Protokoll der Sitzung vom 07.12.2011

Ich erteile Frau Ministerin Ahnen das Wort.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Gestatten Sie mir eine Vorbemerkung. Ich werde in

dieser Plenarsitzung voraussichtlich noch öfter das Wort ergreifen. Keines der Themen ist dafür geeignet, dass meine Stimme versagt. Sollte das dennoch passieren, dann liegt es daran, dass ich ziemlich erkältet bin und daher nicht weiß, ob ich immer bis zum Ende komme.

Bei dem Thema „Deutscher Lernatlas“ sollte mir das nicht passieren, weil es ein so erfreuliches Thema ist. Wir haben schon gehört, die Bertelsmann Stiftung hat einen Ländervergleich neu konzipiert. Die Ergebnisse für Rheinland-Pfalz sind sehr erfreulich. Sie alle wissen etwas über die Bertelsmann Stiftung. Ich denke, wenn die Bertelsmann Stiftung ihre Presseerklärung titelt „In Rheinland-Pfalz lässt es sich ein Leben lang gut lernen“, dann könnte man meinen, die haben unser gemeinsam vereinbartes Programm für diese Legislaturperiode gelesen; denn genau das ist das, was wir wollen, nämlich Bildung von Anfang an in allen Lebensphasen bis zu einer erfolgreichen Weiterbildung. Von außen attestiert zu bekommen, dass das schon ganz gut funktioniert, ist, glaube ich, der Erwähnung wert.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Wir haben den vierten Platz eingenommen. Das haben Sie schon gehört. Die meisten rheinland-pfälzischen Landkreise und kreisfreien Städte wurden positiv bewertet. Eigentlich wird gesagt, es gibt keine signifikanten Schwächen in den Städten und Landkreisen in Rheinland-Pfalz. Es wird dann gesagt, eine besondere Stärke ist das soziale Lernen.

Frau Dickes, sollen wir uns dafür entschuldigen, dass wir neben gutem Fachwissen den Kindern und Jugendlichen vermitteln, dass es gut ist, wenn man Orientierungswissen und Werte hat, um dieses Wissen anzuwenden? Nein, das ist genau das Plus, das wir für unbedingt notwendig halten, dass Schülerinnen und Schüler zum sozialen Lernen befähigt werden.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Ich bin keine, die nicht reichlich mit Zweifel behaftet ist, was die Studien angeht. Ich habe das bei jeder Studie deutlich gemacht. Ich habe das auch beim Lernatlas gesagt. Ich habe das beim Bildungsmonitor gesagt. Ich finde, es gibt immer gute Gründe, statistisch zu hinterfragen, welche Indikatoren da wie gemischt worden sind. Da ich das in der Vergangenheit kritisiert habe, stehe ich auch nicht hintan, heute zu sagen, auch hinter die Kriterien dieses Lernatlasses kann man an vielen Stellen ein Fragezeichen machen.

Ich sage, der Lernatlas ist kein isoliertes Ergebnis, sondern dieser Lernatlas reiht sich ein. Ich darf noch einmal auf die Kernpunkte hinweisen. PISA 2006 – im Vergleich zu 2000 und 2003 eines der wenigen Länder mit substanziellen Kompetenzzuwächsen und überall ein Abschneiden im oberen Drittel.

IGLU 2006 – überdurchschnittliches Abschneiden der rheinland-pfälzischen Grundschulen im nationalen und internationalen Vergleich. Das war übrigens nicht nur bei den Werten so, sondern auch bei dem unterdurch

schnittlichen Anteil von schwachen Schülerinnen und Schülern und einem überdurchschnittlichen Anteil von Schülerinnen und Schülern auf der höchsten Kompetenzstufe.

Überprüfung der Bildungsstandards – veröffentlicht im Jahr 2010, durchgeführt im Jahr 2009. Rheinland-Pfalz liegt wieder überall im oberen Drittel. Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund schneiden bei uns besser ab als in anderen Vergleichsländern. Uns gelingt es als einem der wenigen Länder, gute Leistungen mit vergleichsweise hoher Chancengleichheit zu verbinden.

