Protokoll der Sitzung vom 08.12.2011

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Herr Kollege Baldauf hat sich zu einer Kurzintervention gemeldet.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Kollegin Anklam-Trapp tut einem immer wieder den Gefallen, etwas auszuführen, was sofort dazu führt, dass man wieder einmal darstellen muss, wie es sich hier im Land Rheinland-Pfalz abspielt.

Da haben wir doch tatsächlich Bezahlungen im Bewachungsgewerbe für 5,35 Euro die Stunde gehabt, die diese Landesregierung als Tarifentlohnung unterstützt hat. Das wurde von Ihnen so bezahlt.

(Hering, SPD: Das halten Sie doch für richtig!)

Dann stellt sich Frau Kollegin Anklam-Trapp hierher und erzählt uns etwas von 8,50 Euro.

Liebe Frau Kollegin Anklam-Trapp, wenn Sie es nicht nur als einen vorweihnachtlichen Wunsch in Erfüllung haben wollen, dann wäre es dringend an der Zeit, dass Ihre Fraktion dieser Landesregierung sagt, dass sie gefälligst diese Gehälter dann auch zahlen soll.

(Beifall bei der CDU)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, genau das passiert in diesem Saal und in diesem Lande nicht, und das – ich wiederhole es noch einmal – ist unredlich.

Wenn ein Arbeitgeber eine Verantwortung für Arbeitnehmer hat, dann schaut er bitte zunächst bei seinen eigenen nach, wie viel die verdienen, und dann überlegt er, wie er den anderen hilft. Wenn das diese Landesregierung nicht einmal bei den eigenen schafft, wie soll sie es bei anderen können? Das ist nicht nur verwerflich, das ist Doppelmoral, und dabei bleibe ich.

Jetzt kontrollieren Sie bitte einmal Ihre eigene Regierung und nicht alle möglichen anderen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Frau Kollegin Anklam-Trapp hat das Wort.

Sehr geehrter Herr Kollege Baldauf!

(Ramsauer, SPD: Sehr geehrter Herr kann man weglassen!)

Doch, so viel Freundlichkeit darf denn doch sein.

Das Wort „Doppelmoral“ nehme ich gerne auf. Wissen Sie, wenn ich endlich Tarifverträge hätte, die bei 8,50 Euro anfangen und nicht darunter, und mich dann nicht der Rechnungshof anmahnen würde, wenn ich denn mehr bezahle, als der Tarifvertrag ausführt, dann hätte ich die Problematik ausgeschaltet.

Ich möchte keine Doppelmoral. Ich möchte ordentliche Löhne bezahlen für die Unternehmen, die man einstellen kann. Deswegen brauchen wir – ich kann es nur wiederholen – einen Mindestlohn. Wenn wir den haben, haben wir auch diese Problematik in der Gesetzgebung ausgeschaltet.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort hat Herr Ministerpräsident Beck.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Nach dem, was Herr Abgeordneter Baldauf gesagt hat, will ich doch noch einmal auf einen Zusammenhang hinweisen.

1. Die Landesregierung, übrigens auch der Landtag, haben nach Tarifvertrag bezahlt. Ich habe mich persönlich darum bemüht, einen Weg zu finden, damit diese Tarifverträge, die übrigens mit einer Gewerkschaft, die auch eine solche ist, zustande gekommen waren, nach oben korrigiert werden. Aber auf der Grundlage unseres Vergabegesetzes, Tariftreuegesetzes können wir nur auf der Basis des Entsendegesetzes und auf der Basis der Ausschreibung Regelungen treffen.

Wenn sich jemand um einen Auftrag bewirbt, der einen ordnungsgemäßen Tarifvertrag hat, und dieser Tarifvertrag unter 8,50 Euro liegt, dann haben wir – ich füge hinzu: leider – nicht das Recht, diese Ausschreibung zu verändern, sondern wir müssen – – –

(Baldauf, CDU: Dann darf man sich aber doch nicht hierher stellen!)

Hören Sie doch endlich einmal zu Ende zu. Sie haben so viel Unrichtiges gesagt, dass Sie vielleicht jetzt einmal drei Minuten die Ohren aufmachen könnten.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Wenn wir nur Vergaberecht anwenden können, dann müssen wir, wenn ein Tarifvertrag ordnungsgemäß zustande gekommen ist, dem, der diesen Tarifvertrag anwendet oder der die Ausschreibung gewinnt, den Auftrag geben.

(Dr. Weiland, CDU: Das müssen Sie Ihrer Fraktion erklären und nicht uns!)

Doch, Ihnen muss ich es erklären.

(Zurufe von der CDU)

Jetzt hören Sie doch einfach einmal zu.

(Zurufe von der CDU)

Ich rede doch jetzt über Fakten. Wieso kann man nicht einmal Fakten entgegennehmen?

(Dr. Weiland, CDU: Müssen Sie Ihrer Fraktion sagen!)

