Protokoll der Sitzung vom 19.01.2012

Zu Frage 1: Mit der Ankündigung, ihre Aktivitäten im Bereich der grünen Gentechnologie auf die Hauptmärkte in Nord- und Südamerika zu konzentrieren, trifft die weltweilt aktive BASF eine nachvollziehbare unternehmerische Entscheidung. Sie verlagert ihre Forschung, die eng mit Freilandversuchen verbunden ist, hin zu den Märkten, auf denen sie wohl meint, bestehen zu können.

In Nord- und Südamerika sowie in Asien gibt es im Gegensatz zu Europa eine starke Nachfrage nach Saatgut von gentechnisch veränderten Pflanzen. Die BASF zieht die Konsequenzen aus der eigenen Feststellung, dass nicht nur in Deutschland, sondern in ganz Europa die Akzeptanz für grüne Gentechnik aufseiten der Verbraucher und der Landwirtschaft fehlt. Die Menschen lehnen zudem die Vorstellung von gentechnisch veränderten Lebensmitteln auf ihren Speisetellern ab.

Zu Frage 2: Auch ohne einen Koalitionsvertrag mit einer entsprechenden Vereinbarung zur Agrogentechnik fand in der Vergangenheit in Rheinland-Pfalz kein nennenswerter Anbau von bereits zugelassenen gentechnisch veränderten Pflanzen statt. Derzeit gibt es ohne Zutun

der Landesregierung im Land keinen Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen.

Agrogentechnik stößt bei den Verbraucherinnen und Verbrauchern sowie bei den Landwirten ganz überwiegend auf Ablehnung und Vorbehalte. Diese öffentliche Meinung ist in Deutschland und in Europa sicherlich auch von den Entscheidungsträgern mit einbezogen worden. Sie konnte gar nicht ignoriert werden, und die BASF hat dies auch öffentlich deutlich gemacht.

Die BASF SE hatte sich zuletzt aufgrund der Anbauzulassung der gentechnisch veränderten Kartoffellinie Amflora, kein Lebensmittel, eine verstärkte Akzeptanz erhofft. Aber Amflora war hier wohl ein Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte; denn insbesondere die Ausbringung auf dem Feld hat erhebliche Widerstände mit sich gebracht.

Laut Aussage des BASF-Vorstandes Dr. Marcinowski habe zu den Entscheidungen auch beigetragen, dass die Unternehmenszentrale der BASF, die Plant Science GmbH, komplett in die USA verlegt werden soll. Ich wiederhole, dem liegen unternehmerische Entscheidungen zugrunde, auf die die Landesregierung keinen Einfluss hat.

Pflanzenbiotechnologische Forschung ist von der im Koalitionsvertrag vereinbarten Gentechnikfreiheit der rheinland-pfälzischen Land- und Lebensmittelwirtschaft nicht unmittelbar betroffen.

Zu Frage 3: Zunächst ist festzuhalten, dass die Aktivitäten des Unternehmensbereichs Pflanzenschutz, sogenannte Crop Protection, der BASF in Limburgerhof von den Verlängerungen der Pflanzenbiotechnologie nicht betroffen sind. Nach Angaben der BASF arbeiten von weltweit rund 840 Mitarbeitern der BASF Plant Science zurzeit 157 Mitarbeiter in Limburgerhof. Die BASF plant, elf Stellen in Limburgerhof zu erhalten, die übrigen 146 Stellen sollen an andere Standorte der BASF Plant Science, hauptsächlich nach Raleigh, transferiert oder abgebaut werden.

BASF strebt an, den betroffenen Mitarbeitern soweit wie möglich Stellen innerhalb der BASF-Gruppe anzubieten. Die BASF wird die entsprechenden Konsultationen mit den verantwortlichen Arbeitnehmervertretern umgehend beginnen.

