Protokoll der Sitzung vom 19.01.2012

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Ministerin Dreyer.

Gibt es weitere Wortmeldungen? – Ich erteile Frau Anklam-Trapp für die SPD-Fraktion das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte diese Diskussion noch einmal aus einer anderen Sichtweise beleuchten, und zwar aus der Sicht, dass wir uns neben dem Fachkräftebedarf, den wir in Zukunft abdecken müssen – Prognosen sagen, wir brauchen in Deutschland 40.000 Fachkräfte, um diese Herausforderungen aufzuneh- men –, aufstellen. Wir machen das, was die Ministerin ausführlich ausgeführt hat, mit der Möglichkeit des Zugangs zur Fach- und Weiterbildung, Hochschulstudium usw. All das ist möglich. Aber wir brauchen Menschen, die mit den ganzen Voraussetzungen in der Lage sind zu pflegen.

Ich komme jetzt auf einen Punkt, der mir an dieser Stelle noch ganz besonders wichtig ist. Wenn wir mit dieser breiten Diskussion, die in Deutschland geführt wird, am Ende Patienten verunsichern, weil wir sagen, die Schulbildung muss, um kompetent pflegen und all diese Spektren abdecken zu können, zwölf Jahre dauern, dann

haben wir das Thema falsch behandelt und verfehlt. Ich möchte noch einmal ganz deutlich das Augenmerk darauf legen, dass der derzeitige Stand der Ausbildung im europäischen Vergleich ausgesprochen hoch ist und die Pflegeausbildung in unserem Land mit der Ausbildung der Krankenschwester, des Krankenpflegers und des Gesundheitspflegers hervorragend ist. Die Pflegekräfte dürfen am Ende nicht über diese Diskussion frustriert sein.

Wir brauchen die Möglichkeit für Menschen, die in diesem Beruf ihre Zukunftsaufgabe sehen. Wir brauchen jeden Einzelnen und wir werden die Angebote entsprechend schaffen und uns bemühen, mit Anerkennungsmöglichkeiten und Qualifizierungsmaßnahmen, vielleicht auch einen Arbeitsplatz in Europa möglich zu machen. Das ist ein Ziel, aber das wäre das Ziel danach. Unser erstes Ziel ist es, den Zugang der Pflegenden weiterhin möglich zu machen.

Vielen Dank.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Kollege Dr. Enders, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich möchte ganz kurz noch vier Punkte erwähnen. Man muss feststellen, dass von 40.000 Auszubildenden im Pflegebereich 15.000 eine zwölfjährige Qualifikation haben. Wenn man das anhebt, dann schließt man einen großen Teil der Interessenten davon aus. Das ist diskriminierend. Woher sollen denn dann überhaupt noch die Kandidaten kommen, die bereit sind, in die Pflege zu gehen? Das ist ein wichtiger Punkt.

Bei den Medizinstudenten hat man dazugelernt. Da geht man andere Wege. Ich möchte das noch ein wenig fortsetzen, was Sie gesagt haben. Frau Ahnen hat mir vor einigen Jahren auf eine Kleine Anfrage geantwortet, dass es an der Universität Mainz möglich ist – ich denke, das ist nach vor wie so –, sich mit einem guten oder sehr guten Krankenpflegeexamen anstatt mit dem Abitur für das Medizinstudium konkret an der Universität zu bewerben. Das ist bestimmt der richtige Weg, den man da geht, und nicht eine Rolle rückwärts.

Wenn es für den Konflikt mit der EU keine Lösung gibt – Herr Montgomery, der Präsident der Bundesärztekammer hat das einmal diskutiert –, wäre es ein anderer Weg, die Schulzeit neu zu definieren. Da müsste geprüft werden, inwiefern man Vorschulzeiten in die zwölf Jahre mit einbeziehen kann, was eine juristische Frage ist.

