Protokoll der Sitzung vom 19.01.2012

sind, in der Zukunft in der Pflege zu arbeiten, um diesen Pflegefachkräftebedarf zu decken.

Dazu unternimmt das Land Rheinland-Pfalz intensive Anstrengungen. Im Rahmen des Branchen-Monitorings wird versucht, die Kapazitäten zu erhöhen, indem man sich intensiv mit den Krankenhauspartnern in Verbindung setzt.

Wir haben mit der Einführung der Ausgleichsverfahren und der Stufenausbildung weitaus mehr Ausbildungsplanstätten in 2012 geplant und festgesetzt. Wir brauchen aber – das ist mir ganz wichtig – die Initiative Gesundheitsberufe 2012, um den Halt und Rückhalt der Menschen, die pflegen, zu gewährleisten, damit diese nicht in Teilzeit gehen oder aufhören müssen, weil sie ausgebrannt sind. Es muss darum gehen, Quereinsteiger und Zurückkommende für diese Berufe willkommen zu heißen, damit sie zur Pflege unserer Menschen im Land Rheinland-Pfalz zur Verfügung stehen.

Den Vorschlag, zwölf Jahre Regelschulzeit, damit später endlich die Qualität der Pflege steigt, stelle ich ausgesprochen infrage. Was von der Branche erwünscht und erhofft wird, dass damit die Lohnentwicklung für Krankenschwestern und Pfleger eine Aufwertung nach oben erfährt, stelle ich aufgrund der demografischen Gesamtlage und der haushälterischen Situation ebenso in Zweifel.

Wir, die SPD-Fraktion, sprechen uns deutlich gegen den Vorschlag der EU-Kommission aus. Ich freue mich über jede Unterstützung von allen Fraktionen. Wir erwarten, dass die Bundesregierung sich nachdrücklich weiter dafür einsetzt, dass die Zulassung zu der Ausbildung in der Krankenpflege beim Sekundarabschluss I belassen wird.

Vielen Dank.

(Beifall der SPD und bei dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Für die CDU-Fraktion hat Herr Kollege Dr. Enders das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich sehe im bisherigen Verlauf der Debatte offensichtlich einen Konsens in dieser Frage. Trotzdem plant die EU, im Jahr 2015 zwölf Jahre – das kann das Fachabitur sein – als Voraussetzung für die Krankenpflegeausbildung zu fixieren. Das wird sehr kontrovers diskutiert. Ich bin selten mit ver.di auf Linie, in diesem Fall bin ich es, die das ähnlich sehen und auch ablehnen.

Es ist ganz interessant, wenn man betrachtet, dass Deutschland, Luxemburg und Österreich bisher von den zwölf Jahren abweichen. Das sind interessanterweise Länder, in denen wir eine gute medizinische Versorgung im stationären und ambulanten Bereich haben. Ich könn

te mir einige andere EU-Länder vorstellen, in denen es nicht unbedingt erstrebenswert ist, im Sinne eines Patiententourismus dort hinzufahren und sich behandeln zu lassen. Die Qualität stimmt bei uns, sowohl bei den Ärzten als auch bei der Pflege.

Ich habe ein bisschen den Verdacht, dass man auf EUEbene Äpfel mit Birnen verwechselt; denn man muss sich die Ausbildungsstrukturen im EU-Ausland anschauen. Da kann man erkennen, dass dort nicht unser duales Ausbildungssystem praktiziert wird. Das ist in der Krankenpflege ähnlich, fast übertragbar. In der EU werden alle Ausbildungen in Form von schulischen Ausbildungen oder Studiengängen angeboten. Das ist kein Sonderfall für die Krankenpflege, sondern das gilt für alle anderen Ausbildungsarten auch.

Ich finde es gut, dass wir das heute hier thematisieren. Wir haben uns in den letzten Jahren aus gutem Grund sehr viel über die Ärzte unterhalten. Beim Pflegepersonal wird die Situation in Kürze ähnlich prekär werden. Ich kann nur sagen, ich habe großen Respekt, auch als Arzt, vor der Leistung von Krankenschwestern und Krankenpflegern, die einen harten Job machen.