Sehr geehrte Damen und Herren, wir haben an dieser Stelle großes Vertrauen, vor allen Dingen weil die BASF für ihre gute Sozialpartnerschaft, die dort intensiv gepflegt wird, bekannt ist. Wir hegen daher die entsprechende Wertschätzung. Auch die Mitarbeiter erfahren dies. Es dürfte davon auszugehen sein, dass für die betroffenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gute Lösungen gefunden werden.

In ihrer Pressemeldung vom 17. Januar kündigt die BASF zum Beispiel den weiteren Ausbau – jetzt sind wir bei dem, was der Ministerpräsident kurz eingeworfen hat – des Standortes Ludwigshafen an. Die BASF verlagert Teile der Produktion Polyurethan aus Schwarzheide an den Stammsitz nach Ludwigshafen, verbunden mit dem Aufbau einer neuen Anlage zur Herstellung des

Weichschaumrohstoffes TDI, Toluoldiisocyanat, mit einer Jahreskapazität – das ist viel wichtiger – von 300.000 Tonnen.

Die Gesamtinvestition einschließlich der erforderlichen Infrastruktur auf dem Ludwigshafener Werksgelände wird rund 1 Milliarde Euro betragen. Die jährlichen Forschungsausgaben für die grüne Gentechnik betrugen 170 Millionen Euro. Etwa 200 neue Arbeitsplätze werden geschaffen. Die Produktion soll Ende 2014 ihren Betrieb aufnehmen.

TDI ist ein wichtiges chemisches Grundprodukt, das vor allem für Weichschäume aus Polyurethan genutzt wird. Es wird zu einem großen Teil in der Automobilindustrie, in Sitzpolstern und der Innenverkleidung, sowie in der Möbelindustrie für Matratzen, für Polsterungen, für Holzbeschichtungen und viele andere Anwendungen eingesetzt.

Diese Investitionsentscheidung wird mit Blick auf die Stärkung des Standortes Ludwigshafen von der Landesregierung ausdrücklich begrüßt. Die Tatsache, dass die TDI-Anlage am Ende eines konzerninternen Standortwettbewerbs in Ludwigshafen errichtet wird, zeigt doch, dass das weltweit größte Chemieunternehmen großes Vertrauen in den Standort Rheinland-Pfalz hat. Diese Entscheidung der BASF zeigt, dass die rot-grüne Landesregierung der Industrie in Rheinland-Pfalz offenbar ganz deutlich Planungssicherheit und Stabilität vermittelt.

Zu Frage 4: Die Landesregierung sieht sich durch die Unternehmensentscheidung der BASF in ihrer Politik nicht infrage gestellt. Sie wird die Linie ihrer Wirtschaftspolitik weiterverfolgen, für günstigere Rahmenbedingungen der Unternehmen einzutreten bzw. sie zu gestalten und bei Bedarf gezielt Hilfe bereitzustellen. Sie wird ihren Dialog mit den Unternehmen, auch mit der BASF, den Arbeitnehmern und natürlich auch den Arbeitnehmervertretern fortsetzen.

Die Landesregierung sieht die Risiken der grünen Gentechnik als größer an als mögliche Chancen. Ich darf darauf hinweisen, das Versprechen der Industrie, dass mit der Gentechnik das Welternährungsproblem gelöst werden kann, hat sich bislang nicht erfüllt. Wir sehen hier andere politische gesellschaftliche Lösungsmechanismen wie die Lösung der Verteilungsfrage als die erfolgreicheren Strategien an.

Erste Erfolge hinsichtlich höherer Erträge in der grünen Gentechnologie waren meist von kurzer Dauer bzw. mit unerwünschten Auswirkungen wie Resistenzen, einem verstärkten Monokulturanbau und verminderter Artenvielfalt verbunden. Diese Nachteile begründen weiterhin unsere Skepsis gegenüber der grünen Gentechnik.