Letztendlich geht es aber um die Attraktivitätssteigerung. Die Demografie wird die Arbeitsbedingungen eigentlich verschlechtern. Wenn die Arbeitsbedingungen im Pflegebereich schlechter werden, dann kommen weniger Leute hinein. Das ist dann ein Teufelskreis. Diesen kann man eigentlich nur durchbrechen, indem wir als Gesell

schaft akzeptieren, dass Gesundheits- und Krankenpflegerinnen und Gesundheits- und Krankenpfleger absolut für den Job, den sie machen, unterbezahlt werden.

(Beifall bei der CDU)

Das muss unsere Aufgabe sein. Geld ist nicht alles, aber das ist ein wichtiger Punkt, der dazu beiträgt, diese Spirale endlich einmal zu lösen. Was ist uns das wert?

(Beifall der CDU – Frau Thelen, CDU: Nicht so viel wert wie eine Autoreparatur!)

Ich erteile Herrn Kollegen Dr. Konrad für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte eines klarstellen: Die Krankenpflegeausbildung und die Gesundheitspflegeausbildung werden sich weiterentwickeln müssen. Die Anforderungen werden größer. Auch die Verantwortung der Menschen, die in diesen Berufen arbeiten, wird größer.

Eine sektorenübergreifende Versorgung, von der wir alle reden, heißt auch, dass Menschen aus den Pflegeberufen eigenverantwortlich vor Ort im ambulanten Bereich tätig werden.

Es geht um eine eigenverantwortliche Sicherstellung regionaler und wohnortnaher Versorgung gemeinsam mit den Ärztinnen und Ärzten in einem Miteinander, wie es die Ministerin eben ausdrückte, auf Augenhöhe.

Es geht darum, die eigene Erfahrung einbringen zu können, um die individuellen Bedürfnisse und Bedarfe zu erfassen. Es geht darum, die Patientinnenrechte und die Rechte der Pflegebedürftigen zu stärken. Das kann dieser Berufsstand auch besser, weil er näher am Menschen dran ist als die häufig weiter entfernten Ärzte, die die Patienten in der Regel seltener sehen.

Die interprofessionelle Teamarbeit bedeutet auch, dass die Abschlüsse vergleichbarer werden. Sie bedeutet auch, dass ein anderes Verhältnis zwischen den Berufsgruppen im Gesundheitswesen besteht.

Die Steuerung von Versorgungsprozessen ist ohne gut ausgebildete und gut weitergebildete Pflegekräfte nicht denkbar. Das Case-Management fußt geradezu auf den Menschen, die unmittelbar neben den Pflegebedürftigen und neben den Patienten ihre Arbeit tun.

Eine zeitgemäße Pflegeausbildung ist also Voraussetzung für die Weiterentwicklung des gesamten Versorgungssystems. Das stellt niemand in Abrede. Es ist aber zu hinterfragen, ob uns eine längere Schulausbildung vor der Pflegeausbildung, vor der Nachqualifizierung, vor der eventuell auch zusätzlichen Hochschulausbildung in dieser Richtung weiterbringt. Deshalb unterstütze ich

ausdrücklich die Initiative, die die Gesundheitsministerkonferenz und auch unsere Gesundheitsministerin hierzu ergriffen haben, dass eben eine Gleichwertigkeit der deutschen Pflegeausbildung soweit wie möglich erhalten bleibt, auch wenn sich diese EU-Richtlinie durchsetzen sollte.

Vielen Dank.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Ich darf weitere Gäste im Landtage begrüßen, und zwar Schülerinnen und Schüler der 10. Klasse des Nikolausvon-Kues-Gymnasiums aus Bernkastel-Kues, Schülerinnen und Schüler der Integrierten Gesamtschule Berthavon-Suttner aus Kaiserslautern sowie Schülerinnen und Schüler der Jahrgangsstufe 12 des Hilda-Gymnasiums Koblenz. Seid herzlich willkommen in Mainz im Landtag!

(Beifall im Hause)

Wir kommen nun zur Aussprache über die Mündliche Anfrage der Abgeordneten Anna Neuhof (BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN), Solidarpakte Wind im Wald – Nummer 3 der Drucksache 16/809 – betreffend.