Ich finde es gut – auf meinem Fachgebiet ist das schon länger üblich –, dass man zunehmend dazu übergeht, im Krankenhaus unabhängig von der ärztlichen Gesamtverantwortung hierarchische Strukturen abzubauen und lernt, im Team zu arbeiten. Das kommt den Patienten zugute.

(Beifall bei der CDU)

Der Nachwuchsmangel ist gegeben. Sollten sich die zwölf Jahre durchsetzen, dann wird dieser Nachwuchsmangel noch eklatanter werden. Das ist ganz klar.

(Frau Brede-Hoffmann, SPD: Richtig!)

Ich darf dem zustimmen, dass wir im gesamten medizinischen Bereich, bei den Hebammen und den Gesundheits- und Krankenpflegern – so ist der neue Begriff fixiert –, stärkere Anforderungen haben. Aber braucht man wirklich eine zwölfjährige Schulausbildung? Ich meine nein, weil die Praxis bei uns zeigt, dass es auch ohne zwölfjährige Schulausbildung geht.

Was man braucht in diesem Beruf, ist eine menschliche und charakterliche Qualifikation, die sich neben technischem Know-how vor allen Dingen in Zuwendung und Betreuung bei allen Medizinanbietern, auch bei den Ärzten, zeigen muss.

(Beifall der CDU und bei der SPD – Frau Brede-Hoffmann, SPD: Richtig!)

Ich will in dem Zusammenhang auf die eben angesprochene Fachausbildung hinweisen. Gerade für den Personenkreis, der Abitur oder Fachabitur hat – das ist ja nicht verboten, damit in den Beruf zu gehen, im Gegenteil –, ergibt sich die Möglichkeit, weil es in bestimmten speziellen Bereichen wie der Anästhesie, in der Intensivmedizin oder im Operationsbereich gestiegene Anforderungen gibt, sich in Form einer Fachausbildung weiter zu qualifizieren. Wir haben auch die Möglichkeit, mit

Fachhochschulniveau zu studieren oder auch im Pflegebereich an der Pflegehochschule einen entsprechenden Studiengang zu belegen.

Das ist sehr gut, und das sollte auch weiterhin so bleiben.

Etwas irritiert war ich über einen Artikel in der „RheinZeitung“, aus dem ich mit Erlaubnis der Präsidentin zitieren darf. Darin wird die Vize-Chefin des Berufsverbandes Pflegeberufe, Frau Stöcker, zitiert: „Je besser qualifiziert die Pflegefachpersonen sind, umso weniger Komplikationen bis zum Tod treten bei Patienten auf“.

Meine Damen und Herren, das halte ich für völlig überzogen und für harten Tobak. Das ist diskriminierend für diejenigen, die diesen harten Job zurzeit ausüben. Ich muss sagen, das ist eine Eskalation, der ich vehement widersprechen muss. Man darf es nicht so formulieren, dass quasi durch eine Erhöhung der Zugangskriterien die Patientensicherheit verbessert würde.

(Beifall der CDU und bei der SPD)

Dafür gibt es auch keine Belege. Ich kann mir höchstens vorstellen, dass in diesem Fall der Wunsch dieser Dame der Vater des Gedankens ist, um durch eine 12-jährige Ausbildung mehr Elan hineinzubringen. Aber dazu werde ich in der zweiten Runde noch etwas sagen.

(Beifall der CDU)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat nun Herr Kollege Dr. Konrad das Wort.

Vielen Dank. – Frau Präsidentin, sehr geehrte Abgeordnete! Es wurde schon das meiste dazu gesagt, aber ich möchte noch einige Dinge zu der grundlegenden Richtlinie der EU klarstellen. Es geht nicht darum, dass die EU festlegen könnte, wer in Deutschland unter welchen Voraussetzungen eine Kranken- oder Gesundheitspflegeausbildung machen kann, sondern es geht darum, welche Abschlüsse in der EU anerkannt werden können.

Natürlich ist es gerade vor dem Hintergrund, dass dieses Berufsbild attraktiv gestaltet werden muss, um die Pflegenotwendigkeiten in den nächsten Jahren abdecken zu können, enorm wichtig, dass die Attraktivität des Berufsbildes nicht darunter leidet, dass die Abschlüsse im Ausland nicht anerkannt werden würden. Zwar bilden Deutschland, Österreich und Luxemburg die Mitte der EU, aber nicht die ganze EU. Es ist leicht vorstellbar, dass gerade junge Menschen, die sich für einen Beruf entscheiden und Perspektiven über ihr Zuhause hinaus suchen, darauf achten werden.

