Protokoll der Sitzung vom 18.01.2012

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Ministerpräsident Beck: Sehr richtig!)

Die Kommunen waren in Form der kommunalen Spitzenverbände an der Verhandlung beteiligt und haben die entsprechende Vereinbarung unterzeichnet. Diese Regelung ist für unser Land nicht zum Nulltarif zu haben. Wir werden die Familien 2012 um rund 17 Millionen Euro

und 2013 um rund 28 Millionen Euro entlasten. Diese Entlastung ist uns eine gute Bildung wert, und da investieren wir in eine gute Bildungszukunft.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Sehr geehrter Herr Brandl, es ist schon erstaunlich, wie Sie heute hier herumeiern und dabei selbst keine klare Linie haben. Das ist für mich als junger Abgeordneter sehr erschreckend.

Wie war es vor der Landtagswahl? Frau Kollegin Dickes, da sind Sie mit Frau Klöckner durchs Land gereist und haben den Menschen unterschwellig vermittelt, dass Sie natürlich alle Familien vom Eigenanteil entlasten wollen.

(Frau Klöckner, CDU: Stimmt doch überhaupt nicht!)

Im Ausschuss, liebe Kollegin Dickes, haben Sie einkommensabhängige Gebühren gefordert. Das kann nicht wirklich ernst gemeint sein.

(Zuruf des Abg. Pörksen, SPD)

Sonst hätten Sie nicht so kurzfristig hier heute einen Änderungsantrag eingebracht. Das ist keine ernst gemeinte parlamentarische Arbeit.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Seit der Einbringung des Gesetzentwurfs Anfang Dezember hatten Sie Zeit genug. Aber weder eine Anhörung im Ausschuss noch ein zeitgerechter Antrag war Ihnen diese Sache wert. Sehr durchsichtig ist Ihr Manöver an dieser Stelle, 15 Minuten vor Abgabe einen Änderungsantrag einzubringen.

(Frau Klöckner, CDU: Habe ich nicht gesagt in der ersten Debatte! Da hätten Sie zuhören müssen!)

Dann gehen Sie doch bitte mit Ihrer Aussage nach draußen und sagen den Menschen, dass Sie gegen eine Chancengleichheit in der Bildung sind und Sie die Leute belasten wollen, die bisher entlastet waren.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Wir, die SPD-Fraktion, sind jedenfalls der Meinung, dass es genau der richtige Antrag ist, und wir werden ihm deshalb geschlossen zustimmen. Wir tun damit etwas, was es in anderen Bundesländern bereits gibt, in Bayern, Sachsen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Hessen.

Hören Sie also bitte auf, weiterhin herumzueiern und setzen Sie ein Zeichen, indem Sie dem Antrag zustimmen. Das wäre eine faire und ehrlich gemeinte Politik in diesem Land Rheinland-Pfalz.

Ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN spricht die Abgeordnete Frau Ratter.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Kein Kind hat besseren Unterricht, wenn der Eigenanteil anfällt, haben Sie, Herr Brandl, gesagt. Aber ich glaube, Sie wissen noch nicht, dass es immer noch Kinder gibt, die keine weiterführenden Schulen in den Orten besuchen, die sie eigentlich besuchen könnten, wenn sie den Eigenanteil zahlen müssen.

(Frau Klöckner, CDU: Lesen Sie doch einmal das Urteil!)

Ich habe meine Rede jetzt weggesteckt; ich probiere es mal frei. Denn ich fand es irgendwie schon dreist. Wir haben im Bildungsausschuss über dieses Urteil gesprochen, und Frau Schneid hat auch richtig berichtet. Aber jetzt in der Sitzung unmittelbar vor der Beratung des Gesetzes noch den Antrag auf Änderung einzubringen, das finde ich schon einen Hammer. Das muss ich wirklich sagen.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Zuruf des Abg. Bracht, CDU – Pörksen, SPD: Am besten mit der Sackkarre reinfahren! – Bracht, CDU: Das ist parlamentarisch üblich!)

Jenseits der Kostenfrage in Zeiten der Schuldenbremse bleibt jedenfalls festzustellen, Herr Bracht, dass die Übernahme der Elternbeteiligung ein wichtiger Beitrag zur Schließung einer Gerechtigkeitslücke beim Zugang zur Bildung ist.

(Zurufe aus dem Hause)

Frau Klöckner, ich bin gerade dran. Nach der ersten Lesung am 8. Dezember 2011 hat mich eine Zuhörerin von der Tribüne angesprochen und gesagt, Frau Ratter, Sie haben recht. Ich kann Ihnen ein Beispiel nennen. Es geht um eine Familie, die ihre Kinder nicht auf das Gymnasium – es war ein Gymnasium – in Neustadt schickt, weil sie den höheren Kostenaufwand scheut. Natürlich haben bis dato schon 25 % aller Kinder die Möglichkeit, auf die Kostenbeteiligung der Eltern verzichten zu können.

Herr Brandl, Sie beachten nicht, dass es eine Hemmschwelle gibt. Manchmal verhindert dieses Quäntchen, dass die Eltern den Kindern den Zugang an die Schule beschaffen, die ihnen einen Abschluss bieten würde, der ihren Leistungsmöglichkeiten gerecht wird. Das kommt auch heute noch vor.

