle zu nutzen, wie zum Beispiel die Vollstreckung kurzer Haftstrafen oder auch die Außervollzugsetzung eines Haftbefehls im Rahmen der Untersuchungshaft.

Dafür waren wir schon länger offen. Die alte Landesregierung und Ihr Vorgänger, Herr Minister, waren da sehr skeptisch. Wir glauben, es lohnt sich, darüber noch einmal nachzudenken. Wir sollten alle gemeinsam die Erfahrungen, die wir in dem Zusammenhang der Sicherungsverwahrung mit dem Thema der elektronischen Fußfessel machen, sorgfältig auswerten und im Rahmen des Landtags und des Rechtsausschusses darüber reden, inwieweit wir diese auch für andere Zwecke nutzen könnten, um einerseits Sicherheit zu gewährleisten und andererseits sinnvolle Möglichkeiten der Kostenersparnis im Strafvollzug zu nutzen.

Zu diesem Staatsvertrag sagen wir auf jeden Fall Ja und hoffen, dass Sie für weitere Dinge später Offenheit zeigen.

Vielen Dank.

(Beifall der CDU)

Vielen Dank. – Für die SPD-Fraktion hat Herr Kollege Sippel das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Dr. Wilke, es ist erfreulich, dass wir heute eine fraktionsübergreifende Zustimmung für das zu ratifizierende Landesgesetz erreichen. Die Justiz braucht Rechtssi

cherheit, um das neue Mittel der Führungsaufsicht anordnen zu können. Das entspricht dem erweiterten Katalog des § 68 b des Strafgesetzbuches.

Mit der Verwaltungsvereinbarung und dem Staatsvertrag über die Einrichtung einer Gemeinsamen elektronischen Überwachungsstelle der Länder ist eine länderübergreifende Zusammenarbeit möglich geworden. Das ist schon aus rein wirtschaftlichen Gründen sehr zu begrüßen. Es gab eine gewisse Skepsis, ob die föderale Struktur des Strafvollzugs greift oder möglicherweise Insellösungen entstehen. Ich glaube, das ist ein Beispiel dafür, dass die föderale Struktur funktioniert. Wir sehen es beispielsweise bei den Vorbereitungen zum Landesstrafvollzugsgesetz oder dem Strafvollzugsgesetzbuch. Auch dort gibt es eine sehr enge Abstimmung und Zusammenarbeit zwischen den Bundesländern.

Die Einführung der Fußfessel in Rheinland-Pfalz wird den Strafvollzug nicht grundlegend verändern. Es wäre eine Illusion zu glauben, dass sie ein Allheilmittel wäre, um nennenswert Haftplätze einzusparen oder die absolute Sicherheit zu garantieren. Das wird die Fußfessel sicherlich nicht können. Sie stößt sowohl technisch als auch rechtlich an ihre Grenzen.

Schon allein aus datenschutzrechtlichen Gründen wird es nicht möglich sein, eine permanente Echtzeitbeobachtung durchzuführen und Bewegungsprofile zu erstellen. Das wird nur möglich sein, um Straftaten aufzudecken und nachzugehen. Hier stoßen wir sicherlich insbesondere aus datenschutzrechtlichen Gründen an Grenzen.

Dennoch halten wir die Fußfessel als ein ergänzendes Mittel der Führungsaufsicht für geeignet, Straffälligen nach der Freilassung aus der Haft oder der Sicherungsverwahrung den Weg in die Gesellschaft zu ebnen, diese dabei zu unterstützen, die Eingliederung zu erleichtern und gleichzeitig – das geht damit einher – dem subjektiven Sicherheitsinteresse der Bevölkerung und der objektiven Sicherheitslage in unserem Land Rechnung zu tragen.

Ich bin überzeugt, dass die weiteren Mittel der Führungsaufsicht weiter erforderlich sein werden, insbesondere die Kontrolle der Polizei bei einer möglichen Entlassung von Sicherungsverwahrten mit einer Rückfallgefahr. Es wird ein ergänzendes Mittel bleiben.

Klar ist aber auch – und das zeigen die Ergebnisse aus Hessen –, dass die Fußfessel insbesondere im Bereich der Bewährungsweisung angewandt wird. Hier sind die Ergebnisse recht positiv. Es gibt wenig Rückfälle. Es werden wenige Weisungen nicht befolgt. Insoweit sieht man, es kann funktionieren.

Völlig klar, es ist eine soziale Kontrolle, eine Abschreckung vor Übertretungen, weil der Aufenthalt zu jedem Zeitpunkt bestimmt ist und deshalb Straftaten aufgedeckt und nachvollzogen werden können.

Die Fußfessel bringt also einen Mehrwert an Sicherheit.

Herr Dr. Wilke, da stimme ich Ihnen zu.