Die Gesundheitsministerkonferenz hat einstimmig den Beschluss gefasst, dass sie diese Richtlinie aus diesen Gründen ablehnt. Sie hat auch einstimmig beschlossen, dass darüber hinaus Ausgleiche geschaffen werden

müssen und durch entsprechende Verhandlungen in Brüssel Nachqualifizierungen dazu geeignet sein müssen, dass eine Anerkennung des entsprechenden Abschlusses auch bei geringerer Allgemeinbildung in der Schule möglich wird.

Wenn in Deutschland ebenfalls zwölf Jahre Schulausbildung vorausgesetzt werden, wären die Vorteile dieser Richtlinie natürlich, dass sich die Aufstiegschancen und auch der Schub für eine neue Verantwortungsstruktur im Gesundheitswesen selbstverständlicher ergeben würden, aber – und darin stimme ich mit meinen Vorrednerinnen und Vorrednern ausdrücklich überein – daraus ergibt sich nicht die Aussage, dass die Pflege dadurch besser würde. Die Pflege ist in Deutschland mindestens ebenso gut wie im europäischen Ausland; es besteht lediglich zum Teil im Vergleich zu angelsächsischen Ländern eine andere Verantwortungsstruktur, aber wir stehen auch erst am Anfang einer Entwicklung. Ob letzten Endes dafür eine Akademisierung des gesamten Pflegebereichs notwendig werden wird, wird die Entwicklung im gesamten Gesundheitswesen zeigen.

Die hohen Anforderungen und Standards in Deutschland zeigen sich daran, dass es auch wegen des umfangreichen Angebots der Fachpflegeausbildung keinen nennenswerten Qualitätsmangel gibt. Dies haben meine Vorrednerinnen und Vorredner ebenfalls gesagt. In Rheinland-Pfalz sind mit dem Branchen-Monitoring Gesundheitsberufe die entsprechenden Voraussetzungen geschaffen worden, um nachzujustieren.

Die „Fachkräfte- und Qualifizierungsinitiative Gesundheitsberufe 2012“ ist bereits im Ministerium eingeleitet, und dazu stehen wir. Wir begrüßen, dass die Landesregierung zusätzliche Möglichkeiten prüft, ob Nachqualifizierungen, ein duales Studium und Ähnliches zu einer stärkeren Teilakademisierung des Berufsbildes beitragen werden. Ich gehe davon aus, dass derzeit die Pflegeverbände sich natürlich sehr für diese Richtlinie einsetzen werden, aber dass man auch dort zu der Erkenntnis gelangt, dass das duale System, wie es derzeit in Deutschland für die Ausbildung zur Verfügung steht, eine gute Qualität bietet und sich nicht von heute auf morgen durch eine EU-Richtlinie ändern lässt.

Deshalb müssen wir, was diese EU-Richtlinie angeht, dafür sorgen, dass es aufgrund der vielfältigen Nachqualifizierungen, die in Deutschland und auch in RheinlandPfalz für diese Berufsgruppe zur Verfügung stehen, zusätzliche Anerkennungen auch im Ausland geben kann, wie die Gesundheitsminister dies bereits vorgesehen haben.

Vielen Dank.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Vielen Dank, Herr Dr. Konrad.

Für die Landesregierung hat nun Frau Staatsministerin Dreyer das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Herren und Damen! Ich freue mich, dass wir einhellig einer Meinung sind. Sie wissen, dass für die Landesregierung schon immer die Devise bestand, jungen Menschen die bestmöglichen Chancen zu bieten, aber gleichzeitig auch den Fachkräftebedarf zu decken.

Ich denke, eine der großen Stärken unseres Bildungssystems ist die Durchlässigkeit, und dies zeigt sich auch sehr deutlich in den Pflegeberufen. Man kann in Rheinland-Pfalz tatsächlich mit einem neunjährigen Schulabschluss die Helferausbildung machen, danach die qualifizierte Krankenpflegeausbildung absolvieren, und danach hat man sogar noch die Möglichkeit, sich mit diesem Abschluss an der Hochschule weiter akademisch zu qualifizieren.

