4. Wie bewertet die Landesregierung die Vorhaben der Bundesregierung, die Unternehmensbesteuerung und die Sätze der Mehrwertsteuer zu reformieren?
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Vor vier Wochen habe ich in der Haushaltsrede gesagt, dass nach Auffassung der Landesregierung in den öffentlichen Haushalten in Deutschland vor dem Hintergrund der Schuldenbremse kein finanzieller Spielraum besteht, die Steuern zu senken.
Wir sind der Auffassung, dass unsere derzeitigen Probleme nicht in einer zu hohen Steuerbelastung bestehen, sondern dass wir in der europäischen Staatsschuldenkrise auch in Deutschland eine glaubwürdige Konsolidierung der Staatsfinanzen vorleben müssen. Dazu gehört eben auch die Sicherung der Steuereinnahmebasis.
Zu den Fragen 1 und 2: Aufgrund der ersten Pressemeldungen zu den Steuersenkungsplänen der Bundesregierung habe ich in der Haushaltsdebatte die damit verbundenen Steuerausfälle für Land und Kommunen in Rheinland-Pfalz mit beinahe 100 Millionen Euro beziffert.
Nach Auswertung der im Referentenentwurf des Bundesfinanzministeriums enthaltenen Steuerausfallschätzungen müssen wir mit etwas höheren Ausfällen rechnen. Demnach werden dem Land und den Kommunen Mindereinnahmen von dauerhaft 110 Millionen Euro entstehen, davon 81 Millionen Euro beim Land und 29 Millionen Euro bei den Kommunen.
Zur Frage 3: Die Landesregierung lehnt die von der Bundesregierung vorgeschlagene Steuersenkung aus drei Gründen ab:
1. Nach den Steuersenkungen der vergangenen drei Jahre in Höhe von dauerhaft 36 Milliarden Euro, die uns in Rheinland-Pfalz beim Land allein 580 Millionen Euro und bei den Kommunen weitere 220 Millionen Euro kosten, brauchen wir materiell keine weiteren Steuersenkungen.
2. Angesichts der Staatsschuldenkrise müssen wir glaubhaft konsolidieren. Auch mit Blick auf die fragile Konjunkturlage können wir uns in Deutschland keine unnötigen Einnahmeausfälle leisten.
3. Steuerausfälle von 80 Millionen Euro im Landeshaushalt entsprechen auf der Ausgabenseite einer Reduzierung beispielsweise um zusätzlich 1.600 Lehrerstellen. Vor dem Hintergrund der bereits beschlossenen Sparmaßnahmen sollten diese Größenordnungen jeden Landespolitiker darüber nachdenken lassen, ob er für eine solche Steuersenkung sein kann.
Das Argument, dass eine Erhöhung der Grundfreibeträge verfassungsrechtlich sowieso notwendig sei, kann im Übrigen nicht überzeugen. Man könnte auch die Kosten einer notwendigen Erhöhung der Grundfreibeträge im Tarif zum Beispiel dadurch gegenfinanzieren, dass man die Steuerlast bei den Spitzenverdienern moderat anhebt.
Meine Damen und Herren, im Übrigen liegt aktuell kein verfassungsrechtlicher Bedarf für diesen Schritt vor. Im aktuellen 8. Existenzminimumbericht der Bundesregierung vom 13. Mai 2011 – das ist noch nicht so lange her – wird das steuerrechtlich relevante Existenzminimum für 2012 mit 7.896 Euro beziffert. Der Grundfreibetrag beträgt derzeit 8.004 Euro und liegt damit noch signifikant darüber.
Zur Frage 4: Zu einer soliden Haushaltspolitik gehört es auch, absehbare Einnahmerisiken frühzeitig in den Griff zu bekommen. Deshalb begrüße ich es, dass die Bundesregierung die Verlustverrechnung der Unternehmen kritisch prüft; denn die derzeitigen Verlustvorträge von mehr als 500 Milliarden Euro haben eine schwindelerregende Höhe erreicht.
Es darf aber nicht dabei bleiben, dass nur eine Arbeitsgruppe eingesetzt wird, auch wenn diese Arbeitsgruppe – Rheinland-Pfalz war daran beteiligt – meiner Meinung nach gute Arbeit geleistet hat. Es geht meines Erachtens gar nicht, dass diese Arbeitsgruppe ihren Auftrag um eine Harmonisierung mit dem französischen Körperschaftssteuerrecht erweitert bekommt.
Das bedeutet faktisch, dass das eine Garantie dafür ist, dass diese Arbeitsgruppe auf absehbare Zeit keine verwertbaren Ergebnisse liefern wird.
Zur Reform der Mehrwertsteuer kann ich mich kurz fassen. Die Bundesregierung ist wegen des Hotelier- steuerprivilegs, das sie vor zwei Jahren eingeführt hat und als erstes opfern müsste, bei diesem Thema politisch handlungsunfähig.
Ich kann mir nicht vorstellen, dass die schon vor Monaten benannte Arbeitsgruppe in dieser Legislaturperiode der Bundesregierung auch nur einmal zusammentreten wird.