Ist es falsch, was ich sage?

(Zurufe von der CDU)

Also. Dann nehmen Sie es einmal entgegen.

2. Wir haben eine Regelung in unserem Tariftreuegesetz getroffen immer auf der Basis dessen, was landesrechtlich regelbar ist, dass dort, wo kein Tarifvertrag gilt oder einer, der nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes kein ordnungsgemäßer ist, mit diesen sogenannten christlichen Gewerkschaften, die durch Rechtsprechung als Tarifvertragspartei ausgeschlossen worden sind – – –

Wenn also kein ordnungsgemäßer oder kein Tarifvertrag herrscht, dann greift unsere Regel, dass mindestens 8,50 Euro bezahlt werden müssen. Ansonsten müssen wir den Antrag nicht nur auf Zuschlag ablehnen, sondern wir wollen ihn auch ablehnen; denn wir wollen, dass mindestens die 8,50 Euro für das Reinigungsgewerbe, das Bewachungsgewerbe und all diese Bereiche bezahlt werden.

Da sind wir genau bei dem Punkt, an dem wir nicht weiterkommen, weshalb wir einen gesetzlichen Mindestlohn für die gesamte Republik brauchen; denn wenn wir den hätten, hätten wir eine Rechtsgrundlage, dass solche Tarifverträge nie unterhalb von 8,50 Euro rechtswirksam sind.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Das wünsche ich mir. Darum kämpfen ich, Frau Dreyer und andere. Dann hätten wir diese geordneten Verhältnisse. Solange wir das nicht haben, funktioniert es nicht.

Das, was wir gerade debattieren, ist, dass wir selbst, gegen unseren Willen aus rechtlichen Gründen gezwungen sind, weil sonst die Vergabe durch alle Unternehmer anfechtbar ist.

Wenn wir einen gesetzlichen Mindestlohn hätten, wäre dies nicht möglich. Die Tatsache, dass es so ist, wie es jetzt ist, dass teilweise 6 Euro oder noch weniger bezahlt werden und das durch Tarifvertrag gedeckt ist, ist das beredtste und beste Beispiel gegenüber dem, was die CDU auf ihrem Bundesparteitag beschlossen hat, nämlich dass Gewerkschaften dort keine Wirkmacht haben, wo sie kaum Mitglieder haben. oder auf der anderen Seite – das gilt für den Osten Deutschlands noch mehr als für uns –, dass Arbeitgeber nicht tarifgebunden sind und damit Tarifverträge nicht zustande kommen oder solche Tarifverträge zustande kommen, die nicht einmal eine Grundbasis dafür bieten, dass man trotz vollschichtiger Arbeit sein Leben davon bestreiten kann.

Deshalb nicht diese Ausflüchte und sagen, die Tarifvertragsparteien sollen es regeln. Genau das führt zu solchen missbräuchlichen Minilöhnen. Vielmehr brauchen

wir eine untere Grenze, und dann gilt die alte Regel gesetzliche Untergrenze. Darauf können Tarifverträge Besserstellungen erwirken. Die Tarifverträge können durch betriebliche Vereinbarungen Besserstellungen erwirken. Das ist das, was wir brauchen, um Ordnung an den Arbeitsmarkt in Deutschland zu bringen.

Meine Damen und Herren, wir wollen doch für die Leute nicht Mindestlöhne, wir wollen am Ende, dass möglichst wieder überall Tariflöhne gelten. Das ist doch der Punkt. Das ist das freiheitliche System. Dieses System wird derzeit in Deutschland in massenhafter Weise unterlaufen. Deshalb müssen wir als Gesetzgeber handeln.

Als die Bundesrepublik Deutschland West gegründet worden ist, zu Zeiten von Konrad Adenauer, haben wir oder unsere Vorgänger damals Gesetze gemacht, weil die Gewerkschaften in vielen Bereichen noch nicht handlungsfähig waren und viele Arbeitgeber in der Aufbauphase noch keine Arbeitgebervereinigungen oder andere Sorgen hatten, als sich da zu engagieren. Deshalb hat man in der Adenauer-Zeit zwei Gesetze gemacht die gesagt haben, für solche Fälle gibt es klare Regelungen. Das, was damals aufgrund der Aufbauphase nicht da war, ist jetzt aufgrund einer Ideologie nicht da, nämlich dass man aus Tarifbindungen heraus will und dies für einen Wettbewerbsvorteil hält.

Ich will ausdrücklich unterstreichen, was Frau Kollegin Anklam-Trapp vorhin gesagt hat. Wer ein Geschäftsmodell vorlegt, das nur funktioniert, wenn man die Menschen ausbeutet und ihnen nur 4 Euro oder 5 Euro Stundenlohn gibt, der hat kein funktionierendes Geschäftsmodell. Das kann nicht die Regel in Deutschland sein, meine Damen und Herren.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)