Das, was von meinen Vorrednern schon gesagt wurde, kann ich nur noch einmal betonen: Die Qualität unserer Krankenpfleger und Gesundheitspfleger ist sehr hoch und auch im europäischen Raum anerkannt. Man muss auch immer wieder sagen, dass sie sich auch mit dem tertiären Sektor in anderen europäischen Staaten durchaus messen lassen kann. In diesem Bereich können wir mit den Fachschulen absolut mithalten. Deshalb wird auch in Zukunft das Gros der Ausbildung natürlich im Fachschulbereich stattfinden.

Nichtsdestotrotz – ich glaube, das ist auch deutlich geworden – haben wir immer die Aufgabe, über die Qualität und die Weiterentwicklung dieser Ausbildungsgänge nachzudenken, und das tun wir auch. Sowohl in der Altenpflege als auch in der Krankenpflege sind Ausbildungsgänge novelliert worden. Im Moment arbeiten wir mit dem Bund an der Einführung der generalistischen Ausbildung. Auch dieses Thema kommt noch auf uns zu, dass es in Zukunft wahrscheinlich gar keine getrennten Ausbildungen im Bereich der Altenpflegeausbildung und im Bereich der Kranken- und Gesundheitsberufe mehr gibt, sondern dass wir stärker in die generalistische Ausbildung einsteigen.

Auch das Thema „Teilakademisierung“ ist ein wesentlicher Punkt. Es gibt viele junge Menschen, für die ein akademischer Abschluss attraktiv ist und die auch an die Hochschule gehen wollen. Sie haben in dualen Studiengängen die Möglichkeit dazu. Ich finde dies auch sehr gut, weil das Gesundheitswesen komplizierter und differenzierter wird und deshalb auch bestimmte Anforderungen in bestimmten Bereichen durch einen noch höherwertigeren Abschluss gedeckt werden müssen. Ich denke, dass wir in Rheinland-Pfalz in diesem Bereich bislang gut aufgestellt sind.

Ich habe Ihnen aber auch schon angedeutet, dass wir uns im gleichen Maße, wie wir uns im nichtakademischen Bereich mit der generalistischen Ausbildung beschäftigen, selbstverständlich auch damit beschäftigen werden, wie wir die akademische Ausbildung weiterentwickeln werden können. Ich glaube, dies ist ebenfalls ein attraktives Feld, und zwar nicht nur für die jungen Leute, sondern auch für unsere Hochschulen, und ich denke, durch die Differenzierung der Aufgabenbereiche im

Gesundheitswesen ist es wichtig, dass wir neben dem großen Teil der nicht akademisch gebildeten Menschen auch akademisch gebildete Menschen brauchen werden.

Insofern sollten wir mit etwas mehr Gelassenheit dieser EU-Richtlinie entgegensehen. Wir tun alles, um noch Einfluss darauf zu nehmen, dass sie in dieser Härte vielleicht nicht in Kraft tritt. Nichtsdestotrotz ist zu Recht gesagt worden, es geht nicht darum, dass unser Abschluss nicht mehr die gleiche Wertigkeit hätte, sondern es geht nur darum, den jungen Menschen zu vermitteln, dass es auch in Rheinland-Pfalz Möglichkeiten geben wird, wenn man im europäischen Ausland arbeiten möchte, und dass es Qualifizierungen geben wird, damit eine Anerkennung auf dem üblichen Weg in Europa möglich wird, wenn es auch nicht die automatische Anerkennung ist. Ich glaube, wir werden auf diesem Weg gut weiterarbeiten können.

Es ist mir wichtig, noch einmal zu betonen, dass sich sehr viele Menschen in diesen Ausbildungsgängen in den Fachschulen befinden, die sich erst nach zehn Jahren dazu entschlossen haben, aber dennoch herausragende Krankenpfleger werden. Wir sollten diese Menschen nicht vor die Tür setzen, sondern wir haben ein Interesse daran, möglichst viele junge Menschen für diesen schönen, aber auch anstrengenden Beruf zu gewinnen. Wir brauchen in Zukunft eher mehr Fachkräfte in diesem Bereich, und deshalb sollten wir diese Tür keinesfalls zuschlagen.