Beim Bildungsmonitor 2011 ist Rheinland-Pfalz mit großen Fortschritten und hervorragenden Platzierungen genannt. Man wird schon sagen dürfen, es mag in jeder Studie gute Gründe geben, die Indikatoren zu hinterfragen, nur, wenn Rheinland-Pfalz immer gut abschneidet, und zwar völlig unabhängig von den Indikatoren, wird man irgendwann sagen dürfen, dass wir in RheinlandPfalz ein gutes Bildungssystem haben. Wenn uns das alle mit so unterschiedlichen Fragestellungen bescheinigen, dann muss etwas dran sein. Wir sind der festen Überzeugung, dass etwas dran ist.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Darauf hat Frau Brück hingewiesen. Wir sind an einer Stelle tatsächlich sehr zufrieden mit uns. Das ist die Stelle, an der wir Bildungspolitik nicht nach Moden gemacht haben. Wenn irgendjemand eine Idee hatte oder meinte, das sei das drängendste Problem – Frau Dickes, Ihre Fraktion war für diese Fragen immer sehr anfällig –, dann sind wir nicht darauf gesprungen. Wir haben nicht übereilt G 8 eingeführt. Wir haben nicht – ich stehe dazu ausdrücklich – übereilt Abschlussprüfungen überall eingeführt, sondern wir haben uns immer gefragt, was das Wichtigste ist. Wir haben die Dinge nach Priorität sortiert. Wir haben vor allen Dingen gefragt, ob die einzelnen Maßnahmen in ein Gesamtkonzept passen. Nur mit einem solchen Vorgehen haben wir diese guten Ergebnisse erzielt. Es war nicht immer einfach, das durchzuhalten, weil uns der Wind auch um die Nase weht. Das wird in der mittleren Perspektive durch solche Studien belohnt.

Ich glaube, man darf sagen, dass wir ein Bildungssystem haben, das bundesweite Maßstäbe setzt. Frau Dickes, dass Sie das nicht akzeptieren können, dafür habe ich gewisses Verständnis. Dass Sie sich in einer Rede zwei- bis dreimal wiedersprechen, erst argumentieren, wir bräuchten nicht so hohe Abiturientenquoten, um dann zu sagen, aber bei den Abiturientenquoten seien wir nicht gut – wir sind deutlich gestiegen in den letzten Jahren –, ist ein Ausdruck von Hilflosigkeit. Sie wollen sich einfach über diese Erfolge nicht freuen. Sie kritisieren an dem System herum. Sie tun damit dem System und sich selbst keinen Gefallen. Davon bin ich fest überzeugt.

Wir werden uns nicht auf dem ausruhen, was wir erreicht haben. Es gibt keinen Bereich, in dem der Spruch so richtig ist wie in der Bildungspolitik: Stillstand würde Rückschritt bedeuten. – Wir wussten, wir müssen uns für die nächsten fünf Jahre ambitionierte Ziele setzen. Wir haben uns diese für die Legislaturperiode gesetzt. Wir

werden mit aller Konsequenz und Härte daran arbeiten, dass dieses Bildungssystem in Zukunft, egal welche Studien es sind, gut abschneidet und die Noten bekommt, die es verdient.

Herzlichen Dank.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Ich erteile Frau Abgeordneter Brück das Wort.

Herr Präsident! Frau Dickes, ich hatte bei Ihrer Rede zwischenzeitlich das Gefühl, dass Sie entweder bei einem anderen Tagesordnungspunkt sind oder sich als neue innenpolitische Sprecherin Ihrer Fraktion bewerben.

(Baldauf, CDU: Man muss halt auch Reden verstehen können! Das ist ganz wichtig!)

Es ist aber anerkennenswert, dass Sie zumindest zu Beginn Ihrer Aussagen anerkannt haben, dass wir bei dieser Studie gut abgeschnitten haben. Das lässt sich auch überhaupt nicht negieren.

Normalerweise ist es die Opposition, sind Sie es, Frau Dickes, die dann, wenn eine Bildungsstudie das Licht der Welt erblickt hat, reflexartig irgendwelche Pressemitteilungen von mehr oder weniger hoher Qualität oder von geringer Qualität absetzt. Bei dieser Bildungsstudie hätten wir uns gewünscht, dass Sie in Pressemitteilungen auch etwas Positives dazu sagen. Wahrscheinlich sind Sie aber bei Pressemeldungen aus der rheinlandpfälzisches Tagespresse mit Überschriften wie „Gute Noten für Rheinland-Pfalz“, „Rheinland-Pfalz belegt Platz 4 bei Lernbedingungen“, „Lernen ist mehr als nur Schule“ sprachlos geblieben. Eigentlich ist das schade, weil ich meine, wir sollten alle miteinander anerkennen, dass wir hier große Anstrengungen unternommen haben und diese großen Anstrengungen bundesweit anerkannt werden. Das ist wichtig für das Bildungssystem in Rheinland-Pfalz.