Sehr geehrter Herr Finanzminister, Sie haben die potenziellen Steuereinnahmeausfälle für das Land der Höhe nach auf rund 80 Millionen Euro beziffert. Das Land hat sich, wie man dem Entwurf des Haushalts 2012/2013 entnehmen kann, auf den Weg gemacht, seinen Staatshaushalt zu konsolidieren. Vertritt die Landesregierung die Auffassung, dass der Konsolidierungskurs dieses Landes durch die Steuermaßnahmen, die die Bundesregierung plant, mittelfristig gefährdet ist?
Ja, diese Auffassung vertreten wir durchaus. Das kann man an einem einfachen Beispiel deutlich machen. Sie haben den Betrag von 80 Millionen Euro noch einmal genannt. Im Übrigen ist das beispielsweise im Jahr 2012 der Abstand zur Verfassungsgrenze.
Wenn diese Wirkung schon im Jahr 2012 zur vollen Entfaltung kommen würde, befände sich das Land in der problematischen Situation, dass die Verfassungsgrenze möglicherweise nicht gehalten werden könnte.
Im Übrigen erkennen Sie daran, wie klug dieses Parlament mit Ihren Stimmen beraten war, in die Verfassung sogenannte Strukturanpassungskredite hineinzuschreiben.
Stellen Sie sich diese Situation im Jahr 2020 vor. Zu diesem Zeitpunkt kommt ein Gesetzentwurf, den Rheinland-Pfalz vielleicht nicht mitgetragen hat, der aber 80 Millionen Euro Mindereinnahmen bedeutet. Wie sollen die in einer solch kurzen Zeit kompensiert werden?
Sie können es nicht, noch nicht einmal, wenn Sie es wollten. Es wäre falsch, 1.600 Lehrer nicht einzustellen oder zu entlassen. Sie könnten, wenn Sie eine Nullrunde fahren würden – gestern haben wir über das Dienstrechtsreformgesetz diskutiert –, nur 50 Millionen Euro einsparen.
Das heißt, Politik könnte nicht so schnell reagieren. Deswegen ist es klug und weise, dass dieses Parlament diese Strukturanpassungskredite in die Verfassung aufgenommen hat.
Herr Minister, zunächst einmal herzlichen Dank für die Blumen für die Schuldenbremse, von der wir hoffen, dass Sie sie einhalten.
Ich hätte eine Frage: Sind Sie der Auffassung, dass gerade im Segment der niedrigen und mittleren Einkommen eine Ungleichbehandlung im Steuerrecht vorhanden ist und die kalte Progression deshalb abgeschafft werden sollte?
Die kalte Progression ist jedem linear progressiven Steuertarif, für den ich sehr bin, weil er das Prinzip der Leistungsfähigkeit am besten zum Ausdruck bringt, immanent. Das hat damit zu tun, dass Sie in einer Wirtschaft, in der es immer Inflation und eine Besteuerung nach dem Nominalwertprinzip geben wird, diese kalte Progression erreichen.
Das viel bemühte Argument, auch von Politikern Ihrer Partei im Bund, man würde jetzt mit dieser Reform eine spezielle Verbesserung bei kleinen und niedrigen Einkommen erreichen, ist falsch, Herr Baldauf.
käme, Entschuldigung, wir arbeiten noch daran, dass es nicht so sein wird –, wenn er also zur vollen Entfaltung käme, dann würden diejenigen, die am Anfang des linear progressiven Tarifs liegen, also die kleinen Einkommen, mit 51 Euro pro Jahr bessergestellt.
Das ist mehr als das Siebenfache. Wenn das Ihre Vorstellung von Gerechtigkeit ist, dass ich 359 Euro spare und meine Sekretärin deutlich weniger, dann kann ich nur sagen, ich habe eine andere Vorstellung davon.
Herr Minister, Sie beklagen, dass den Kommunen im Land Rheinland-Pfalz durch die Steuersenkung rund 29 Millionen Euro vorenthalten werden.
Wie bewerten Sie vor diesem Hintergrund, dass seitens des Landes Rheinland-Pfalz mehr als das Zehnfache bis zum Jahr 2013 im Stabilisierungsfond geparkt wird und damit den Kommunen ebenfalls vorenthalten werden
Sie haben zu Recht gesagt: „geparkt werde“. Der richtige Ausdruck wäre, die Kommunen bilden eine Rücklage. Wer eine Rücklage bildet, bekommt kein Geld weggenommen. Die Kommunen haben sich sieben Jahre zu Recht darüber gefreut, dass das Land in einer schwierigen finanziellen Situation quasi für sie eine Rücklage gebildet hat, indem das Land dafür gesorgt hat, dass jedes Jahr die Finanzausgleichsmasse um mindestens 1 % ansteigen konnte.
Das, was jetzt wirksam wird, steht in einem Gesetz, das vor vielen Jahren verabschiedet worden ist. Jedem war klar, wenn wir in eine solche wirtschaftliche Situation kommen, in der wir jetzt zum Glück wieder sind, wird genau dieser Mechanismus eintreten.
Die Kommunen wollten es, weil sie gesagt haben, wir wollen die Schwankungen beispielsweise bei der Gewerbesteuer durch diese Glättung im Finanzausgleich ausgleichen.
Das ist so, wie manchmal im Leben, dass Menschen nur so lange etwas gut finden, solange sie einseitig von dieser Solidarität profitieren. Solidarität ist aber beidseitig, darauf ist dieser Stabilisierungsfonds angelegt. Langfristig wird er den Kommunen nutzen, weil er langfristig ihre Einnahmen stabilisieren wird.