Forschung auf dem gesamten Gebiet der Biotechnologie, die neben der Pflanzenbiotechnologie insbesondere in den Bereichen Medizin und Pharmazie sowie in der Chemiebranche zunehmend eingesetzt wird, findet in Rheinland-Pfalz weiterhin statt und ist auch erwünscht. Biotechnologie als Schlüsseltechnologie für viele Anwendungen und Branchen wird in über 200 gentechnischen Anlagen in Rheinland-Pfalz – darunter auch in

zahlreichen Anlagen bei der BASF SE – erfolgreich zur Entwicklung innovativer Produkte genutzt. Das ist ein Zeichen dafür, dass die Biotechnologie als moderne Technologie auch bei uns ihren Platz gefunden hat.

Hauptanwendungen der Biotechnologie bestehen in Rheinland-Pfalz zunächst in der Grundlagenforschung der verschiedensten Fachbereiche, der Hochschulen und Forschungseinrichtungen, und ein Schwerpunkt der Umsetzung liegt insbesondere in den Lebenswissenschaften und in der industriellen Biotechnologie. Gerade dort ist die BASF auch sehr aktiv. So treibt sie beispielsweise die Forschung für den Rohstoffwandel unter Nutzung auch biotechnischer Methoden, die nicht grüne Gentechnik sind, voran.

Ein Forschungsbereich, den wir für wichtig halten, ist auch die Sicherheitsforschung in Bezug auf die Risiken der Gentechnik. Auch Beiträge zu einer ressourcenschonenden und nachhaltigen Landwirtschaft durch diagnostische Verfahren der Biotechnologie, die ohne gentechnische Veränderungen eingesetzt werden – zum Beispiel SMART Breeding –, werden weiterhin aufmerksam begleitet.

Ich danke Ihnen.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Bracht, CDU: Oh, schon zu Ende?)

Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Baldauf.

Frau Ministerin, teilen Sie die Ansicht des zuständigen Vorstandes der BASF, dass es sich bei der Pflanzenbiotechnologie um eine Zukunftstechnologie, wahrscheinlich sogar um d i e Zukunftstechnologie des 21. Jahrhunderts handelt?

Ich habe soeben in die unterschiedlichen Bereiche der Pflanzenbiotechnologie differenziert, und ich glaube, diese Differenzierung tut an dieser Stelle auch not. Grüne Gentechnologie, die auch ein Teil der Pflanzenbiotechnologie ist, habe ich ausgenommen und – wie ich glaube – auch differenziert dargestellt.

(Licht, CDU: Sie soll die Frage beantworten!)

Demnach kann ich die Einschätzung des BASFVorstands nicht uneingeschränkt teilen, sondern nur sehr differenziert, wie schon zuvor beantwortet.

Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Ramsauer.

Frau Ministerin, ist Ihnen die Haltung der bayerischen Staatsregierung zur Frage der Gentechnologie bekannt, die in Person des Umweltministers, Herrn Söder, erklärt hat, sie wolle Bayern zur gentechnikanbaufreien Zone erklären, und halten Sie Herrn Söder in dieser Frage für ideologisch verblendet, wie man es uns vorwirft?

(Ministerpräsident Beck: Davon bin ich überzeugt, dass er es ist! – Heiterkeit der Staatsministerin Frau Lemke)

Ich muss sagen, ich teile die Einschätzung des Ministerpräsidenten an dieser Stelle, aber ich glaube auch, dass es uns in der Debatte nicht weiterhilft. Ich habe betont, die Verbraucher haben entschieden, und sie haben klug entschieden. Sie haben sich sehr lange gewehrt.

Man kann mit Blick auf den Verbraucherschutz sagen, wichtig sind Kennzeichnungen, und wichtig ist eine genaue Aufklärung, und es war auch für die Verbraucherinnen und Verbraucher nicht einfach, es so darzustellen, dass sie in der Lage waren, dies zu erkennen. Ich wünsche mir sehr, dass auf den Märkten, in die nun verstärkt diese aus meiner Sicht gefährliche Gentechnologie wandert, die Verbraucher ähnliche Möglichkeiten haben, sich zu wehren, wie die Europäer dies konnten.

Eine Zusatzfrage des Herrn Kollegen Wehner.