Die Anstrengungen, die wir auch in dieser Legislaturperiode und im kommenden Haushalt im Bildungssystem unternehmen werden, zeigen, dass wir da nicht aufhören, uns zurücklehnen und sagen, jetzt ist es gut, jetzt ist es genug. Es ist richtig, dass wir nicht Bildung betreiben, die sich nach dem Geldbeutel der Eltern richtet, sondern dass wir uns für gleiche Bildungschancen einsetzen. Deshalb ist es auch vollkommen egal, ob wir auf dem Treppchen auf Platz 1 stehen. Wir sind aber oben. Platz 1 wollen wir gar nicht haben. Wir wollen gute Bildungschancen haben. Wir wollen gut sein. Wenn wir dann irgendwann auch noch Platz 1 bekommen, wäre das super. Es ist aber wichtig, dass wir gute Bildungs

chancen unabhängig von der sozialen Herkunft haben und wir Kinder mit Migrationshintergrund

(Glocke des Präsidenten)

und aus schwachen sozialen Familien genauso gut fördern können wie andere.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Für die CDU-Fraktion spricht erneut Frau Dickes.

Herr Präsident! Frau Kollegin Brück, wenn wir eine Pressemitteilung herausgegeben hätten, hätten Sie sie doch nicht verstanden. Insoweit konnten wir uns diese Arbeit dieses Mal sparen.

(Ministerpräsident Beck: Mein Gott!)

Frau Ministerin, Sie haben eben gesagt, man muss sich auf das Wichtigste konzentrieren. Da gebe ich Ihnen recht. Man muss sich auch über das freuen können, was positiv dargestellt worden ist. Wenn aber beispielsweise in dem Lernatlas steht – ich habe das eben schon einmal ausgeführt –, dass junge Menschen bei uns besonders häufig davon betroffen sind, nicht ausbildungsfähig zu sein, gehört das doch zu dem Wichtigen. Zur Ehrlichkeit gehört aber auch zu sagen, dass in Ihrem Haushalt vorgesehen ist, die Mittel für die überbetriebliche Förderung – gerade für die Schwächsten – zu kürzen.

Ich möchte aber noch auf einen weiteren Punkt im Lernatlas eingehen. Danach können wir gerne darüber sprechen, an welcher Stelle das steht. Dann zeige ich Ihnen gerne diese Stelle. In dem Lernatlas geht es auch um die Frage des persönlichen Antriebs und wie man sich selbst weiterbildet. An der Stelle steht Rheinland-Pfalz – Frau Ministerin, das gehört vielleicht zu den Sachen, die man noch angehen müsste – ganz besonders schlecht da, wenn es um die Frage der persönlichen Weiterbildung geht.

Sie mögen das jetzt als banal abtun, aber da geht es um Museums- und Theaterbesuche oder um Bibliotheksbesuche. Da bewegen wir uns im letzten Drittel. Das spiegelt sich an diesem Punkt auch in der Förderung des Landes wider. Laut Kulturfinanzbericht des Bundes sind wir bei den Inhalten in Rheinland-Pfalz genauso schlecht, wie das auch die neueste Studie zeigt. Da ist dringender Handlungsbedarf gegeben.

Zum Schluss noch etwas Erschreckendes. Das haben Sie sicherlich so von mir erwartet. Es gibt einen Punkt, bei dem wir in Rheinland-Pfalz tatsächlich Schlusslicht sind. Das finde ich persönlich besonders schade. Das ist der Punkt, wie groß die Neigung ist, ein Buch zu lesen. Da liegt Rheinland-Pfalz auf Platz 16. Dadurch wird zum

Beispiel die Förderung der Bibliotheken in RheinlandPfalz widergespiegelt.

(Pörksen, SPD: Ach ja? Gehen Sie doch mal in Bad Kreuznach in die Bibliothek!)

Ich weiß, dass wir in der Vergangenheit immer wieder darauf hingewiesen haben, dass wir die Lesekompetenz, dass wir den Spaß am Lesen in unseren Schulen insbesondere bei unseren Jungs – dass müssen wir ganz klar so sagen – fördern müssen. Da sind Sie uns bis jetzt die schlüssigen Konzepte schuldig geblieben. Wir fordern Sie ganz klar auf, da etwas zu tun;

(Glocke des Präsidenten)

denn ohne Lesen ist keine Bildung und auch kein weiteres Fortkommen in diesem Land möglich.

Vielen Dank.

(Beifall der CDU)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN spricht Frau Abgeordnete Ratter.

Frau Dickes, den Schluss Ihrer Rede habe ich nicht verstanden. Wenn ich es richtig weiß, nehmen wir bei der schulischen Lesekompetenz Platz 4 ein.

(Frau Dickes, CDU: Dann hätten Sie da bis zum Schluss lesen müssen!)

Ja, aber das ist natürlich zunächst einmal in der Schule angesiedelt. Wenn wir die Neigung zum Lesen betrachten, müssen wir weitere Aspekte des lebenslangen Lernens an dieser Stelle betonen.