Protokoll der Sitzung vom 07.12.2011

(Beifall bei SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Ich erteile Frau Abgeordneter Dickes das Wort.

Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Gutes soll man nicht unter den Scheffel stellen. Frau Brück, insoweit stimme ich Ihnen zu, dass wir uns freuen können, dass in Rheinland-Pfalz in unseren Kreisen und kreisfreien Städten so viele gute Bedingungen herrschen.

Ich möchte einen Punkt zuerst einmal herausgreifen, nämlich dass Bertelsmann gesagt hat, Rheinland-Pfalz punktet vor allem im sozialen Lernen, das heißt im Eh

renamt, dort, wo sich Menschen in Vereinen und Verbänden engagieren.

Vielleicht möchte ich deswegen ganz besonders auf diesen Punkt eingehen, weil wir immer wieder Signale gerade aus diesem Bereich Ehrenamt bekommen, z. B. von den Feuerwehren, weil sie Probleme haben, dass die Kinder nicht mehr zu ihnen kommen, dass die Sportverbände aufschreien. Insoweit ist ein Antrag, die Gelder für die Feuerwehren einzufrieren, kontraproduktiv, um junge Menschen für die Feuerwehren zu begeistern.

Aber insgesamt – das möchte ich herausstellen – sind es unsere Kommunen, die das Ehrenamt fördern. Insoweit freue ich mich ganz besonders über den Kreis, den Bertelsmann als den Überraschungssieger herausgestellt hat. Für mich ist es kein Überraschungssieger; denn ich kenne den Landrat sehr gut als stellvertretenden Landesvorsitzenden und hervorragenden Fachmann, Herrn Günter Schartz. Trier-Saarburg liegt ganz weit vorne bei uns im Land Rheinland-Pfalz. Um ihn herum haben die Kommunen in der Eifel – wo die CDU regiert, läuft es manchmal besser – hervorragende Bedingungen.

(Beifall bei der CDU)

Ich möchte in diesem Zusammenhang mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten aus einem Kommentar des Deutschlandradios zitieren, gerade was die Kommunen betrifft. Ich zitiere: Unterschätzt die Kommunen nicht. Kommunalpolitik, wenn sie gut ist, kann bildungspolitisch mehr erreichen und langfristiger wirken als die x-te Schulreform einer Landesregierung. Aber – auch das wird hier gesagt – eine Stadt, die überschuldet ist und vom Sparkommissar regiert wird, kann bildungspolitisch nichts gestalten, sondern schließt eine kommunale Bildungseinrichtung nach der anderen.

(Fuhr, SPD: Was jetzt?)

Dies geht jetzt an die Landesregierung – das möchte ich einmal ganz klar betonen –, deswegen muss der Raubbau an den kommunalen Finanzen in Rheinland-Pfalz ein für alle Mal enden. Unsere Kommunen sind so schlecht gestellt wie nirgendwo in der Bundesrepublik.

Frau Brück, Sie haben eben den Ausbau unserer Kindertagesstätten angesprochen. Wenn ich z. B. darauf hinweisen darf, wir hatten gerade ein Gespräch mit dem Landkreistag dazu, unsere kommunalen Vertreter, unsere Landkreise sind es, die fast zur Hälfte den Ausbau dieser Kindertagesstätten stemmen, gerade was den Bereich der Personalkosten betrifft. Insoweit gilt unser Lob ganz besonders den Kommunen, die mit ganz schlechten Rahmenbedingungen solch gute Arbeit leisten.

(Beifall der CDU)

Ich weiß, dass man Studien nicht alles glauben darf. Ich weise darauf hin, dass z. B. die OECD immer wieder behauptet, in Deutschland gibt es zu wenig Abiturienten und zu wenig Akademiker. Dann muss man natürlich kritisch einwenden, dass in Frankreich 80 % aller Ju

gendlichen Abitur machen und trotzdem die Jugendarbeitslosigkeit sehr hoch ist

(Beifall bei der CDU)

und das Studium der Krankenpflege in den Niederlanden durchaus gleichberechtigt ist mit der Ausbildung zur Krankenschwester in Deutschland.