Frau Ministerin, Sie haben ausgeführt, dass die gesellschaftliche Akzeptanz in Europa sicherlich die unternehmerische Entscheidung mit beeinflusst hat. Inwiefern sehen Sie einen Zusammenhang zu dem durchaus spektakulären Urteil des Europäischen Gerichtshofs zum Honig? – Darin wurden Pollen als Zutat gesehen. Hat dies aus Ihrer Sicht auch Einfluss auf diese Unternehmensentscheidung gehabt?

Es hat mit Sicherheit Einfluss darauf gehabt. Den Verbrauchern ist gerade durch das Urteil des Europäischen Gerichtshofs deutlich geworden, wie gentechnisch verändertes Saatgut in die natürlichen Kreisläufe eindringt, wie es grundsätzlich diese Welt verändert, wie es den Artenreichtum reduziert und welche Gefahren es mit sich bringt. Die Menschen und auch die Gerichte haben entschieden, dass ein solcher Honig und auch andere Nahrungsmittel dieser Art nicht auf die Teller gehören, weil die damit verbundenen Folgen und Risiken für Mensch und Tier nicht ausreichend bekannt sind.

Eine Zusatzfrage der Abgeordneten Frau Schneider.

Vielen Dank. Frau Ministerin, Sie haben zwischen grüner Biotechnologie und grüner Gentechnik differenziert und ausgeführt, dass die Landesregierung die Risiken als größer ansieht als die Chancen. Sie haben auch Bezug genommen auf die Gentechnikkartoffel Amflora.

Ist diese Auffassung der Landesregierung seit dem rotgrünen Koalitionsvertrag neu, oder wie können Sie mir erklären, dass am 17. Mai 2010 das Ministerium für Wirtschaft, Verkehr, Landwirtschaft und Weinbau im Landwirtschaftsausschuss erklärt hat, für den Agrarforschungsstandort Rheinland-Pfalz berge die grüne Biotechnologie generell ein großes Potenzial in Bezug auf die Amflora-Kartoffel? Können Sie mir das bitte erklären?

(Frau Klöckner, CDU: Eine kluge Frage!)

Frau Schneider, alle wissen, dass mit den GRÜNEN in der Regierung diese Meinung in der Landesregierung noch einmal entsprechend überdacht worden ist. Ich freue mich auch sehr, dass sich diese Meinung innerhalb der Landesregierung durchsetzen konnte und sie dem entspricht, was die Bürger dieses Landes möchten. Wenn sogar die Wirtschaft erkennt, die Verbraucher wollen das nicht, gibt es doch darüber einen gesellschaftlichen Konsens. Dann müssen wir auch nicht ideologisch zurückschauen, sondern dann dürfen wir uns doch darüber freuen, dass etwas gemeinschaftlich in der Gesellschaft entwickelt werden konnte.

Eine Zusatzfrage des Herrn Kollegen Dr. Schmidt.

Frau Ministerin, mittlerweile wissen wir, dass man mit der Gentechnologie die Nahrungsprobleme der Welt nicht lösen kann. Forschung wollen wir, darüber sind wir uns alle einig. Das ist unsere Leidenschaft. Aber die Politik hat auch die Aufgabe herauszufinden, wo die Verbraucher geschützt werden können und geschützt werden müssen. Bei der Gentechnik kennen wir diese Konsequenzen nicht. Sind Sie auch dieser Auffassung?

Ich erinnere in diesem Zusammenhang nur an die Atomtechnologie, von der zu Beginn ebenfalls gesagt wurde, dass es eine Jahrhunderttechnologie sei.

Danke.

Ich stimme Ihnen absolut zu,

(Zurufe von der CDU)

dass man das nicht alles erkennen kann. Die Verbraucher haben deutlich gemacht, indem sie diese Produkte nicht konsumieren wollen, dass sie verstärkten Wert auf Verbraucherschutz in dieser Frage legen und genau diese Risiken nicht erwünscht sind.