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erteile ich Frau Kollegin Neuhof das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Gäste oben auf der Tribüne! „Solidarpakte Wind im Wald“ ist ein spannendes Thema, ein Thema für die Zukunft. Ich glaube, ich verrate keine besondere Neuigkeit, wenn ich sage, dass es auch ein anspruchsvolles Thema ist, bei dem wir auch mit ganz viel Engagement zur Sache gehen müssen.

Ich bin nicht nur Landtagsabgeordnete, ich bin auch Verbandsgemeinderätin und somit in der Kommunalpolitik tätig. Das heißt, ich kenne die Diskussion von beiden Seiten. Ich kenne sie hier aus dem Land und kenne sie aus der Kommune.

Was mich immer ärgert, ist, wenn von Goldgräberstimmung in den Kommunen gesprochen wird. Ich mag diesen Begriff überhaupt nicht, weil er einfach das ehrliche Interesse und das Bestreben der Kommunen, an der Energiewende teilzuhaben und diese zu befördern, vernachlässigt.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

Genau mit diesen geplanten Solidarpakten wird eine Möglichkeit geschaffen, Lasten und Nutzen gerecht zu verteilen. Ich glaube, dieser Gerechtigkeitsaspekt ist eine ganz wichtige und ganz sinnvolle Möglichkeit, genau zu zeigen, dass wir die Kommunen unterstützen, die Kommunen nicht außen vor gelassen werden und nicht im Regen stehen bleiben.

Natürlich haben wir Kommunen mit windhöffigen Standorten und Kommunen, die solche nicht haben. Wir können aber durch diese Möglichkeiten, die sich durch die Solidarpakte eröffnen, da einen gerechten Ausgleich schaffen.

Es sind eben schon viele Aspekte des Solidarpaktes ausgeführt worden. Ich möchte einen Aspekt noch ganz besonders betonen. Es ist nicht unanständig, mit Energie Geld zu verdienen. Wir wollen genau mit diesen Möglichkeiten den Kommunen auch regionale Wertschöpfungen ermöglichen.

Trotzdem gibt es – das ist auch richtig, weil wir uns vor großen Veränderungen befinden – in den Kommunen bei den Bürgerinnen und Bürgern sehr viele Fragen. Es gibt viele Befürchtungen. Es gibt sehr viele Unsicherheiten.

Ich stelle einmal die Frage: Wie sieht die Landschaft aus, wenn – polemisch gesagt – überall Windenergieanlagen herumstehen? Das wird oft gesagt. Es wird auch oft gesagt: Meine Kommune hat einen Standort, die andere hat keinen. –

Es gibt viele Fragen des Naturschutzes. Es darf aber nicht so sein, dass eine Situation gegen eine andere ausgespielt wird.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Der Schutz der Natur und die Nutzung der Windenergie können und müssen gleichrangig verwirklicht werden. Ich bin fest davon überzeugt, dass diese attraktive und spannende Aufgabe zu bewältigen ist. Es ist keine Frage, dass der Wald als Standort genutzt werden darf. Das hilft, der geplanten Energiewende ein gutes Stück näherzukommen.

Die Solidarpakte haben gute Chancen, qualifizierte Planungs- und Genehmigungsverfahren zu ermöglichen. Windenergie auf geeigneten Standorten, keine Verspargelung, effektive Nutzung, gerechte Verteilung – das sind alles positive Aspekte dieser neuen Möglichkeit.

Einen ganz wichtigen Teil dürfen wir nicht außer Acht lassen. Das ist die Akzeptanz für Windenergie in der Bevölkerung. Ich glaube, dass wir mit diesen neuen Möglichkeiten, die jetzt praktisch angegangen werden, die Akzeptanz weiter erhöhen.

Meine Damen und Herren, ich könnte jetzt noch ganz lange und mit sehr viel Begeisterung zu diesem Thema sprechen. Ich möchte Sie gerne bei diesem Thema weiter mitnehmen. Aber ich möchte Sie auch auffordern, unterstützen Sie uns und die Bestrebungen der Landesregierung. Werben Sie in Ihren Kommunen für die Umsetzung der Energiewende. Reden Sie über die Solidarpakte und lassen Sie uns die Energiewende gestalten.

Danke schön.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)