Aber Vergleiche innerhalb von Deutschland müssen sehr wohl möglich sein. Wenn man solch einen Bildungsatlas sieht, dann darf man sich freuen, wenn man gute Noten hat. Aber es sollte auch ein Ansporn sein, dorthin zu schauen, wo es nicht so gut läuft. Da sehe ich z. B. den Punkt der Abiturienten, der in Rheinland-Pfalz im Mittelfeld liegt, auch die Zahl der Akademikerinnen und Akademiker, die laut Bildungsatlas hier nur im Mittelfeld liegen. Ich denke, das ist einer der Handlungspunkte, die wir für die nächsten Jahre haben.

Einen weiteren Handlungspunkt sehe ich bei der beruflichen Bildung. Ja, bei uns brechen wenige junge Menschen die Schule ab, das heißt, zumindest der Hauptschulabschluss ist bei den meisten jungen Menschen vorhanden. Da sind wir gut. Aber wenn es um die Ausbildungsfähigkeit geht, das heißt, einen Abschluss mit Anschluss, dann zeichnet dieser Atlas doch eine schlechtere Situation; denn wir sind in der Schlussgruppe, wenn es um die jungen Menschen geht, die ohne Aussicht auf einen Ausbildungsplatz dastehen.

Da greife ich eine alte CDU-Forderung auf, die sagt, wo Abschluss draufsteht, muss auch Wissen drin sein. Insoweit plädieren wir noch einmal dafür, dass wir verbindliche Abschlussprüfungen auch bei dem Berufsreifegang haben, um den Betrieben zu zeigen, in diesem Abschluss ist Qualität.

(Beifall bei der CDU)

Es gibt noch einen weiteren Punkt, auf den ich gerne in der zweiten Runde eingehen möchte, und das betrifft das soziale Engagement.

(Glocke des Präsidenten)

Vielen Dank.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Ich erteile Frau Kollegin Ratter das Wort.

Sehr geehrter Herr Landtagspräsident, verehrte Kolleginnen, liebe Gäste! Endlich kann ich es einmal loswerden, brauche nicht mehr auf Prozentpunkte und Zahlen, ausgefuchst auf die dritte Stelle hinter dem Komma, abzuheben, nicht die Unwägbarkeiten der ersten oder letzten Grippewelle des Früh- oder Spätherbstes auf den temporären Unterrichtsausfall zu erörtern und auch nicht die Unzulässigkeit der Vergleichbarkeit von Äpfel und

Birnen zu erläutern. Letzteres hat schon Bertelsmann getan.

Bei der Stiftung sind wir auf Platz 4 im Lernatlas. Alles, was dazu zu sagen ist, haben meine beiden Vorrednerinnen in Fünf-Minuten-Beiträgen bereits annähernd hervorgehoben. Bestätigen darf ich erfreut die Einschätzung der Ergebnisse – oder auch was nicht dazu zu sagen ist – durch unsere Bildungs- und Wissenschaftsministerin Doris Ahnen und komme damit endlich zu dem, was ich nach all den Redebeiträgen über Unterrichtsausfall und Vertretungslehrerverträgen an Schulen immer schon loswerden wollte:

Erfolgreiches lebenslanges Lernen ist nicht an erteilten und natürlich nicht an nicht erteilten Unterrichtsstunden zu messen. Die Kriterien der Bertelsmann Stiftung, nach denen der deutsche Lernatlas verdeutlicht, ob eine Kommune über die Lernvoraussetzungen verfügt, um w i r t s c h a f t l i c h u n d s o z i a l erfolgreich zu sein – Ergebnisbericht Seite 13 –, sind nicht das Maß der Dinge, auch wenn wir gerade als Politikerinnen diese beiden Aspekte besonders schätzen mögen.

Lebenslanges Lernen dient vor allem dem Ziel des g e l i n g e n d e n L e b e n s nach dem aristotelischen Begriff der Eudaimonia für alle Menschen, und d a f ü r wollen wir in der Politik die Rahmenbedingungen schaffen.