„Wir wollen in diesem Land immer alles tun, dass die Bildung nicht vom Geldbeutel der Eltern abhängt“, haben Sie, Frau Dickes, 2009 gesagt. Ich glaube, wir haben alle dieselben Quellen benutzt, nämlich die Drucksachen 15/3827/3851. Sie haben weiter beklagt, dass Rheinland-Pfalz das einzige Bundesland sei, in dem es von

der gewählten Schulart abhänge, ob die Eltern Beiträge zahlen müssen oder nicht.

Jetzt endlich haben Sie die Chance dazu. Sie haben die Chance, mit der Koalition gemeinsam, und zwar so, wie Sie es gefordert haben, etwas zu tun;

(Zuruf des Abg. Bracht, CDU)

denn Sie haben auch gefragt, ob es gerecht ist, wenn zwei Kinder an der gleichen Haltestelle den gleichen Bus benutzen und an der gleichen Haltestelle wieder aussteigen, dass der eine zahlt und der andere nicht zahlt. Genau das aber wollen Sie jetzt. Ich verstehe die Welt nicht mehr.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Bracht, CDU: Das ist doch falsch!)

Ich verstehe Ihr Verständnis von Lernfähigkeit nicht. Ich habe sehr viel Verständnis für lebenslanges Lernen, aber hier machen Sie einen Denkfehler. Der Ansatz für Bildungsgerechtigkeit schlägt sich nicht in der Unterrichtsqualität nieder. Das ist ein anderer Topf. Insofern bin ich fest davon überzeugt, dass es uns gelingen wird, die Qualität des Unterrichts zu steigern und den Zugang zur Schule, den Schulweg, für alle gleich zu behandeln.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Bracht, CDU: Bisher ist Ihnen das nicht gelungen!)

Ich möchte nicht darauf verzichten, noch einmal darauf hinzuweisen, dass das Gesetz noch erhebliche andere Verbesserungen mit sich bringt. Ich erinnere an die Veränderungen der Bedingungen bei den Förderschulen und ganz besonders bei der Berufsfachschule I und II. Hier erreichen wir Schülerinnen und Schüler, die eine erhebliche Benachteiligung hatten. Ich gehe auch davon aus, dass die schulische Organisation vom Besuch außerschulischer Lernorte eine deutliche Erleichterung findet.

Im Gegensatz zu dem, was Herr Brandl gesagt hat, bin ich der festen Überzeugung, dass sich für die Schulen selbst de facto eine Erleichterung ergibt, weil sich nämlich mehr Kinder an der Schülerbeförderung beteiligen werden und deswegen mehr Kinder die Möglichkeit haben werden, den außerschulischen Lernort mit der Schulfahrkarte zu benutzen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren von der CDU, im Gegensatz zu Ihnen halte ich auch das für eine qualitative Verbesserung für den Unterricht.

Wir halten an dem Entwurf fest, den wir mit eingebracht haben. Wir sind der Überzeugung, dass genau das der richtige Weg ist und nicht, das Doppelte bezahlen zu lassen, wie es der Kollege Oster von der SPD noch einmal ausgeführt hat.

Vielen Dank.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Für die Landesregierung hat Frau Bildungsministerin Ahnen das Wort.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete! Zunächst einmal möchte ich mich bei allen Fraktionen des Hauses bedanken, dass wir diesen Gesetzentwurf im Bildungsausschuss, im Haushalts- und Finanzausschuss und auch im Rechtsausschuss so zügig beraten konnten. Damit ist gewährleistet, dass der Gesetzentwurf planmäßig seine Wirkung zum Schuljahr 2012/2013 entfalten kann. Seine Hauptwirkung ist eine beträchtliche Entlastung der Familien in Rheinland-Pfalz. Deswegen freue ich mich darüber, dass diese Verbesserung zum kommenden Schuljahr wirksam wird.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Ich möchte nicht noch einmal im Einzelnen auf die Inhalte eingehen. Ich will nur noch einmal darauf hinweisen, dass es im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens möglich war, neben den Schülerinnen und Schülern mit dieser begünstigenden Regelung in der Sekundarstufe I auch die Schülerinnen und Schüler der Berufsfachschule I und II in den Blick zu nehmen. Ich finde, auch das ist eine ganz wichtige Entscheidung, die wir treffen können. Dafür will ich an dieser Stelle sehr herzlich danken.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Brandl, auch diese Landesregierung hat alle Handlungsalternativen abgewogen. Auch das, was Sie erst heute vorlegen, ist eine Handlungsalternative. Man muss die Konsequenzen dieser Handlungsalternative ehrlich benennen. Sie sind drum herum geeiert. Die Konsequenz Ihrer Handlungsalternative ist, dass in Zukunft Eltern von Kindern einen Eigenanteil bezahlen müssten, die bisher davon freigestellt sind.

Ich sage Ihnen mit allem Nachdruck: Wir haben uns dagegen entschieden. Das wollten wir nicht. Wir wollten nicht mehr Familien heranziehen, sondern eine weitere Entlastung schaffen. Das war eine bewusste Entscheidung. Zu dieser Schwerpunktsetzung stehe ich auch.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Insofern ist auch mit der SPD gar nichts passiert, weil Sie gefragt haben: Was ist mit Ihnen gegenüber der Beratung bei der Schulstrukturreform passiert? – Bei der Schulstrukturreform haben wir den Kreis derer, die vom Eigenanteil freigestellt sind, deutlich erweitert, und zwar nicht auf die Gänze, weil wir das in einem Schritt nicht gepackt hätten. Jetzt erweitern wir ihn ein weiteres Mal. Insofern ist das ein konsequentes Handeln.