(Zuruf des Abg. Pörksen, SPD)

Herr Staatsminister Hartloff, ich stimme außerdem Ihnen zu. Sie haben im Rechtsausschuss geäußert, dass die Fußfessel zunächst in diesem Bereich vorgesehen werden soll, in dem sie gesetzlich vorgesehen ist, also im Bereich der Führungsaufsicht, und dass man darüber hinaus bei Anwendungsbereichen als milderes Mittel, zum Beispiel bei Lockerungen oder als Alternative von kurzen Haftstrafen, zunächst die Erfahrungen abwartet. In Baden-Württemberg läuft ein Pilotversuch. Da geht es um eine Alternative für Ersatzfreiheitsstrafen beispielsweise bei Gebührenschuldnern. Da sollte man die Ergebnisse, Erfahrungen, Verfahrensabläufe und Abstimmungen mit den Schnittstellen abwarten, um dann zu sehen, ob es weitere Anwendungsbereiche geben kann.

Mit dem heutigen Landesgesetz schaffen wir jedenfalls die Voraussetzung, dass Rheinland-Pfalz zu Beginn der gemeinschaftlichen Überwachungsstelle von Anfang an mit dabei ist.

Wichtig ist, in der Vorbereitung die Alarmierungspläne aufeinander abzustimmen. Es gibt einige Schnittstellen zu den Gerichten, zur Führungsaufsicht, Bewährungshilfe und Polizei. Das muss von Anfang an rundlaufen. Da gibt es keine lange Probezeit, sondern es kommt darauf an, die Weichen richtig zu stellen.

Die Landesregierung hat mit einer Arbeitsgruppe des Justizministeriums und des Innenministeriums die Hausaufgaben gemacht, auch unter Einbeziehung des Landesbeauftragten für den Datenschutz.

So weit vielen Dank an alle Verantwortlichen und an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der beiden Häuser.

Wir stimmen dem Landesgesetz zu.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Vielen Dank.

Ich erteile Frau Kollegin Raue das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Bei aller Einigkeit in der Verabschiedung, die wir zeigen, möchte ich doch darauf hinweisen, dass in der Sache grundlegende Differenzen bestehen.

Wir können die elektronische Fußfessel nicht als ein Instrument betrachten, das wir begrüßen, noch nicht einmal als ein Instrument, das ohne Zweifel verfassungsmäßig wäre. Wir halten diese Einführung für nicht tragfähig, und wir halten sie für populistisch. Wir haben uns im Bund wie in den Ländern dagegen ausgesprochen.

Diese Fußfessel soll als Mittel der Führungsaufsicht und zur Überwachung entlassener rückfallgefährdeter Straftäter angeordnet werden. Sie soll – so steht es in der Gesetzesbegründung – auch spezialpräventiv wirken. Sie verpflichtet den Betreffenden, die Fußfessel ständig zu tragen und funktionsfähig zu halten. Wenn er das nicht tut oder das Gerät aus technischen Gründen versagt, sind die Rechtsfolgen völlig unklar.

Wie soll die Bewegung kontrolliert, wie soll sie gegebenenfalls auch sanktioniert werden? Welche Reichweite soll die Kontrolle haben? – Es handelt sich nicht um reine Fragen der Praktikabilität.

Wenn die Fußfessel nicht geeignet ist, die angestrebte Aufsicht und Kontrolle zu ermöglichen, dann ist sie unverhältnismäßig und damit verfassungsrechtlich als in höchstem Maße bedenklich einzustufen.

Hier hat die schwarz-gelbe Koalition im Bund die Länder unter einen unvertretbaren Zugzwang gesetzt. Wegen der Vorgaben im Strafgesetzbuch müssen wir auch in Rheinland-Pfalz die Anwendung dieser Maßnahme gewährleisten. Ich verkenne dabei nicht, dass es durchaus Täter gibt, die nach ihrer Haft keine günstige Sozialprognose haben, die rückfallgefährdet sind.

Die Bevölkerung verdient größtmöglichen Schutz vor diesen Sexualstraftätern, vor Straftaten gegen Leib und Leben. Diesen Schutz gewährt die elektronische Fußfessel aber gerade nicht. Das behauptet auch das Gesetz nicht, das uns heute zur Beschlussfassung vorliegt.

Es wird dort ausdrücklich festgelegt, dass keine anlassunabhängige permanente Echtzeitbeobachtung der Probanden möglich ist. Dies verbietet sich auch schon allein aus Gründen der Menschenwürde.

Mit der Einführung der elektronischen Fußfessel gaukelt die Bundesregierung den Menschen damit aus reinem Populismus eine vermeintliche Sicherheit vor, die sie gar nicht gewährleisten kann.

Durch die zwangsweisen Vorgaben der Bundesregierung in § 68 b des Strafgesetzbuches haben wir keine andere Gestaltungsoption, als die Anwendung dieses Mittels der Führungsaufsicht zu ermöglichen.

Der vorgeschlagene Weg, dies im Rahmen eines Staatsvertrages gemeinsam mit den anderen Bundesländern zu tun, ist ressourcenschonend und kostensparend.

Die weitere Entwicklung werden wir sorgfältig begleiten und uns regelmäßig über Anwendung und Erfolg der Maßnahme berichten lassen. Damit sind wir uns mit den Kollegen von der CDU einig.

Meine Damen und Herren, ich sage Ihnen aber gleich, wir werden für weitere Dinge keine Offenheit zeigen.