Immerhin liegen der heute thematisierten Studie ein umfassender Bildungsbegriff, die Dimension lebenslanges Lernen und unterschiedliche Lernformen, über schulische Bildung hinaus, zugrunde. Deshalb können wir sie bei allen Einschränkungen nicht unbeachtet auf die Seite legen.

Vorweg die Einschränkungen. Liebe Zuhörerinnen, jedes Ranking verstellt den Blick auf qualitative Dimensionen. So sind auch die Indikatoren der vier Hauptkategorien dieser Studien zu hinterfragen.

Frau Brück hat dies auch schon getan. Ja selbst die Gewichtung der selbst verwendeten, von der UNESCOKommission entwickelten Lerndimensionen „Bildung für das 21. Jahrhundert“, die Quantifizierung, verleitet förmlich dazu, die Positionen im Ranking zu verabsolutieren.

Die als Ziel laut Bertelsmann Stiftung von Vorstandsmitglied Jörg Dräger formulierte Transparenz der Bedingungen von Lernen steht und fällt mit der Durchleuchtung der Indikatoren und ihrer Gewichtung. „Learning by doing“, 37,5 % beziehen sich auf das schulische Lernen, Platz 5.

„Learning to do“, berufliches Lernen, 87,8 %, ebenfalls Platz 5 für Rheinland-Pfalz.

„Learning to live together“, das soziale Lernen kommt nur mit 17,9 % hinein, Frau Dickes. Insofern halte ich Ihre Bemerkung für sehr gewagt.

„Learning to be“, persönliches Lernen, da ist RheinlandPfalz auf Platz 7 mit 16,8 %.

Nichtsdestotrotz bleibt festzuhalten, dass trotz der Gewichtung der besondere Platz, den Rheinland-Pfalz bei diesem sozialen Lernen einnimmt, durchaus erfreulich ist.

Die Profile werde ich in der zweiten Runde noch etwas näher erläutern. Lassen Sie mich unsere grüne Position noch ein wenig in den Vordergrund stellen.

Frau Ahnen wird sicherlich betonen, wo die rheinlandpfälzischen Stärken liegen. Ich werde unsere Akzente, auch die gemeinsamen des Koalitionspapiers, in den Vordergrund stellen.

Als weiter entwicklungsbedürftig zeigen sich die Bereiche der Schulabschlüsse. Hier fordern wir weiterhin gemeinsames Lernen; denn nach wie vor gilt die Maxime der Gerechtigkeit zu Bildungszugängen, die Konfuzius vor zweieinhalbtausend Jahren formuliert haben soll: „Bildung soll allen zugänglich sein. Man darf keine Standesunterschiede machen.“

Hier haben wir Handlungsbedarf auch unter den Stichworten „Inklusion und Integration“, die der Mann damals sicherlich noch nicht gekannt hat.

Die Verbesserung der Ausbildungschancen ist ein Ziel. Ich gehe davon aus, dass sich die äußeren Bedingungen hier bereits verbessert haben; aber sowohl der demografische Wandel als auch die Qualifizierung unseres Nachwuchses werden in Zukunft eine weitere Stärkung bringen.

Bei der Stärkung der allgemeinen und beruflichen Weiterbildung nicht nur für die Lehrerinnen haben wir noch eine große Baustelle ganz oben auf der Hitliste der zu bewältigenden Aufgaben. Das Gleiche gilt für das Engagement von Älteren als Seniorexpertinnen in der Kommune und nicht nur im Ehrenamt. Hier geht es um die Wertschätzung älterer Menschen und die Möglichkeit der Einbringung ihrer Qualifikation in die Gesellschaft.

Bei der Ausweitung und Einrichtung der Jugendarbeit muss die Teilhabe sehr viel stärker gemacht werden.

(Glocke des Präsidenten)

Den Hauptpunkt, die kulturelle Bildung, werde ich in der zweiten Runde noch einmal aufgreifen.

Vielen Dank.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt bei der SPD)

Ich erteile Frau Ministerin Ahnen das Wort.